1265 – 1336 Italien
1
Madonnas schönes Augenpaar
verklären
Von Amor auserlesene Gewalten,
Daß alle, die sie treffen,
innehalten,
Und andres nicht als sie zu
schaun begehren.
Wenn Sitt’ und Schönheit sie
als Göttin ehren,
Tun sie’s mit Recht, so wert
ist sie zu halten
Wie himmlische, nicht irdische
Gestalten.
Und ewig, ewig soll ihr Ruhm
sich mehren.
Wohl wird, wer sie nach Kräften
lieb hat, selig,
Im Anschaun ihrer Reize
allzumal.
Fragst du, wie ich das weiß?
Weil ich es fühle.
Sprichst du nun weiter,
forschst nach ihrer Zahl,
So weiß ich nicht, denn nicht
nur hunderte zähl ich,
Unendlich mehr, als noch einmal
so viele.
2
„Ihr Frauen, deren Auge Mitleid
spricht,
Wer ist die Frau, die dort
liegt überwunden?
Sie, deren Bildnis, in mir wird
gesunden? –
Ach, wenn sie’s ist, verhehlt
es länger nicht!
Jawohl, verändert ist ihr
Angesicht,
Und die Gestalt auch scheint
mir hingeschwunden;
Ich kann in ihr, scheint mir,
nicht die erkunden,
Die andren Frauwen leiht das
sel’ge Licht.“
„Daß ihre Züge dir unkenntlich
waren,
Weil sie gebrochen ist, mag
sich begeben,
Ein gleiches haben wir ja
selbst erfahren.
Doch willst du acht nur auf den
Adel geben
Der Augen, so wird sie sich
offenbaren.
O weine nicht, da schon dahin
dein Leben.“
3
Von wannen kommt ihr mit so
ernsten Sinnen?
Beliebt es euch, sagt es aus
Freundlichkeit,
Dieweil ich sorge, daß in
solchem Leid
Euch meine Herrin sendete von
hinnen.
Verargt mir, edle Fraun, nicht
mein Beginnen,
Hemmt eure Schritte nur auf
kurze Zeit,
Und laßt den Armen, bangend um
Bescheid,
Botschaft von seiner Königin
gewinnen;
Obschon es zu vernehmen mir
nicht leicht. –
So hat von mir sich Amor
abgekehret,
Daß fast den Tod mir seine
Härte reicht.
Bemerker wohl, wie ich mich
abgezehret,
Daß jede Lebenskraft aus mir
entweicht,
Wenn ihr, o Frauen, mir nicht
Trost gewähret.
4
Kam eines Tags Melancholie zu
mir,
Und sprach: „Ich will ein wenig
Rast hier halten.“
Und irr ich nicht, so waren
zwei Gestalten
Als Fahrtgenossen Schmerz und
Zorn mit ihr.
Und ich begann darauf: „Fort,
fort mit dir!“ –
Da hört’ ich sie wie einen
Griechen schalten,
Und ganz gemächlich ihre Red’
entfalten;
Doch da ich aufsah, war auch
Amor hier,
Von einem schwarzen Kleide neu
umfangen,
Und einen Hut hatt’ er auf’s
Haupt gesetzt,
Aufricht’ge Tränen näßten seine
Wangen.
Ich sprach zu ihn: „Wer hat
dich Schelm verletzt?“
Und er darauf: „Mir, Bruder, muß
wohl bangen,
Denn unsre Herrin liegt im
Sterben jetzt.“
5
Dir, Guido, Lappo, mir, uns allen drei
Wünscht’ ich, daß uns ein
Zauber gleich umfinge,
Zu Schiff uns brächt’, und daß
die Barke ginge
Nach eurem und nach meinem
Willen frei,
Daß kein Geschick, kein böses
Einerlei
Je dürfte lähmen unsers
Schiffleins Schwinge,
Und, daß wir lebten immer guter
Dinge,
Und endlos dies Zusammenleben
sei.
Daß Vanna und daß Bice und als
dritte
Die mich als Nummer Dreißig hat
entzückt.
Der gute Zauberer zu uns versetzte;
Daß nichts als Liebeständeln
uns ergötzte,
Und daß die Frauen wären so
beglückt,
Wie wir, ich glaube, in der
Holden Mitte.
6
Schon mancher wollt’, was Liebe
sei, ergründen;
Doch, wie sie auch in Worten
sich ergangen,
Nichts von der Wahrheit mochten
sie erlangen,
Noch konnten sie der Liebe Wert
verkünden.
Der eine sprach, die Liebe sei
ein Zünden
Des Geistes, vom Gedanken
aufgefangen:
Der nannte sie willkürliches
Verlangen,
Aus Lust entsprungen in des
Herzens Gründen.
Ich aber sage, wesenlos ist
Liebe,
Der Stoff und Formen nimmermehr
genügen;
Nein, ein Verlangen der
erregten Triebe,
Die eingeborne Lust an schönen
Zügen,
Die jede Neigung aus der Brust
vertriebe, -
Verlöre sie sich nicht mit dem
Vergnügen.
7
Von Frauen sah ich eine holde
Schar
Am Allerheiligentag, der jüngst
verflossen,
Und eine stellt als Herrlichste
sich dar,
Zur rechten Amor führend als
Genossen.
Ein Licht entsprühte ihrem
Augenpaar
Gleich einem Geiste, von der
Glut umflossen;
Kühn blickt ich in ihr Antlitz,
und mir war,
Als sei ein Engelsbildnis mir
erschlossen.
Sie grüßte den, der dessen
würdig schien,
Mit ihren Augen, hold ihm
zugeeignet,
Und hohe Kraft ward seinem Herz
verliehn.
