13. Jahrhundert in Italien In Übertragung von Richard Zoozmann
CI.
“Auswendig kann
ich alle Sprachen reden,
In jedem Rock
durchzog ich Feld und Heide;
Ob Mönch, ob
Priester, trefflich mach ich beide,
Fürst, Ritter,
Knappe, Page – ich spiel jeden.
Will es mein
Vorteil, und ich seh jedweden,
Bin ich Prälat und
Abt; im Ordenskleide
Schütz ich am
besten mich vor jedem Leide,
Wenn ich als
Schlaufuchs will ein Lamm befehden.
Einsiedler bin
ich, Pilger auch nicht selten,
Chordiener,
Rechtsanwalt, gerichtsstatthalter;
Als Domherr,
Frater, Bettelmönch zu gelten,
macht Spaß mir, auch
als Forstmann und Verwalter.
Bald bin ich jung
und bald gebeugt vom Alter:
Kurzum, ich laß
mich alles sein und schelten.“
CII.
“Dann wähl ich,
meiner Freundin nachzugehen,
Die sich
bekanntlich nennt Frau Ungernfasten,
Noch andre
Kleider, wie ihr solche paßten,
Weil ihre
Lustigkeit ich kann verstehen,
Und gern sie mag
an meiner Seite sehen;
Denn demutvoll
erleichtert sie die Lasten
Und liebreich
jenem, den sie ungern gasten
Hier sieht: wollt
ihn der Wind nach Spanien wehen!
Betschwester ist
sie, dann Äbtissin wieder,
Bald Klosterfrau,
Beschließerin und Nonne,
Zur Obrin auf, zur
Dienrin steigt sie nieder.
Gott weiß, woher
sie mag ihr Frommsein borgen!
Novize heute,
Ordensschwester morgen –
Doch was sie tu,
Bosheit ist ihre Wonne.“
CIII.
“So zieh ich ohne
jegliche Beschwerden
Von Ort zu Ort auf
diesem Erdenballe
Und suche auf die
Ordensbrüder alle;
Doch raub ich nur
das Stroh den frommen Herden,
Das Korn verschmäh
ich. Kleidung und Geberden
Nachäffen ist ja
einzig mein Gefalle,
Und süß zu
predigen in der Kirchenhalle:
Denn damit fängt
man schnell das Volk auf Erden.
So tausch ich
unaufhörlich Wort und Weise
Und spreche
demutsvoll und lippenleise,
Doch Wort und Tat
sind himmelferne Dinge.
Und keiner, der
bisher sein Brot gebrochen,
Verhindert mich,
daß krummen Weg ich ginge;
Denn dieser lockt
mich wie den Hund der Knochen.“
CIV. Amor und
Trügemund.
es wollte nunmehr
die Erzählung enden
Freund Trügemund
und weitre Worte sparen,
Doch Amor ließ
nicht Ungeduld gewahren,
Ihm fernerhin sein
Ohr noch zuzuwenden,
Nein, bat sogar
ihn, weitres noch zu spenden:
„Laß uns, Freund
Trügemund, nunmehr erfahren
Dein Wesen ganz
und gar mit Haut und Haaren;
Nicht reue dichs,
noch Worte zu verschwenden.
Du scheinst mir
ganz nach Jesuchristi Sinne
Ein Mann zu sein,
ein Klausner fromm und heilig.“ –
„Gewiß! Jedoch im
Heucheln hab ichs eilig.“ –
„Streng fasten
predigst du, des ward ich inne.“ –
„Gewiß! Doch ob
ich auch verhungert scheine,
Die besten Bissen
schluck ich ganz alleine.“
CV. Trügemund.
„Ja, guter Bissen
voll hab ich im Ranzen,
Und nur die
allerfeinsten Weine mag ich,
Denn andre niemals
durch die Kehle jag ich;
So leb ich wie der
König lebt der Franzen.
Die andern sind ja
nur armselige Wanzen,
Mit mir
verglichen; als ihr Meister rag ich!
Die heiligen Dinge
all im voraus sag ich;
So muß die Welt
nach meiner Pfeife tanzen.
Auch muß man mir
den Vorzug zuerkennen,
Daß ich darf
tadeln ohne Gegentadel,
Und zwar mit
Recht, weil sie mich weise nennen.
So trag ich stets
gespannt bei mir den Bogen,
Und Leid und Not
kommt jedem zugeflogen,
Der mich nur
ritzen wollt mit einer Nadel.“ -
CVI. Amor und
Trügemund.
„Du predigst also
laut der Armut segen
Und lobst sie.“ –
„Freilich; doch nur andern immer,
Denn ich bin nicht
ihr Freund, und war es nimmer,
Ja, steh als
grimmer Feind ihr stets entgegen.
Viel eher wollt
ich treue Freundschaft pflegen
Mit Frankreichs
König; denn ich halts für schlimmer,
Dem nachzutun, der
bettelnd mit Gewimmer
Vorm Tor steht und
fast stirbt des Mangels wegen.
Und ob auch eines
Heiligen Seele wohne
Im armen Mann, ich
geb ihm kein Geleite,
Nein, schieb nach
Möglichkeit ihn auch beiseite,
Denn Trug ists,
wenn ich ihm mit Liebe lohne.
Doch lob ich mir
solch Mäntelchen als Decke,
Daß ich den
Anschein frommen Manns erwecke.“
CVII. Trügemund.
„Und seh ich diese
nackten Bettelhunde
Auf ihrem
hochgetürmten Unrat kauern.
Indem sie Frost
und Hunger so durchschauern,
Daß sie von Gott
und Heiligen ohne Kunde –
Laß ich sie
abseits ganz zu jeder stunde
Und ruhig in der
Niedrigkeit versauern.
„Wie alle, die auf
Byzantiner lauern,“
Sag ich, „seid mit
dem Teufel ihr im Bunde.“
Denn frieren sieht
man ihren Leib und welken,
Daß ich nicht
weiß, was daraus wär zu melken:
Wer selbst das
Messer ableckt, mag der schenken?
Drum wärs ein
großer Widersinn, zu denken,
Den Obstverkauf
der Hökrin beizubringen,
Und daß im
Hundestall Speckseiten hingen.“
CVIII.
„Doch find ich
einen Wuchrer, einen reichen,
Der krank, erfrag
ich fleißig sein Befinden
Und hoffe dabei
Geld herauszuschinden,
Nicht handvoll,
nein, bis übers Eichungszeichen,
Daß ihm und all
den Seinigen desgleichen
Kein Pfennig
bleibt, nicht einmal trockne Rinden.
Stirbt er, bewein
ich ihn, um zu verschwinden
Sodann, als wollt
der Frost im Jänner weichen.
Und falls mich einer
etwa darum schmäle,
Daß Arme ich
verschon und Reiche schröpfe,
So sag ich, daß,
wer reich, mehr Sünden zähle,
Und daß ich stärke
drum und lenk die Tröpfe,
Bis ihres
Reichtums mehr kein Deut sich wiese
Und sie durch mich
eingehn zum Paradiese.“
CIX.
„Ich sag, daß
in so große Sünde fiele
Der Mensch durch
große Armut ohne Frage,
Wie großer
Reichtum auch zur Schuld beitrage;
Drum rat ich
jedem, daß er danach ziele,
Was Salomon uns
schrieb mit weisem Kiele:
„Durch deine große
Huld, o Gott, versage
Mir zuviel
Armuts-, zuviel Reichtumsplage,
Und gib mir deines
Guts nur wie zum Spiele.“
Denn leicht mag,
wer zu reich ist, den vergessen,
Der ihn erschuf in
seiner großen Liebe,
Daß seine Seele
geht auf schlechten Pfaden.
Wen aber Armutsnöte
schmerzhaft pressen,
Kann zum Betrüger
werden oder Diebe,
Neid wird ihn
töten, Lüge wird ihm schaden.“
CX.
„ Die Schrift
befiehlt auch nicht, daß sich gesunde
Und kräftge
Burschen auf das Betteln legen,
Noch durch der
andern Arbeit gut sich pflegen:
Das ist mißliebig
Gott aus Herzensgrunde.
Auch will er
nicht, daß Betsaal und Rotunde
Aus Allmosen man
bau der Mönche wegen,
Nein will, daß
jeder teilnimmt froh am Segen:
Ihn freuts, wenn
Kraft und Wohlsein stehn im Bunde.
Der gute Justinian
hielts drum für nötig,
Auch solch Gebot
in sein Gesetz zu schreiben,
Daß keiner dem
Gesunden spenden solle,
Der Brot kann
schaffen, doch es nicht erbötig,
Nur weil er nichts
von Arbeit wissen wolle:
Den heißt er
tadeln, strafen und vertreiben.“
CXI.
« Wer sich
gemästet so mit milden Gaben,
Dem blüht kein
Ruhm im Paradiesesgarten,
Nur groß Mißfallen
hat er zu erwarten,
Wenn er nicht etwa
sollt ein Vorrecht haben.
Und hat er eins,
laß sich der Papst begraben
Mit seinen
Gründen, die ihn schnöde narrten;
Denn wer gesund
und stark, soll nicht Freikarten
Bekommen, bettelnd
durch das Land zu traben.
Allmosen soll man
doch nur Leuten geben,
Die krank und alt
und ausgemergelt, denen
Der Tod
willkommner Abschied wär vom Leben.
Wer ihnen die in
ihrer Not will rauben,
Wirds bitter
büßen, so sich aufzulehnen:
Und daß dies recht
ist, wird wohl jeder glauben.“
CXII.
« Solang auf
Erden Jesus noch gegangen,
War, wie die
irrtumslose Schrift schon lehrte,
Kein Jünger, der
nicht Brot und Wein begehrte,
Konnt er durch Hände
Arbeit nicht erlangen.
Mit weisen hab ich
drob in Streit gehangen,
Weil ihre Meinung
zu Paris bekehrte
Das Volk, daß mit
dem Teufel sich beschwerte,
Wer Bettelgaben
stebe zu empfangen.
Und als dann Jesus
stieg zu Himmelsgründen,
Tät Paulus streng den
Jüngern anempfehlen,
Das Evangelium
nicht um Geld zu künden,
Und nur zu
predigen aus Liebe immer.
Arbeit ihr Leben
war, ich kanns nicht hehlen,
Doch Haus und
Schloß erbauten sie sich nimmer.“
CXIII.
« Noch gilts
besondre Arme zu erkennen,
Die Lebenskost um
Gotteslohn verlangen;
Sie tun, als ob
wir groß Verdienst empfangen,
Wenn ihrethalb in
Mitleid wir entbrennen.
Von diesen muß man
einige töricht nennen,
Weil einem
Handwerk nie sie nachgegangen,
Und andre haben
dem zwar angehangen,
Doch ließ sie Zeitungunst
ins Unglück rennen.
