Durante                         Die Blume

13. Jahrhundert in Italien                      In Übertragung von Richard Zoozmann

 

 

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CCI. Der Verliebte und Frohwillkommen.

 

So stand Gott Amor mit den Treugenossen

Machtvoll bereit, wie ich gesagt soeben:

Ob töricht oder klug sei mein Bestreben,

Zu meiner Unterstützung fest entschlossen.

 

Da kam die Frage mir durchs Hirn geschossen,

Ob meinem Dienst wohl Blickehold ergeben?

Und Amor, meine Freude noch zu heben,

Rief ihn mir, daß er helfe unverdrossen.

 

Der ließ mich Frohwillkomm alsbald erblicken,

Wie sie mit anmutvollem Hauptesnicken

Und liebem Gruß mir eilig kam entgegen,

 

Um ihren Dank zu Füßen mir zu legen

Für die Geschenke. „Was Ihr mir so huldig

Gespendet, bin ich zu erwidern schuldig.“

 

 

CCII.

 

Ich sprach zu ihr: „Herrin, laßt Dank Euch sagen,

Daß meine Gaben hold Ihr angenommen,

Wodurch von Freude so mein Herz entglommen,

Daß ich nie größre hoffe heimzutragen,

 

Und wenn auch je, von Euch sie heimzutragen.

Und wenn ihr das, was Ihr von mir bekommen,

Oder mich selbst verpfändet Euch zum Frommen,

Ja selbst verkauftet – nicht will ichs beklagen. –„

 

„Viel Dank sprach sie, als sie sich zu mir wandte,

„Mein Mund bestätigt, was der Eure nannte:

Ich lieb Euch, wie es Zucht und Ehr erlauben.“

 

Zurück nicht wies ich, was sie hold bekannte,

Nur täuscht gar häufig, was die Toren glauben:

So ging es auch dem braven Herrn Durante.

 

 

CCIII. Der Verliebte und der Trotz

 

Denn als sie solche Hoffnung mir erweckte,

Glaubt ich, zu wandeln auf dem besten Wege,

Daß noch der Blume ich, die im Gehege

Die herrlichste schien, die Hand schon reckte.

 

Da rannte Trotz mich an, daß ich erschreckte,

Und rief: „Zurück, du Schelm, und überlege,

Falls Gott und Sankt German noch meiner pflege,

Ich bin nicht der mehr, den man straflos neckte.

 

Der Teufel mochte wieder her dich führen,

Und kennst du mich von früher noch als träge,

So wirst du, daß ich anders jetzt, pals spüren.

 

Marsch fort! und hol bei Benevent dir Schläge.“

Drauf hatte schon beim Schopf mich der Geselle

Und fragte mich, wen ich als Bürgen stelle.

 

 

CCIV. Scham und Furcht.

 

Kaum drang es nun der Scham und Furcht zu Ohren,

Wie dieser Taps darum solch Lärmen mache,

Als sie herstürmten schon zu Schutz und Wache,

Daß Trotz an Mut sich fühlte neugeboren;

 

Drauf sie bei Gott und allen Heiligen schworen,

Daß teuer mir zu stehen käm die Sache;

Dann ließen sie mich fühlen ihre Rache,

Und schlecht ging mirs, ich hielt mich schon verloren.

 

Sie riefen, unerhört sei mein Verfehlen;

Denn wo mit Leib und Seele Frohwillkommen

Sich mir gewidmet hätt bei ihrer Ehre,

 

Wärs Frevel, ihr die Blume noch zu stehlen.

Drum seis gerecht, würd ich mit ganzer Schwere

In Strafe ein- für allemal genommen.

 

 

CCV. Der Verliebte

 

Drei Wächter hielten hinter dreien Türen

Gefangen nun die edle Frohwillkommen,

Und eine starke Kette ward genommen,

Um ihre Arme fest drin einzuschnüren.

 

Dann ließ die Bande ihren Zorn mich spüren

Und schrie: „Jetzt wird dein Werk dir schlecht bekommen!“

Und da man mir so drohte, haßentglommen,

Glaubt ich, man wolle mich zum Tode führen.