Ich glaub’, im Himmel wurde sie
gezeuget,
Die Hehre, die zum Heil uns
hier erschien.
Glückselig drum, dem sie sich
nahe zeiget!
8
Auf jener Straße, die Schönheit
ziehet,
Wenn sie bedacht ist, Liebe zu
erregen,
Da wandert eine Frau auf
stolzen Wegen,
Ihr gleich, die mich dem eignen
Selbst entziehet.
Und als sie jenem Turm sich
nahe siehet,
Der sich erschließt, wenn sich
die Herzen regen,
Tönt überraschend ihr ein Ruf
entgegen:
„Hier ist kein Eingang, schöne
Frau, entfliehet.“
Denn da sie selbst begehrt der
Herrschaft Zeichen,
Die holde Herrin, die dort oben
thront,
Muß Amor ihr, was sie auch
fordert, reichen.
Als jene die Ermahnung hört, zu
weichen
Von jenem Ort, wo Amor
herrschend wohnt,
Da sieht man schamrot sie von
hinnen schleichen.
9
Ihr, meine Worte, die die Welt
durchflogen,
Und die entstanden, als ich
einst gesungen,
Von ihr, die mich mit irrem
Wahn bezwungen:
„Die ihr im Geiste lenkt den
dritten Bogen,“
Jetzt eilt zu ihr, auf die sich
dies bezogen,
Und weint, bis euer Weh zu ihr
gedrungen,
Sprecht: „Hier sind wir und
weihn Euch Huldigungen,
Und mehr als wir sind Euch
nicht zugewogen.“
Doch fern von ihr, der Amor
fremd ist, eilet
Und schleicht umher, in Schwarz
gehüllt die Glieder,
Daß ihr ein Los mit euren
Schwestern teilet.
Und trefft ihr auf ein edles
Bild, so weilet,
Werft demutvoll euch ihm zu
Füßen nieder,
Sprecht: „Euch zu grüßen, ward
uns zugeteilet.“
10
Ihr süßen Reime, die ihr geht
und kündet
Von ihr, dem Musterbilde aller
Frauen,
Seht einer kommt – schon ist er
nah zu schauen –
Den ihr begrüßt als Bruder, euch
verbündet.
Beim Gotte, der der Frauen Herz
entzündet,
Beschwör ich euch, nicht auf
sein Wort zu bauen,
Hört ihn nicht an, weißt ihn
hinweg mit Grauen,
Als wenn ihr vor der Wahrheit
Feindin stündet.
Doch würdet ihr von seinem Lied
berückt,
Behend zu eurer Herrscherin zu
eilen,
So zaudert nicht – naht ihr mit
dem Bescheide:
Wir kommen, hohe Herren, ohne
Weilen,
Ihn zu empfehlen, ihn, der
schmerzbedrückt
Stets klagt: „Wo ist sie, meine
Augenweide?“
11
Von jenem Licht, das seines
Laufes Bogen,
Nach empyreischem Gesetz
gestaltet,
Und zwischen Mars sich und
Saturn entfaltet
Gemäß der Wissenschaft des
Astrologen,
Ward jener, deren Freuden mich
durchwogen,
Zuteil, daß sie als meine
Herrin waltet,
Und sie, die nie im vierten
Kreis erkaltet,
Schenkt meines Wunsches
Vollkraft ihr gewogen.
Sodann ward vom Merkur dem
schönen Sterne,
Der Sprache hohe Tugend ihr
geschickt;
Der erste Himmel auch ist ihr
nicht ferne.
Sie, die den dritten
Himmelskreis beglückt,
Befreit ihr Herz zum vollen
Wohlklang gerne –
So wird von allen sieben sie
geschmückt.
12
Hervor aus meiner Herrin Augen
bricht
Ein holder Schein, daß, wo er
auch entglommen,
Man Dinge sieht, wie man sie
nie vernommen,
An Majestät und neuem Reize
nicht.
Und auf mein Herze strömt von
diesem Licht,
So große Furcht, daß ich, von
Angst beklommen,
Erkläre: „Niemals werd’ ich
wiederkommen!“
Und doch wird dieser Vorsatz
schnell nunicht’.
Und wo besiegt’ ich werd’,
hinwend’ ich mich,
Aufs neu die Augen kräftigend,
die bangen,
Die sonst schon fühlten diese
große Macht!
Dort werd’ ich müd’, die Augen
schließen sich,
Es stirbt selbst, das mich
führte, das Verlangen:
Darum sei Amor auf mein Wohl
bedacht!
13
Wer blickte jemals, ohne zu
verzagen,
In dieses holden Mädchens
Augenpaar,
Die so mir zugesetzt, daß
offenbar
Mir nichts bleibt, als der Tod,
so schwer zu tragen.
O seht, wie hart mich das
Geschick geschlagen,
Daß grad mein Leben ausersehen
war,
Und durch mein Beispiel allen
werde klar,
Gefährlich sei’s, den Blick auf
sie zu wagen.
Und mir beschieden ward es, so
zu enden,
Da es bestimmt ist, einer solle
fallen
Um Rettung darzuleihn den
andern allen.
Drum ließ ich, Armer, mir es
schnell gefallen,
Mir selbst des Lebens Gegenteil
zu spenden,
Wie Sterne ihren Glanz den
Perlen senden.
14
So sehr verlang’ ich nach dem
schönen Licht
Der Augen, die mich höhnen und
entseelen,
Daß, mögen sie mich schmähen
und mich quälen,
Sich Bahn zu ihm die heiße
Sehnsucht bricht.
was ich erkannt, was Ahnung mir
verspricht,
Es blendet, daß mir die Gesichte
fehlen.
Ich tue, was die Liebe mag
befehlen,
Da es an Kraft und Einsicht mir
gebricht.