Dann gibt es noch
vertriebne Edelleute,
Die nie gewohnt
der Arbeit, denn ihr Denken
Galt Zoll und
Renten nur als sichrer Beute.
Die soll man stets
mit offner Hand beschenken,
Denn sie zu
unterstützen ist vernünftig.
Wer diese fördert,
dem lohnt Gott es künftig.“
CXIV.
« Dem aber,
der die Arbeit pflegt zu lieben,
Doch davon keinen
Nutzen kann erlangen,
Erlaubt es Gott,
Almosen zu empfangen,
Um seine Karre neu
ins Gleis zu schieben.
Und fühlen Arme
sich vom Geist getrieben,
Dem Studium einer
Lehre anzuhangen,
Ists groß
Verdienst, bis sie ihr Ziel errangen,
Wenn wir mit
Beistand nicht zurückgeblieben.
Und wer die
Ritterschaft erwerben wollte,
Daß er im
Glaubenskriege Ruhm sich pflückte,
Der täte gut so
lang darum zu bitten,
Bis er gerüstet
wär und gut beritten,
Und ihm das Geld
so durch die Finger rollte,
Daß ihm ins
Heilige Land die Seefahrt glückte.“ -
CXV. Amor und
Trügemund.
„Sag, Trügemund:
wie muß es der beginnen,
Gott nachzugehn,
der all sein Gut verschwendet,
Indem ers für die
Armen aufgewendet,
Und der jetzt
nichts mehr hat im Beutel drinnen,
Doch stark von
Körper ist und hell von Sinnen?
Tät solcher recht,
bevor er übel endet,
Wenn er gleich
dem, dem du ein Lob gespendet,
Durch Betteln sucht
sich Nahrung zu gewinnen?“
„Ich sage nein;
denn wenn auch Gott es wollte,
Daß man den Armen
alles geben sollte
Und ihm nachfolgen
– nicht ans Betteln dacht er
(Und wer dies
glaubte, einen Fehler macht er) –
Nein, Wohltun soll
mit Arbeit sich verbünden;
Ein rüstiger
Mensch, der bettelt, fällt in Sünden.“
CXVI. Trügemund.
«Noch ist ein
Brauch, ein grimmiger, uns eigen :
Sobald wir einem
feindlich sind gesonnen,
Wird gleich ein
böses Netz um ihn gesponnen,
Verleumdung, Tücke
– andres zu verschweigen.
Und wenn es sich
durch Zufall sollte zeigen,
Daß er zum
Aufstieg freien Weg gewonnen,
Wird heimlich ihm
verschüttet jeder Bronnen,
Bis wir zurück ins
Nichts ihn lassen steigen.
Und dies bewirken
wir so schlau und leise,
Daß er nicht merkt,
durch wen sein Spiel verloren,
Als bis er ganz
geschleudert aus dem Gleise.
Denn käm es früher
ihm vor Aug und Ohren,
Er würde zur
Verteidigung sich rühren,
Um mich als
Lügenmund zu überführen.“ –
CXVII. Amor und
Trügemund.
„Das scheint
Treulosigkeit mir ohnegleichen,“
Sprach Amor. „Und
an Christum glaubst du schwerlich?“ –
„Ich nicht; denn
die Gerechtigkeit kann ehrlich
Ein Armer und
Trübseliger nur erreichen.
Ich lache nur ob
solcher Einfalt Zeichen;
Nein, wie ich
kann, erraff ich, was verzehrlich,
Weil keinem Auge
jener scheint begehrlich,
Der nicht der
Armut aus dem Weg mag weichen.
Allorts wird er
verabscheut und vertrieben,
Freund oder Vetter
will ihn niemand heißen,
Aus Furcht, man
könnte freundlich nach ihm fragen.
Andern befehlen,
mag ich eher lieben
(Wie wenig solches
Christo mag behagen)
Als mich in andrer
Herren Dienst zerreißen.“
CXVIII. Trügemund.
„Seht, wie die
Wucherer im Mammon schwimmen,
Die Vögte seht,
auch Pröbste, Rechtsgelehrte,
Die man ja stets
als größte Räuber ehrte,
Die übermütig
wußten hochzuklimmen.
Die Bürger heut
den Adel überstimmen,
Waren verschachern
alle, heißbegehrte,
Den Kaufpreis
stunden gern sie, bis der werte
Herr Ritter davon
kriegt im Leib das Grimmen,
Und er
verschleudern Häuser muß und Acker,
Bis von den
Bürgern abgegrast die Weide,
Die Tag und Nacht
ihn pressen, weil sie klüger.
Doch ich, gehüllt
in Kleidung brav und wacker,
Beweise ihnen, daß
sie irrten beide,
Betrügend den
Betrognen und Betrüger.“
CXIX.
„Wer zürnen will,
mag zürnen nach Belieben,
Da ich – ob mich
auch Unheil treffen sollte –
Euch nur, was ich
erfahren, melden wollte,
Ob schlimm im
Grimm sie mich ins Feuer schieben,
Ob sie mich, wie
den Saint Amour vertrieen,
Den wackern
Wilhelm, als der Papst ihm grollte,
Und des Betruges Weib
ihm „Liebe“ zollte,
Weil er verriet,
wie schlau ich und gerieben.
Denn diese hatte
Schuld an seinem Banne;
Weil er zur
Wahrheit stand gleich einem Manne,
Geschahs, daß aus
dem Reich man ihn verjagte.
In einem Buch
beschrieb er auch mein Leben,
Fordernd, ich soll
des Bettelns mich begeben:
Das wars, was
meiner Mutter schlecht behagte.“
CXX.
„Ja dieser Wackre
riet, daß ich entsagte
Dem Bettelunfug
und auf Arbeit ginge,
Wenn Unterhalt mir
an zu fehlen finge,
Sodaß ich ferner
nicht nach andern fragte.
Das war ein
Vorschlag, der mir schlecht behagte:
Denn Arbeit ist
das schlimmste aller Dinge!
Lieber steh ich
vorm Volk und betend singe,
Als daß ich mich
im Joch der Arbeit plagte.
Die Arbeit kann
mich wirklich niemals reizen,
Nichts könnte je
mich in den Arm ihr führen;
Verhagelt säh voll
Schmerz ich meinen Weizen.
Das Heuchlerkleid
will besser mir gebühren;
Die Tracht nur
kann, als dienliche mich locken,
Die hält trotz
allen Gaunern warm und trocken.“
CXXI.
„begeistern kann mich
nicht das Klausnerleben,
Daß man in Wüste
oder Wildnis hause,
Ganz schutzlos
ausgesetzt dem Sturmgebrause:
Mag Sankt Johann
sich in den Wald begeben!
In Stadt und
Schlössern leb ich drum, daneben
Vorliebe heuchelnd
für solch eine Klause;
Doch gibts im Dorf
Gelegenheit zum Schmause,
So bleib ich dort,
seis mit Gewalt auch, kleben.
Ich predige zwar:
der Weltlust ziemt Verachtung,
Doch üb ich sie in
Sälen und Palästen,
Weil ich fürwahr
sie gerne nehm in Pachtung.
Und find ich
offnen Weg, mich froh zu mästen,
So glaubt mir, daß
ich mir den Bauch vollschlage
Und Sorge für die
besten Bissen trage.“
CXXII.
„Auch misch ich
gern mich ein beim Ehvertrage,
Auch bin ich
Friedensrichter, Makler gerne,
Das Waisenvateramt
liegt mir nicht ferne,
Doch nur ein Tor braucht
mich in solcher Lage;
Denn Schloß und
Turm zu baun ich Sorge trage,
Mit Schlafgemach
und Hallen, und ich lerne,
Das Vatergut zu
plündern bis zum Kerne,
Daß arm die Söhne
sind mit einem Schlage.
Und seid an einem
Plane oder Werke
Beteiligt ihr mit
einem meiner Bande,
So sagt mirs, und
ich bring es gut zustande;
Nur sorgt, daß man
nicht euern Ärger merke,
Sobald ich frag
nach einem guten Lohne,
Denn bis aufs Blut
muß blechen, wem ich frone.“
CXXIII.
„Ich zähle zu des
Widerchristen Knechten,
Den Schächern, die
uns in der Schrift beschrieben,
Die wohl der
Heiligen Gebahren lieben,
Doch sich den
Heiligenschein der Heuchler flechten.
Den Augen scheint
zwar jeder von den echten
Ein Lamm zu sein,
nach außen sanft von Trieben,
Doch innerlich ein
Wolf, schlau und getrieben,
Der Jesu Christi
Kinder frißt, die rechten.
So steht uns Land
und Meer denn zur Verfügung.
Und nichts ist
unsrer Herrschaft widersträubig:
Wer nicht
gehorcht, den schelten wir ungläubig.
Und so sind wir in
Täuschung stark und Trügung,
Daß alle Welt den
Krieg uns zwar geschworen;
Doch alle gehn
zugrund und sind verloren.“
CXXIV.
„Wenn ich in
Städten finde und Kastellen
(Wo sich
verschanzt die Patarenerketzer,
Ob sie nun Tröster
oder gläubige Hetzer,
Und meineshalb
auch sonstige Rebellen)
Priester mit
Dirnen, lustige Gesellen,
Äbte,
Weltgeistliche und Zungenwetzer,
So rüg ich kräftig
diese Zuchtverletzer,
Und jeder weiß von
mir, ich kann sie prellen.
Die Wuchrer nehm
aufs Korn ich gleicherweise,
Auch Warenborger
zu erhöhtem Preise,
Zuhälter,
Kuppelmütter, Hurenwirte.
Ein jeder fühlt,
wie ich vermag zu hassen,
Doch er
verschweigt, wie Schmerz und Wut ihn fassen,
Weil ihn mein
Urteilsspruch zur Zahmheit kirrte.“
CXXV.
„Wenn einer meinen
Zorn sucht zu erweichen,
So zeig ich ihm,
wie er hab vorzugehen:
Er lasse Lachs
mich und Forellen sehen,
Auch Hecht und
Karpfen mag er dreist mir reichen.
Ein Aal, wenn
fett, ist stets ein gutes Zeichen,
Stör, Schlei und
Blei wird mir nicht übel stehwen;
Auch lassen Torten
Wunder oft geschehen,
Pasteten,
Eierkuchen und dergleichen.
Ein strammes
Zicklein läßt erfreut mich staunen;
Auch einen
bravgenudelten Kapaunen,
Zartjunge Gänse,
reichgespickte Hasen
Darf er mir
schicken, all dies eß ich gerne,
Er fürchte nicht,
ich werd zum Rückzug blasen:
Macht er sein
Spiel, ich bleib dem Spiel nicht ferne.“
CXXVI.
