Durante                         Die Blume

13. Jahrhundert in Italien                      In Übertragung von Richard Zoozmann

(Dante Alighieri?)

 

I. Die Pfeile Amors

 

Gott Amor schnellte auf mich ab den Bogen,

Weil einer Blume Anblick mich berückte,

Mit der Frau Höflichkeit den Garten schmückte

Der Wonnelust. Und Amor kam gezogen

 

So eiligen Laufs, mir schien es wie geflogen,

Und rief: „Jetzt hab ich dich!“ Drauf ihm es glückte,

Daß wider meinen Wunsch er auf mich zückte

Fünf Pfeile, die, verwundend mich, nicht trogen.

 

Als erster Schönheit mir das Herz zerspellte

Durchs Auge; Sanftmut sich der zweite nannte:

Der ließ mich schauern unter eisiger Kälte.

 

Die Höflichkeit benannte sich ein dritter,

Geselligkeit der vierte, peinvoll-bitter;

Und Hoffnung hieß der fünfte allbekannte.

 

 

II. Der Verliebte und Amor

 

Nun Kraft und Mut mir plötzlich wich von hinnen,

Weil ich des Blutes gar so viel vergossen

Und ich mich ohne Rat sah und Genossen,

Erschien Gott Amor mir, um zu beginnen

 

Aufs neu: „Du siehst wohl ein, daß du entrinnen

Nicht meinen Händen kannst ob den Geschossen,

Die dich durchbohrt; drum hast du auch beschlossen,

Willig zu dienen mir mit allen Sinnen.“

 

Und ich sprach so: „Ich will dir treuer dienen

Und eifriger, als je die Assassinen

Dem Stammhaupt oder Gott ein Priester-König.“

 

Und jener drückte seinen Mund gelinde

Wahrhaftig da auf meinen Mund geschwinde

Und sprach: „So sei mir in Gehorsam frönig.“

 

 

III.

 

Im Monat Januar und nicht im Maien

Mußt also ich in Amors Macht mich schauen

Und seiner Herrschaft ganz mich anvertrauen,

Um Eidschwur ihm und Huldigung zu weihen.

 

Gab auch, von Eifersucht ihn zu befreien,

Mein Herz als Pfand ihm, sicher drauf zu bauen,

Daß ich auf ebnen Pfaden ihm und rauhen

Als Oberherr Gefolgschaft werde leihen.

 

Er nahm darauf mein Herz und sprach: „Vieltreuer,

Ich bin ein Herrscher, dessen Dienst gar schwierig;

Doch wer mir dient, das schwör ich hoch und teuer,

 

Den will ich so mit meiner Huld beseelen,

Daß gute Hoffnung niemals wird ihm fehlen,

Bis er erfüllt sieht, wonach er begierig.“

 

 

IV.

 

Mit goldnem Schlüssel hat des Herzens Türe,

Als er dies sagte, Amor mir verschlossen;

Doch erst hat ers gesäubert unverdrossen,

Daß mich kein andrer Wunsch hinfort verführe.

 

Drauf sprach er: „Ich bin nun, wie sichs gebühre,

Dein Herr und seh in dir den Dienstgenossen:

Nun siehe zu, daß dir im Herzen sprossen

Nur Liebe mag, und reinste Glut es schüre.

 

Auch trachte, alles in Geduld u tragen,

Was dir an Mühsal wird mein Dienst verhängen,

Eh ich dir meinen Auftrag werde sagen.

 

Denn oft wird scheinbar dich der Tod bedrängen,

Oft wird dich dies erfreun und jenes schmerzen;

Doch dann verleih ich Heilung deinem Herzen.“

 

 

V.

 

Drauf schwur dem Gott ich demutvoll-bescheiden:

Geduldigen Sinnes stets, mit Leib und Leben

Gehorsam seinen Willen nachzustreben,

Und zu ertragen Mühsal auch und Leiden.

 

Nie wollt ich meine Diensterfüllung meiden,

Nachlässig auch im Eifer nie mich geben,

Solang die Brust mir Athemzüge heben:

Auf diesen Vorsatz könnt er mich vereiden.

 

Er sprach: „Du lässest, Freund, ein Pfand mich schauen,

Das zuverlässiger ist als jeder Schuldschein.

Drum glaub an mich, ich werde stets voll Huld sein.

 

Matthäus, Markus, Lucas und Johannen

Sollst du nicht mehr, nur mir als Gott vertrauen;

Solch Glaube hilft nur.“ Drauf ging er von dannen.

 

 

VI. Der Verliebte und der Trotz.

 

Amor entschwand im selben Augenblicke

Und war so fern im Nu, daß sein Entgehen

Mir nicht gelang zu hören noch zu sehen;

Doch hoff ich, daß er treu mir Hilfe schicke.

 

Da sah ich, wie die Blume lockend nicke,

Und ließ mich, nahend, ihren Duft umwehen;

Da ich um sie in Amors Dienst muß stehen,

Fragt ich mich leis: „Ob ich sie sänftlich knicke?“

 

Ich reckte schon die Hand aus, um verwegen

Zu pflücken sie und mit mir heimzutragen;

Da sprang ein großer Lümmel mir entgegen

 

Und rief, die Keule schwingend: „Laß dir sagen,

Ich bin der Gärtner Trotz, und hab zu pflegen

Die Blumen hier. Fort! sonst will ich dich schlagen!“

 

 

VII. Der Verliebte.

 

Da jagte mich hinaus mit Augenrollen

Der Trotz, und roh und lieblos war sein Dräuen.

Ach, nun wird nie die Blume mich erfreuen,

Wenn Mitleid nicht und Freimut Hilfe zollen.

 

Doch vorher wird der Tod mich holen wollen,

Denn bittern Schmerz fühlt ich ins Herz mir streuen

Den Rüpel, dem ich, statt vor ihm zu scheuen,

Starkmutig hätt entgegentreten sollen.

 

Nun hat er Zagnis mir gebracht und Sorgen

Um jene, die ich wähnte schon geborgen

In meiner Hand; und neu muß ich es wagen.

 

Welch Grobian wußte mir den Mut zu dämpfen!

Doch bei Frau Mitleid will ich mich beklagen:

Die soll ihn mit der Lanze hart bekämpfen.

 

 

VIII.

 

Wenn Meister Argus – der das Schiff erbaute,

Drin Jason nach dem Goldnen Vlies gefahren,

Und der die Rechenkunst mit ihren klaren

Regeln und den zehn Zeichen uns vertraute –

 

Noch lebte, sicher, dann davor ihm graute,

Sollt irrtumsfrei er zählen all die Scharen

Der Fragen, die mich Amor ließ gewahren,

Und deren Schlüssel ich bei ihm erschaute.

 

Und er verschloß sie alle mir im Herzen

Mit jenem Schlüsselein, wie euch beschrieben,

Um gut zu hüten alles, was er sagte.

 

Drum gab ich mich denn ganz in sein Belieben;

Doch wünscht ich wohl, daß Nachsicht ihm behagte,

Zu mindern meiner Mühsal herbes Schmerzen.

 

 

IX. Der Verliebte und die Vernunft

 

Noch grämt ich mich des groben Lümmels wegen,

Der von der Blume schnöde mich verbannte,

Da sah ich, als ich mich zur Rechten wandte,

Vernunft sich nahn, die grüßend mir entgegen

 

Streckte die Hand, als käm ich ihr gelegen.

Dann sprach sie: „Schon am Antlitz dir erkannte

Mein scharfer Blick, daß sich dein Geist verrannte

Unnütz in Sorgen, um dich aufzuregen.

 

Wie kams, daß du dem Amor dich vertrautest,

Statt daß auf meinen Rat du lieber bautest?

Du wirst mit dem kein gutes Tänzchen machen.

 

Glaub mir: wenn der erst einen eingefangen,

Hat er vor Qual und Not nichts mehr zu lachen,

Sodaß die Röte schwindet seinen Wangen.“

 

 

X. Der Verliebte

 

Als ich den Vorwurf der Vernunft vernommen,

Weil ich Gott Amorn Folgschaft zugeschworen,

Daß ich vor Gram das Wangenrot verloren,

Weil schon zu sehr mein Herz durch ihn entglommen,

 

Sprach ich: „Vernunft, bald wird mir Heilung kommen,

Drum acht ichs kaum, daß Schmerzen in mir bohren,

Zu denen merin Gebieter mich erkoren –

Und weitre Worte können hier nicht frommen.

 

Denn treulich bin ich willens, zu vollbringen,

Was er befiehlt, weil er nicht minder treulich

Ein Glück versprochen mir, gar hocherfreulich,

 

Wenn kühn und treu mein Dienst in alen Dingen.“

So sprach ich. – Nein, Vernunft kann mich nicht locken,

Nicht schätz ich ihren Rat, der mir zu trocken.

 

 

XI. Der Verliebte und Trautgesell.

 

So schied Vernunft nach dieser meiner Kunde,

Und ich gedachte, daß ein Trautgeselle

Mir hörig sei, der doch als Tröstungsquelle

Bei Not und Fährnis stand mit mir im Bunde.

 

Und bald auch traf ich ihn zu guter Stunde

Und machte klar ihm das Verhalten schnelle

Des Trotzes gegen mich, der auf der Stelle

Mich zu bekrieen schien mit bösem Grunde.

 

Und jener sprach zu mir: „Freund, sei nicht bange,

Denn diesem Trotz ist die Gewohnheit eigen,

Im Anfang stets zu murren und zu brummen.

 

Doch mußt du ohne Furcht die Stirn ihm zeigen;

Denn vor der Demut hält er sich nicht lange.

Schon scheint er zahm, bald wird sein Groll verstummen.“

 

 

XII. Der Verliebte.

 

Ganz voller Demut ich zum Garten lenkte,

Wie Trautgesell geraten, meine Schritte,

Und sah, umblickend mich, in Gartens Mitte

Den Trotz, der einen Fichtenknüppel schwenkte,

 

Bedacht, wie er die Hecken rings verengte,

Daß meinen Eintritt auch Gewalt ncht litte.

Bescheiden naht ich mich mit zagem Tritte

Und grüßte ihn, indem das Haupt ich senkte,

 

Und sprach zu ihm: „Trotz, laß nun Gnade walten,

Wenn irgend dich verletzt hat mein Verhalten,

Da ich dir nahe jetzt in waher Treue

 

Und dein Verzeihn erhoffe voller Reue.“

Der sieht mich an, mißtrauisch von Gebärde,

Ob nicht mein Wort ein Trug, der ihn gefährde.

 

 

XIII. Freimut.

 

Als ich zu solcher Bitte mich verstanden,

Die an den frechen Burschen ich verschwendet,

Ward von Gott Amor Freimut mir gesendet

Und Mitleid, die als Boten sich verbanden.