Sie führte mich, der voll
Vertrauen glaubte,
Zu einem süßen Tod durch süßen
Trug,
Erst als der Schaden meinn war,
ward ich klug.
Und traure drum, daß mich die
Lüge schlug,
Mehr aber noch, daß das
Geschick erlaubte,
Daß meiner Liebesglut den Lohn
sie raubte.
15
So knorr’ges Holz gibt’s nicht
in Waldgehegen,
Noch solchen harten Stein im
Bergesschoß,
Den sie, die Tod nur sinnt
erbarmungslos
Nicht könnte durch ihr Aug’ in
Lieb erregen.
Ihm, der sie anschaut, dem sie
tritt entgegen,
Versagt das Herz, reißt er
nicht schnell sich los;
Da ihr erbarmen fremd, ist Tod
sein Los,
Ob es die Pflichten ihr auch
auferlegen.
Weh mir! So große Macht warum
entschied
Das Schicksal, dieser strengen
Frau zu geben,
Die kleinen ihrer Treuen läßt
am Leben.
Und gegen Mitleid zeigt solch
Widerstreben,
Daß ungerührt den Sterbenden
sie sieht
Und ihrer Schönheit Anblick ihm
entzieht?
16
Fluch jenem Tag, wo ich zuerst
die Blitze
Von euch, verräterische Augen,
sah;
Dem Zeitpunkt auch, wo klimmend
ihr zum Sitze
Des Herzens, meine Seele stahlt
von da.
Fluch auch der Feile, die mit
Glanz und Witze
Für Euch in Liebe mein Vers
versah,
Den Farben auch, die ich für
euch verspritze,
Denn ihrethalben ehrt die Welt
Euch ja!
Fluch meinem harten Sinn, der
mit Gewalt
Das halten wollte, was mir Tod
gebracht,
Das ist die arge reizende
Gestalt,
Für die selbst Amor falsche
Eide lallt.
So kommt es, daß man ihn und
mich verlacht,
Weil wir dem Rad des Schicksals
boten Halt.
17
Ich Armer, hoffe auf
Barmherzigkeit,
Vernähme meine Herrin nur die
Kunde
Von meines Herzens qualenvoller
Wunde,
Und find’ Unwillen nun und
Grausamkeit,
Und Zorn sogar anstatt
ergebenheit,
Daß nahe mir schon deucht die Todesstunde,
Und sehe, grad das richtet mich
zugrunde,
Was mir verleihen sollte
sicherheit.
So muß ich mir das Bittre
eingestehen:
Solang ich lebe, nimmer darf
ich hoffen,
Daß sie sich und das Mitleid je
verstehen.
Es bleibt der Tod mir als das
einz’ge offen.
Bologna hab’ ich nur zum Leid
gesehen,
Die schöne Frau auch, die ich
dort getroffen.
18
In Eure Hände, süße
Herrscherin,
Befehl’ ich meinen Geist, der
im Entschweben.
Selbst Amor, der den Abschied
ihm gegeben,
Siehst auf den Jammernden mit
mildem Sinn,
Ihr bandet mich, daß ich ihm
hörig bin.
So daß mir nichts mehr
übrigblieb vom Leben,
Als Kraft, ihm zuzurufen;
„Herr, ergeben,
Was du mit mir beschließt, ich
nehm’ es hin.“
Ich weiß, daß Euch ein jedes
Unrecht kränket;
Der Tod nun, den ich nicht verdient,
verstört
Mein Herze mit erhöhtem Grad
des Leids.
O holde Frau, solang’ mein
Leben währt,
Übt, daß mir werde Fried’ und
Trost geschenket,
An meinen Augen nicht so harten
Geiz.
19
Sieh, meine Augen sehnen sich
nach Zähren,
Weil neue Sorge meine Brust
bedrängt.
Bei der, Herr, fleh’ ich, die
treu an dir hängt,
Mich von der Lust der Tränen zu
bekehren.
Dein Rächerarm, er möge den
belehren,
Der nach dem Mord des Rechts
den Schutz empfängt
Des großen Zwingherrn, der ein
Gift ihm schenkt,
Von ihm gewürzt, die Menschheit
zu verheeren.
Von ihm, der in die Herzen dir
Getreuer
So große Furcht legt, daß ein
jeder schweigt.
Du aber, Licht des Himmels,
Liebesfeuer,
Die Tugend, die erstarrt und
Blöße zeigt,
Erhebe du, gehüllt in deinen
Schleier;
Denn ohne sie wird Friede nie
erreicht.
20
Meister Brunetto, dieses
Jungferlein
Sie stellt bei Euch sich ein
zur Osterfeier;
Versteht mich recht, sie will
nicht Ostereier,
Sie naschet nicht, sie will
gelesen sein.
Zur Eile ladet nicht ihr Inhalt
ein,
Er paßt auch nicht für Narren
und für Schreier,
Doch Schmeichelwote trägt sie
auf der Leier
Und wird durch sie um eure
Geister frein.
könnt ihr sie so euch nicht
verständlich machen,
So gibt’s Alberte ja in eurer
Schar,
Um zu verstehn, was ich hier
vorgesetzt.
Da mögt ihr mich vornehmen
sonder Lachen;
Und wird den andern doch nicht
alles klar,
So geh zu Meister Giano guter
Letzt.
21
Sie die mich brachte in so
ernste Lage,
Trägt in dem Angesichte Amors
Macht.
Im Herzen ist durch ihren Blick
erwacht
Der holde Geist, den ich
verborgen trage.
Durch sie kommt es, daß
gänzlich ich verzage,
Seit ich des süßen Meisters
hohe Pracht
In ihren beiden Augen sah
entfacht
Und nah ihr, nicht sie
anzuschauen wage.