„Wer sich nicht
läßt so gut bewaffnet schauen,
Gerüstet nicht mit
Weinen bester Sorten,
Mit Gulden gar,
geprägt an guten Orten,
Der wird mein hartes
Urteil schwer verdauen.
Auch mög er nicht
den Büchern viel vertrauen,
Ich zeig ihm mit
der Schriftgelehrten Worten,
Daß er gehört zu
ketzrischen Kohorten,
Und laß ihm schon
vorm Scheiterhaufen grauen.
Ich such zum
mindesten ihn einzulochen,
Und laß ihn büßen
so, daß er bis dato
Der Stunde flucht,
wo er ans Licht gekrochen.
Ich hab schon zu
Florenz, Arezzo, Prato
Geächtet viel und
Hälse viel gebrochen.
Gar bittern
Schmerz fühlt, wem ich Recht gesprochen!“ -
CXXVII. Amor und
Trügemund.
„Sag, Trügemund,
wie’s gutem Brauch gefalle,
Da ich dich
eingegliedert nun den Meinen,
Und dir es durch
Bestallung will bescheinen,
Daß du der König
bist der Schelmen alle:
Trau ich dir oder
wär es eine Falle?
Darüber wär ich
gern mit dir im reinen,
Daß ich nicht mein
Vertrauen muß beweinen,
Suchst du zu
schädigen mich mit deiner Kralle.“ –
„Um Gottes Gnade,
Herr, hegt kein Bedenken,
Ich halte Treue,
falls man mir sie halte,
Ich täusche nicht,
wollt Ihr Vertraun mir schenken.“ –
Nun denn,“ sprach Amor,
„seines Amtes walte
Und seine
richtigen Waffen jeder wähle,
Und dann zur Burg,
daß michs nicht länger quäle.“
CXXVIII.
Bewaffnung des Herrbanns.
Darauf ergriffen
alle ihre Waffen,
Sie, die mit
Kühnheit schon bewaffnet schienen,
Der Eifersucht,
falls sie mit Abwehr ihnen
Zu trotzen drohte,
Pein und Not zu schaffen.
Da sah man Schild
und Tartsche sie erraffen,
Lanze und Schwert;
sie lärmten wie die Bienen,
Und alle schwuren
Amorn, ihm zu dienen,
Tod oder
Kerkerhaft dem Feind zu schaffen.
Jetzt meld ich
noch, wie gut zusammenpaßten
Held Trügemund und
Freundin Ungernfasten,
Indem zum Angriff
sich gerüstet beide.
An reisigem Volk
war ihnen nichts gelegen,
Wie Bürger
schritten sie im frommen Kleide,
Um so den Kampf zu
fördern, sich zum Segen.
CXXIX. Wie
Ungernfasten zu Lästermund ging.
Zuerst kam
Ungernfasten zu Lästermund scheu im Schritte,
Gekleidet nach der
Art von Klosterfrauen,
Verschleiert, daß
ihr Antlitz nicht zu schauen,
Ein Psalmbuch in
der Hand mit goldnem Schnitte.
Dem Ansehn nach schien
sie von frommer sitte,
Daß Demut ihr und
Sanftheit zuzutrauen,
Vom Rosenkranz ein
Stück lag zum Erbauen
Als Lesezeichen in
des Buches Mitte.
Das Zepter,
Herrscherstab im Schelmenreiche,
Trug sie im Arm,
das Herr Betrug ihr schnitzte,
Der Vater Trügemunds;
und der verschmitzte
Gab diesem Stab,
der Apfel nicht noch Eiche,
Das Säcklein auch,
dran Huren gern sich letzen.
So ging sie,
Lästermunden matt zu setzen.
CXXX. Wie
Trügemund zu Lästermund ging.
Auch Trügemund
bemühte sich, im Reigen
Als frommen Lebens
Diener zu prachtieren,
Und wußte mit den
Kleidern sich zu zieren,
Die sonst dem
Bruder Albert Dummschlau eigen.
Sein Zepter war
nicht aus dem Holz der Feigen,
Doch Falschheit
wußte blank es zu polieren;
Sein Beutel war
voll Trug, um zu düpieren,
Mehr, als er Gold
und Silber konnte zeigen.
Am Hals trug er
die Bibel, doch war näher
Ein Messer ihm im
Rock, es schnell zu greifen,
Das
Halsabschneider ihm verstand zu schleifen,
Mit dem man
Lästermund, dem frechen Schmäher,
Die Gurgel später
abschnitt; denn bis heute
Gabs keinen, der
so schmähte alle Leute.
CXXXI. Lästermund,
Trügemund und Ungernfasten.
So denn auf ihrer
Pilgerreise zogen
Der gute Pilgrim
und die Pilgerin heiter
Zu Lästermunden
ihres Weges weiter,
Der seines
Burgtors Abwehr schon erwogen.
Und Trügemund,
tückisch und schlau gebogen
Den Nacken
abwärts, grüßte diesen Streiter
Und sprach: „Wir
bitten, gebt als Herbergsleiter
Uns Obdach, seht
in mir den Zheologen.“
Wohl war der Mund
bekannt schon Lästermunden;
Doch daß der
Trüger, war bekannt ihm nimmer,
Und Herberg
bietend sprach er: „Kommt nur immer.“
Auch Fasten hatte
er bekannt gefunden,
Zumal er sie
gesehen schon gar häufig,
Doch war sie ihm
als Ungern nicht geläufig.
CXXXII.
Nun fragte
Lästermund die Pilgersleute
Nach ihrem Wesen
aus und ihrem Stande,
Auch warum sie,
das Haupt gesenkt zum Sande,
So traurig
schritten, als ob Schuld sie reute.
Sie sagten drauf:
„Wir suchten stets bis heute
In diesem
schlichten Predigergewande
Seelen zu reißen
von dem Höllenrande,
Bis sie der
Heilsweg und die Gnade freute.
Nun scheint, der
Heiland hat es fügen wollen,
Daß wir, Euch
Euers großen Irrtums wegen
Zu tadeln,
gleichfalls zu Euch kommen sollen,
Daß ihr uns
Einsicht und Gehör mögt schenken.“
Drauf er: „Scheint
euch mein Handeln oder Denken
Nicht gut, bin ich
der Buße nicht entgegen.“
CXXXIII. Fasten.
Nunmehr hub aber
Fasten an zu sprechen
Und sagte: „Wenn
schon Tugend reinster Güte
Im Menschen wohnt,
so fordert sie, man hüte
Die Zunge, will
sie irgend sich erfrechen.
Schämt Euch vor
andern drum, daß dies Gebrechen
Grad bei Euch
selber steht in Kraut und Blüte:
Und macht Ihr
davon frei nicht das Gemüte,
So packt Euch
sicher bald des Teufels Rechen.
Erst unlängst
machtet Ihr um jenen Knaben,
Ihr wißt es gut,
ein fürchterlich Gerede,
Doch grundlos ganz
war die Verleumdungsfehde.
Er hat, was Ihr
geglaubt, nie unternommen,
Doch schobet Ihr
die Schuld auf Frohwillkommen,
Daß sie dort ist,
wo wir sie heut noch haben.“
CXXXIV.
Lästermund.
Als solche
Fasten-Predigt er vernommen,
An Tadel
rücksichtslos und scharf an Schneide,
Ergrimmte
Lästermund und rief, daß beide
Im Augenblicke
sollten weiterkommen.
„Ihr wollt der
Frohwillkomm als Deckung frommen
Für das, was jener
Bursch hat auf der Kreide.
Ich sags und sags
noch: Daß er sich dran weide,
Wollt sie, daß er
die Blume sollt bekommen.
Sein Kuß, das weiß
ich, hat nicht fehlgetroffen,
Drum sag ichs
euch, ihr hochgelehrten Meister,
Ein solch
Geschehnis überklebt kein Kleister.
Ihr scheint mir
zwei recht scheinheilige Geister:
Drum fort mit
euch; auch sag ichs euch ganz offen,
Daß nichts für
solche Fatzkes hier zu hoffen!“
CXXXV. Trügemund.
Da sagte
Trügemund: „Bei Gottes Gnade
Bitt ich, Freund
Lästermund, laßt euch beschwören:
Schenkt einer
reine Wahrheit Euch, und hören
Wollt ihr sie
nicht, ists Torheit und ein Schade.
Wir sehn nicht
ein, und das erbost euch grade,
Daß gegen Euch der
Knab sich wollt empören.
Denn wenn die
Blume wirklich zu betören
Sein Herz
vermochte in so hohem Grade,
Glaubt mirs, Ihr
wäret längst durch ihn verblutet,
Da Ihr so großen
Schimpf ihm zugezogen;
Doch denkt ers
nicht und hat es nie vermutet,
Vielmehr ist er
euch immer noch gewogen
Und diente Euch im
Guten oder Schlimmen,
Weil Anstand,
Klugheit, Kühnheit ihn bestimmen.“
CXXXVI. Lästermunds
Reue.
Jetzt ließ Herrn
Lästermund gelind erschrecken,
was er gesprochen
oder auch nur dachte,
Auch sah er, daß
er einen Fehler machte;
Drum bat er
Trügemund: „Helft mich verstecken,
Wenn sich schon
Teufelskrallen nach mir recken.“
Dann bog er beide
Knie zur Erde sachte
Und sprach: „Was
ich an Sünden auch vollbrachte,
Als meinem
Beichtiger will ichs Euch entdecken.“
Da hielt ihn
Ungernfasten gleich beim Schopfe,
Die hinterrücks
schon leis war hergeglitten,
Indessen Trügemund
dem dummen Tropfe,
Dem Lästermund,
die Gurgel glatt durchstochen.
Dann haben ie das
Tor geschwind erbrochen,
Das Spendereich
und Höflichkeit durchschritten.
CXXXVII.
Höflichkeit, Spendereich und die Alte.
So sind denn alle
vier durchs Tor gekommen
Und fanden sich
alsbald im Garten drinnen.
Die Alte, die
herabstieg von den Zinnen,
War schlecht
erbaut, als sie die wahrgenommen;
Doch Lärm zu
meiden, mochte besser frommen.
Und Höflichkeit
und Spendereich beginnen
Nun so: „Alles
sollt, Herrin, Ihr gewinnen,
Was unser ist, darum
seid unbeklommen:
Ja ungeschmälert
kommt es Euch zuhanden,
Auch wollen wir
Gewähr Euch gerne geben
Mit Unterschrift
und Siegel noch daneben.“
Die Alte, die die
Lehre gut verstanden
Und ausgelernt die
Kunst, die weitverzweigte,
Mit vielem Danke
freundlich sich verneigte.
CXXXVIII.
Trügemund.
Zur Alten hat nun
Trügemund begonnen:
„Bei Gott, o
Herrin, edel und gepriesen,
Die mitleidsvoll
bis heut sich stets erwiesen,
Bleibt doch dem
guten Jüngling hold gesonnen!