 

Und Freimut sprach, mit Worten gleich zuhanden:

„Trotz, achte, daß dein roh Verhalten endet

Vor diesem Jüngling, der so reichlich spendet,

Bei dem sich Mut und Bravheit immer fanden.

 

Gott Amor bittet dich, daß du beliebest,

Nicht seinen Diener schnöde zu behandeln;

Denn großes Unrecht sei es, ihn zu plagen.

 

Nein, laß ihn furchtlos durch den Garten wandeln

Und anschaun, ohne daß du ihn vertriebest,

Die Blume, deren Düfte ihm behagen.“

 

 

XIV. Das Mitleid

 

Mitleid hat zu entgegnen drauf begonnen,

Das Angesicht von Tränen naß, und sagte:

„O Trotz, als großes Unrecht ichs beklagte,

Wärst meiner Bitte du nicht hold gesonnen.

 

Gern säh ichs, wenn ich dafür dich gewonnen,

Daß diesem Jüngling, der nie Schlechtes wagte

Und Treue hütet, deine Huld behagte,

Zumal er niemals Ränke angesponnen.

 

Jetzt siehst du, was uns drängte dir zu sagen,

Und auch den Grund, warum wir hier erschienen;

Schlecht wärst du, unserm Wunsche nicht zu dienen.

 

Auch Grüße viel hat er uns aufgetragen

Für dich; er, den du kränktest gern aufs neue:

Drum mach, daß unser Bitten ihn erfreue.“

 

 

XV. Der Trotz

 

Der Trotz erwiderte: „Ihr Abgesandte,

Wohl ziemt Gewährung euern Forderungen,

Und die Vernunft verlangts; denn nicht durchdrungen

Seid ihr von Hochmut, wie ich schon erkannte,

 

Obwohl ihr seid im Reden Wohlgewandte.

Der Jüngling komme denn, vom Wunsch bezwungen;

Doch wie auch eure Fürsprach hold erklungen,

Der Blume bleibe fern der Liebentbrannte.

 

Das Töchterlein der Höflichkeit, der Blume

Gebietrin Frohwillkomm, dürft hart mich schelten

Als schlechten Hüter ihrem Eigentume.

 

Doch laßt sich Amors Mutter herbemühen;

Viel wird bei Frohwillkomm ihr Fürwort gelten

Dem Jüngling, bis ihr Herz wird sacht erglühen.“

 

 

XVI. Der Verliebte und der Trotz.

 

Als ich den Trotz so nachsichtsmild erkannte,

Der bittrer sonst als Galle im Gehaben

Und sich nun süßer wies als Honigwaben,

Sah ich geheilt von dem mich, was mich brannte.

 

Zum Garten drum ich demuthvoll mich wandte,

Besorgt, daß ich mißfiel dem grimmen Knaben.

Und, niemals seine Macht zu untergraben,

Aufs Evangelium ich mit Schwur bekannte.

 

Drauf sagte der zu mir: „So tritt zum Garten

Denn ruhig ein, wie du es möchtest gerne,

Doch deine Hände laß der Blume ferne.

 

Es schlossen zwischen dir und mir ja Frieden

Die guten Fraun: nun halt ihn auch entschieden,

Damit du nicht enttäuschest mein Erwarten.“

 

 

XVII. Venus

 

Die gern sich Liebenden pflegt zu verbünden,

Venus nun ließ bei Frohwillkomm sich sehen

Und ihren Brand gleich einer Fahne wehen,

Um jeden in der Nähe zu entzünden.

 

Wollt ich an Haltung und Gesicht begründen,

Worin die süßen Reize all bestehen,

So müßt ich mich viel breiter noch ergehen,

Als wollt ich aller Heiligen Leben künden.

 

Da Frohwillkomm nunmehr des Brandes Gluthen

Ihr Innres fühlte allgemach durchfluthen,

da schlug ihr Herz dem meinen schnell entgegen.

 

Und Venus, zu bestärken sie deswegen,

Trat zu ihr kühnen Angesichts und sagte,

Daß mit zu bittrer Kränkung sie mich plagte.

 

 

XVIII. Venus und Frohwillkommen.

 

„Du kränkest den Geliebten gar zu bitter,“

Sprach Venus, „ihn, der dir so sehr ergeben;

Solch hohe Dame wüßt ich kaum im Leben,

Daß ihn sie nicht erküre gern zum Ritter.

 

Denn er ist jung und höflich, haßt den Flitter,

Ist kühn, freimütig, ritterlich im Streben;

Ruf ihn, versprich ihm einen Kuß daneben,

Verschwiegen ist er, und kein Unrecht litt er.“

 

Da sagte Frohwillkomm: „Mag er denn kommen

Und küssen die so heißersehnte Blume;

Doch handle klug er und zu seinem Ruhme,

 

Daß ichs nicht nötig habe, ihn zu schmälen.“ –

„So suche gute Boten dir zu wählen,“

Sprach Venus, daß die Nachricht ihm mag frommen.“

 

 

XIX. Der Verliebte.

 

Durch Liebgesicht und Blickehold entsandte

Die Liebste Botschaft mir, daß ich zum Garten

Einträte und den Kuß nähm, den erharrten,

Und ohne daß ich Speer noch Spieß verwandte,

 

Weil schon der Trotz sich als besiegt bekannte,

Und feigheit aus der Hand ihm wand die Karten.

Doch wolle sie mein Kommen erst erwarten,

Sobald die Nacht den ersten Stern entbrannte.

 

„Denn Keuschheit wie auch Eifersucht, sie haben

Zu Hüterinnen Furcht und Scham erkoren,

Daß sie nicht handeln möge unverständig.

 

Auch gibts noch einen lügnerischen Knaben

Als Wächter, in der Normandie geboren:

Heißt Lästermund, und dieser klatscht unbändig.“

 

 

XX. Der Verliebte und Frohwillkommen.

 

Als ich so frohe Nachricht denn vernommen,

Die mir das Botenpaar, das holde, brachte,

Fühlt ich, wie Mut im Herzen mir erwachte,

Daß stumm ich ward, vom Wonnerausch beklommen.

 

Ich war zum Garten waffenlos gekommen,

Im Wams nur, wie sie zur Bedingung machte,

Und fand dort Frohwillkomm; ihr Antlitz lachte

Gar sonnighell. Sie ließ mich näher kommen

 

Und sprach: „Tritt her, du darfst die Blume küssen,

Doch hüte dich, zu tun, was mir verdrießlich;

Du würdest meiner Gunst sonst darben müssen.“

 

Da küßt ich sie, zum Kreuz die Arme biegend,

Vor übergroßem Bangen fast erliegend:

So furchtsam machte mich ihr Drohen schließlich.

 

 

XXI. Der Verliebte.

 

Die Düfte alle künden oder sagen,

Die aus der Blume Placht ins Herz mir drangen

Bei meinem Kuß, wär töricht Unterfangen;

Doch sag ich, wie das Meer ließ stürmisch schlagen

 

Des Lästermunds normannisches Betragen:

Keuschheit und Eifersucht, vom Schlaf umfangen,

Erweckt der Schuft, daß sie vom Lager sprangen,

Um wieder aus dem Garten mich zu jagen.

 

Auch künd ich euch, daß hinter Festungsmauern

Gefangen Frohwillkommen mußte trauern,

Bis Amor sie durch Tapferkeit erlöste;

 

Und wie der Trotz gebrochen seine Treue

Und lange Zeit Verzweiflung mir einflößte,

Und wie Vernunft dann zu mir kam aufs neue.

 

 

XXII. Die Keuschheit.

 

Keuschheit, die nie der Venus holdgesonnen,

Begann zur Eifersucht: „Gott schenk mir Gnade!

Wer hier nicht einsichtsvoll, um den wärs schade,

Und bald von Unheil säh ich mich umsponnen.

 

Scham wäre wie auch Furcht mir schnell entronnen,

Und wer dem Trotz vertraut, geht üble Pfade,

Denn seine Treu ist falsch im höchsten Grade,

Da er als Gartenschutz nicht Ruhm gewonnen.

 

Ihr aber seid die besten Hüterinnen,

Die irgendwo auf Erden zu erproben;

Selbst Tuscien müßt und Lombardei euch loben.

 

Laßt nur um Gott! die Blume Schutz gewinnen;

Denn wollte, wer sie küßte, sie zerpflücken,

Nie würde Heilung dieses Schadens glücken.“

 

 

XXIII. Die Eifersucht.

 

„Ich übernehms“ sprach Eifersucht, und hüte

Die Blume gut, da ichs als Pflicht betrachte;

Auch kenn ich Leute, die als klug ich achte,

Daß keiner wohl für Venus leicht erglühte.“

 

Zum Garten, Stolz und Kühnheit im Gemüte,

Begab sie sich, vor Frohwillkommen machte

Sie halt und sprach: „Dein Tun, das unbedachte,

Zeigt deine Torheit mir in höchster Blüte.

 

Euch aber, Furcht und Scham, will ich nur sagen,

Daß jener, der euch hüten ließ die Blume,

Bologna nicht besucht hat sich zum Ruhme.

 

Und diesen Trotz, der noch sich hüllt in Schweigen,

Möcht ich nach Katalonien gleich verjagen,

Will er als Hüter sich so lässig zeigen.“

 

 

XXIV. Die Scham

 

Die Scham hierauf den Kopf zu Boden senkte,

Weil ihr bewußt, gar schlimm gefehlt zu haben,

Und, ihr Gesicht im Schleiertuch vergraben,

Zu ihrer Base Furcht das Wort sie lenkte:

 

„Die Eifersucht uns harten Vorwurf schenkte,

O Furcht, weil wir uns ganz dem Trotz ergaben,

Der sich umstimmen ließ vom holden Knaben,

Der gestern früh, ich sahs, hierher schon schwenkte.

 

Drum komm geschwind, daß wir den Burschen fassen

Und sagen ihm, wie schlecht es ihm soll schmecken,

Wenn Eifersucht ihn in die Hand wird kriegen.

 

Sich so das Wächteramt entwinden lassen,

Ist doch ein alle kränkendes Erkecken:

Der Teufel lehrte ihn, so sanft sich schmiegen!“

 

 

XXV. Scham und Furcht.

 

Den Trotz zu finden jede lief beflissen,

Sein unverzeihlich Tun ihm klarzumachen;

Der aber lag und schlief, anstatt zu wachen,

Auf einem Bündel Heu als Ruhekissen.

 

Zum Zornruf sah sich Scham da fortgerissen,

Auch Furcht ließ ihrerseits sich schnell entfachen

Und rief: „Daß Eifersucht uns schlimme Sachen

Gesagt, drückt wohl, o Trotz, nicht dein Gewissen!