Blick’ ich ins Auge ihr von
ungefähr,
So seh’ ich Glück und heil in
jener Gegend,
die meine Einsicht nimmer kann
erreichen.
Dann schwinden alle Kräfte um
mich her,
So daß die Seele, jene Seufzer
regend,
Bereit ist, meinem Herzen zu
entweichen.
22
Die Lust, auf diesem schönen
Bild gesichtet,
Erschuf den Pfeil, den mir die
Augen sandten
Tief in das Herz, als sie zu
mir sich wandten,
Der stets den Blick auf ihre
Schönheit richtet.
Da fühlt ich meinen Geist
plötzlich gelichtet,
Wie meine Glieder in der Furcht
entbrannten
Und meine Seufzer jammervoll
bekannten,
Als sie ertönten, daß mein Herz
vernichtet.
Drauf weinte jeder Sinn in mir
voll Schauer
In schmerzerfülltem Geist, der
immerdar
Der Holden Preis vor meinem
Blick entfaltet;
Und ein Gedanke, welcher in mir
waltet,
Sprach: „Mitleid nicht erweckt dir
unsre Schar!“
Darum verzweifl’ ich nun in
dumpfer Trauer.
23
Ich sprach es aus, ich habe
keinen Schild,
Zu schützen mich vor ihrer
Augen Pfeile,
Wiewohl der Macht ich nicht die
Schuld erteile,
Dem Herzen nur, in dem kein
Mitleid gilt
Ihr Antlitz schön und rein
bleibt mir verhüllt,
Aus dem ich meines Herzens
Wunde heile,
Die Träne selber dient mir
nicht zum Heile,
Die bittre Klage stimmet sie
nicht mild.
Die ewigschöne,
nimmergnadenvolle,
Bleibt fremd der Liebe, Mitleid
ihr verhaßt.
Ich traure mehr, als sich zu
sagen paßt,
In der Gewalt der Qual, die
mich erfaßt.
Doch daß ich keineswegs ihr
deshalb grolle,
Nein, Lieb’ und Treu mehr als
mir selber zolle.
24
Bemerket ihr nicht einen, der
verschmachtet,
Und trostlos wandelt, nur an
Tränen reich?
Habt Ihr ihn nicht bemerkt, so
bitt’ ich Euch
Zu Eurer Ehre, daß Ihr ihn
beachtet.
Als ob ihn schon des Todes
Graun umnachtet,
Scheint er vernichtet, seine
Wange bleich;
Von Schmerzen wurden seine
Augen weich,
Daß er umsonst sie zu erheben
trachtet.
Sieht jemand ihn mitleid’gen
Blickes an,
So will das Herz ihm gar in
Tränen brechen,
Die Seele jammert laut, daß
man’s vernimmt.
Man hört ihn seufzend Euren
Namen sprechen,
Und flöh’ er nicht, so sagte
jedermann:
„Nun wissen wir, wer ihm das
Leben nimmt.“
25
Habt ihr vor kurzem wohl
gesehn, ihr Frauen,
Die Huldgestalt, die mir das
Leben stahl?
Ihr kleinstes Lächeln läßt, wie
Sonnenstrahl
Den Schnee, in mir des Denkens
Kräfte tauen.
Von ihr getroffen, fühl ich
solches Grauen,
Daß ich verzweifle an des Lebens
Qual.
Drum, wer sie sieht, ihr Fraun,
aus eurer Zahl,
Und wer sie trifft auf Gassen
oder Auen,
Verweilt mit ihr, laßt’s nicht
an Mitleid fehlen,
Und gebet ihr die demutvolle
Kunde,
Daß ich von ihr empfing die
Todeswunde;
Doch will sie, daß in meiner
Brust gesunde
Das schwerbedrückte Herz, mag
sie befehlen:
„Genese wieder!“ Kommt, mir’s
zu erzählen.
26
Sobald die Nacht mit
bräunlichem Gefieder
Die Erd’ umarmt, und wenn der
Tag verschied,
In Luft und Meer, in Wald und
Laub entflieht,
Und jedes Tier sich legt zur
Ruhe nieder;
Dann löst und stärkt der Schlaf
die müden Glieder,
Wiegt die Gedanken in ein
Schlummerlied
Bis er Aurorens blonde Locke
sieht,
Die alle Last des Tages bringet
wieder.
Ich, Armer, bin gebannt aus
ihren Reihen,
Weil mir der Gegner jeder Ruh,
mein Jammer,
Das Auge offen hält und wach
die Seele.
Und gleich dem Vogel in des
Netzes Klammer,
Je mehr bemüht ich mich zu
befreien,
Seh ich mich mehr umgarnt und
voll von Fehle.
28
Reizendes Mädchen, du hast wohl
gesehen,
Daß Amor mich dir ganz zu eigen
machte.
Ich will’ge drein. Ich glühe
nur und trachte
Nach dir: laß mich nicht
unbelohnt vergehen.
Wohl wirst du ihre Härte nicht
verstehen,
Auch nicht, mein treuer Herr,
wie sehr ich schmachte,
Doch wenn Mitleid in deiner Brust
erwachte,
Wirst meiner Treue du zur Seite
stehen.
Dann bin ich frei der Not, die
jetzt ich habe,
Wenn das ersehnte glückliche
Gelingen
Die Hoffnung krönen wird auf
dein Geheiß.
Drum, Herrin, eh’ der Tod mich
führt zu Grabe,
Hilf mir bei Gott! Denn ich
ersehn’ als Preis,
Nur deine strengen Füße zu
umschlingen.