Seht dies
Geschmeide, perl- und goldumsponnen,
Für Frohwillkommen
als Geschenk erkiesen,
Die man versteckt
ihm hält, sodaß ein Riesen-
Schmerz ihn
befallen und sein Glück zerronnen.
Seht auch die
Spangen hier, die er ihr sendet,
Und diese Ringe
noch, dies Goldgeflechte
Sowie das
Kränzlein, das die Augen blendet.
Sein ganzes Glück
legt er in Eure Rechte.
Wir all empfehlen
Euch, ihm Huld zu schenken:
Auch Eurer werden
bestens wir gedenken.“
CXXXIX. Die Alte
und Trügemund.
Die Alte wußte
Antwort schnell zu sagen,
Weil sie gewandt
in gut und bösen Dingen:
„Was Ihr da
sprecht, will mir so lieblich klingen,
Daß ich den mut
nicht hab, es abzuschlagen.
Gern will ich die
Kleinodien zu ihr tragen
Und überreichen,
und mir wirds gelingen,
Daß hoch ihr
Herzchen wird vor Freude springen;
Doch eine innre
Stimme läßt mich zagen,
Und zwar vor
Lästermundens arger Zunge,
Die täglich neues
Unheil weiß zu schmieden
Und selbst nicht
Freund noch Vetter läßt in Frieden.“
„Nicht schaden
wird Euch mehr der schlimme Junge,
Denn eben ward er
von uns abgeschlachtet,
Weil wir nicht
Treue noch Vertrag geachtet.“
CXL. Trügemund und
die Alte.
„Wahrhaftig, eben
ward ihm seine Kehle
Fein durchrasiert,
und seine Leiche haben
Wir flinker Hand
befördert in den Graben,
Und längst beim
Teufel ist die schnöde Seele.“
Die Alte drauf:
„so ist denn ohne Fehle
Unser Geschäft;
mög ihn die Ruhe laben!
Und ich will dem
von Euch empfohlnen Knaben
Gern dienen, und
wenn ich die Zeit mir stehle.
Ich will bei ihr
von ihm viel Rühmens machen,
Und wenn ich seh,
daß alles flott im Flusse,
Komm ich allein
und hol ihn mir verstohlen.“
So nahm sie ihren
Abschied denn zum Schlusse
Und hat die Viere
Gott noch anempfohlen.
Doch mir schiens
jetzt so weit, vergnügt zu lachen.
CXLI. Die Alte und
Frohwillkommen.
Nun eilte, ohne
lange sich zu säumen,
Die Alte hin zu
meiner Herrin Zimmer
Und merkte gleich,
daß deren Laune schlimmer,
Als ob ihr Lachen
starb durch böses Träumen,
Sodaß sie schien
vor Zorn sich aufzubäumen.
Doch jene ließ an
Trost es fehlen nimmer
Und sprach: „Mein
Schätzchen, hör auf mich nur immer;
Sei wieder froh,
den Gram such wegzuräumen.
Sieh her, was dir
dein lieber Freund verehrte!“
Und gab ihr mein
Geschenk von hohem Werte,
Es anzunehmen
ratend ohn Bedenken.
„Schau, wie
geschickt und fein er weiß zu schenken!“
Da fragte jene,
wer der Herr denn wäre,
Der so
verschwenderisch seinen Wunsch erkläre.
CXLII. Die Alte.
„Der hübsche Herr,
um den du jüngst erlitten
Verdruß, beschenkt
dich hier mit Schmuck und Ringen,
Und was noch
irgend sein, will er dir bringen:
Ich kannte keinen
Mann von feinern Sitten!
Und wenn du ihm
gewogen, läßt er bitten,
Du mögest um die
Stirn dies Kränzlein schlingen
Zulieb ihm – und
er bleib in allen Dingen
Der treuste
Knecht, der je für dich gestritten.
Ein Fehler wärs,
die Spenen abzulehnen,
Da es ihn sicher
in Verzweiflung triebe,
Wenn ihm durch
solche Schmach die Hoffnung schwände.
zu dienen eifrig
dir, ist nur sein sehnen;
Auch wärs ihm
recht, daß ich den Schmuck verpfände
Oder verkaufe,
falls es dir beliebe.“ -
CXLIII. Frohwillkommen
und die Alte.
„Nein, Frau, mich
läßt die Eifersucht nicht wagen,
Daß ich den
Schmuck behalt und die Geschenke.
Denn sollt sie
morgen fragen mich, bedenke,
„Wer gab dir
dies?“ – was sollt ich da ihr sagen?“
„Wie läßt dich
eine Ausflucht so verzagen!
Gut: schweigt die
Zunge dir, die ungelenke,
So sag, ich gab
dir Ring und Goldgehenke,
Und ich bestätige
ihrs, sollt sie mich fragen.“
Und damit nahm die
Alte das Gebände,
Daß sies der
Schönen um die Stirne wände.
Und die ließ es
geschehn, nicht mehr sich spreizend.
Den Spiegel hielt
die Alte vor der Schmucken
Und rief: „Komm
her, um hier hineinzugucken,
Und fragte dann:
bist du nicht wirklich reizend?“
CXLIV.
Und Frohwillkommen
zierte sich nicht weiter.
Sie nahm den
Spiegel, und als sie das holde
Demütige Antlitz
sah im Schmuck vom Golde,
Gefiel es gut ihr,
und sie wurde heiter.
Nun ward zum Lob
die Alte noch bereiter
Und schwur: „Beim
ewigen Glanz der Sonnendolde,
Jetzt ist mir klar
– wenn halb so schön Isolde
Wie du – das Tristan
toll ward, statt gescheiter!
Wie schaust du
schmuck! nein wirklich zum Berauschen!
Doch nun ists
nötig, meinem Rat zu lauschen,
Daß du auf rechten
Weg dich kannst begeben.
Du bist noch eine
liebe Einfalt eben,
Ein junges Blut,
dem Klugheit fremd auf Erden,
Denn diese kommt
erst, wenn wir älter werden.“
CXLV. Die Alte.
„Mein Töchterlein,
so schön, so zartgegliedert,
der Wonne Tag ist
dir noch nicht gekommen,
Doch mich macht
Gram und Sehnsucht nur beklommen,
Denn ach! mein Tag
hat sich zur Nacht erniedert
Und steigt nicht
wieder auf, mit Lust befiedert,
Weil nie
zurückkehrt, was die Zeit genommen.
Vernimm und laß
dir meinen Rat nun frommen,
Daß deines Herzens
Glut wird recht erwidert.
Vermeide, was aus
Leichtsinn ich gesündigt,
Daß ich noch heute
traure, muß ich dessen denken;
Denn keinem glückt
es, wieder anzufangen.
Drum lerne, wenn
ich alles dir verkündigt:
Wenn meinem Rat du
wilst Vertrauen schenken,
So brauchst du
nicht um Leib und Gut zu bangen.“
CXLVI.
„Ach wär ich nur
in meiner Jugend Tagen
Gedrillt gewesen
recht im Spiel der Minne,
So säß ich heut in
reicherem Gewinne
Als viele Fraun
und Fräulein, muß ich sagen!
Anfangs war zum
Verlieben mein Betragen,
Und reichlich floß
mirs zu aus goldner Rinne,
Weil ich so
schmuck und schön und hold von Sinne;
Nur daß ich
thöricht war, muß ich beklagen.
Seh ich mich heute
an, so muß michs kränken;
Ich altre schon,
ich merks im Spiegelglase,
Und daß kein
Mittel hilft, macht, daß ich rase.
Doch nützt kein
Zorn trotz Salben oder Tränken,
Aus einer Venus
ward ich alte Base;
Die Schönheit sah
ich fliehn trotz allen Ränken.“
CXLVII.
„Erlesen war ich
zu den höchsten Dingen,
Wie ich gesagt,
durch meine Reize alle,
Um die manch
Schwert gezückt ward und zu Falle
Viel kamen oder Wunden
viel empfingen.
Und der am
tiefsten saß in meinen Schlingen,
Den ließ am
leichtesten ich aus der Kralle,
Verhieß ihm Gunst
mit leerem Wortesschwalle,
Um reichern Sold
bei andern zu erringen.
Wie ward mir
nächtlich oft am Tor gerüttelt,
Wenn ich mich
längst im warmen Bette dehnte
Und ob der drunten
lachend mich geschüttelt,
Weil ja ein andrer
mir am Herzen lehnte
Schon süßbeglückt,
dem ich bewies voll Schläue,
Daß sein Umarmen
mich am höchsten freue!“
CXLVIII.
„Ja, damals war
ich schön und jung, doch ohne
Erfahrung im
Verführen und Poussieren.
Im Handwerk, das
ich dir will detaillieren,
Errang ich mir
erst späterhin die Krone.
Bald hatt ich
spitz, was sich am besten lohne;
Braucht mich vor
keinem Meister zu genieren:
Von mir noch konnt
er eher profitieren!
Doch jung , ach!
wußt ich nicht, wie man sich schone.
Das ist ein
Wirkungsfeld, nicht auszuschreiten!
Jetzt trag im
Herzen ich die feinsten Kniffe;
Erlaube mir, sie
vor dir auszubreiten.
Mit Weh und Leid
erlernt ich all die Griffe
Und hab viel Fleiß
und mühe dran verschwendet:
Doch dann hab ich
sie trefflich angewendet!“
CXLIX.
„Viel Ehrenmänner
führte hinters Licht ich,
Sobald ich sie
verstrickt in meine Schlingen.
Nur daß mich elbst
schon viele hintergingen
Und langsam meine
Reize wurden nichtig.
Ich hätte Tausende
gerupft noch richtig,
Wär rüher ich
geeicht in solchen Dingen;
Von Grafen,
Rittern, Bürgern hätt erzwingen
Ich viele Gulden
können, goldgewichtig.
Doch schon war
Schluß, eh ich mich recht entschlossen;
Die schöne Jugendzeit
sah ich versinken.
Umsonst ließ ich
verliebt die Äuglein winken,
Und nahendes Alter
machte mich verdrossen.
Drum, liebe
Tochter, gilt kein träges Hinken;
Frisch auf! sonst
spielt es dir die gleichen Possen.“
CL
“Blutenden Herzens
sah ich, wie die Knaben
Allmählich meine
Schwelle nun verließen,
Die sonst sich
dort so drngten oder stießen,
Daß oft die
Nachbarn drob erbost sich haben.
Denn schmuck war
mein Boudoir, und all das Traben
Treppauf-treppab
mocht wenig mich verdrießen,
Weil damals meine
Reize viel verhießen,
Daß mein ich
wähnte alle Erdengaben.
Doch später wollt
ich fast vor Wut verrecken,
Als ich die
Burschen sah vorübertrotten,
Von denen jeder
mein noch schien zu spotten.