 

Und dies hat uns ganz offenbar betroffen

Durch deine Schuld, als dir es eingefallen

Zum Unheil dir, dich höflich zu betragen.

 

Sonst stand dein Wesen nie der Milde offen!

Abschlagen mußt den Angriff du bei allen,

Sollst unserm Garten du als Schutz behagen.“

 

 

XXVI. Der Trotz.

 

Der Trotz, sobald er hörte dieses Lärmen,

Sah wohl, wie schlimm sein Fehl ihm ausgeschlagen,

Und rief: „Der Teufel hat mich gleich am Kragen,

Will ich für jemand liebend mich erwärmen.

 

Doch sucht er neu die Blume anzuschwärmen,

Und pack ich dann ihn in den Gartenhagen,

So soll mich heuer noch der Galgen tragen,

Bring ich nicht grausen Tod ihm ohne Härmen.“

 

Wild glotzt er um sich, seine Augen rollend,

Und gegen mich aufzog er andre Saiten,

Die Blume nur noch eifrig schützen wollend.

 

O weh, wie schlecht mit meinem Reim es klappte!

In wenig Stunden sollt es sich bereiten,

Daß ich zum Bruder ward aus einem Abte.

 

 

XXVII. Die Eifersucht.

 

Da Eifersucht nun vom Verdacht beklommen,

Daß ihr die Blume mache Schwierigkeiten,

Ließ sie den Aufruf durch das Land verbreiten,

Viel gute Maurer möchten zu ihr kommen.

 

Und ein Gefängnisbau ward unternommen,

Der Frohwillkomm umschlösse allerseiten:

Denn andre Sichrung ließ sich nicht bereiten,

Die der in Schuld Verfallnen könnte frommen.

 

„Denn weil der Blume Schutz so voll Gefahr ist,

So kann ich nimmermehr Vertrauen schenken,

Weil ihre Schönheit gar zu wunderbar ist.“

 

Und will nun Venus neu den Schritt herlenken,

Ists ohne Zweifel ausgemachte sache,

daß sie die Blume zum Geschenk ihr mache.

 

 

XXVIII. Der Verliebte.

 

Die Eifersucht ließ eine Festung bauen,

Mit Außenwall versehn und tiefem Graben,

Damit sie sichern Schutz vor Zutritt gaben,

Da ungebetnen Gästen nicht zu trauen.

 

Inmitten war ein Wachturm hoch zu schauen,

Der jedem Angriff wehrt vermessner Knaben,

Und kunsterfahrne Steinmetzmeister haben

Getürmt ihn fest und stark, dem Feind ein Grauen.

 

Vier Ausfalltore gabs im Mauerkranze

Mit Türmen stolz und Brüstungen auf diesen:

Nichts Stärkeres hat die Welt je aufgewiesen.

 

Schießscharten gabs zum Steinwurf, Abzugsrinnen

Zum heißen Pechguß auch, und auß und innen

Verankert mit Erzklammern war das Ganze.

 

 

XXIX.

 

Als Eifersucht vollendet sah die Feste,

Bedachte sie, was nötig noch zur Rüste,

Daß der Gefahr sie zu begegnen wüßte,

Falls Ansturm oder Brandwurf droh dem Neste.

 

Daß sie den Feind empfang aufs allerbeste,

Sah sie, daß Schießgerät nicht fehlen müßte

Und Pech und Öl, zu dämpfen sein Gelüste

Bis alle Wurfmaschinen Ashenreste,

 

Falls solch Belagrungszeug den Mauern nahte;

Weil viele Burgen schon verlorengingen,

Wenn man nicht zog den Kriegsbedarf zu Rate.

 

Auch ließ sie zimmern noch Ballist und Bleiden,

Den Nahangriff den Feinden zu verleiden,

Daß Steinschlag oder Pfeilschuß sie empfingen.

 

 

XXX.

 

Als sie die Festung nun vollauf versehen

Mit Kriegsbedarf, wie nötig allerorten,

Gebot sie, daß als Wache vor den Pforten

Die Treusten ihrer Heerschaar Posten stehen.

 

Und weil ihr bang, es möcht Verrat geschehen,

Ließ sie den Trotz am ersten Tore dorten

Als grimmsten Knecht; zur zweiten dieser Pforten

Ließ sie die Tochter der Vernunft hingehen.

 

Dies war die Scham, und die hielt strenge Wache.

Die dritte Pforte hatte Furcht zu hüten,

Ein Weib, das ernst es nahm mit dieser Sache.

 

Am vierten Tore hinterm Mauerringe

Stand Lästermund, der nur pflegt auszubrüten,

Wie jedem er nachsage üble Dinge.

 

 

XXXI.

 

Frohwillkomm saß nun hinter Mauerringen

Durch Eifersucht bei gutbewachten Toren,

Die ihr auch eine Alte hat erkoren

Als Schutz und Wächterin in allen Dingen.

 

Denn Sorge mußt ihr solche Schönheit bringen,

Weil die der Keuschheit Feindschaft zugeschworen

Und Höflichkeit vielleicht, die sie geboren,

Antrieb, die Blume zum Geschenk zu bringen.

 

Ließ sie die Blume deshalb doch verpflanzen

Dahin, wo Frohwillkomm nun saß gefangen,

Die sie nicht wußte, anderswo zu schützen.

 

Dazu war dies Verlies gut zu benützen,

Denn diese Alte wird sie brav verschanzen

Die aus dem Diebsgezücht hervorgegangen.

 

 

XXXII.

 

An jedes Tor ist Eifersucht gegangen,

Und fand die Wächter sämtlich auf der Stelle,

Um jeden Angriff abzuwehren schnelle,

Den Tod zu geben oder zu empfangen.

 

Und Lästermund blies mächtig auf die Wangen,

Daß in die Welt er mein Geheimnis belle,

Der Feind, der meiner größten Drangsal Quelle;

Doch sollt er seine Strafe bald erlangen.

 

Nicht Tag noch Nacht verstummte sein Geschwätze,

Auch rief er laut: „Hört! hört!“ beim Hörnerklange,

Breitspurig stelzend auf dem Mauerjoche,

 

Und brüllte: „Diese hurt, und die hat Krätze,

Hitze zuviel hat die im Ofenloche,

Und die blickliebelt, daß sie Narren fange.“

 

 

XXXIII.

 

Nun ich sich drohend türmen sah die Wogen,

Die mir aus der Provence der Sturmwind schickte,

Der Tuch und Tau zerriß und Masten knickte,

Daß alle Steuerkünste mich betrogen,

 

Da hab ich mit mir selber Rat gepflogen,

Daß Weiterfahrt in Unheil mich verstrickte,

Solang das Wetter derart düster blickte,

Das mich dem sichern Port zu früh entzogen.

 

So warf ich denn an einer Küste Anker,

Da ich zum Hafen keine Einfahrt wußte;

Zwar schien unfeundlich sehr das Land, doch mußte

 

Hier überwintern ich mit vielen Qualen.

Der Liebe Leid kennt nur ein Liebeskranker,

Und mit dem Tod fast mußt ich meins bezahlen.

 

 

XXXIV.

 

Mir ließ nur Weinen, Seufzen, Sinnen, Klagen

Der Winter durch der wilde Ort erwachen,

Denn Höllenqual scheint Spielen oder Lachen,

Verglichen mit der Pein, die ich ertragen.

 

Ja, heftig wußte Amor mich zu plagen,

Nicht wenig Ruh noch viel konnt froh mich machen,

Ließ frieren mich und dann mir Glut entfachen:

Trefflich traf ein, was er wußt anzusagen!

 

Doch nichts traf ein von Wonnen und sich weiden,

Weide und Wonne blieb allein mein Hoffen,

Daß bald sein Richterspruch sich möcht entscheiden.

 

Ein elend Hungern wars, gesteh ichs offen!

Ein groß Stück kummerfleisch ließ er mich essen,

Dran salzige Sehnsuchtsbrühe nicht vergessen.

 

 

XXXV. Der Verliebte und die Vernunft.

 

Da ich so grämte mich in all den Tagen,

Und Hilfe nirgendwo mir wollte frommen,

Seit dieser Sturm so stark mich mitgenommen,

Mußt ich mich guter Hoffnung ganz entschlagen.

 

Da kam Göttin Vernunft, mir Trost zu sagen,

Fernher und sprach: „Dir wird es schlecht bekommen,

Wenn du bei mir nicht Unterschlupf genommen,

Da dich Fortuna wußte so zu plagen.

 

Und Kraft genug hat mir mein Herr verliehen,

Der mich erschuf, um jedem zu verschönen

Sein Los, der meinen Rat sich nimmt zu Herzen.

 

Fortunen auch, die dir verhängt die Schmerzen,

Werd ich mit dir, wenn du nicht ferner ziehen

Gott Amors Wege willst, aufs neu versöhnen.

 

 

XXXVI. Der Verliebte

 

Als ich gehört, wie mir Vernunft gegeben

So guten Rat, bedacht und ohne Tücke,

Der Eintracht mir und Frieden gab zum Glücke

Mit ihr, die mir verleidet nur das Leben,

 

Sprach ich: „Vernunft, ich wählte schon soeben!

Ich laß von meinem Herrn in keinem Stücke;

Treu bin ich ihm und weiche nicht zurücke:

Den Vater liebt kein Sohn mit heißerm Streben.

 

Darüber ist nicht nötig erst zu grübeln,

Noch daß wir bweide länger drüber sprechen;

Als unerfüllbar muß ich drum verübeln

 

Dir das Verlangen, meinen Schwur zu brechen.

Eher will ich den Haß Fortunas wählen,

Als länger mit Gedanken mich zu quälen.“ -

 

 

XXXVII. Die Vernunft.

 

„Wer solchen Schwur nicht hält, tut keine Sünde,

Weil schon die Dekretalen jedem sagen,

Daß einem, schwür er, böses Werk zu wagen

Und unterläßts, kein Meineid draus entstünde.

 

Du schwurest nun, und nanntest mir die Gründe,

Dem Amor, der dir Speisen aufgetragen,

Die dir auch ungesalzen gut behagen,

weil der Geschmack dir fehlt, daß er dirs künde.

 

Und dieser Gott läßt Liebesgott sich nennen!

Doch tut groß Unrecht, wer ihn also nennet,

Da man ihn doch als Schmerzensbringer kennet.

 

Dein Tod ists, willst du dich von ihm nicht trennen.

Drum soll er ferner nicht dein Lehnsherr bleiben,

Und laß dir Frucht aus meinem Ratschlag treiben.“ -

 

 

XXXVIII. Der Verliebte.

 

„Vernunft, entfremden willst du mich der Liebe,

Und sagst, daß meinen Herrn als schlecht man kenne,

Der sich mit Unrecht Gott der Liebe nenne

Und besser sich als Gott der Schmerzen schriebe.