29
Wär’ einem Pfeile gleich mein
Aug’ gestählt,
Besäß ich eines Gifts gewalt’ge
Tücke,
Könnt’ morden ich mit einem
meiner Blicke,
Wie von dem Basilisken man
erzählt;
Das wär’ zuviel für sie, die
mich so quält,
Für die ich Herz und Sinne mir
zerstücke:
Doch so – wenn ich das Auge auf
sie zücke,
Hält ihre Schönheit sie vor mir
verhehlt.
Obwohl nur Lieb’ aus meinen
Augen quillt,
Nur Liebessehnsucht, sich an
ihr zu weiden,
An jener Lust, die mir im
Herzen schwillt;
So helfe Gott, daß ihr für all
das Leiden,
Mit dem mein Herze Amor hat
erfüllt,
Ein Seufzer nur mög’ aus dem
Busen scheiden.
30
– An Bernardo di Bologna
Weh mir, ich seh, wie eine Frau
begehrt,
Mein Leben zu belagern mit so
herben
Zorngluten, daß zu scheuchen,
zu verderben
Sie alles sucht, was Leben ihm
gewährt.
Drum kann das Herz, das so die
Qual verzeht,
Nicht Beistand, noch
Gesellschaft sich erwerben,
Und wegen eines einz’gen
Wunsches sterben
Muß es notwendig, den dort Amor
nährt.
Es hat der Tod sich in den
Dienst gestellt
Des Angriffs, der mein Herz
ringsum bekriegt,
Das müde ward, seit Amor es
besiegt.
Für jene Frau, die zornig sich
verhält,
Als ob’s ihr Schande machte,
wenn sie siegt,
Drum stürmt er los, bis ihm das
Herz erliegt.
31 – An Meister Cino
Nicht einen find’ ich hier,
Gespräch zu pflegen
Von jenem Herrn, an dem gleich
dir ich hange,
Und so genüg’ ich schreibend
jenem Drange,
Der mich beseelt, mein Denken
darzulegen.
Was mich allein bei dir
entschuldigt wegen
Des Schweigens, das ich übt
unhöflich, lange,
Sei diese schlechte Stadt, wo
dem Empfange
Des Guten sich die Bosheit
stellt entgegen.
Den Fraun sind fremd der Liebe
Herrlichkeiten,
Die Männer flehen nicht um
Amors Gnaden;
Verlacht wird, wer sich dazu
läßt verleiten.
Verwandelt, Messer Cino, sind
die Zeiten,
Zu unserm und zu unser Lieder
Schaden,
Das Gute wird verschmäht auf
allen Seiten.
32 – An Meister Cino von Pistoja
Ich glaubt’, ich hätte mich
ganz abgewandt
Den Reimen, Cino, die dereinst
wir sangen,
Und eine neue Richtung hab’
empfangen
Mein Fahrzeug, das schon ferne
schwimmt vom Strand.
Doch weil Ihr oftmals selber
mir bekannt,
An jedem kleinen Haken bliebt
ihr hangen,
So leiht ein wenig, hört auf
mein Verlangen,
Hier dieser Feder Eure müde
Hand.
Wer sich so schnell verliebt,
wie ihr es tut,
Und jede Schönheit sucht und
wieder meidet
Verletzt wird er von Amors
Pfeil nur leicht.
Wenn Euer Herz so stark vom
Wechsel leidet,
Fleh’ ich zu Gott, bekehrt den
wankelmut,
Daß Eure Tat dem holden Worte
gleicht.
33 – An Herrn Bosone Raffaelli
von Agobbio
Am schatt’gen Hügel wohnest du
am Bache,
Der nicht dem Sturzbach gleich
vorüberfließt.
Als sanfter Linci wird er dort
begrüßt
In unserer, nicht in der
deutschen Sprache.
Setz froh zu Tisch dich abends,
froh erwache,
Weil du die Gegenwart des Sohns
genießt,
Sein Streben auch, Frucht
deiner Hoffnung, siehst
In der Franzosen und der
Griechen Fache.
Da Wohnung nicht der hohe
Genius nimmt,
Von dem man hofft so gute
Frucht zu pflücken,
In diesem Haus des Wehs, in
unserm Land,
Mag es den ersten Raffael
entzücken,
Daß er ihn unter den Gelehrten
fand,
Wie auf dem Wasser Leichtes
oben schwimmt.
34 – Antwort an Dante da Majano
Kunst,
Wissenschaft, Geist, feine Lebensart,
Adliger Stand,
Schönheit und Reichtums Segen,
Tatkraft und Demut
und ein kühner Degen,
Freigeb’ger Sinn,
Glanz, einzeln und geschart,
Die all mit des
Besitzes Lust gepaart,
Sie überwinden Amor
allerwegen;
Mehr Kraft stellt
dies als jenes ihm entgegen,
Doch gibt es keins,
das sie nicht offenbart.
Drum wenn, o Freund,
du wünschest, daß dir frommen
Die Kräfte, die
Natur gab oder Glück,
Zu Amors Gunst
nütz’ als Vasalle sie,
Stemm gegen seinen
holden Wink dich nie;
Denn alles weichet
doch vor ihm zurück,
Wenn man den Kampf
mit ihm hat aufgenommen.
35
Laß, Amor, ein
Gespräch uns beide halten.
Du mußt den Zorn in
meiner Brust beschwören,
Dann wird es ein
Vergnügen uns gewähren,
Von unsrer Dame uns
zu unterhalten.
Und leichter wird
sich unsre Fahrt gestalten,
Erwählen wir, was
wir so gerne hören;
Erfreulich schon dünkt
mir, nach Haus zu kehren,
Wenn unsre Worte
ihrem Werte galten.