 

So bat ich um Erbarmen die drei Frauen,

Die Furcht und Scham, nicht minder auch den Bösen;

Doch nicht gelang mirs, Milde auszulösen.

 

Bittrer als Galle waren sie zu schauen,

Umsonst ließ man mich mehrmals Gnade heischen,

Sie riefen höhnisch: „Du kannst lange kreischen!“

 

 

CCVI.

 

Daß ich mich derart in Gefahr befunden,

Hat Amors Heeresbann alsbald erfahren,

Denn als mir fast die Stimme brach, da waren

Die Orders schon ergangen an die Runden,

 

Daß jeder nun sei pflichtgemäß verbunden,

Durch Schutz und Trutz den Tod mir zu ersparen,

Der, trieben sie den Feind nicht bald zu Paaren,

Mich treffen könnt in wenigen Sekunden.

 

Kaum scholl den Wächtern nun der Lärm zu Ohren,

Verschworen sie sich gleich, daß sie sich weder

Durchs Schwert ergäben noch auch durch die Feder.

 

Und die Belagrer gleichfalls sich verschworen,

Nicht abzulassen, bis die Burg verloren,

Und in die Hand gelobte dies sich jeder.

 

 

CCVII. Die Schlacht.

 

Frau Freimut kam nunmehr als erste gegen

Den Trotz heran, der nicht von Gliedern schmächtig

Und grimmig blickte drein und kampfesmächtig;

Jedoch schien Freimut Demut nur zu hegen.

 

Dem Trotz war an der Abwehr meist gelegen,

Weil er, in seinem Eifer stolz und prächtig,

Nur darauf Obacht hatte gar bedächtig,

Daß sie nicht eindrang auf versteckten Wegen.

 

Da faßte Freimuts Hand nach einem Speere,

Dem Köter zu versetzen einige Stöße;

Doch gab sie sich beim Ausfall eine Blöße,

 

Daß Trotz mit seinem Knotenstock voll Schwere

Zuhieb, wobei der große Schild ihn deckte,

Und häuptlings seine Feindin niederstreckte.

 

 

CCVIII. Trotz und Freimut.

 

Den Speer zerschlug er ihr zu tausend Stücken

Drauf er noch einen Vollhieb ihr versetzte,

Der ganz in Splitter ihren Schild zerfetzte:

Und da lag Freimut kläglich auf dem Rücken.

 

Doch jener hielt nicht inne, neu zu zücken

Die Waffe, drob um Gnade die Verletzte

Laut rief, daß sich das Mitleid gar entsezte

Und losging, um den Schurken zu zerpflücken,

 

Und ihn mit ihrem Speer zu unterlaufen,

Den eifrig sie mit Tränen netzte klüglich

Sodaß der Schuft, vor diesen ständigen Traufen

 

Rückweichend, darin bangte zu ersaufen,

bis Scham herbeigeeilt kam unverzüglich,

Denn Trotz schrie „Hilfe!“, müde schon vom Raufen.

 

 

CCIX. Scham, Mitleid und Scherz.

 

Die Scham begann auf Mitleid vorzugehen,

Daß Schrecken sie durch Drohen sollt bekommen,

Und Mitleid, die solch Drohen sah beklommen,

Versuchte wacker ihren Mann zu stehen,

 

Seit sie die andre so in Zorn gesehen.

Scham schlug die Hand ans Schwert, von Mut entglommen,

Und rief: „Ich will, wie dir es dient zum Frommen,

Daß dir von jedem soll Bescheid geschehen.“

 

Dann schwang das Schwert sie über Mitleids Haupte,

Doch Scherz lief her, den Krafthieb abzufangen,

Und eilte, Mitleid mit dem Schild zu decken,

 

Drauf gegen Scham er rächend vorgegangen.

Doch diese wußte sich so brav zu strecken,

Daß sie ihm weder Hieb noch Stich erlaubte.

