1304 – 1374 Italien
Aus dem Canzoniere
Übersetzungen von Karl Förster
Erster Teil
CI.
Wohl weiß ich, daß zum Raube
wir gegeben
Ihm ach! vor dem kein Mensch
je Gnade funden,
Und daß, bevor wir’s ahnen,
uns entschwunden
Die Welt, und wenge Zeit in
Treu ergeben.
O kleinen Lohn für langes
Kummerleben!
Schon dröhnt ins Herz die
letzte mir der Stunden;
Doch hält mich Amor immerdar
gebunden
Und will, wie sonst, der Augen
Zins erheben.
Ich weiß, wie Tage, Stunden
Augenblicke
Die Jahr’ entführen; und, was
ich erfahren,
Ist nicht Betrug, ist mehr,
denn Zaubersäfte.
Vernunft und Lust seit zweimal
sieben Jahren
Bekämpfen sich; doch siegen
bessre Kräfte
Dereinst, weiß anders wer von
künftgem Glücke.
CII.
Cäsar, als Ägyptenland des
bösen
Verräters Hand das hohe Haupt
ihm brachte,
Die Freude bergend, die in ihm
erwachte,
Weint äußerlich, wie wir geschrieben
lesen;
Und Hannibal, zum Untergang
erlesen,
Als ihm so lästig sich das
Schicksal machte,
Inmitten all der Jammernden er
lachte,
Zu hehlen seines Unmuts herben
Wesen.
So kommt es, daß ihr Fürchten
und ihr Hoffen
Mit dem Gesicht, bald ernst,
bald guter Dinge,
Die Herzen unterm Gegenteil
verdecken.
Drum wenn ich einmal lache
oder singe,
Tu ich’s, weil nur der eine
Weg mir offen,
Mein angstvoll Jammern innen
zu verstecken.
CIII.
Hannibal siegt’ und wußte
nicht wie ehe,
Auf seinem Siege weislich
fortzubauen;
Drum mögt Ihr, teurer Herr,
wohl um Euch schauen
Und sorgen, daß nicht Gleiches
Euch geschehe.
Die wütge Bärin, die in eurer
Nähe
Mai-Atzung fand mit ihrer Brut
voll Grauen,
Zernagt sich innen, härtet
Zähn und Klauen,
An uns zu rächen das erlittne
Wehe.
Drum weil sie noch betäubt das
neue Leiden,
Legt nicht von Euch das hohe
Schwert der Ehren;
Nein, dahin folgt vielmehr auf
graden Wegen,
Wohin des Schicksals Stimmen
Euch bescheiden!
Nur dies wird nach dem Tod
Euch noch gewähren
Viel tausend Jahr auf Erden
Ruhm und Segen.
CIV.
Die Kraft, die damals in Euch
blüht, als eben
Die Lieb euch forderte zu
ihren Schlachten,
Bringt Frucht nun, jener Blüte
gleich zu achten,
Und, was ich freudig hoffte,
tritt ins Leben.
Drum heischt mein Herz, in Schriften
zu erheben
Dinge, die Euren Namen werter
machten;
Denn kein Gestein, kein
Marmorblock der Schachten
Ist fest genug, ein langes
Sein zu geben.
Meint Ihr, Cäsar, Marcellus,
Paulus wären
Und Scipio Africanus noch bei
allen
Durch Ambos oder Hammer so in
Ehren?
O, mein Pandolfo, diese Werke
fallen!
Unsterblichkeit durch Nachruhm
zu gewähren,
Das ist das bessre Los, so uns
gefallen.
CVII.
Kein Heil umher, wohin mein
Blick sich wendet!
So langen Augenkrieg ich schon
erfahre –
Weh mir! Es wird der Schmerz,
der unzähmbare,
Das Herz zerstören, dessen
Kampf nicht endet!
Fliehn möcht ich, doch der
Strahl, den Liebe sendet,
Und den ich Tag und Nacht im
Herzen wahre,
Glänzt noch so hell, daß im
fünfzehnten Jahre
Er mehr mich, als am ersten
Tage blendet.