Auf, Amor, dir
geziemt es anzufangen,
Und rüste dich;
denn ihr hab’ ich zu danken,
Daß du mir zur
Gesellschaft bist gepaart.
Will es nun Mitleid
oder Lebensart,
Daß mir versagt der
Geist und die Gedanken;
So groß ist dich zu
hören mein Verlangen.
36
Zwei Frauen sind
auf meines Geistes Höhe,
Von Liebe zu
verhandeln, eingekehrt;
Klugheit und
Ehrbarkeit und Wert
Und edle Zucht sind
in der einen Nähe.
Schönheit und süße
Anmut aber sehe
Ich an der andern
Frau, von Huld verklärt;
Wie ich, weil es
mein hoher Herr gewährt,
Zu Füßen dieser
Herrscherinnen stehe.
Die Schönheit und
die Tugend unterhält
Sich mit der Frage,
wie vollkommen liebet
Ein Herz, das
zwischen beide ward gestellt.
drauf edler Rede
Quell die Antwort gibet,
Daß man die
Schönheit liebt, weil sie gefällt,
Die Tugend aber,
weil sie Hohes übet.
37
Blickt her und
seht, wer mich hinnen reißt,
Daß ich mit euch
nicht mehr vermag zu leben.
Ehrt ihn, denn er als
einziger kann geben,
daß Schmerz für
holde Frauen uns zerreißt.
O fleht, daß er mir
auch die Kraft verheißt,
die tötet, ohn’ im
Zorne zu erbeben.
Und glaubt mir, nur
durch eigenes Erleben,
Durch eigene
Seufzer faßt man seinen Geist.
Denn sie durchzückte
meine Brust so heiß,
Und hält solch
holdes Frauenbild mir vor,
Daß meine Kraft vor
ihr hinsinkt vernichtet.
Es tönet mir der
zarte Ruf ins Ohr:
„Wie wünschest du,
daß um so niedern Preis
Mein Aug’ auf solch
ein schönes Weib verzichtet?“
38
O weh, mein Land!
wie seh’ ich dich verheeren
Von überbergischen
und nahen Sündern,
Am ärgsten aber von
den eignen Kindern,
Die stützen sollten
deinen Thron, den hehren.
Am schlimmsten
haust, wer meist dich sollte ehren;
Gesetz’ gibt’s
nicht, der Frevler Wut zu hindern,
Mit Haken, Beil und
Säge sucht zu plündern
Ein jeder und will
nur die Beute mehren.
Auch nicht Ein
Treuer blieb dem Vaterlande;
Der macht den Stab,
die Schuh’ sich der zu eigen,
Und der raubt und
zerreißt dir die Gewande.
Wie jedes Ungemach sie
dir erzeigen,
Denkt keiner an
dein Leid und deine Schande,
Und daß du sinken
mußt, damit sie steigen.
40
O mein Sonett,
wirst du Meuccio sehen,
Mußt du beim ersten
Anblick ihn begrüßen,
Eile zu ihm und
wirf dich ihm zu Füßen,
Wie Leute, die auf
Sitte sich verstehen.
Ein Weilchen wird
er sich mit dir ergehen,
Ihn neu zu grüßen,
laß dich’s nicht verdrießen,
Erzähl ihm dann,
wie ich dich angewiesen,
Doch mußt du vorher
abseits mit ihm gehen.
„Meuccio,“ sprich,
„er, der dich liebt so sehr,
Schickt dir von
seinen teuersten Juwelen,
Daß deinem wackern
Sinn er sich vereine.“
Als erste Gabe
reiche ihm dann deine
Geschwister hier,
und zwar mit den Befehlen,
Daß sie von dorther
kehren nimmermehr.
41
Nichts
Mitleidloseres wüßt ich zu nennen
Als sie, in deren
Dienst ich mich verzehre.
Ihr Herze ruht im
eiserstarrten Meere,
Wenn in dem meinen
Liebesgluten brennen.
Nicht Mitleid will
sie, keine Gnade kennen,
Wenn ich nur eines,
sie zu sehn, begehre
Und glücklich bin
mit meines Leidens Schwere,
Daß andre Lust sich
nicht die Augen gönnen.
Die stets den Blick
kehrt nach den Sonnenwagen
Und in dem Wandel
liebt unwandelhaft,
Empfand selbst
nicht so bittre Leidenschaft.
Bezwingt die Stolze
nicht der Liebe Kraft,
Bitt’ Amor ich, den
Rest von meinen Tagen
Doch aus
Barmherzigkeit mit mir zu klagen.
42
Die Erde schmückt
sich jetzt mit neuen Zweigen,
Deckt sich mit
Blumen und die Wiese lacht,
Der Nebel flieht,
mit ihm der Kälte Macht,
Und alle Tiere
tanzen ihren Reigen.
Der Liebe will sich
nun ein jeder neigen,
Es klingt der Vögel
Lied, auf’s neu’ erwacht,
Durch Berge, Wälder
und der Wiesen Pracht,
Und einst’ges Weh
und alle Klagen schweigen.
Da hell und froh
die Tage wiederkehren,
Der Frühling
schmückt mit seinem Grün die Welt,
Hat neues Licht
mein Hoffen auch erhellt.
Wie ihn, der Leben
sowie Ehr’ erhält,
Von jenem Herrn,
den sie am meisten ehren,
Mög er nun seinem
Diener reich bescheeren.
43
Entbehrte ich den
holden Anblick nicht
Der Herrin, die ich
anzuschaun begehre,
Um die in Seufzern
ich mich hier verzehre,
So fern von ihrem
schönen Angesicht;
Dann schiene, was
mit drückendem Gewicht
Mich martert und
mir auspreßt manche Zähre,
So daß ich kaum des
Todes mich erwehre,
Gleich einem, dem
die Hoffnung ganz gebricht –
Es schiene leicht
mir und beinah zum scherzen.