 

Glaub nicht, daß meine Treue je zerstiebe,

Noch daß von ihm dein schlechter Rat mich trenne;

Er ist mein Herr, für den als Knecht ich brenne,

Und Torheit wär ein längres Wortgesiebe.

 

Für mich ists klar, daß herzlich schlecht dein Name

Mit deinem Ratschluß sich verträgt; kein Segen

Kann sprießen, wo die Liebe nicht der Same.

 

Steht jetzt Fortuna feindlich mir entgegen,

Sie wird ihr Rad schon wieder anders schwingen,

Und diese Hoffnung soll mir Tröstung bringen.“ -

 

 

XXXIX. Die Vernunft.

 

„Ich will dich nimmer von der Liebe trennen,“

Sprach die Vernunft, „wie sollt ich dieses sinnen;

Wohl sollst du Lust an aller welt gewinnen,

Doch Jesusschrift auch gläubig anerkennen.

 

Und willst du für ein holdes Weib entbrennen,

Sollst du sie nicht allein aus Wonne minnen:

Nicht Wollust, Nachwuchs kröne dein Beginnen;

Ein andrer Wunsch läßt dich verurteilt nennen.

 

Wahr ists, daß solches Tun uns Lust bereitet,

Die ja Natur als Lockung drin versteckte,

Wenn Mann und Weib zum Liebeslager schreitet.

 

Wir wissen, gäb uns dieser Trieb nicht Wonnen,

Daß sicherlich nur wenigen Menschen schmeckte

Das Zeugungswerk, das Adam einst begonnen.“

 

 

XL. Der Verliebte

 

Ich sprach zu ihr: „Vernunft, wir alle wissen,

Daß die Natur mit Lustgefühl verquickte

Das Zeugungswerk, und dabei tiefer blickte,

Denn Zweck und Ziel läßt nie ihr Handeln missen.

 

Nein, daß man sei der Fortpflanzung beflissen,

Ists höchste Lust, mit der sie uns umstrickte,

Daß jeder gern aufs neu dies Werk beschickte,

Zum Samenstreuen lustvoll hingerissen.

 

Nun forderst du, ich soll mich nicht vergnügen,

Doch seh ich nicht, wie ich es machen sollte,

Um ohne Lust ans Werk mich zu verfügen.

 

Drum halt ich fest am Vorsatz, wie ich wollte,

Um an der Blume meine Lust zu stillen.

Gott schalte dann mit mir nach seinem Willen!“ –

 

 

XLI. Die Vernunft.

 

„An Lust will ich dir deinen Teil nicht rauben,“

Sprach die Vernunft, „noch sollst du Liebe missen,

Doch sollst du mich als deine Freundin wissen;

Nicht schönre gibts als mich – das kannst du glauben

 

und magst du tausend Schriften drob durchklauben –

Die gern zum Wonnegipfel dich gerissen.

Wie Frankreichs Königin sollte man beflissen

Mich ehren, Torheit nur wills nicht erlauben.

 

Reicher, als Reichtum kann, will ich dich machen,

Ohne daß du dem Rad Fortunas trauest,

Die bald dich stürzt in der Verzweiflung Rachen.

 

Es lebt in mir, wenn du mich recht beschauest,

Kein Zug, der nicht an Schönheit reich und Wonne,

Und klarer ist mein Glanz als Mond und Sonne.“ -

 

 

XLII. Der Verliebte.

 

„Vernunft, du machst mir reichliche Versprechen

Mit deiner Liebe, doch treu bleib ich immer

Der Blume, und um andrer Liebe nimmer

Vertausch ich sie – dies Wort ist nicht zu brechen.

 

Laß klar mich reden ohne Silbenstechen:

Dient ich dir auch von Früh- bis Abendschimmer,

glaub mir, der Spielausgang blieb stets ein schlimmer,

Mag ich gewinnen oder muß ich blechen.

 

Dann fänden sie und du mich treulos hier,

Und als Verräter wär ich anzusehen,

Da doch mein Eidesschwur gegolten ihr!

 

Drum laß uns diese Sache übergehen,

Weil Amor mich so bindet, daß ich, dir

Nachfragend nicht, zu ihm als Herrn muß stehen.“ -

 

 

 

XLIII. Die Vernunft

 

„Freund, achte wohl, ob höflich dies Betragen,

Zu weigern deine Huld solch einer Fraue

Wie mir, die ich so schön und sauber schaue,

Daß mir so leicht kein Fehler nachzusagen.

 

Mein Antlitz kann als Spiegel klar behagen,

Zu derb, zu schlank auch bin ich nicht im Baue,

Zu groß, zu niedlich nicht; und ich vertraue,

Bin ich erst dein, wird reiche Lust dir tagen.

 

Noch laß ich diesen Vorteil dich genießen,

Daß du in Reichtum immerdar kannst leben,

Und niemals dich ein Kummer wird verdrießen.

 

So ließ ich Sokrates auch Freuden fließen,

Doch hat der Weise Liebe mir gegeben,

Weshalb ihm heut noch Ruhm und ehren sprießen.“

 

 

XLIV.

 

„Der Sokrates, von dem ich dir berichtet,

War eine Quelle, draus viel Heil entsprungen,

Ein Born, draus Segen reichen Stroms gedrungen,

Weil einzig meinem Willen er verpflichtet.

 

Nie hat Fortuna Sorgen ihm geschichtet,

Er fragte nie, ob auf-, ob abgeschwungen

Ihr Rad, nicht Lust noch Leid hat ihn bezwungen,

Stets wandellos war sein Gesicht durchlichtet.

 

Was gut und schlimm, wog er in selber Wage,

Und jede Schale stand in ebner Lage,

Nicht Leid hat er entnommen draus noch Freude.

 

So wollte Gott, daß es auch dir gefiele,

Glücklich zu sein; laß mich sein dein Gespiele,

Stolzer dann ragt kein ehelich Gebäude.“

 

 

XLV.

 

„Mich anzuhören noch laß dir gefallen:

Verschiedne sätze will ich jetzt entfalten,

Die du im Ohr und Herzen magst behalten,

Denn bessere Lieder werden kaum dir schallen.

 

Du ließest deinen Tadel auf mich prallen,

Weil du nicht mehr mit Amor solltest schalten,

Der euch lebendig läßt im Tod erkalten;

Eh es zu spät, entreiß dich seinen Krallen!

 

Doch muß ich euch den Lustrausch auch mißgönnen,

Will ich nicht jeden Trank, nur den euch weigern,

Der das Gefühl erniedrigt, statt zu steigern.

 

Du sollst der Liebe wohl dich freuen können,

Nur sollst du Amors Fesseln nicht mehr tragen,

daß du nicht endigst unter Weheklagen.“ -

 

 

XLVI. Der Verliebte.

 

Als die Vernunft genug mit mir gestritten

Und nach der Predigt einen Schlußpunkt machte,

Sprach ich: „Mit dem, was deine Lehre brachte,

Hast, Herrin, schlecht du bei mir abgeschnitten,

 

Weil ich nicht mitgehn kann, wie du geschritten,

Und ichs durchaus nicht als erfreulich achte;

Doch könnt ich, wer mich zu ersuchen dachte,

Hersagen ihm dein mahnungsreiches Bitten.

 

Denn deine Lehre trag ich tief im Sinne

Und kann sie, wem sie zusagt wiederholen,

Doch scheint sie mir durch Weisheit nicht empfohlen.

 

Denn ich bleib fest, und um der Blume Minne

Trüg ich den Tod selbst mit gefaßtem Herzen

Und was mich träfe sonst an Leid und Schmerzen.“

 

 

XLVII. Der Verliebte und Trautgesell.

 

Vernunft ging fort, als sie mein Wort vernommen,

Und machte so ein Ende unserm Streite;

Denn daß aus Amors Bann sie mich befreite,

Mocht ferner ihr kein Rat noch Ausweg frommen.

 

Drauf, meinem Schicksal anders beizukommen,

Sann ich; doch sah ich, wie von jeder Seite

Das Unheil schneller als im Anfang schreite:

Kein Schild gab Schutzwand mir, von Not beklommen.

 

Doch Gott gefiels, das er mir wieder schickte

Freund Trautgesellen, daß er Rat mir spende.

Und er kam schnell, sobald er mich erblickte,

 

Und sagte, „Freund, ich staune ohne Ende,

Wie jeder Tag dich leidensblasser machte:

Wo blieb dein Antlitz, das so rosig lachte?“-

 

 

XLVIII. Der Verliebte.

 

„nicht wundre dich, wenn ich nicht freudenhelle

Und kraftvoll mehr, Freund Trautgesell, mich zeige;

Durch Widerstand ging all mein Mut zur Neige.

Fortuna drückte mich zu Boden schnelle!

 

Mich überwand des Zorns und Kummers Welle,

Daß es kein Wunder, wenn ich harmvoll schweige;

Und so voll Trümmer seh ich alle Steige,

Daß ich, hilft Amor nicht, daran zerschelle.

 

Und dies hat Lästermund mir eingerühret,

Der Keuschheit gleich und Eifersucht erweckte,

Sobald ich nur der Blume Kuß genossen.

 

Daß der in seiner Normandie noch steckte,

Im Land, wo Strick und Galgen ihm gebühret,

Weil er so ruchlos schwatzte mir zum Possen!“

 

 

XLIX. Der Verliebte und Trautgesell.

 

Wie mirs ergangen, hatt ich nun berichtet

Wortweise, wie die Nadel zieht am Bande,

Dem Trautgesell, der aus Apuliens Lande

Nicht stammte und mich schnell mit Trost beschwichtet,

 

Und sprach: „Du bist zu folgen nicht verpflichtet

Dem Rate der Vernunft, die stets für Schande

Es hält, steht wo ein Liebender im Brande;

Auf solche Predigt sei von dir verzichtet.

 

Nein, halte fest an deiner treuen Liebe

Und daran, was Gott Amor du geschworen,

Weil langes Dulden alles überwindet.

 

Drum sieh, daß dichs aus meinem Weg nicht triebe,

Dann bleibt dir jene Einsicht unverloren,

Wie Klugheit sich mit treuer Liebe bindet.“

 

 

L. Trautgesell.

 

“Von Lästermund will ich zunächst dir sagen:

Laß niemals ihn ein mürrisch Wesen sehen,

Und triffst du ihn, durch Zufall kanns geschehen,

Sei freundlich und gefällig von Betragen.

 

Dich und was dein, biet an ihm ohne Klagen,

Als ob dichs freu, zu Diensten ihm zu stehen.

So kannst du diesen Schurken hintergehen,

Der allen Schlechtes nachsagt mit Behagen.