„He, alte
Morchel!“ riefen laut die Kecken,
Und der am
lautesen, der ach! vor Jahren
Die meiste
Liebesbrunst an mir erfahren.“
CLI.
“Kein Menschenherz
kann andrerseits begreifen
Den Schmerz, der
ausdehnt jegliche Minute,
In der man weiß
mit trauervollem Mute,
Daß uns nie wieder
Schäferstündchen reifen.
Auf solche Wonnen
kann ich heute pfeifen!
Und Schmerz und
Wut und Marter schwingt die Rute
Und geißelt mir
das Herz, bis daß es blute:
Die wissen gut mit
Zangengriff zu kneifen.
Nun siehst du, was
sich wider mich verschworen:
Sonst ist kein
Grund, daß ich so bös mich gifte,
Als daß ich leider
viel zu früh geboren.
Doch jetzt hab ich
mir dies als Ziel erkoren,
Daß dein Geliebel
mir die Rache stifte,
Hältst meiner
Predigt offen du die Ohren.“
CLII.
“Nichts andres
läßt mir frohe Rache reifen,
Als meiner Kniffe
Brauch dir zu vererben,
Weil ich so hoffe,
daß du sie verderben
Und ihnen wirst
das Fell vom Leibe streifen,
Den Schuften, die
sich freuten, mich zu kneifen,
Und Tag und Nacht
zu kränken. Täglich gerben
Wirst du sie, daß
ihr Hochmut bricht zu Scherben,
Wenn deine Zange
braf gelernt zu greifen.
Glaub, Schatz,
wenn ich noch stünde in den Jahren,
Die deine wangen
rund und rosig machen,
Ich wüßte jedem
wohl was anzuzetteln,
Daß er vor Pein
und Not nichts hätt zu lachen!
Und keiner wär so
witzig und erfahren,
Ich lehrte ihn um
trocken Brot noch betteln.“
CLIII.
“Ja betteln lernen
sollte dies Gesindel!
Drum, Kind, nach
diesem Ziel mit Eifer trachte.
Und jenen ich
zuerst zum Bettler machte,
Ders meiste Garn
geliefert meiner Spindel.
Kein Mitleid übt
ich, aber jeden Schwindel;
War keinem treu,
nein, ich verließ ihn achte.
Wert war es jeder,
daß man ihn verlachte,
Denn schlecht ist
schon das Mannsvolk in der Windel.
Heut zwar wird sie
mein Drohen nicht erschrecken,
Noch hören sie auf
mein erbostes Sprechen,
Weil ich von
Runzeln voll und Leberflecken.
Doch du, und Gott
wird dich dafür belohnen,
Vollstreckst für
mich die Rache an den Frechen:
Ich bin zu alt –
wollt ich mich auch nicht schonen.“
CLIV.
“Oft hört ich jenen
Schweinelümmel unken,
Der mir verursacht
so viel Pein und Plagen:
Es werde noch
solch Wetter auf mich schlagen,
Daß michs in frost
und Hitze würde tunken.
Wahr sprach er:
tief zwar sank ich in die Strunken,
Doch auch der
Tollheit gabs und Wohlbehagen:
Noch puppert heut
mirs Herz bis in den Kragen,
Denk ich, wie oft
ich wein- und wonnetrunken.
Stets frisch und
fröhlich sei ein junger Racker;
Doch an die
Zukunft muß sie gleichfalls denken,
Solang sie toll
und voll sich tummelt wacker.
Sie spare schlau
von Geldern und Geschenken,
Daß sie nicht
jammern muß, nein, froh kann schmunzeln,
wenn sich das
Alter zeigt mit seinen Runzeln.“
CLV.
“Mein holdes
Töchterlein, jetzt laß dir sagen,
Da wir nun
plaudern können nach Gefallen,
Ganz ohne Scheu
und unbelauscht von allen,
Auch unverblümt,
wie uns es mag behagen:
Du weißt, ich kam
aus fremdem Land vor Tagen
Und ließ mich dir
zur Dienerin bestallen.
Drum merk, wie zu
behandeln die Vasallen,
Um alle Kosten gut
herauszuschlagen.
Doch denke nicht, ch
möcht im Sinne führwen,
Dein Herz zur
Liebe mit Gewalt zu lenken:
Du sollst aus
meinem Lehrplan nur verspüren,
Welch einen Weg
ich hätt beschreiten sollen
Und auf ein
klügeres Verhalten denken,
Eh meiner
Schönheit Flucht ich sah mit Grollen.“
CLVI.
„Mein Schatz, wer
Amors Freuden will genießen,
Muß seine
Weisungen erst richtig kennen;
Nur soll man sich
von zweien klüglich trennen,
Weil diese uns
beschränken und verdrießen.
Die eine sagt: man
soll sein Herz erschließen
Nur einem Freund
und nur für den entbrennen;
Die andre: man
soll freigebig sich nennen.
Man kann mit
beiden übers Ziel leicht schießen.
Mein Schatz, sei
zu gefällig nie beim Schenken,
Und nicht an einem
Buhlen du nur hange;
Sei klug: such
mehr als einen zu bedenken.
Und spendest du, so
seis nicht von Belange:
Wer Gold gibt, dem
such Kupfer anzuschmieren,
So wirst du nie in
deinem Spiel verlieren!“
CLVII.
“Daß Frauen
schenken, muß man Torheit heißen,
Falls es nicht
gilt, mit einem anzubandeln,
Um ihr Geschenk in
Nutzen umzuwandeln
Und doppelten
Gewinn an sich zu reißen.
Kein Unrecht ists,
sich dessen zu befleißen,
Und wohl magst du
eröffnen solch ein Handeln,
Denn Klugheit
ists! Und deinen Ruf verschandeln
Wirds nie, willst
du mit Vorteil was verschleißen.
Für Männer schickt
sichs nur, Geschenke machen;
Schon von Natur
aus wils für uns nicht passen.
Tun wirs, wird man
als töricht uns verlachen;
Obwohl doch jede
Frau ihr Los bejammert,
Daß sie die Männer
oft zu leicht verlassen,
Wenn sie sich
nicht an einen Strohhalm klammert.“
CLVIII.
“Zwar hast du
recht, wenn deiner Augen Freude,
Den schmucken
Jüngling, du ins Herz geschlossen,
Der dir zu
schenken pflegt so unverdrossen,
Und nicht
zerstörst sein hoffnungsvoll Gebäude.
Doch laß aus
deinem blumigen Gestäude
Auch andre pflücken:
nicht für einen sprossen
Die Blüten! Die
mit einem nur genossen,
Merkt bald, daß
Treue nutzlos sich vergeude.
Ich will dich
schon mit einem tüchtigen Schwarme
Versorgen, daß
dich Wohlstand soll umgeben,
Und jeder Buhle
schmerzlich bald verarme.
Glaubst du mir und
schenkt Christus dir das Leben,
Wirst du in
Pelzwerk, Samt und Seide protzen,
Und von Dukaten
soll dein Beutel strotzen!“
CLIX.
“Bei dem, der Geld
hat, mußt du kleben bleiben,
Das heißt, wenn er
nicht knausert oder knickert;
Da ist gut leben,
wo es klirrt und klickert
Im Beutel, und es
gibt ein lustig Treiben.
Nur darf kein
Geizhals sich mit dir beweiben,
Der Gott und Welt
ein Greuel; träg nur sickert
Sein Geld – und
wenn er bei dir schlürft und schlickert,
Mußt du die Rechnung
nach dem Mahl gleich schreiben.
Noch besser ists,
du läßt ihn vorher blechen!
Solang er nämlich
noch erpicht aufs Zechen
Und Essen ist –
bei Sankt German, das weiß ich –
Wird er zur
Zahlung willig sein und fleißig.
Solch Schlemmer
kann nicht widerspenstig bocken,
Wenn Fisch und
Wildbret, Wein und Früchte locken!“
CLX.
“Und nun, sobald
allein ihr seid, ihr beiden,
Mußt du mit
heiligen Eiden ihm beschwören:
Sein Reichtum lock
dich nicht, ihm zu gehören,
Nur Liebe, die um
ihn du müssest leiden.
Sinds tausend
auch, mußt jedem dus beeiden,
Und keinem Gimpel
wirds den Glauben stören.
Dann mußt du jeden
hinziehn und betören,
Daß du dich kannst
an ihrem Betteln weiden.
Schwör jedem, daß
du ihm allein gewogen;
Und schwörst du
falsch, was tuts? Pflegt doch zu lachen
des Meineids
Liebwender selbst der Olymper!
Nein, Sünde tust
du nicht, wenn du betrogen
Durch Falscheid
den, um jenen fest zu machen,
Der sich von dir
betrügen läßt als Stümper.“
CLXI.
“Nur mühsam kann
ein Weib das Mannsvolk zwingen,
Ihr das, was recht
und billig, einzuräumen.
So möchte länger
nicht bei Dido säumen
Äneas und
entschlüpfte ihren Schlingen,
Ob sie nicht
scheute, Opfer ihm zu bringen.
Medea ließ sichs
nicht von Jason träumen,
Den sie mit
schwarzer Kunst, mit Saft von Bäumen
Und Kräutern, wußt
dem Tode abzudringen.
Und doch verließ
er sie, der Treuvergeßne,
Drauf die zwei
Kinder, die von ihm geboren,
Umbrachte reuelos
die Wahnbeseßne.
Denn da sie so von
Liebesglut erkrankte,
Sie auch vorm
eignen Fleisch und Blut nicht bangte
Zum Schmerz für
den, dem Liebe sie geschworen.“
CLXII.
“Leicht wär mirs,
noch so manches auszupacken,
Doch fänd ich dann
kein Ende mit Berichten.
Für uns gehört es
zu den ersten Pflichten,
Das Mannsvolk,
falsch und treulos, recht zu zwacken.
Wär ich noch jung,
ich wollt mein Brot schon backen!
Jedoch auf sowas
muß ich heut verzichten.
Ich kam zu früh
zur Welt; nun ziemt mit nichten
Die Rache einem
alterskrummen Nacken.
Doch du, mein
Schätzchen, führst die rechte Waffe,
Daß sie mir die
ersehnte Rache schaffe,
Wenn du die
Männchen zwiebelst, kojonierest,
Auspowerst und in
Not und Gram bugsierest.
Wenn dies dir
glückt, so machst du froh mein Leben,
Und stolz kann ich
die Stirne wieder heben.“
CLXIII.
“Die heutigen
Männer wollen uns, potz Wunder!
Nur schmähn, und
jeder sucht uns zu betimpeln;
Drum müssen unser
Schiff wir gut bewimpeln
Und kapern ihrer
Schätze bunten Plunder.
Doch unser Herz
darf nicht so leicht wie Zunder
Entbrennen und in
Lässigkeit versimpeln.