Doch weil ich jetzt
muß ihren Anblick missen,
Schlägt mich der
Liebesgott mit Kümmernissen,
Und so ist alle
Hoffnung mir entrissen,
Daß alles, was
erfreut der andern Herzen,
Das Gegenteil mir
bietet, mir nur Schmerzen.
44
Der König, der die
Diener treu ergeben
So reichlich lohnt
mit Überschwenglichkeit,
Hat aller wilden
Sorgen mich befreit,
Und heißt zum
Hochverein mein Auge streben;
Und denk’ ich nun
an jener Bürger Leben
In hoher
Gottesstadt voll Herrlichkeit,
Fühl’ ich –
Geschöpf – dem Schöpfer mich geweiht,
Ihn lobend immer
höher zu erheben.
Wenn ich des großen
Lohns gewärtig bin,
Den Gott dem
christlichen Geschlecht will schenken,
Vermag ich etwas
andres nicht zu denken.
Doch der Gedanke,
Freund, er muß mich kränken,
Daß du für künftige
Zeiten ohne Sinn,
Das Sichre wirst
für leeren Schein verschenken.
45
„Die Türen auf, die
eure Häuser wahren!
Einziehen wird sie,
aller Frauen Ehre,
Sie, meine hohe
Herrin, sie, die Hehre,
In der sich Macht
und edle Denkart paaren.“
„O weh mir Armen,
weh!“ „Wähnst du Gefahren?“
„Ich zittre, daß
ich jedes Muts entbehre.“
„So sei getrost, da
Beistand ich gewähre
Und Leben dir. –
Wie, wirst du noch erfahren.“
„Ich fühle jeden
Lebensmut gebunden
Von der verborgnen
Kraft, die sie umloht,
Ich sehe Amor, der
mir Schmerzen droht.“
„So komm zu mir,
ich teile deine Not.
In der Erinn’rung
spürst du nur die Wunden,
Und zweifle nicht,
bald sind auch sie geschwunden.“
46
Dein Blick hat
meinem Herzen schwere Wunden
Versetzt, daß alle
meine Pulse beben. –
Gott! wolle
Lind’rung mir aus Gnade geben,
Und lasse meinen
armen Geist gesunden.
Die
schmerzensreichen Augen, sieh, bekunden
Die übermäß’ge
Qual, die du gegeben.
Dicht bis zum Tode
führte sie mein Leben,
Daß selbst zur Flucht
die Aussicht war geschwunden.
Seht, Herrin, ob
ich Schmerzen leide, seht!
Und hört, wie meine
Stimme fast vergangen,
Weil ich umsonst um
Eure Gunst gefleht!
Doch tragt Ihr,
holde Herrin, das Verlangen,
Daß in den Qualen
all mein Herz vergeht,
Werd’ ich als
Sklave Euren Spruch empfangen
47
Verachte du der
Bösen böse Tücken,
Mag diese Brut die
ärgsten Worte wagen.
Die ehrenwerte Frau
darf nicht verzagen,
Die Preis und ehre
unter allen schmücken.
Sie weiß, es kann
der Niedertracht nicht glücken,
Ihr spiegelklares,
leuchtendes Betragen
Zu trüben und daß
ihre falschen Klagen
Die Tugend unddie
Wahrheit nicht erdrücken.
Gleichwie die Rose
in der Dornen Schutze,
Und wie in Feuers
Glut das reine Gold,
Zeigt Ihr Euch
aller Orten klar und hold.
Laßt reden drum den
dummen Tückebold,
Denn seinem
Schimpfen, seinem Schmähn zum Trutze
Taucht glorreich
Euer Ruhm aus seinem Schmutze.
48
Wenn stets mein
Aug’ den Blick zur erde schickt
Und sorgenvoll Euch
anzuschauen, verzichtet,
So sei es, Herrin,
offen Euch berichtet,
Es ist die Furcht,
die mch so niederdrückt.
Ja, Eure Schönheit
hat den Sinn berückt,
Hienieden schon hat
sie ihr Werk verrichtet,
Daß alle meine
Kräte sind vernichtet,
Hab’ ich Euch auch
durch Zufall zur erblickt.
Und mit dem Tod,
den ich im Herzen trage,
Ringt letzte Kraft,
die mir verblieb, vergebens,
Sich gegen Blitz
und Regensturm zu fassen.
In meiner Brust der
süße Geist des Lebens
Löst sich in Tränen
auf und stellt die frage:
„Was hast du, Gott
der Liebe, mich verlassen?“
49
Vom Antlitz, dem
das Sonnenlicht erbleicht,
Der Segwenspenderin
für Segenswerte,
Die unserm Leben
Reiz und Glück gewährte
Mehr, als sonst je
die niedre Welt erreicht,
Von ihrem Blick,
der Sonn’ und Sternen gleicht,
Vor dessen Glanz
kein Auge sich erwehrte,
Der meine Seufzer
keimen ließ und nährte,
Von ihrem Wort, das
Huld und Demut zeigt,
Von dieser Formen
himmlischen Entfaltung
Und Lieblichkeit,
wie nie zuvor erschien,
Die selbst der Lust
der Liebe Feuer lehrt,
Von all der Gunst
des Himmels und Gestaltung
Der Sterne, die nie
gleiche Gaben liehn, -
Entsprang die Glut,
die mich verzehrend nährt.
50
Wie oft ich wein’
und lach’ in einem Tage,
Ich jauchz’ und
traurig bin, läßt sich nicht zählen.
Verläßt sie mich,
will’s mich zu Tode quälen,
Kaum weiß ich, wie
ich meinen Gram ertrage.