 

Umarmend ihn, muß seinen Feind man führen

Mit Schmeichelworten, bis er angekommen

Am Fuß des Galgens, und dann laß ihn baumeln.

 

So muß man listig seine Suppe rühen:

Und wenn du diesen so aufs Korn genommen,

Wird er von selber in die Falle taumeln.“

 

 

LI.

 

“Auch rat ich dir und geb dir zu beachten:

Zeig dich zu oft nicht in des Schlosses Nähe,

Daß man zu klar nicht deine sehnsucht sähe,

Die schöne Frohwillkommen anzuschmachten.

 

Nach großer Vorsicht nämlich mußt du trachten,

Solang dich Lästermund verfolgt so zähe;

Du weißt, man hört ja dieses Schelms Gekrähe

Nach Zank und Streit, mags tagen oder nachten.

 

Nicht so zu fürchten sind die andern Wächter,

Die minder der Bequemlichkeit Verächter;

Doch Lästermund ist einzig dir gefährlich,

 

Denn der Normanne schießt gleich ab den Bogen

Vorm Dom und auf dem Markt, und ist nicht spärlich

Mit Klatsch und Tratsch, und sei er auch erlogen.“

 

 

LII.

 

“Der Alten, die bei Frohwillkomm hält Wache,

Komm dienstbereit und höflich stets entgegen;

Sie ist dir, wenn sie will, von großem Segen,

Und weder träg noch blöd in ihrem Fache,

 

Die Eifersucht (Freß sie der Feuerdrache!)

Behandle auch so, triffst du sie gelegen;

Versprich ihr Höll und Himmel meinetwegen,

Doch Zahlung sei dir keine schnelle Sache.

 

Und schenkst du ihnen, schenke Nichtigkeiten,

Haarnetze, Blumensträußchen, Schleier, Bänder,

Ein Kettchen oder Spangen für Gewänder,

 

Nadel und Kamm, ein Messerchen zuzeiten

Ein Rosenkränzlein, Putz und derlei Sachen:

Solch billiger Kram wird keinen ärmer machen.“

 

 

LIII.

 

Kannst du nichts schenken, mußt du viel versprechen,

Wie diesen Rat ich oben schon ließ hören;

Bei Gott und allen Heiligen magst du schwören,

Des Messesakraments dich auch erfrechen.

 

Such sie mit Freifrautiteln zu bestechen,

Mit Gulden und Byzanzgold zu bethören!

Zeig, wie die Tränen dein Gesicht zerstören,

Und sag, dein Herz müßt ohne sie zerbrechen.

 

Und wenn die Tränen gar nicht kommen wollen,

Nimm Zwiebeln oder Knoblauch, dran zu riechen;

Dann werden gleich die dicksten Tropfen rollen.

 

Täuschend netzt etwas Speichel auch die Augen,

Falls andre Säfte dir nicht besser taugen.

Und so wird jede auf den Leim dir kriechen.“

 

 

LIV.

 

“Und kannst du niemals sprechen deine Traute,

So such dein Leid ihr brieflich zu bekunden,

Sag, wie dich Amor so an sie gebunden,

Daß deine Liebe dich mit Pein umgraute.

 

Und schreib: „Um Jesus Christus, wenn doch schaute

Dein Auge mitleidvoll auf meine Wunden.“

Doch nuimm als Boten nur, der treu erfunden

Für solchen Brief, daß nichts davon verlaute.

 

Auch Namen darfst du nie im Briefe nennen;

Von ihr sprich stets als Er, von dir als Sie nur:

So tauscht man Äpfel gegen Birnen klüglich.

 

Und laß auch Kinder nie als Boten rennen,

Groß ist da die Gefahr, und fragst du: Wie nur?

Unzuverlässig sind sie, drum betrüglich.“

 

 

LV.

 

“Und ließ sich deine Herrin erst beschenken,

So hat schon trefflich dein Geschäft begonnen;

Doch hast du gar ein Küßchen noch gewonnen,

So glückt dirs auch das Ende einzurenken.

 

Und sollte sie ganz abzulehnen denken,

Weil Unerfahrenheit sie hält umsponnen,

So tu, als ob du zornig seist gesonnen,

Und schweigend mußt den Fuß du heimwärts lenken.

 

So laß sie tagelang unangeredet,

Und sie zu treffen, mußt du ängstlich meiden,

Und tu, als wärst du ganz mit ihr verfehdet.

 

Dann wird sie große Schwermut bald erleiden,

Daß wohl das Fleisch auf ihren Knochen schwindet

Biß sie geheilt sich von der Torheit findet.

 

 

LVI.

 

“Dem Seemann gleich, der durch die hohen Wogen

Des Meeres schifft, zu finden ferne Lande,

Folgend dem Nordstern treu am Himmelsrande,

Die Segel luv- und leewärts aufgezogen,

 

Bald nah, bald fern der Küste kreuzt im Bogen,

Wie Sicherheit es fordert vom Verstande,

Und so, bis guter Wind ihm wird zum Pfande,

Viel Wochen ihm und Monde hingeflogen:

 

So machs, wer sich mit Amor will vergnügen,

Wenn ohne Huld er seine Herrin findet:

Heut muß er jagen sie und morgen meiden.

 

Dann sieht er leidend sie und blaß von Zügen,

Als müsse sie den sichern Tod erleiden,

Eh sie an seiner Brust sich selig windet.“

 

 

LVII.

 

“Und sagtest gern du einer Schmeicheleien,

Seis einer Alten, sei es einer Jungen,

Seis Gattin, Witwe, Jungfer – ungezwungen

Muß deine Zunge klug die Worte reihen,

 

Dem Haar, dem Mund, den Augen Lob zu weihen,

Als wär dem Himmel Schönres nie gelungen.

Sag dann: „Wills Gott, so kämt Ihr bald gesprungen

Im Nachtkleid zu mir, daß wir glücklich seien!“

 

So lobe sie, so schmeichle ihr gar klüglich,

Denn jede, sei sie noch so hoch bei Jahren,

Vernimmt dies gern und hält am Ende füglich

 

Sich für die Schönste in der Frauen Scharen.

Dann lockt es sie, den Ärmsten unverzüglich

Zu rupfen, dessen Lob sie grad erfahren.“

 

 

LVIII.

 

“Die Magdlichen, die Reifen und die Alten

Sind alle, uns zu plündern, wie geschaffen:

Von ihren Waren kannst du nichts erraffen

Mit Güte, weil sie unbarmherzig schalten.

 

Und die es mit der Freundlichkeit zwar halten,

Doch nie was nehmen, lachen nur des Laffen.

Natur erschuf sie just mit solchen Waffen,

Wie sie den Hund erschuf, der Jagd zu walten.

 

Geschenke macht auch die und jene freilich,

Doch prüfte sie den Beutel erst verstohlen,

Weil sie nur schenkt, um doppelt einzuholen.

 

Verschenkt sie Schmuck, ist er nicht von Belange,

Er dient als Köder nur zum Vogelfange.

Wer da nicht klar sieht, handelt unverzeihlich.“

 

 

LIX.

 

Sollt die Umschwärmte einen Korb dir geben,

So büßest du nichts ein durch ihr Versagen

Als nur das Wort, das dich ihr angetragen:

Ganz sicher reut sie bald ihr Widerstreben.

 

Es wird nicht eine unter hundert leben,

(Ja mehr als tausend sind wohl zu erfragen)

Die solche Weigrung später nicht beklagen,

Wie schroff dir auch erschien ihr Überheben.

 

Und bitte, daß sie huldvoll dir vertraute,

Beliebt ihrs auch, ganz töricht dich zu nennen,

Denn größere Freude kannst du ihr nicht machen.

 

Doch daß von solcherlei kein Wort verlaute,

Willst du die Burg nicht bis zum Sieg berennen;

Sonst rühmt sie des sich überall mit Lachen.“

 

 

LX.

 

„Und bist du erst allein mit ihr, sei munter

Und nimm sie fest in deiner Arme Klammer,

Zeig dich als Kraftmensch ihr und muskelstrammer,

Und schlag das Bein ihr ohne weitres unter.

 

Und schreit sie: nein! so denk dir nichts darunter,

Und ruft sie, Gnade! hörts ja nur die Kammer;

Doch du sprich: „Herrin, stillet meinen Jammer,

Durch Euch treibts amor mit mir bunt und bunter,

 

Sodaß ich ohne Euch mich ruhlos wälze.

Darum erbarmet meiner Euch in Hulden,

Denn länger kann ich nicht die Qual erdulden.

 

Glaubt mir, daß treu und ehrlich meine Minne,

Daß meine Liebesglut für Euch nie schmelze,

Und Heilung nur durch Euch mein Herz gewinne.“

 

 

LXI.

 

„Und ist dein Liebchen klug und treu von Sitten,

Mußt du der klugheit auch und Treue pflegen,

Denn eh sie spricht: „Nimm dies hier, Freund, entgegen

Von meinem Schmuck,“ läßt sie dich mehrmals bitten.

 

Und ist bei ihr der Frohsinn wohlgelitten,

So mußt auch du den gleichen Frohsinn hegen,

Kurzum: dich ganz inihrer Art bewegen,

Sonst scheinst du ihr ein Bär aus Waldesmitten,

 

Und wirst ihr gar als Heuchler mißbehagen,

Der nur gekommen, um sie zu betrügen;

Denn nur wer jung und froh, macht ihr Vergnügen.

 

Doch wird, die klug und sanft, davon nichts sagen:

Mehr als den Fant liebt sie den Wagefrohen,

Von dem ihr keine Ärgernisse drohen.“

 

 

LXII.

 

„Hör noch von einigen harmlos-wichtigen Ränken,

Dann wirst du gut mit deiner Liebsten reisen:

Beim Mahle reich ihr stets die besten Speisen

Zuerst und knausere nicht mit den Getränken.

 

Such sie im Ausgehn niemals zu beschränken,

Sag fröhlich: „Geh mit Gott!“ Such auch durch leisen

Vorwurf ihr nie ein Unrecht zu beweisen,

Sonst wird Verlust im Liebesspiel dich kränken.

 

Wenn du sie irgendwie beschäftigt siehest,

So stelle klug dich blind mit sehenden Augen

Und suche, wie du unauffällig fliehest.

 

Ein Brief auch darf dir nie zum Mißtraun taugen,

Der Inhalt wie der Bringer auch verdrieße

Dich nicht, noch frage, wer sie grüßen ließe.“

 

 

LXIII.

 

„Wenn du beim Schachspiel oder Damenbrette

Mit deiner Herrin weilst, so überlasse

Den Sieg stets ihr, und sag ihr eine Masse

Lobsprüche, weil sie immer klug sich rette.