Sein Nachbild funkelt so in
allen Räumen,
Daß ich sein Leuchten seh,
wohin ich blicke,
Oder ein gleiches, das aus ihm
entspringet.
So grünt ein Lorbeer auf zu
tausend Bäumen,
Daß mich mit wunderwürdigem
Geschicke
Mein Feind, wo’s sei, in sein
Gezweig verschlinget.
CVIII.
Du glücklichste von allen
Erdenstellen,
Wo Amor weilte zwischen Fluß
und Höhen
Und mir zwei fromme Lichter
gab zu sehen,
Die um sich her im Kreis die
Luft erhellen!
Wohl eher möcht im Lauf der
Zeit zerschellen
Ein Bildnis, fest von Demant,
und vergehen,
Bevor mir aus dem Sinn die
Reiz’ entflöhen,
Die in Erinnrung noch das Herz
mir schwellen.
Wie oft ich dich erblickte,
würd ich immer
Zur Erde bücken mich, daß ich
die Tritte
Vom schönen Fuß im holden
Kreise fände.
Doch schläft in tapfrer Seel
Amor nicht immer,
Und siehst du Freund
Sennuccio, o dann bitte,
Daß er ein Tränlein, einen
Seufzer spende.
CIX.
So oft, ach ! Amor Krieg
mir zugedachte,
(Wohl täglich tausendmal hab
ich’s empfunden!)
Kehr ich dahin, wo sich das
Licht entbunden,
Das meines Herzens Flamm
unsterblich machte.
Da find ich Ruh, der ich es
dahin brachte,
Daß morgens, mittags und in
Abendstunden
Ich jenes so gesänftigt ihnen
funden,
Daß ich nicht andres denke
noch beachte.
Der sanfte Atem, den das
Antlitz reget,
Das lichte, mit dem Laut
verständger Worte,
Daß, wo er wehet, Lust und
Segen tauen,
Ein holder Hauch aus
Paradieses Auen,
Labt so mich immer, scheint’s,
an diesem Orte,
Daß frei das müde Herz nur da
noch schläget.
CX.
Verfolgt von Amor nach bekannten
Weiten,
Wie einer, den ein naher Krieg
erschrecket,
Der klug die Pfade sperret und
verstecket,
Stand ich, bewehrt mit Bildern
alter Zeiten,
Und sah da einen Schatten, den
zur Seiten
Die Sonne warf, und an der Erd
entdecket
Ich sie, die, wenn kein
Truggebild mich necket,
Mehr wert war, mit
Unsterblichen zu schreiten.
Ich sprach: Mein Herz, was
will dein Grausen sagen?
Doch kaum war der Gedanke mir
gekommen,
So sah ich Strahlen, mir
verderblich, zücken.
Wie Blitz und Donner ineinander
schlagen,
So drang ein süßer Gruß zu
mir, verschwommen
Mit zweier schönen Augen
lichten Blicken.
CXI.
Die Herrin, die mein Herz
trägt in den Blicken,
War, wo ich liebessinnend saß,
erschienen;
Vom Sitz da stand mit scheuen,
bleichen Mienen
Ich auf, ihr meine Ehrfurcht
auszudrücken.
Mein Leid durchschauend, ließ
sie mich erblicken
So neue Farben, daß es ihr mit
ihnen
Gelungen wär, des Donnrers
Zorn zu sühnen
Und seiner Hand die Waffen zu
entrücken.
Ich bebt, und sie schritt
weiter auf dem Wege
Und sprach, daß ich ihr Wort
nicht konnt ertragen
Und nicht den Glanz, der süß
im Aug ihr spielte.
Nun fühl ich ein so mannigfach
Behagen,
Wenn solchen Gruß ich wiederum
erwäge,
Daß keinen Schmerz ich fühl
und nie mehr fühlte.
So will ich denn, Sennuccio,
dir entfalten
Die Kunde meines Lebens,
meiner Wehen:
Noch glüh ich und vergeh, wie
sonst geschehen,
Mich lenket Laura; dennoch
bleibt’s beim alten.