 

 

CCX. Scham, Scherz und Hehleklug.

 

Ja, mutig schwang die Hand der Scham den Degen

Und warf sich auf den Scherz wie eine Wilde,

Die Brust sich schleunigst deckend mit dem Schilde,

Und rief: „Hier wird gekämpft der Ehre wegen!

 

Von dir auch werd ich rein die Straße fegen,

Und rücklings sollst du fliegen ins Gefilde.“

Dann schlug sie zu, ganz ohne Frauenmilde,

Als wär am Töten ihr allein gelegen,

 

Daß sie den Scherz hinwarf in ganzer Länge

Und ihn bis auf die Zähne hätt zerspalten,

wenn Hehleklug, dies sehend, ins Gedränge

 

Sich eilig nicht gemischt, daß er als Retter

Ihr Hilfe lieh, da als verwandt sie galten.

Da rief die Scham: „Jetzt treff euch erst das Wetter!“

 

 

CCXI. Hehleklug, Scham und Furcht.

 

Und Hehleklug gab wackre Fechteproben:

Er traf die Scham mit hochgeschwungnem Degen

So gut, daß er sie in den Sand zu legen

Gar schnell verstand; da war ihr Mut zerstoben.

 

Dann hat er seine Stimme laut erhoben

Und rief: „Willst du noch immer Schämens pflegen?

Von hier bis nach Bologna allerwegen

Ist keiner wohl im Hehlen so zu loben

 

Wie ich, und daher trag ich meinen Namen.“

Nichts wußte Scham als Antwort da zu sagen.

Da rief die Furcht: „Will dir denn ganz erlahmen

 

Dein Mut, o Base, nach so kühnem Wagen?

Jetzt seh ich wohl, dich freut zu sehr das Leben,

Wenn du so furchtsam kannst vorm Tode beben.“

 

 

CCXII. Dieselben und Wagnurimmer.

 

Da griff die Furcht auch iherseits zum Schwerte,

Um Beistand ihrer Base Scham zu bringen.

Auf Hehleklug begann sie einzudringen

So stark, daß er sich um sein Leben wehrte.

 

Der Kampf drauf bald ein ander Bild bescherte,

Denn Wagnurimmer wußte herzuspringen

Und ein blitzblankes scharfes Schwert zu schwingen,

Wodurch er selbst der Furcht das Fürchten lehrte.

 

Doch diese lernte nur sich Mut erwerben

Und faßte sich ein Herz, brav dreinzuhauen,

Und rief, sie wolle lieber zehnmal sterben,

 

Als Wagnurimmer unbesiegt zu schauen.

Dann gab sie ihm solch derben Nasenstüber,

Daß platt er auf das Antlitz fiel kopfüber.

 

 

CCXIII. Vertraun und Furcht.

 

Vertraun bemerkte, wie dem Wagnurimmer

Der Wagemut ganz vor der Furcht zerstoben,

Und lief herzu, auch ihre Kunst zu proben,

Beistehend ihm, wo es nur möglich immer.

 

Doch vor der Furcht hielt sie sich lange nimmer:

Denn die schlug siegreich ab des Angriffs Toben

Und jeden andern, den man noch erhoben;

Da machte nun Vertraun es noch viel schlimmer.

 

Zur Erde wirft sie plötzlich Schild und Lanze,

Und an den Schläfen sieht beim Haareskranze

Man derb mit jeder Faust die Furcht sie reißen.

 

Und alle, matt und nah schon dem Erschöpfen,

Packten sich neugestärkt jetzt bei den Köpfen,

Um wie die Hunde raufend sich zu beißen.

 

 

CCXIV. Waffenstillstand.

 

Hart währte zwischen ihnen diese Streiten,

Der Risse gab es viel an Haut und kleide;

Der tat im Ringen jenem viel zuleide:

Solch grausen Krieg sah man zu keinen Zeiten.

 

Die in der Burg zerhackten allerseiten

Die Stürmer. Drum gab Amor zum Beschweide:

Für zwanzig Tag und mehr bleibt in der Scheide

Das Schwert, die Waffenruhe einzuleiten.