 

Und würfelt ihr, verliere um die Wette,

Daß sie den Pasch hat und du die zwei Asse;

Und den Verlust nimm lächelnd aus der Kasse,

Zeig heitre Miene stets beim Spielduette.

 

Räum ihr den Sessel ein, du mußt bequemen

Der Fußbank dich; bring Polster her und kissen,

Zeig nie dich müde, ständig dienstbeflissen.

 

Und siehst ein Fädchen du auf ihrem Kleide,

Im Weg ein Steinchen, mußt du fort es nehmen,

Damit sie nicht Verdruß noch Anstoß leide.“

 

 

LXIV.

 

„All ihre Wesensart mach dir zu eigen,

Lacht sie, lach mit, tanzt sie, schwing selbst die Beine,

Und suche sie zu trösten, falls sie weine;

Doch mußt du selbst auch schnell zu Tränen neigen.

 

Und sollte sie mit andern Fraun sich zeigen,

Daß sie ein Ballspiel irgendwo vereine,

Lauf dem verflognen Ball nach und erscheine

Schnell und diensteifrig wiederum im Reigen.

 

Und sollte zwischen euch ein Streit entstehen,

Daß gegen sie die Hand im Zorn du hobest,

Beschwichtge sie, wobei du gleich gelobest

 

Mit süßem Wort: nie wieder solls geschehen,

Und sühnen wirst du, was dich schmerzt zumeist schon.

Dann packe sie und zu ihr... na, du weißt schon!

 

 

LXV.

 

„Vor allem mußt du ihr zu schmeicheln streben;

Gestalt und Wesen sei entzückend, sage,

Und daß ihr Geist den Salomo selbst schlage:

So male sie dein Wort wie nach dem Leben.

 

Doch ohne, daß du heuchelst, zuzugeben,

Sonst kämest du beim Fest in schlimme Lage,

Ein Fußfall selbst wär nutzlos; darum trage

Bedacht, durch Farbe jedes Wort zu heben.

 

Wohl gibt es Fraun, die darin schon gewitzet,

Und dem nicht glauben schenken, was man fabelt,

Weil sie in solchem Trug schon sahn manch Härchen.

 

Doch nun dies junge Ding du aufgegabelt,

Der noch der Pflug die Furche nicht geritzet,

Wird sie dir glauben gern die tollsten Märchen.“

 

 

LXVI.

 

„Wenn du ein neues Lieb dir zugelegt hast

Oder gedenkst erst, dir eins zuzulegen,

Und willst doch den Verkehr noch weiter pflegen,

Den du mit deiner ersten lang gepflegt hast,

 

Und du der neuen um den Hals gelegt hast

Ein Schmuckstück, warne sie vor jenen Wegen,

Wo ihr vielleicht die alte käm entgegen:

Schlimm büßte dann sie, was du angeregt hast.

 

Doch bleibt die alte am Verdachte hangen,

So schwöre, daß sie fälschlich dich verklage,

Weil du dich niemals gegen sie vergangen.

 

Doch wenn sie dirs beweist, sei klug und sage,

Daß dich Verrat und Zwang nur sündigen ließe.

Dann pack sie und ihr Gartenbeet begieße.“

 

 

LXVII.

 

„Und sollte Krankheit einst die Herrin plagen,

So denke ihrer treu zu warten immer,

Halt unverdrossen aus im Krankenzimmer

Und such ihr Lieblingsbissen herzutragen.

 

Sag ihr: „In letzter Nacht hielt voll Behagen

Im Traum ich dich umarmt, beglückt wie nimmer,

Liebseelchen, rosig im Gesundheitsschimmer:

Gott hab ich großen Dank dafür zu sagen,

 

Weil er mich ließ solch holdes Traumbild sehen.“

Dann sage schlau und leis, doch daß sies höre,

Du ließest großen Bittgang tun, und schwöre,

 

Du würdest selbst auf weite Wallfahrt gehen

Für sie, zum Dank, wenn Jesuschrift sie heile.

So wird ihr Herz und Sinn dir ganz zuteile.“

 

 

LXVIII. Der Verliebte und Trautgesell.

 

Als ich vernommen Trautgesells so gute

Ratschläge, die er gab nach bestem Wissen,

Begann ich: „Trautgesell ich bin beflissen

Der Treue noch in jeglicher Minute.

 

Nicht wolle Gott, daß ich, vom leichten Mute –

Liebe zu heucheln – werde hingerissen,

Als wollt im Dienst ich Gut und Leben missen,

Um Schaden dann zu tun mit kaltem Blute.

 

Jedoch erlaube mir, mich ganz zu trennen

Zunächst von Lästermund und seinen Scharen,

Daß kein Vertraun sie ferner in mich setzen:

 

dann will ich gegen sie mein Schwert gern wetzen.“

Doch der sprach: „Freund, das muß ich töricht nennen:

Auf die Art wirst du übeln Weges fahren.“

 

 

LXIX. Trautgesell.

 

„Die freundschaft kündgen, wird dir Nachteil bringen,

Wenn heil du willst aus diesem Kriege kehren.

Laß große Herrn anrücken gleich mit Heeren

Denn ihre Macht wird leicht den Sieg erzwingen.

 

Dem Lästermund wird stets Verrat gelingen,

Ihn selbst verraten ist kein schlecht Begehren;

Wer ihn mit Lug und Trug nicht wollt versehren,

Verliert im Spiel, was leicht sonst zu erringen.

 

Verachtest du und schlägst ihn, wird er schreien,

Denn seine Art gleicht ganz dem Schlächterhunde:

Je mehr du drohst, je lauter wird er brüllen.

 

Wer Lästermund schnell richten will zugrunde,

Muß klüglich sich in Schmeichelworte hüllen.

Solch Weg nur, glaub mir, kann dir Sieg verleihen.“ -

 

 

LXX. Der Verliebte und Trautgesell.

 

„Muß ich denn zum Verrat als Mittel greifen,

Und rätst du, Trautgesell, mir solch Betragen,

So werd ichs tun trotz meinem Unbehagen,

Um rasch das Fell dem Köter abzustreifen.

 

Doch, kluger Freund, lass bessern Plan dir reifen,

Und weißt du kürzern Weg mir vorzuschlagen,

Drauf Lästermund und seinen Schwarm wir jagen,

Bis Frohwillkomms Gefängnisturm wir schleifen,

 

So geh ich lieber diesen Weg, so werde

Ich den betreten mit erprobten Leuten,

Daß wir die Festung machen gleich der Erde.“ –

 

„Erst kürzlich bin ich diesen Weg gegangen,“

Sprach Trautgesell, „doch laß dich nur bedeuten,

Daß ich ihn nimmer ging mit reuigem Bangen.“

 

 

LXXI. Trautgesell.

 

„Die Menschen nennen diesen Weg Verschwendung,

Und törichtes Vergeuden baute diesen;

Der Fülle ward die Torwacht zugewiesen,

Und fest hält diese Frau an ihrer Sendung.

 

Nur Freund und Vetter finden durch Verschwendung

Hier Eintritt. Ob durch Schönheit wer gepriesen,

Ob weisheit, Adel er zum Ruhm erkiesen,

Sie weist ihn ab, kein Wort wird ihm zur Spendung.

 

Kannst du zu diesem Weg den Eintrit finden,

So muß der Widerstand der Festung schwinden,

Und leicht entführen wirst du Frohwillkommen.

 

Nichts wird das Speergeschleuder ihnen frommen,

Noch daß die Narren Posten stehen ließen,

Nichts Ausfalltor und Wall und all ihr Schießen.“

 

 

LXXII.

 

„Nun bist du brav mit allem Rat beschlagen,

Der einem klugen Liebenden mag frommen:

So kannst du in die Gunst der Liebsten kommen,

Und ohne daß ein Zwist schafft Mißbehagen.

 

Und führst du Frohwillkomm einst aus den Plagen

Des Kerkers, sei nur dieser Weg genommen,

Nur so siehst du von Neigung sie entglommen,

Mag sie auch anders, als sie denket, sagen.

 

Und suche nie zu hindern ihren Wandel,

Laß sie nach Wunsch im Gehn und Kommen schalten;

Sie zu bewachen, wär verlorner Handel.

 

Denn leichter glückt dirs, einen Aal zu halten

Am Schwanze, den du siehst durchs Wasser schnellen,

Als eine Frau, weiß sie sich zu verstellen.“

 

 

LXXIII. Der Verliebte.

 

So riet mir Trautgesell mit gutem Grunde,

dann ging er ohne noch ein Wort zu sagen.

Ich aber mochte noch nichts rechtes wagen

Vor meinem bittern Feind, dem Lästermunde.

 

Vorm Trotz empfand ich minder Furcht zur Stunde,

Solang noch Schlaf sein köstlichstes Behagen.

Auch wollte Scham noch nicht die Waffen tragen,

Wie ich gesagt, mit mir im Kampfesbunde.

 

Doch noch die Furcht war da, die zweifelvolle,

Der schon bei meiner Stimme bang zumute

Die war nicht so, daß sie im Schlafe ruhte,

 

Sie spielte, scharf die Blume stets beschauend,

Viel strenger, als die andern, ihre Rolle,

Der Wachsamkeit der übrigen mißtrauend.

 

 

LXXIV.

 

Kundschaftend bin ich um die Burg gegangen,

Damit ich jenen Eingang mir erkunde,

Den Toll-Vergeuden schuf; mit solchem Funde

Hofft ich zum Ziele schneller zu gelangen.

 

Da ward mein Blick von einem Weib gefangen

In einer Fichtenlaube schattigem Grunde,

So schön und stolz, daß auf dem Erdenrunde

Sie längst berühmt ob ihres Reichtums Prangen.

 

Sie glänzte so in ihrer Schönheitshülle,

daß von den Strahlen ihres Angesichtes

Der Umkreis stand im Schimmer hellsten Lichtes.

 

Und dieses Weibes Name war die Fülle.

Auch konnt ich einen Freund bei ihr gewahren,

Doch hab ich dessen Namen nicht erfahren.

 

 

LXXV. Der Verliebte und die Fülle.

 

Der Herrin naht ich mit mit Hauptesneigen,

Um nach dem Gruße mich an sie zu wenden

Des Weges halber, der da heißt Verschwenden.

Sie sprach: „Ich werde dir den Weg nicht zeigen,

 

Und hielte, wär dir die Erkenntnis eigen,

Dich doch zurück wie alle, die um Spenden

Nicht Habe sich verschaffen aller Enden;

Drum ists sehr klug, läßt du dich heimwärts senden.

 

Weil du um meine Huld nie buhlen wolltest,

In deinem Leben nie mir Achtung zolltest,

Will ich nun reichlich mich zu rächen trachten.