Kehrt sie zurück,
so schweiget jede Klage,
Ich sing’ und
juble, kann mein Glück nicht hehlen;
Doch bald denkt sie
daran, sich fortzusehlen,
So daß ich laut in
Tränen wieder klage.
So ist der
Zwiespalt über mich gekommen,
Daß längst der
Schlaf von meinen Nächten wich
Und meinen Tagen
ist die Ruh genommen.
Amor! erbarme
meiner Qualen dich!
Gib Tod, gib Leben!
– Beides ist willkommen;
Doch dieses
Schwanken, es vernichtet mich.
51
Genügten Schmerzen,
Seufzerqual und Zähren,
Ein wenig zu
erleichtern mir das Scheiden
Von diesem Leben,
das so reich an Leiden;
Saturn selbst würde
meine seufzer hören.
Doch all die
Flammen kann ich nicht beschwören,
Die meinen Horizont
ringsher umkleiden;
Und weiß ich nicht
mein keckes Wort zu meiden,
So wird mir bald
kein Obdach mehr gehören.
In dieser Qual,
nein Wut, soll ich mein Leben,
Das gramrfüllte,
denn zu Ende bringen,
Nichts hoffend,
nichts, das meine Schmerzen mindert!
So sei’s darum! So
möge mein Bestreben
Von nun an ewig
wechseln mit den Dingen. –
nichts andres
gibt’s, das dieses Stechen lindert.
53
Gab dir Fortuna
Herrlichkeit der welt,
So sei bedacht,
verständig Maß zu halten;
Denn es bedroht des
Glücks willkürlich Schalten
Am meisten den, der
sich gesichert hält.
Auf Rache sinnt (ob
er sich duldend stellt),
Wen du verletzt mit
frevelnden Gewalten,
Und wer sich fern
dem Sturze hat gehalten,
Der fühlt den
Schmerz am tiefsten, wenn er fällt.
Fortuna schont
nicht Reichtum, Ehr’ und Macht,
Sie rollt ihr Rad
nach eigenem Behagen,
Und ruft nicht, eh’
du niedersinkst: „hab’ acht!“
Wer hoch steht,
lasse dieses Wort sich sagen:
„Solange du
emporsteigst, sei bedacht,
Der vielen denk’,
die sie in Staub geschlagen.“
54
Je mehr euch Amor
trifft mit seinen Pfeilen,
Desto ergebener
sollt ihr ihm sein;
Heilsam’ren Rat
kann niemand euch verleihn!
Erfahren wird’s,
wer nachlebt diesen Zeilen. –
Dereinst wird Amor
eure Wunden heilen
Und euch vergessen
lassen jede Pein. –
Verglichen mit der
Liebe Glück, wie klein
Ist doch ihr Schmerz!
Drum mögt ihr euch beeilen;
Laßt Amor freie
Bahn und seiner Macht
Ergebt euch ganz.
Seid ihr von seinen Streichen
Getroffen, wie mir
euer Lied besagt,
So sollt ihr nie
von seinem Pfade weichen;
Denn Freude wird
euch nur durch ihn gebracht,
Nur er kann vollen
Lohn den Dienern reichen.
55
Ergib geduldig dich
der Liebe Gluten,
Ertrage willig
jetzt noch deine Qualen;
Einst wird dir,
hoff’ ich, solche Freude strahlen,
Daß du dich
rechnest zu den Frohgemuten.
Oft sah ich schon
das Meer in wilden Fluten,
Sah Tod sich auf
der Schiffer Antlitz malen,
Die, weil sie ihr
Bemühen Gott befahlen,
Den Hafen fanden
und zufrieden ruhten.
Kein Mißtraun
duldet Amor, auch kein leises;
Zu Anfang prüft er
oft mit Schmerz und Grame,
Erforschend, wie der
Liebende gesonnen;
Doch findet er ihn
würdig seines Preises,
Wirbt er für ihn
bei der geliebten Dame,
So daß das Dienen
schließt in süßen Wonnen.
56
Halt Frieden – wenn
du nichts vergibst dem Rechte,
Das dir gebührt,
der Heimat, den Genossen!
Nur Unheil pflegt
dem Kriege zu entsprossen,
Den Herren macht er
oft zum Knecht der Knechte.
Obsiegt dem Irrtum
aber nicht das Rechte,
Bedräng’ den Wahn
selbst mit des wahns Geschossen;
Wer immer flieht,
in Burgen bleibt verschlossen,
Der reizt die
Übermüt’gen zum Gefechte.
Zu große Langmut
dient nur zu vermehren
Die Willkür, welche
Trotz der Ordnung bot,
Und Anlaß wird, die
Sitte zu zerstören.
Drum nötigt oft ein
zwingendes Gebot,
Dem kecken
Frevelmut die Stirn zu kehren,
Und ihn zu
zücht’gen, je nachdem er droht.
57
Mich knüpft an Amor
ein gemeinsam Band,
Seit neunmal sich
der Sonne Bahn gekrönet;
Ich weiß, wie unter
ihm man lacht und stöhnet,
Wie er uns spornt
und in sein Joch uns spannt.
Wer ihn bekämpft
mit Tugend und verstand,
Dem Mann gleicht er,
der die Glocke tönet
Im Wahn, daß sie
den Donner, der da dröhnet,
Daß sie den Krieg
der Elemente bannt.
Wieweit er sich des
Bogens Ziel mag stecken,
Der Wille muß vor
seinem Pfeile weichen
Und klugen
Ratschlag weiß er abzuschrecken.
Mit neuem Sporne stachelt
er die weichen,
Und wie er neue
Lust vermag zu wecken,
Ergibt sich, daß
die alte muß erbleichen.