 

Klar sieht er, daß er nie die Burg erringe,

Falls seine Mutter ihm nicht Hilfe bringe;

Drum sand er Freimut zu ihr hin in Eile.

 

Wohl weiß er, gegen sie ist alles Nutzlos;

Schießt sie nur einen ihrer glühenden Pfeile,

So brennen alle drinnen völlig schutzlos.

 

 

CCXV. Gesandschaft an Venus.

 

So schied denn Freimut aus dem Heerverbande,

Gewissenhaft von Amor unterrichtet,

Daß sie der Mutter alles treu berichtet,

Wie man ums Leben kämpfte hart am Rande,

 

Und seine Macht schon wär im üblen Stande;

Drum sei zu seinem Beistand sie verpflichtet.

Als Freimut nun den nächsten Weg gesichtet,

Erreicht sie hoch zu Roß Cytheras Lande.

 

Sie wähnte dort die Göttin zu erreichen,

Doch die war in den Wald zur Jagd gezogen,

Wohin sich Freimut nun begab desgleichen.

 

Sie fand sie ruhen unter schattigen Eichen.

Da hat sie alsogleich das Knie gebogen,

Gruß bietend so als ihrer Ehrfurcht Zeichen.

 

 

CCXVI. Freimut und Venus.

 

„Viel Grüße, Herrin, hab ich Euch zu bringen

Von Euerm Sohn, um Euch bei Gott zu bitten,

Ihm beizustehn, denn scharf wird er bestritten

Von Eifersucht, und schlimm wills ihm gelingen.

 

Vor kurzem hätt er fast im heißen Ringen,

Das ich mit ihm durchfocht, den Tod erlitten.

Noch steht in meines Angesichtes Mitten

Die Not und die Gefahr, durch die wir gingen.“

 

Gleich stand da Venus hell in Zornesflammen

Und schwur, daß sie die Burg im Nu erstürmen

Und ganz in Brand und Asvhe legen wolle.

 

„Mag Hindernis auf Hindernis auch türmen

Die Eifersucht, ich schlag die Burg zusammen:

Und wer sie schützt, spielt eine schlechte Rolle.“

 

 

CCXVII. Venus.

 

Nun auf ein Roß, scharf eingeschult zum Jagen,

Ein Renner wars, schwang Venus sich geschwinde

Und nach Cythera gings mit Ingesinde,

Wo sie befahl, daß mit dem frühsten Tagen

 

Bereit zur Abfahrt sei ihr goldner Wagen.

Die Deichsel hob man schnell in das Gewinde,

Tat dies und das noch, was sich nötig finde,

Daß jederzeit die Fahrt ihr könnt behagen.

 

Doch sollte man kein Roß davor ihr schirren,

Nein, von den Tauben, die im Schlage schwirren,

Sollten fünf Tauben ziehen ihren Wagen,

 

Die zierlich angeschirrt mit goldnen Schnüren.

Auch war kein Lenker nötig zu erfragen,

Denn gut verstand die Göttin selbst zu führen.

 

 

 

CCXVIII. Venus und Amor.

 

So stand bereit der reichgeschmückte Wagen,

Und früh bestieg ihn Venus schon, die hehre.

Und wisset, daß er wohl versorgt, daß Speere,

Brandpfeil und Schießgeräte drinnen lagen,

 

Und daß sie heimlich Feuer mitgetragen.

So schied sie eilig denn vom Land Cythere

Und hat gradwegs zu ihres Sohnes Heere

Im Taubenflug die Richtung eingeschlagen.

 

Doch Amor hatte den Vertrag verletzt schon,

Eh Mutter Venus bei ihm angekommen,

Weil ihm zu stark das Warten zugesetzt schon.

 

Venus, die gleich den Weg zu ihm genommen,

Sprach tröstend: „Lieber Sohn, sei nicht beklommen,

Die Burg wird morgen fallen, wenn nicht jetzt schon.“

 

 

CCXIX.