 

Und du wirst sehn, wenn ich für dein Mißachten

Dir Leid und Unheil schicke: statt zu grollen,

Hättest du meine Huld verdienen sollen.“ -

 

 

LXXVI.

 

„So möge holde Herrin, Gott mir gnaden,“

Begann ich drauf. „Wenn Unrecht ich begangen,

Sollt Buße nach Belieben Ihr empfangen,

Und bester Wille mache gut den Schaden.

 

Nur weiß nicht Euer Herz, wie schwer beladen

Mein Herz sich fühlt mit sorgenvollem Bangen;

Doch Kenntnis werdet Ihr davon erlangen,

Wenn Ihr mich prüfen wollt nach Strich und Faden.

 

Drum bitt ich, laßt den Durchgang mich gewinnen,

Um in die Burg der Eifersucht zu kommen,

Die mich so grausam hingestreckt zur Erden.“

 

Sie aber sprach: „Du willst mit Trotz beginnen,

Drum such dir andern Weg. Matt wirst du werden,

Eh du auch eine Zinne nur erklommen.“

 

 

LXXVII. Der Verliebte und Gott Amor.

 

Da nun vergeblich alle meine Bitten,

Die ich in Anschlag bei Frau Fülle brachte,

Sah ich, daß meiner sie nur wenig achte

Und bei der Harten ich nicht wohlgelitten.

 

Da kam Gott Amor freundlich schon geschritten,

Der nahe war und sorglich mich bewachte,

Und, wie mir schien, mitleidig sich bedachte.

Er sprach, sich nahend mir mit raschen Tritten:

 

„Mein Freund, bliebst du auch immer treu dem Eide,

Den du vor einem Jahre mir geschworen?“

Ich sprach: „Ihr habt ja doch mein Herz zum Pfande,

 

O Herr.“ – „Und nie gereich es dir zum Leide,

Daß du dich mir geweiht hast mit Verstande:

Nach langem Leid bist du zur Lust erkoren.“

 

 

LXXVIII. Der Verliebte.

 

Gott Amor nun durch alle Reiche sandte

Botschaft und Briefe seinem wackern Heere,

Daß jeder stehnden Fußes zu ihm kehre,

Indem er Bitte und Befehl verwandte

 

Und ihnen als die Hauptbedingung nannte

Die Pficht, daß jeder Trupp in voller Wehre

Die Burg der Eifersucht mit ganzer Schwere

Durch alle Pforten gnadenlos berannte.

 

und jeder rückte zum bestimmten Tage

Am Platz gehorsam ein, wie er beordert,

Bedenkend, was an Rüstzeug sich erfordert,

 

Der Eifersucht zu bringen Not und Plage. –

Nun will ich hier noch von den einzeln Helden,

Soweit es mein Gedächtnis zuläßt, melden.

 

 

LXXIX. Amors Heeresbann.

 

Als erste kam die Herrin Hastenimmer

Mit Edelherz und Fülle hergegangen,

Dann Freimut, Höflichkeit und Ehrverlangen

Samt Mitleid, Spendereich und Wagnurimmer.

 

Geselligkeit, mit Scherz vereint wie immer,

Sanftmut, Vertraun und Frohsinn sah man prangen,

Schönheit und Jugend, Zeitvertreib auch sprangen

Im Zuge, folgend all des Banners Schimmer.

 

Geduld und Demut waren mit zur Stelle

Samt Hehleklug und Lustbarkeit, und schnelle

Kam Trügemund zuletzt mit Ungernfasten.

 

Doch Amors Mienen ein Erstaunen wiesen,

Als er den Trügemund auch sah hier gasten;

Drum sprach er: „Wer gibt Bürgschaft mir für diesen?“

 

 

LXXX. Ungernfasten.

 

Und gleich kam Ungernfasten vorgeschritten

Und sprach: „Der kam mit mir als mein Begleiter;

Denn ohne ihn gelänge mir nichts weiter,

Und wollt ich Gott und alle Helden bitten.

 

Mit Trugspiel lenkt er mich und sich: die Sitten

Dankt er der Mutter Scheinfromm wie kein zweiter!

Die Handschuh gibt man mir um so bereiter,

Je schneller ich ins Schelmenkleid geglitten.

 

Und also sind wir zwei hierhergekommen,

Und unsers Lebens freuten wir uns immer,

Unsre Gedanken sagend nun und nimmer.

 

Und haben wir das Ansehn auch von Frommen,

Wir spinnen unsre Ränke um so schlimmer:

Mönche der Art sind stets gut aufgenommen.“

 

 

LXXXI. Amor und Trügemund.

 

Gott Amor lächelte, als ihm die Kunde

Der Ungernfasten wies, was sie bedeute,

Und sprach: „Das sind zwar hochgewichtige Leute!

Nur wüßt ich gern, bei Gott, vom Trügemunde,

 

Falls ich ihn eingereiht in meinem Bunde,

Ob ich ihm trauen kann, daß michs nicht reute?“

„Das könnt ihr Herr; ich dachte stets bis heute

Rechtschaffen nur, dran zweifelt keine Stunde!“ –

 

„So steht im Widerspruch denn Wort und Wesen

Bei dir?“ – „Wahrhaftge Wahrheit könnt ihr lesen

In mir, drum möget Ihr getrost mich chartern.

 

Zwar könnt dem Wolf Ihr nicht das Fell abstreifen,

(Doch werdet Ihr ihn nicht so grausam martern)

Wenn Ihr dabei nicht wollt zum Messer greifen.“

 

 

LXXXII. Gott Amor.

 

Und Amor seinen Edeln nun verkündet:

„Ich rief euch her, um Hilfe mir zu schenken

Und kühn an die Eroberung zu denken

Der Festung, die Frau Eifersucht gegründet.

 

Drum seid mir alle denn im Schwur verbündet,

Mit mir vereint zu diesem Ziel zu lenken;

Solang, bis sich ihr trotzig Haupt muß senken

Und sie zerstört ist, kämpfet mutentzündet.

 

Denn unterstützen muß man den Durante,

Und halten will ich, was ich ihm versprochen,

Weil ich in ihm ein liebend Herz erkannte.

 

Vernunft versuchte zwar, mich abzudringen

Von ihm, der klug blieb, fest und ungebrochen,

Daß ihre Worte nicht bei ihm verfingen.“

 

 

LXXXIII. Des Heeresbanns Beratung.

 

Der Heeresbann begann sich zu beraten,

Wie man am sichersten zu Werke ginge,

Und welches Tor als erstes man bezwinge.

Einmütig alle hier zusammentraten,

 

Nur Fülle nicht. Sie und die Ihren taten

Den Schwur, daß sich kein einziger mir verdinge,

Noch in die Burg zum Sturmesangriff dringe,

Ob alle auch befahlen oder baten.

 

Sie sagte, ihr Entschluß bleib ungebrochen,

Weil ihre Gönnerschaft ich einst mißachtet:

Recht wärs drum, ich sollt reuig in mich gehen!

 

Zwar hätt ich ihr recht schmeichelhaft gesprochen

Am Fichtenbaum, doch hätt sie nie gesehen,

Daß ich der Armut zu entgehn getrachtet.

 

 

LXXXIV. Des Heeresbanns Schlachtordnung.

 

Gott Amorn ward verkündet diese Sache

Mit dem Beschluß, den sie zusamt gefunden,

Daß Ungernfasten nun mit Trügemunden

Matt setzen Lästermunden soll im Schache,

 

Daß Spendereich und Höflichkeit dann mache

ein Bündnis mit der Tänzerin unumwunden;

Kühnheit und Mitleid werd ich stark bekunden

Dem Trotz, ob er auch fauche wie ein Drache.

 

Dann werden Scherz und Hehleklug auch kommen,

Der Jungfrau Scham solch einen Stoß zu geben,

Daß sie nicht länger wird ihr Haupt erheben.

 

Und Wagnurimmer wird die Furcht vertreiben;

Doch wenn Vertraun sie ins Gebiß genommen,

Wird auch kein Fädchen von ihr übrigbleiben.

 

 

LXXXV. Gott Amor.

 

Amor entgegnete: “Wohl hör ichs gerne,

Daß ihr dem Heer so festen Plan gegeben;

Doch Fülle, dir, die mich getäuscht noch eben,

Bleibt Reue, wenn ichs kann, nicht lang mehr ferne.

 

So wahr ich Land noch zu erobern lerne,

Will ich nicht einen einzigen Tag mehr leben,

Wenn ihre Vielheit ich nicht aufzuheben

Vermag, sodaß nur wenig bleibt im Kerne.

 

Die arme Menschheit hat zu ihrem Herren

Mich auserwählt, und jeder liebt mich herzlich,

Daß ich mich solcher Gunst nicht kann versperren.

 

Wär ich der Fülle Gottheit, wie der Liebe

Gottheit ich bin, so wär mirs wirklich schmerzlich,

Wenn ich mit Schätzen ihnen geizig bliebe.“ -

 

 

LXXXVI. Antwort des Heeresbanns.

 

„Mocht Euch die reiche Menschheit Schaden bringen,

So läßt es manchen Rächer euch erwachen:

Rasch handeln wird nur Euern Mut entfachen,

Denn Buße gilts für Unrecht zu erzwingen.

 

Den Reichen wissen vieles abzudringen

Mädchen und Fraun, sobald sie lieblich lachen

Und auch Versprechungen in Menge machen,

Dran selbst die Klügsten schon zugrunde gingen.

 

Doch Trügemund und seine Freundin wagen

Sich hier nicht einzumischen, weil den beiden

Ihr grollt; so muß die Sache Aufschub leiden.

 

Drum will der ganze Heeresbann Euch bitten,

Daß Ihr ihn hört, er wird sich gut betragen.“ –

„Da ihr es wollt, so sei er denn gelitten.“

 

 

LXXXVII. Amor.

 

Amor begann: „Mit folgenden Bedingen

Tritt, Trügemund, denn ein in meine Reihen,

Daß unsern Freunden all du Hilfe leihen

Und unsre Feinde in die Knie wirst zwingen.

 

Und daß dir guter Anfang mag gelingen,

Will ich dich zum Spelunkenkönig weihen.

Daß deine Schelmenstücke kund mir seien,

Hab ich beschlossen schon vor andern Dingen.

 

So künde denn hier angesichts des Heeres,

(Daß, wenn es not, wir habhaft werden deiner)

Wo deine Wohnstatt, welcherlei Verkehres

 

Du pflegst, und was du führst als Handwerkswappen.

Dies alles künde ehrlich; doch so einer

Wie du, läßt stets auf Lügen sich ertappen.“ -

 

 

LXXXVIII. Trügemund.

 

„Wenns Euch gefällig, will ich denn berichten,“

Sprach Trügemund nunmehr, „und ihr mögt hören,

Was ich als lautre Wahrheit kann beschwören,

Den Wohnort und die Übung meiner Pflichten.