Schlau rupfen
heißts die reichsten von den Gimpeln,
Bis schuppenlos
sie dastehn gleich der Flunder!
Ein kluges Weib
muß viele buhlen mästen,
Und dann das
dickste Fett von jedem schöpfen,
So lang, bis alle
man mit leeren Kröpfen
Und Taschen jagt
aus Villen und Palästen,
Und sie nicht Haus
und Hof und Feld mehr haben
Und in das Elend
voll Verzweiflung traben.“
CLXIV.
“Ich weiß es wohl,
mein Lehrplan wird dir nützen,
Befolgst du ihn,
wenn du von mir gegangen.
Läßt Gott ein
längres Leben dich erlangen,
Hältst du einst
Schule, Schwankende zu stützen.
Ja vielerorten
kannst du lehrend schützen;
Doch bleib an
meinem Unterricht auch hangen,
Trag klüglich vor,
was du von mir empfangen,
Und führe deine
Schar nicht in die Pfützen.
Doch bleib untätig
nie zu hause hocken;
Tanzsaal,
Gasthäuser, Kirchen, Markt und Gassen
Sind rechte Orte,
gut sich sehn zu lassen.
Auch glücke dirs,
sofort dem unerschrocken
Zu geben eins, der
deinen Ruf gefährdet
Und Tag und Nacht
sich toll nach dir gebärdet.“
CLXV.
“Jetzt merke auch,
wie sich die Frau soll kleiden,
Und wie sie mit
Geschmack sich hab zu schmücken.
Leicht kann es ihr
durch ein Versehn mißglücken,
Und leicht kann
sie sich den Galan verleiden.
Gut muß sich ihre
Haartracht unterscheiden
Von andern; und
vorm Spiegel muß sie rücken
Bald dies, bald
das. Und fehlts in keinen Stücken,
Wird sich ihr
Freund an ihrem Anblick weiden.
Mag früh, mag spät
sie durch die Straßen wandeln,
Sie gehe zierlich:
ohne allzu steifen
Noch zu gebückten
Haupts, dann wirds den Laffen
Gefallen, um geschwinder
anzubandeln.
Und sollt ihr
Kleid zu tief am Boden schleifen,
Muß sie s, noch
mehr zu reizen, listig raffen.“
CLXVI.
„Kann eine nicht
in vollster Schönheit prangen,
So muß den Kopf
sie doch recht zierlich schmücken,
Und muß durch
anmutvollen Gang entzücken,
Und mit den
blonden Flechten einen fangen.
Sind sie nicht
blond, so kann sie dies erlangen
Durch Eigelb und
Kamille. Nun wirds glücken,
Bei Tanz und
Schmaus die Bänner zu berücken;
Doch maßvoll sei
in allem vorgegangen.
Die Äuglein lasse sie
verständlich reden,
Doch sittsam, dann
wird der Erfolg nicht mangeln,
Und leicht wird
solcher Köder einen angeln.
Sanftschmachtend
laß dann ihrer Blicke jeden
Ihm sagen, daß sie
ihm zu Willen immer!
Doch wähle sie den
ersten besten nimmer!“
CLXVII.
„Du weißt, daß
eine Wölfin, wenn zum Fressen
Der Hunger reizt,
sich auf die ganze Herde
Zu stürzen pflegt,
damit zum Raub ihr werde
Ein Kälbchen oder
Schäfchen nur indessen.
So muß die Frau
auf viele gleich vermessen
Sich stürzen und
nicht scheuen die Beschwerde.
Sie muß die Netze
hängen auf die Erde
Und in die Luft,
und keiner List vergessen.
Sie weiß ja, wer
ihr auf den Leim gekrochen,
Erst dann, wenn
sie den Federstutz ihm rupfte;
Drum bleibe sie
beim Fangnetz wach und munter,
Bis einer sicher auf
die Stange hupfte.
Doch wenn sie, daß
er arm ist, hat gerochen:
Dann raus mit ihm
und rasch die Treppe runter.“
CLXVIII.
„Und falls ihr mal
ein fetter Fang gelungen
Von jenen, die
sich gerne fangen lassen,
So muß die Schlaue
ängstlich darauf passen,
Daß jedem auch
sein Tag bleib ausbedungen.
Denn übel wärs,
wenn zwei der guten Jungen
Bei ihr sich
träfen – ei, würd sie erblassen!
Und statt zu
leeren ihrer beider Kassen,
Abschied von ihr
nähm jeder notgedrungen.
Ja, nichts darf
bei den Tröpfen übrigbleiben,
Kein Stückchen
Fleisch, das sie noch könnten kochen:
Entfasern muß man
sie bis auf die Knochen!
Drum muß es jede
Frau mit Vorsicht treiben,
Bis der Galan
entschuppt und haarlos stehe,
Sie aber stolz in
Samt und Seide gehe.“
CLXIX.
„Verlieb dich
nicht in einen armen Schlucker,
Denn seine Liebe
gilt nicht einen Dreier.
Nur Gram und Not
heißt dann für dich die Leier,
Und dürftig lebst
du ohne Milch und Zucker.
Du gehst in
schlichter Tracht anstatt in schmucker,
Auf Stroh gar
liegst du bei der Liebesfweier –
O weh! dann nimm
nur lieber gleich den Schleier.
nein, gib den
Laufpaß flink solch einem Mucker!
Doch lieb auch
Schmetterlinge nicht und Hummeln,
Die sich in
Schenken tummeln und verbummeln,
Weil ihre Herzen
nichts von Treue wissen.
Gar üble Schulen
machten sie gerissen.
Doch schenkt dir
einer was, daß du ihn liebest,
sei schlau, aß du
es nicht zu süß ihm triebest!“
CLXX.
„Nie liebe einen,
der, geschniegelt immer,
An eigner Eleganz
sich pflegt zu weiden.
Such solchen
eiteln Gecken stets zu meiden:
Zum Liebsten wähle
den kein Frauenzimmer!
Die Dummheit wirkt
beim Selbstgefälligen schlimmer
Noch als sein
Stolz: Selbst Gott mag ihn nicht leiden.
Schon Ptolemäus
klagt, wie unbescheiden
Solch eitler Fratz
ist, doch freigiebig nimmer.
Sein Unbestand
verwehrt ihm treues Lieben:
Wenn heute diese
nasführt sein Geflunker,
Treibts morgen so
bei jener auch solch Junker!
So zeigt er sich
bei jeder Frau durchtrieben
Und eigennützig
nur in seinen Plänen:
Nachweinte dem
schon Manche bittre Tränen.“
CLXXI.
„Wenn einer nur
Versprechen führt im Munde
Und dennoch von
dir will, daß du ihn liebest,
Nicht rat ich, daß
du gleich beiseit ihn schiebest,
Nein, sag: ich
paßte heute nicht die Stunde,
Hättest nicht Zeit
und Lust zum Liebesbunde.
Zwar schadets
nicht, wenn du gefällig bliebest,
Ihn küßtest – doch
es auch nicht weiter triebest,
Zieht nicht den
Beutel erst heraus der Kunde!
Und schickt dir
jemand einen Brief, ergründe
Den wahen Anlaß
zwischen seinen Zeilen,
Ob er dich nicht
zu blenden nur verstünde.
Dann magst du eine
Antwort ihm erteilen,
Doch nicht zu
schnell – laß ruhig Zeit verstreichen:
Wer lang gewartet,
ist leicht zu erweichen.“
CLXXII.
„Und wenn er nun
mit Bitten kommt und Flehen,
So laß ihn nicht zu
schnell das Ziel gewinnen,
Doch zeig dich
auch zu spröde nicht von Sinnen,
Laß zwischen Ja
und Nein ihn Hoffnung sehen.
Zuerst ersuch ihn
höflich, abzustehen,
Und laß der Wage
Zungenspiel beginnen,
Bis er in Furcht
und Hoffnung mitteninnen
Doch endlich näher
wagt ans Ziel zu gehen.
Und wenn sein
Sturm sich auf die Festung steigert,
So sag ihm, daß
sein Wunsch nicht sei verweigert,
Und nick ihm zu
mit freundlichem Verheißen;
Gesteh ihm leis,
daß ihn auch dein Herz liebe.
Dann kannst du weg
der Blödheit Schleier reißen,
Daß dir das Letzte
nur zu tun noch bliebe.“
CLXXIII.
„Nun deiner Liebe
Feier reich ihm rüste;
Daß du sein Eigen
ganz, sag mit Erröten,
Nicht der
Geschenke halb, die nicht vonnöten,
Nein, weil dein
Herz nur ihn zu lieben wüßte.
Ein großer Herr
auf dich verzichten müßte,
Obgleich viel
Gaben sein Begehr erhöhten:
„Ich glaube, Euer
Zauber könnt mich töten,
So habt Ihr
angestachelt mein Gelüste!“
Dann magst du dich
süß-kosend an ihn schmiegen,
Ihn zärtlich
bitten, daß er blieb verschwiegen,
Daß deines Tuns
kein Nachbar werde inne.
Fein still dann
halte, was er auch beginne
Und mach. – Doch
immer wieder laß dir raten:
Der Minne Spiel
treib einzig um Dukaten!“
CLXXIV.
„Die ihren Freund
versteht so brav zu rupfen,
Daß federlos der Bürzel
und die Schwinge,
Und er so nackt
und kahl ist aller Dinge,
Daß er nicht mehr
kann fliegen oder hupfen:
Die ist gemacht,
die Männchen zu zerrupfen!
Je mehr den
Liebsten sie zu bluten zwinge,
Je tiefer steckt
sein Hals in ihrer Schlinge,
Und nie wird ihre
Frechheit ihn verschnupfen.
Nur jenen Preis,
den du für eine Sache
selbst angelegt,
verbuch als Rechnungsposten;
was wenig kostet,
wird dir wenig wert sein.
Drum glaub, daß
dir die meiste Freude mache
Nur das, was du
erwarbst mit größten Kosten –
Mag sonst dir beim
Geschäft nicht viel beschert sein.“
CLXXV.
„Beim Rupfen muß
man schlau zuwerkegehen,
Damit der Mann
nicht rieche gleich den Braten
Und ihm die
Plünderabsicht wird verraten,
Sonst wird sein
Schiff er anderswohin drehen.
Die Mutter gebs,
die Magd ihm zu verstehen,
Auch eine
Freundin, wenn sie klug ihn baten,
Daß er doch
springen laß ein paar Dukaten,
Weil sie mit
Kleidung müsse sich versehen.
„Ach gnädiger
Herr,“ mag wohl die Magd hn bitten,
„Es fehlt der
lieben Frau an einer Robe;
Doch daß sie s
sagt, verbieten ihr die Sitten.
Sie schämt sich
so; zwar dient ihr dies zum Lobe,
Doch machts ihr
Gram, und das wollt Ihr doch nimmer!