 

„Mein Sohn, du sollst nun einen Eid mir schwören,

Und ich auch leiste den von meiner Seite,

Daß ich der Keuschheit Zutritt nie bereite

Zu Frauen, die den Klugen zugehören,

 

Und du zu Männern nicht, die dir gehören.

Und wisse, daß ich jetzt den Brandpfeil leite

Auf sie mit solcher Glut, daß mir im Streite

Jeder gehorcht und nicht sich wird empören.“

 

Und nun, anstatt auf Knochenüberbleibsel

von Heiligen und Messebuchgeschreibsel,

Beschworen sie auf Brandpfeil, Bolz und Bogen,

 

Daß jeder diesen Eidschwur wolle halten.

Auch die vom Heere wurden zugezogen,

Da hier ja selbst die Dekretalen galten.

 

 

CCXX. Venus und die Scham.

 

Venus, die nun bereit, den Sturm zu wagen,

Rief jeden auf, er soll die Waffen senken,

Dann werde sie auch jedem Gnade schenken,

Um danach sichern Schutz ihm zuzusagen.

 

Auch tat sie noch den Schwur bei Kopf und Kragen,

Es möge keiner an Verteidigung denken,

Den sie nicht werde köpfen oder henken;

So mahnte jeden sie, sich zu vertragen.

 

Doch Scham erwiderte: „Nicht wirds Euch glücken.

Wär ich der einzige Schutz der Burg, zu Falle,

Das glaub ich sicher, bringt Ihr sie doch nimmer.

 

Doch wenns beliebt, geht an die Arbeit immer.

Mit Drohung werdet Ihr durchs Tor nicht rücken,

Ihr nicht noch Amor und die Seinen alle!“

 

 

CCXXI. Venus, Scham und Furcht.

 

Als Venus hörte, wie die Scham so kecke

Trotzworte ihr gar mutig rief entgegen,

Schwur sie bei aller Götter Fluch und Segen,

Daß sie die Scham mit Schamrot noch bedecke.

 

Dann, daß sie größre Furcht ihr noch erwecke,

Rief sie: „Nie schütt ich mehr den Brandpfeilregen,

Soll er dich, Dirne, nicht so heiß umfegen,

Daß du noch kriechst in eine Mauslochsecke.

 

Magst du auch Tochter der Vernunft dich nennen,

Die mich mit ihren Kindern stets beleidigt,

Soll dir mein Feuer doch am Bürzel brennen.“

 

Und dann sprach Venus noch zur Furcht die Worte:

„Vergebne Müh ists, daß ihr euch verteidigt,

Wenn ich erst eingeheizt am rechten Orte.“

 

 

CCXXII. Venus.

 

So hart verwarnte Venus sie und drohte,

Wenn man nicht schleunigst abzog vom Kastelle,

So trieb sie mit Gewalt sie aus gar schnelle

Und sorgte, daß der Ofen lichterlohte.

 

„Ich geb euch tausend Teufeln in die Pfote,“

Rief sie, „den bruder selbst dazu ich stelle,

Und steck bei Gott euch sämtlich in Bordelle,

Folgt er und ihr nicht Amors Aufgebote;

 

Denn größre Lust nicht gibts als wackres Lieben.

Drum übergebt die Burg; wollt ihr verschieben,

Will ich das Oberste zu unterst kehren,

 

Bis in der Hand die Blume mir geblieben.

Und derart will ich ihren Kelch versehren,

Daß niemand sie noch ferner mag begehren.“

 

 

CCXXIII. Venus und die Schießscharte.

 

Nun raffte Venus hoch des Kleides Falten,

Im Antlitz heftigen Grimm und Zorn im Sinne,

Und nahm den weg empor zur hohen Zinne,

Um oben etwas rastend stillzuhalten.

 

Dem Umkreis erst die Späherblicke galten,

Dem schlauen Schützen gleich vorm Jagdbeginne;

Und zwischen zweien Säulen ward sie inne

Dort einer Scharte, von Natur gespalten.

 

Auf diesen Säulen nun ein Bildnis glänzte,

Zur höchsten Schönheit kunstvoll ausgeschnitten,

Das licht und klar ein Silberschein umkränzte.