 

Nicht immer mag ich auf die Welt verzichten,

Doch wohn ich gerne in der Mönche Chören,

Weil die mich nie im Hohngelächter stören,

Nein, heilig nennen gar mein Tun und Dichten.

 

Der Menschen Treiben ist zu augenscheinlich:

Nur ungern drum befaß ich mich mit ihnen,

Denn nur Versteckspiel kann zum Zwecke dienen.

 

Drum muß mich, meine Bosheit zu verstecken,

Des guten Bruders Albert Rock bedecken.

Solch Rock ist mit der Schande unvereinlich.“

 

 

LXXXIX.

 

„Ich halt es draum stets mit diesen Frommen,

Die fromm nicht sind, sich nur den Anschein geben,

Versonnen scheinen und betrübt daneben,

Sodaß des Pöbels Mitleid schnell entglommen.

 

Sie zeigen sich bedrückt und sinnbenommen

Und wissen immer Jammer anzuheben;

Drum lohnt sichs, ihre Freundschaft zu erstreben,

Denn in der Gaunerei sind sie vollkommen.

 

Dann suchen sie sich schlau heranzumachen

An reiche Leute, die sie scharf umkreisen.

Und wenn sie dort bei allerfeinsten Sachen

 

Und besten Weinen schlemmten recht und praßten,

So nennen sie das ihre große Fasten!

Dann gehn sie, ihre Armut laut zu preisen.“

 

 

XC.

 

"Laut rühmen sie die Armut, doch sie strecken

Nach Reichtum aus die größten Fanggeräte

Und frönen dieser Arbeit früh und späte,

Nur decken sie sie schlau mit andern Decken.

 

Du wirst bei ihnen nie Gewinn einstecken:

Und leihst du ihnen – keine Quittung täte

Genüge dir, du kriegtest keine Gräte

Zurück, denn jeder weiß dich schlau zu necken.

 

Und jeder will als frommer Mann erscheinen,

Weil sie ein hären Kleid zwar außen tragen,

Doch drunter weißes, weichgewebtes Leinen.

 

Da kann die Frömmigkeit nicht Wurzel schlagen,

Die wurzelt nur im demutschlichten herzen,

Das still sein Leben führt in Müh und Schmerzen."

 

 

XCI.

 

« Wie ich gesagt : im Herzen, das bescheiden

Und sanft, treibt heiliges Frommsein Blatt und Blüten;

Wer wahrhaft fromm, wird sich vor Hochmut hüten,

Sich nur in Milde allerorten kleiden.

 

Mit solchen mag ich den Verkehr nicht leiden,

Mich freuen jene nur, die Bosheit brüten,

Vertraun mit Tücke und Verrat vergüten;

Drum such ich jene, wo ich kann, zu meiden,

 

Weil ich nicht einen Strang will ziehn mit ihnen.

Euch, edle Herren, kann ichs dreist vertrauen:

Zu ihnen halten, würde schlecht mir dienen.

 

Drum sollt ihr offen meine Absicht schauen,

Daß ich mich nämlich eher ließe henken,

Als abzuweichen je von meinem Denken.“

 

 

XCII.

 

"Ins Netz pflegt denen, die sich mir verbinden,

Die ganze Welt so sicher zu geraten,

Daß nicht vermöcht der größte der Prälaten

Grund oder Ufer ihrer Macht zu finden.

 

Vor meinem Trug muß Rettung jedem schwinden,

Und wenn auch die Gelehrtesten sich nahten,

Um zu enthüllen meine Freveltaten,

Ich mache blauen Dunst, daß sie erblinden.

 

Schief gings mit Meister Sighiers Bestreben,

Den ich am Dolch sich schmerzhaft ließ verbluten

Zu Orbiviet am Papsteshof. Den guten

 

Saint Amour auch, den Meister Wilhelm, brachte

Von Frankreichs Lehrstuhl schnell ich weg und machte

Mit Kummer und Verbot ihm schwer das Leben.“

 

 

XCIII.

 

« So zieh ich durch die Welt im Predigerkleide

Und laß bewundern sie mein ehrbar Leben;

Peinlich am Schnürchen geht all mein Bestreben,

Indes den andern ich ihr Werk verleide.

 

Doch wer den Blick schärft, daß er unterscheide,

Und hat er nur ein bißchen Salz daneben,

Dem glückt es leicht, den Schleier aufzuheben;

Nur zu verraten mich, er klüglich meide.

 

Denn spräch er etwas, das mir mißbehage

Und denen, die auf mein Panier geschworen,

So muß er sterben oder wird vertrieben,

 

Denn kein Erbarmen pflegen wir zu lieben.

Sein Ruf um Gnade trifft nur taube Ohren

Es kostet ihn das Leben ohne Frage.“

 

 

XCIV. Amor und Trügemund.

 

Als Trügemund die Rede kaum beschlossen,

Gefiel es Amor, ihn zu unterbrechen

Und rückhaltlos den Tadel auszusprechen,

Daß solche Worte sicher Gott verdrossen;

 

Und fragte dann, ob denn die Weltgenossen

Durch Frömmigkeit sich mühten abzustechen.

Der sprach: „Jawohl! es sammelt dort der Rechen

Mehr Früchte, als in andern Gärten sprossen.“ –

 

Denn allzusehr gereich es doch zum Leide,

Wenn alle schon ihr Seelenheil verlören,

Nur weil sie deckten sich mit buntem Kleide.

 

Nicht er noch andre wollten darauf schwören;

Denn Frömmigkeit wird blühn und Früchte tragen

In jedem Kleid, drin brave Herzen schlagen.

 

 

XCV. Trügemund.

 

„Viel wackre Heilige hat man sterben sehen

Und ebensoviel wackre heilige Frauen

Ergebnen Sinnes und mit Gottvertrauen,

Und doch in einem farbigen Kleide gehen;

 

Ja, ihrer Frömmigkeit konnt nichts geschehen!

Doch Hochmut war an ihnen nie zu schauen,

Liebe und Mitleid nur, und ohne Grauen

Sah man sie Martern selbst für Gott bestehen.

 

Und wollt ichs, könnt ich noch viel andre nennen,

Fast alles Heilige, Männer oder Frauen,

Die heut die Menschen noch als heilig kennen,

 

Die sich vermählten und auch Kinder zeugten;

Jungfraun und Fraun, die sich in Keuschheit beugten,

Und deren Kleid und Mantel bunt zu schauen.“

 

 

XCVI.

 

„Sieh der elftausend Jungfraun seligen Reigen,

Die sich vor Gott im Strahlenglanz gewiesen:

Farbig gekleidet jede war von diesen

Am Tag, als sie dem Schwert sich mußten neigen.

 

Und doch ließ sie der Herr zum Himmel steigen.

sagt man, die Seele würde nicht erkiesen

Zum Heil, weil angetan mit bunten Friesen,

Kehr dich nicht dran: Das Heil wird doch ihr eigen;

 

Denn Gnade blüht aus rechtlicher Gesinnung,

Das Kleid kann da nicht nützen oder schaden.

Und dies wird jeder, der Verstand hat, glauben.

 

Und jeder irrt, der abhängig die Gnaden

Vom Kleide wähnt, wo doch des Heils Gewinnung

Die guten Werke ganz allein erlauben.“

 

 

XCVII.

 

„Wenn man in eines Schafes Wollkleid steckte

Den Wolf, daß man ihn in die Hürde schiebe,

Glaubt ihr, daß er nicht lämmergierig bliebe,

Trotzdem ein Schafspelz außen ihn bedeckte?

 

Glaubt ihr, daß er nach Blut nicht ferner leckte;

Daß ihn der trug nicht reizt zu wilderm Triebe,

Und daß das Schäflein nicht von dannen stiebe,

Wenn das nichtsahnende vorm Feind erscheckte?

 

So hab auch ich mein Kleid drum angezogen,

Daß  man in mir den Wolf nicht soll durchschauen,

Wenn ich im Lämmerfraß noch so verwogen.

 

Und Gott sei Dank, der mich so schlau erschaffen,

Daß ich enttäusche aller Welt Vertrauen,

Die mich verehrt als einen wackern Pfaffen.“

 

 

XCVIII.

 

„Sind hier nun solcher Wölfe viel zu sehen,

muß es die Heilige Kirche arg verdrießen,

Weil sichs die Neuapostel einfalln ließen,

Auf ihre Stadt im Angriff vorzugehen.

 

Klar ists, daß feindlich sie beiseitestehen

Und sich in hartem Trotz zusammenschließen:

Der Fall der Stadt wird ohne langes Schießen,

Belagern oder Kämpfen rasch geschehen.

 

Und will nicht Gott bald raten hier und taten,

So muß der Krieg zu dem Ergebnis führen,

Daß es wird allen Kopf und Kragen kosten.

 

Und, ach, mir scheint, Gott ließe nicht sich rühren;

Dann wird die Kirche gar durch die verraten,

Die man gesetzt hat auf den Wächterposten.“

 

 

XCIX.

 

„Doch wenn es Euch beliebt, will ich nun schweigen

Und länger sprechen nicht von diesen Dingen,

Um nur noch das Versprechen vorzubringen,

Mich allen Euern Freunden treu zu zeigen.

 

Nur muß auch jeder mir sich freundlich neigen:

Wenn nicht, legt er zum Fall sich selbst die schlingen.

Auch meiner Freundin muß ein Lob er singen,

Sonst wird am Schluß sie übel heim uns geigen.

 

Wohl ist es Wahrheit: ich bin ein Verräter

Und schon von Gott verdammt als Übeltäter,

weil alle Welt ich wußte naszuführen.

 

Wie oft schon übt ich mich in falschen Schwüren,

Doch immer ohne jeden Lärm, daß später

Kein einziger meine Untat mochte spüren.“

 

 

C.

 

!Ich spinne all mein Werk so ganz vorzüglich,

Daß Proteus selbst, der einst die Kunst besessen,

Ganz die Gestalt zu wandeln nach Ermessen,

Kein Viertel weiß von dem, wie ich betrüglich

 

Verfahren und wortbrechen kann vergnüglich.

Und keiner merkt es, ob er selbst indessen

An meinem Tische saß bei Trank und essen;

Betrogen hab ich doch zuletzt ihn klüglich.

 

Ja, ich vermag mein Aussehn so zu wandeln,

Daß wiederzuerkennen mich undenkbar,

Ob man auch nachgeprüft hat all mein Handeln.

 

Denn wer da glaubt, mich ganz durchschaut zu haben,

der ist erst recht für all mein Blendwerk lenkbar,

Bis seine Augen fremd mein Bild ihm gaben.“

 

 

 

 

è weiter