Hört denn: ein
Sonntagskleid fehlt ihr noch immer.“
CLXXVI.
„Auch mag ihm eine
noch der Mägde sagen:
„Seht, unser
Herrin Treue ist die echte!
Ein reicher Mann
aus adligem Geschlechte
Hat zum Geschenk
ein Schloß ihr angetragen,
Und heut gehörte
ihrs mit Roß und Wagen.
Doch wahrt so treu
sie Eure ältern Rechte,
daß sie nicht
Vorteil mit Betrug verflechte,
Um Eurer Huld
Verlust nicht zu beklagen.“
Dann muß sie
schlau – so gern den Lug sie hören
Auch mag – der
Magd befehlen mit Empören,
Daß sie und jede
andre davon schweige,
Und sagen noch:
„Daß Gott mir Gunst erzeige!
Mein höchstes
Glück ist, ihn nur liebzuhaben.“
Und hinterrücks
mag sie ihm Rübchen schaben.“
CLXXVII.
„Doch wenn die
Frau es irgend sollt kapieren,
Daß der Gerupfte
zur Vernunft will kommen
Und Lunte riecht:
er werde hochgenommen,
Wodurch sein
Liebesrausch sich möcht verlieren,
So muß sie einen
Pumpversuch riskieren,
Rückgabe ihm
versichernd. – Nun laß frommen
Dir meinen Rat und
sorge unbeklommen,
Daß nie er kann
den Rückempfang quittieren.
Und einem andern
Freund mag sie bekennen,
Daß sie sich
schwere Sorgen müsse machen,
Weil sie verpfändet
alle ihre Sachen.
Sie sprech: „Mich
wurmts, daß alle reich mich nennen.“
Dann läßt der Gute
sicher breit sich schlagen
Und blecht, daß
sie nicht brauche zu verzagen.“
CLXXVIII.
„Und zeigt der
satan jenem doch die falle,
Sodaß sie merkt,
der Bock will widerstreben,
Zum zweitenmal ein
Darlehn ihr zu geben,
So schicke sie als
Unterpfand ihm alle
Gewänder, Schmuck,
Metalle und Kristalle:
Er möcht so gut
sein, es ihr aufzuheben
Bis sie es
einlöst. Doch sie laß daneben
Nicht merken, daß
sie heimlich voller Galle.
Nun warte sie, bis
Ostern oder Pfingsten
Und sonst ein Fest
erscheint: dann muß sie tüchtig
Zusetzen ihm,
nicht ruhend im geringsten,
Daß er ihrs
wiedergeb, und flüstern züchtig,
Er dürfe niemals
wieder ihr ins Bette.
Dann schickt er alles
ihr zurück – ich wette!“
CLXXIX.
„Und will ein
armer Tapps bei ihr ans Ruder,
Der ihr verspricht
mit dreimal-heiligem Schwure:
Geld hätt er
„morgen“ eine ganze Fuhre
Von irgendeinem
Vetter oder Bruder,
So glaub sie nicht
dem hohlen Wort-Gepluder!
Denn jeder lügt,
und das ist eine pure
Ausflucht, denn
später prahlt er noch: „Die Hure,
Du kennst sie,
Freund: bemopeln wollt dies Luder,
Bemoppeln mich!
nun hab ich sie bemoppelt!“
Die frau ist
unklug, die ins Bett gesprungen,
Eh nicht das
Goldstück auf dem Tisch geklungen:
Trieb er sein
Späßchen, wird er schnell verduften,
Und sie steht da,
und ihr Verlust ist doppelt.
Ich selbst erfuhr
dies oft von solchen Schuften!“
CLXXX.
„Dann muß die
Frau, die in der Tat gerissen,
Sobald sie einen
Buhlen hat im Zimmer,
Sich scheinbar
voller Furcht benehmen immer,
Weil er sich nicht
der Vorsicht hätt beflissen,
Und daß sie litte
an Gewissensbissen.
Auch um ihr Leben
mach sie ein Gewimmer
Und sage: „Wärst
du lieber fort, du Schlimmer!“
Doch dann laß sie ihn
keine Wollust missen.
Auch lasse sie den
Liebsten heimlich schleichen
Stets durch das
Hinterpförtchen, wenn auch keine
Gefahr ist,
daß durchs Haustor er erscheine.
Denn nur, was man
mit Mühe darf erreichen,
Wird wertvoll und
erhöht die Freude schneller:
Was wenig kostet,
schätzt man keinen Heller!“
CLXXXI.
„Und fühlt sie
dann geborgen sich aufs neue,
Muß alsobald sie
wieder ihn bestreiten
Und klagen: „Weh
mir, welche Widrigkeiten
Bestürmen mich,
daß mich kein Glück erfreue.
Den muß ich
lieben, der mich, die Getreue,
Nicht wiederliebt
– das muß mir Schmerz bereiten!
Und doch, ich fühl
bei Euch nur allerzeiten
Die höchste
Liebeswonne ohne Reue.“
Und noch auf andre
Art muß sie ihn plagen
Und grollen: „Daß
so oft Ihr von mir ferne
Auf Reisen seid, dies
macht das Herz mir bluten.
Ihr habt wohl eine
andere Dame gerne
Hier oder
auswärts, wie ich muß vermuten.“
So muß zur Schau
sie tiefen Kummer tragen.“
CLXXXII.
„Wenn dieser
Dummkopf, den du so betrogen,
Weil er gar wenig
Grütze nennt sein eigen,
Einbildet sich, du
werdest ihm nur zeigen,
Wie man sich
liebt, weil keinem sonst gewogen
dein Herz, und
sich zu ihm nur fühlt gezogen,
So wird plump auch
in die Falle steigen,
Wo schon der Fuchs
liegt in verdächtigem Schweigen,
Sein Mark zu
trinken, bis er ausgesogen.
Ein Hansnarr, wer
so töricht ist, zu denken,
Daß er ein Weib
besitzt für sich alleine,
Nur weil er
überhäuft sie mit Geschenken.
Wer solche sucht,
den kann man nur verlachen;
Ich fand sie nie!
Doch gibt es wirklich eine,
So weiß sie wohl
sich unsichtbar zu machen.“
CLXXXIII.
„Bekanntlich sind
die Frauen freigeboren,
Und das Gesetz
erst nahm die Freiheit ihnen,
Wofür, um als ihr
edles Haupt zu dienen,
Natur sie beim
Erschaffen schon erkoren.
Längst hat
Gehorsam die Natur verloren
Und zwängt und
drängt sie mit gestrengen Mienen,
Daß jede Frau zu
der ihr einst verliehnen
Natur
zurückstrebt, der sie eingeschworen.
Nun den Vergleich
mit einem Vogel ziehe,
Der uns zur Lust
wohl mag im Bauer singen,
Und dem nichts gut
schmeckt, was man ihm auh gäbe.
Freiheit fehlt
ihm, sich durch die Luft zu schwingen!
Drum sinnt er Tag
und Nacht, wie er die Stäbe
Zerbräch, daß er
trotz Hanf und Zucker fliehe.“
CLXXXIV.
„Wenn einer, rein
aus Bosheit, unverhohlen
Gesteht, daß schon
ein Weib ihm unbeschränkte
Liebe so heiß
geweiht, daß sie s nicht kränkte,
Würd jeder Freund
ihr seinethalb gestohlen,
So ärgre sie sich
nicht an dem Frivolen;
Doch tu sie so,
als ob ihrs Schmerz verhängte,
Wo sie doch mehr,
als wenn er sich ertränkte,
Sich freun sollt, daß
er sich so schlecht empfohlen.
Dann sage sie ihm,
diese Rache solle
Nur durch sie
selbst geschehen, und sie werde
Zur Strafe spielen
eine andre Rolle.
Nach dieser
Drohung würd ich gleich verschwinden,
Als wüßt ich einen
neuen schon zu finden,
Und ließ ihn
stecken so in der Beschwerde.“
CLXXXV.
„Und hat sie zwei
bestellt zur gleichen Stunde,
Ein Irrtum, daraus
Unglück oft geschehen,
Wo einer schon im
Zimmer ist zu sehen
Und unten lauert
schon der andre Kunde,
Da überzeug sie
den mit dreistem Munde:
Er höre oben ihren
Mann doch gehen,
Drum könnt sie
jetzt nicht zur Verfügung stehen:
„Doch später kommt
zurück zum Liebesbunde!“
Und damit schiebe
sie ihn ab, und schnelle
Husch sie hinauf,
wo brummend im Verstecke
Noch hockt der
erstgekommene Geselle.
Rasch dann vom
Leib die Kleider in die Ecke!
Drauf tröste sie
ihn, daß ihr noch der Gatte
Vorm Abschied
unten was zu sagen hatte.“
CLXXXVI.
„Dann schmiege sie
sich auf den weichen Kissen
In seinen Arm und
stille sein Verlangen;
Doch jammre sie:
„Ach, was hab ich begangen!
Wenn das mein
armer Gatte sollte wissen.“
Und störe seine
Lust mit Hindernissen,
Bis er das Herz im
Busen fühlt erbangen.
Auch drohe sie: am
Galgen würd er hangen,
Und sie müßt
sterben vor Gewissensbissen,
Wenn man erführe,
wie sie ehrvergessen
Hier liege: „Weh,
daß ich dich so muß lieben,“
Sprech sie dann
weiter: „Ach, in Stücke hieben
Die Meinen mich –
welch Schimpf ists unvermessen!“ –
Und wenn ich ihm
dann solche Furcht einflößte,
Geschähs, daß er
nur brünstiger mich tröste.“
CLXXXVII.
„Wenn zwei sich
freun des süßen Spiels der Minne,
Muß jeder
wechselnd in Genuß sich senken.
Der muß verweigern
und der andre schenken,
Wie grade bei der
Arbeit ihm zu Sinne.
Man scheu auch
keine Müh, sich zum Gewinne
Das Roß der Lust in
gleichem Schritt zu lenken:
Gemeinsam müssen
Mann und Weib dran denken,
Zu stürmen keck
der Wonnen höchste Zinne!
Und mag auch
minder heiß die Frau empfinden,
Sie zeig es nicht,
um ihn nicht abzukühlen,
Nein, scheine
gleiche Lust wie er zu fühlen.
Sie muß ihn, unter
Küssen heiß, umwinden;
Und fühlt sie ihn
im letzten Rausch, im schwülen,
So schein auch sie
vor Wollust hinzuschwinden.“
CLXXXVIII.
„Hat sich die Frau
bequemt, zu ihm zu schleichen,
Daß über Nacht sie
bei ihm schlaf im Bette,
So lasse sie ihn
warten; denn ich wette,
Zum Vorteil dient
ihrs, läßt sie Zeit verstreichen.