 

Und drunter war ein Heiligenschrein inmitten,

Um den man eine Decke sah sich breiten,

Sodaß kein Blick ins Heiltum konnte gleiten.

 

 

CCXXIV. Die Schießscharte.

 

Das Bildnis war in seinem Angesichte

Mit allerhöchstem Schönheitsschmuck versehen:

Ich dachte oft, als Pilger hinzugehen,

Daß meine Andaht ich vor ihm verrichte.

 

Auch schien es nicht zuviel mir armem Wichte,

Könnt taglang davor knien ich oder stehen,

Bis nachts im Kuß mir Seligkeit geschehen,

Ohne daß sie auf reichen Lohn verzichte.

 

Denn sicher war ich, wenn ich nur berührte

Das Heiligtum dort unter jener Decke,

Daß michs zur Heilung aller Krankheit führte,

 

Ob sie auf Kopf, auf Hüfte sich erstreckte,

Ob irgendsonst ein Übel sich versteckte,

es wirkte, daß ich nirgend Schmerz mehr spürte.

 

 

CCXXV. Der Brand der Festung.

 

Frau Venus nunmehr sich zum Angriff wandte,

Zu zeigen, ohne daß sie länger harrte,

Wie sie der Kriegeskunst gar trefflich warte,

Worauf sie alsogleich den Bogen spannte

 

Und ihrer Pfeile spitzigsten entbrannte.

Und ohne daß sie lang zum Ziele starrte,

Schoß sie ihn ab und mitten in die Scharte,

Sodaß kein Widerstehn die Burg mehr kannte.

 

Im Augenblick stand gänzlich sie in Flammen,

Und in der Burg lief alles wild zusammen

Und flüchtete, nicht an Verteidigung denkend.

 

Der Trotz schrie laut: „Ich bleibe nicht mehr drinnen!“

Die Scham entfloh, den Fuß zur Ferne lenkend,

Der Furcht gelangs nur mühsam, zu entrinnen.

 

 

CCXXVI. Befreiung von Frohwillkommen.

 

Indem die festung hier und da noch brannte

und alle Wächter spurlos schon verschwunden,

Hat Höflichkeit sich drinnen eingefunden,

Daß sie ihr Töchterlein der Haft entwandte.

 

Freimut und Mitleid auch zur Stelle rannte,

Sich fühlend zur Begleitung ihr verbunden.

Da sprach die Höflichkeit: „Zu allen Stunden,

O Töchterlein, nur Groll mein Herz noch kannte,

 

Weil du so lange Kerkerhaft erduldet.

Nun hat die Eifersucht es bös entgolten,

Daß sie dein hart Gefängnis hat verschuldet.

 

Der Trotz, die Scham, die Furcht sind längst entflohen,

Herrn Lästermund durchschnitt man für sein drohen

Die Kehle – und nun hat er ausgescholten.“

 

 

CCXXVII. Höflichkeit und Frohwillkommen.

 

„Mein Kinde, so wahr wir Gottes Huld erhoffen,

Erhör den Freund, der sich bewährt in Treue

Und deinethalb gelitten stets aufs neue

Ob deiner Sprödigkeit, der oft zu schroffen.

 

Er hat die Göttin doch in dir getroffen,

Die seine Kraft gestählt, daß sie ihn freue;

Drum zeige, Kind, ihm heute ohne Reue

Ersehnte Schönheit deines Leibes offen.“

 

Frohwillkomm sprach: „So sei ihm denn gegeben

Die Blume mein und alles, was ich habe;

Ich schenk mein liebend Herz ihm und mein Leben.

 

Einst hätt ich nicht verliehn so reiche Gabe;

Doch drängt michs heut mit meinen Sinnen allen,

Daß er genieße mein ganz nach Gefallen.“

 

 

CCXXVIII. Der Verliebte

 

Als ich von der Geliebten nun vernommen

Die holde Ladung, schritt ich froh im Glücke

Auf gradem Wege hin zur schmalen Lücke,

Weil es mich antrieb, dort hineinzukommen.

 

Als guter Pilger strebt ich unbeklommen,

Froh, daß der wackre Knotenstock mich schmücke

Zusamt dem Säcklein, als dem besten Stücke,

Das Gottes Huld geschenkt zu unserm Frommen.

 

All dies Gerät nun, das ich so getragen,

Und das mein Heiltum nur berühren wollte,

Zum Hafen, mir zum Glück, mich führen sollte.

 

Mit keiner Zwinge war mein Stock beschlagen,

Noch stieß ich damit an des Weges Steine;

Der pralle Sack auch wies der Falten keine.

 

 

CCXXIX.

 

So sah mich Tag und Nacht in rüstigem Gange

Mit meinem eisenlosen Stabe gehen;

Als ich das schöne Säulenpaar ersehen,

Schwoll mir das Herz in starkem sehnsuchtsdrange.

 

Beim Heiltum kniet ich nieder, betend lange

Davor, und sie ließ freundlich dies geschehen;

des Leibes Wonnedüfte fühlt ich wehen,

Aufhob ich dann den Schleier, hoffnungsbange.

 

Doch der Versuch, ob mirs nun wirklich glücke,

In die beschriebne allerliebste Lücke

Den Knotenstock mit einem Stoß zu treiben,

 

Mißlang mir, weil der Eingang viel zu enge,

Daß es fürs erste mußte unterbleiben;

Groß war die Not, wie ich die Pforte sprenge.

 

 

CCXXX.

 

Mehrmals erneut ich den Versuch, doch immer

Erwies sich als zu wohlbeleibt mein Stecken,

Und auch das Säcklein wußte mich zu necken,

war mir im Weg und machte alles schlimmer.

 

Aufgab ich dennoch meine Hoffnung nimmer,

Ein Mittel, einzudringen, zu entdecken;

Und endlich glückte mirs, ihn so zu strecken,

Daß er durchs Tor ihr schlüpfte tief ins Zimmer.

 

Dort raubt ich Blatt um Blatt der Blütendolde;

Und allen Samen, den mein Beutel führte,

Sät ich, wie nach dem Pflügen sichs gebührte.

 

Auch ihren Samen streute drein die Holde,

Und beides mischte wonnig sich und wacker,

Und viele gute Saat entsproß dem Acker.

 

 

CCXXXI.

 

Als ich mich solcher Gipfelhöh erfreute,

Trieb michs, all meinen Gönnern Dank zu sagen;

mehr galt heut ihnen meines Herzens Schlagen

Als je, da niemand Mühe um mich scheute.

 

Dem Amor und der Mutter tu ich heute

Den Schwur, und will ihn auch vorm Heerbann wagen,

Daß treu ich ihnen bleib in allen Lagen,

Ob schwerster Dienst, ob steilster Weg mir dräute.

 

Dem Trautgesellen und der Frohwillkommen

Hab tausend, tausend Dank ich ausgesprochen;

Doch der Vernunft kann ich nur unfroh denken,

 

Denn alle Lust hätt sie mir gern zerbrochen.

Nun hab ich ihr zum Trotz mir doch genommen

Die Dinge all, die mir jetzt Freude schenken.

 

 

CCXXXII. Beschluß.

 

Wie auch die Fülle herzlos meiner lachte,

Die immer karg in frommer Mitleidsspendung

Und die um Pfade, der genannt Verschwendung,

Den eintritt mir beinah unmöglich machte;

 

Wie herzlos Eifersucht dem Liebsten dachte

Die Blume zu entziehn mit schlauer Wendung:

Mir glückte doch, eintretend, meine sendung,

Ob sie auch eine Marmorwand bewachte.

 

So brach ich denn die Blume, drob sie spähte

Mit Argwohn ängstlich und versäumend nimmer,

Daß Wächterdienst all ihre Mannschaft täte.

 

Drum hielt sie Frohwillkomm vergittert immer

Aus Mißtraun gegen sie, die anerkannte

Gebieterin der Blume jeder nannte.