Gewiß, er fühlt
sein Herz nur mehr erweichen,
Wenn lang er
ausblickt von verborgner Stätte
Nach ihr, und
wünscht, daß sie doch Flügel hätte:
Denn säumige liebe
wird viel mehr erreichen.
Und ist sie
endlich da, mag sie voll Zagnis
Und scheu
zuflüstern dem verliebten Kater,
Daß solche Liebe
doch ein großes Wagnis.
Des Gatten
Eifrsucht sei wie ein Krater
Schrecklich im
Zorn: sie fürchte Tätlichkeiten. –
So mag sie tüchtig
Schrecken ihm bereiten.“
CLXXXIX.
„Falls sie der
Eifersüchtige so bewache,
Daß sie gehemmt
sich fühlt auf Schritt und Tritte,
So heuchle sie ein
Leiden, dran sie litte,
Und das ihr öfter
große Schmerzen mache.
Ein heißes Bad sei
gegen solche sache
das beste; und
wenn sie sich Kräuter schnitte,
Kamille nähme,
Rosmarin und Quitte,
So tilg es
Schmerzen, noch so mannigfache.
Der Eifersüchtige
wird dann brummen: „Gehe!
Doch laß begleiten
dich, geh nicht alleine.“
Und tut der Urlaub
ihm auch heimlich wehe,
So muß er dennoch
freundlich tun zum Scheine.
Sie geht und läßt
von Freunden sich begleiten,
Die wacker
Lindrung ihrem Leid bereiten.“
CXC.
„Im übrigen darf
eine Frau nie denken,
Daß sie ein Mann
mit Hokuspokus zwänge,
Noch daß es ihrem
Witz bei ihm gelänge,
Trotz Abneigung
ihr Liebe doch zu schenken.
Medea konnte
Jasons Herz nicht lenken,
Daß es an ihr
durch Zaubertränke hänge,
Selbst dankbarkeit
nicht bracht ihn ins Gedränge:
Er wußte
rechterzeit doch abzuschwenken.
Kostbare Gaben
auch soll sie nicht spenden,
An keinen, sag
ich, wie er sich auch gebe.
Sie schenk ein
Deckchen, Beutelchen, ein Kissen,
Auch einen Gurt,
doch ohne Geldverschwenden,
Ein Mützchen oder
irgendein Gewebe,
Wenn sie, daß
solchen Kram er liebt, sollt wissen.“
CXCI.
„Doch wer im
Welttheater wohlerfahren
Und von Vernunft
sich läßt gehörig lenken,
Läßt niemals sich
von einer Frau beschenken;
Verräter sind
derlei geschenkte Waren.
Denn die nicht an
Geschenken weiß zu sparen,
Muß falsch von
ihrem eignen Wesen denken
Und töricht ganz
in falsche Richtung schwenken,
Falls sie nicht
sinnt, Verrat damit zu paaren.
Und muß sie
dennoch schenken, zu es jede
In dieser art, der
ich das Wort hier rede,
Daß sie, wenn
abwärts ihr Tage führen,
Vergnügt und
mollig sitz in ihrem Neste
Und nicht zu
klopfen braucht an fremde Türen.
Davor bewahrt
Voraussicht sie aufs beste!“
CXCII.
„Ach, wenn ich
alles doch vorher bedachte,
Was dem ich nahm,
dem andern ich bescherte.
Die volle Börse
schnell sich wieder leerte,
Und Sparsamkeit
mir immer Mühe machte.
Ei, wie mein Herz
beim Geldeinsacken lachte!
Doch alles hin zu
einem Schurken kehrte,
Der mit dem Titel
Hure mich „beehrte“
Und mir den Rücken
gerbte, daß es krachte.
Und doch hing Herz
und Sinn mir an dem Diebe!
Die andern nannt
ich Herzblatt, Schatz und Engel,
Doch diesem nur
gehörte meine Liebe.
Bald war mir
wieder gut der Galgenschwengel,
Und ich verzieh
ihm und vergaß die Hiebe;
Denn gar zu
lieblich prügelte der Bengel.“
CXCIII.
„Wär ich, bei
meiner Seele seeligkeiten,
Nur klug gewesen,
als ich jung an Jahren
Und hübsch war und
so zierlich an Gebahren,
Daß man mich
rühmte drob zu jenen Zeiten,
Dann, meiner Treu,
stünd heute mir zurseiten
Das Geld, mit dem
der Lump davongefahren,
Der danklos kahl
mich fraß an Haut und Haaren,
Um seinen Dirnen
es ins Maul zu leiten.
Vom Sparen ist er
nie ein Freund gewesen,
In Trunk und Spiel
hat alles er verludert
Und einzig
Schelmenstücke ausbaldowert.
So ließ ich ihn
denn ohne Federlesen,
Als ich durch all
mein Schenken ausgepowert
Und er ins Elend
mich und sich gerudert.“ -
CXCIV.
So schloß dies
alte Weib denn das Geleier
Von ihrer Litanei,
und Frohwillkommen,
Die achtsam alle
Lehren aufgenommen,
Sah manchen
dunklen Punkt nun ohne Schleier.
Jetzt wäre leicht
geglückt die Siegesfeier,
Wenn Eifersucht,
mit Augen scharf-entglommen,
Und den drei
Hütern, von Verdacht beklommen,
Nicht wär
umhergestreift wachsam wie Reiher.
Daß Lästermund
gerechten Tod gestorben,
Hat keinen arg
betrübt von diesen Vieren,
Da er sich nirgend
Mitgefühl erworben.
Denn früh und spät
sah man ihn spionieren,
Bei Eifersucht
stets neu Verdacht zu wecken,
Auch wußt er
nichts als Lügen auszuhecken.
CXCV.
Frohwillkommen.
Zu sprechen hat
nun Frohwillkomm begonnen,
Wobei sie
trefflich zeigte sich beschlagen:
„Verehrte Frau,
laßt vielen Dank euch sagen,
Daß Ihr so reich
geschöpft aus Euerm Bronnen.
Doch Klarheit hab
ich dort noch nicht gewonnen,
Wo Ihr nur kurz
erwähnt die Liebesfragen.
Hab ich nicht Geld
genug zum Wohlbehagen?
Ich bin, mehr zu
erraffen, nicht gesonnen.
Vornehmes Wesen im
Verkehr mit Junkern
Und andern hilft
die Übung mir erringen,
Bis ich
Vollkommenheit darin erreiche.
Doch was Ihr mir
erzählt von Zauberdingen,
Wodurch zur Liebe
man ein Herz erweiche,
Das glaub ich
nimmermehr, das nenn ich flunkern!“
CXCVI.
„Der schmucke
Jüngling, den Ihr mir beschrieben,
Der Tugenden so
viele nennt sein eigen,
Mag sie behalten
und nur immer zeigen,
Doch nur als
Schwester denk ich ihn zu lieben.
Sein Schmuck ist
ohne Eindruck nicht geblieben,
Und gern will ich –
nicht mag ich es verschweigen –
Mein Antlitz ihm
ein Stündchen freundlich neigen.
Führt ihn denn
her, doch sei es klug betrieben,
Und laßt es rasch
geschehn, noch diese Stunde;
Denn Eifersucht,
ihr wißt es, macht die Runde,
Weil ihre Aufsicht
mich in steter Wacht hält.
Wie oft sie
fortzugehn sich auch entschlossen,
So oft auch führt
zurück sie, mir zum Possen,
Der Teufel, der
sie fest nur in der Nacht hält.“
CXCVII. Die Alte
und Frohwillkommen.
Die Alte nun,
bemüht, sie zu befreien
Der Sorge, sprach:
„Ich will das Ding schon drehen,
Hab keine Furcht;
verschwiegen wirds geschehen,
Und gut Gelingen
kann ich prophezeien.
Schlimm
allerdings, wenn hier hereinzuschneien
Die Eifersucht
gedächte, würd es stehen,
Falls sie bei uns
den Jüngling sollte sehen;
Doch wird der
Nachtbesuch ihr nicht gedeihen.“ –
„Nun gut, so mögt
Ihr denn hierher ihn führen,
Doch hoff ich, daß
er nicht verwegen werde
Und fern sich
halte von Unziemlichkeiten.“ –
„Noch nirgend hört
ich über ihn Beschwerde,
Noch niemals,
Töchterlein, ließ er verspüren,
Daß andre ihn als
feinste Sitten leiten.“
CXCVIII. Der
Verliebte und die Alte.
So machten sie ein
Ende der Geschichte.
Bald kam zu mir
die Alte angekrochen:
„Krieg ich nun
Rock und Mantel, wie versprochen,
Wenn ich von guter
Kunde dir berichte,
Und damit deinen
ganzen Gram vernichte?“ –
„Ja!“ sprach ich –
„grüner Samt, und fein durchbrochen
Mit spitzen, oder
auch mit Pelz bestochen
Und anderm Putz,
der gut steht zu Gesichte.“
Da dacht ich
Gutgesells, der mich geheißen,
Stets im
Versprechen voll den Mund zu nehmen,
Doch zur Erfüllung
spät sich zu bequemen,
Obgleich ich hier
mich gerne wollt befleißen,
Der Alten reich zu
lohnen, wenn mirs glückte,
Daß Frohwillkomm
ich ihrer Haft entrückte.
CIC. Die Alte.
Die Alte drauf: „So
höre! – Frohwillkommen
Läßt gute
Botschaft dir, mein Bester, schicken:
„Sei kühn, und
Hoffnung werde dich erquicken,“
Sprach sie, so
wahr mir mag der Höchste frommen!
Ja, reine Wahrheit
ists, was du vernommen:
Das Land winkt
deinem Boot, und deinen Blicken
Des Gartens Blume
bald, die reif zum Knicken.“
Ei! bin ich da in
Seligkeit geschwommen.
„Nun wisse,
Freund, wie ich mirs ausgeklügelt:
Zum Gartentore
gehst du jetzt, doch sachte
Und lautlos, nicht
von Ungestüm beflügelt.
Ich komm auf
anderm Weg dahin und achte,
das dir die
Gitterpforte bleibe offen:
Nun kannst die
Blume du zu rauben hoffen.“
Die Alte setzte sich beim
letzten Worte
In Trab und ging mit Hast den
Weg von hinnen;
Und ich auch ließ nur wenig
Zeit verrinnen,
Begab mich dann zu dem
bestimmten Orte,
Und rief zu Gott, daß er zu
meinem Horte
Mich führe, um dort Heilung zu
gewinnen.
Das Tor fand unverschlossen
ich von innen
Und leicht nur angelehnt die
Gartenpforte.
Als ich mit großer Furcht
hineingegangen
Und Lästermund dort liegen sah
im Blute,
Verschwand schon mehr mein
anfänglich erbangen.
Auch Amor stand mit seinen
Schwertvasallen
Bereit, und noch ward froher
mir zumute,
Daß ich hineinging dreist mit
ihnen allen.