Demütig bald, bald stolz ist
ihr Verhalten,
Bald rauh, bald mild, bald
bös, bald fromm zu sehen;
Bald naht sie hold, bald seh
ich fern sie stehen
Voll Ernst, bald sanft, bald
streng und zornig walten.
Hier sang sie süß, und setzte
dort sich nieder;
Hier wandt sie um, dort hielt
im Gehn sie innen;
Schlug mit dem Aug hier meinem
Herzen Wunden;
Sprach da ein Wörtchen,
lächelte dort wieder,
Verfärbte hier sich. Ach, in
solchem Sinnen
Hält Amor, unser Herr, mich
stets gebunden!
CXIII.
Hier, mein Senuccio, wo zur
Hälft ich weile,
(O wär ich’s ganz und ihr
vergnügt zu finden!)
Bin vor dem Wetter ich und vor
den Winden,
Die plötzlich tobten,
hergeflohn in Eile.
Warum mich hier, gelangt zu
Schutz und Heile,
Kein Wetterleuchten schreckt,
ich will’s euch künden,
Und wie besänftigt nicht in
Herzens Gründen
Die Glut, geschweig erstickt,
zum kleinsten Teile.
Kaum daß der Liebe Königssitz
ich sahe,
Wo Laurer einst, die Reine,
ward geboren,
Die Lüfte sänftigt, mit dem
Donner schaltet,
Hat Amor mir im Herzen, wo sie
waltet,
Die Flamm entzündet und die
Furcht beschworen –
Was tät ich, schaut ich ihr
ins Auge nahe?
CXIV.
Aus gottvergessnem Babylon,
von wannen
Die Scham entflohn, daß drin
nichts Gutes keime,
Der Schmerzen Heimat, Mutter
eitler Schäume,
Mußt ich mich, wollt ich
leben, selbst verbannen.
Hier steh ich einsam, und, wie
Amor dannen
Mich lockt und ladet, samml’
ich Vers’ und Reime
Und, mit ihm sprechend, Blüt
und Blatt, und träume
Von bessrer Zeit. Nur das kann
mich ermannen.
Nicht frag ich viel nach Volk
und Glückes Scheine,
Noch nach mir selbst, noch
andrem eitlen Dinge,
Nicht drin noch außen ich viel
Wärm empfinde.
Nur zweie suchend, wollt ich,
daß die eine
Für mich ein friedlich-duldsam
Herz empfinge,
Der and’r auf festem Fuß, wie
ehe, stünde.
CXV.
Zwischen zwei Liebenden sah
eine hehre,
Ehrbare Frau, bei ihr den Herrn
ich stehen,
Der auf der Erde herrscht, wie
in den Höhen;
Hier bot die Sonn ihr,
jenseits ich die Ehre.
Als sie umringt sich spürte
von der Sphäre
Des schönern Freund’s, sah ich
sie froh sich drehen
Nach meinem Aug. O könnt’ ich
es erflehen,
Daß gegen mich sie niemals
stolzer wäre!
Da faßte mich Entzücken und
verscheuchte
Die Eifersucht, die bei dem
ersten Kommen
Vor solchem Gegner in mir
aufgestiegen.
Dem aber war das trübe,
tränenfeuchte
Antlitz von einem Wölkchen
rings umschwommen;
So ungern sah er sich von mir
besiegen.
CXVI.
Voll jener Süße, die nicht
auszudrücken,
Vom schönen Angesicht mein Aug
empfangen
Am Tag, wo lieber blind ich
wär gegangen,
Um nimmer kleinre Schönheit zu
erblicken,
Ließ ich, was mir das Liebst;
und mit Entzücken
Ist ganz in ihr des Geistes
Blick befangen,
Der, was nicht sie ist, wie
aus einer langen
Gewohnheit haßt und ansieht
mit dem Rücken.
In einem Tale, ringsumher
verschlossen,
Das meinen müden Seufzern
Kühlung spendet,
Kam langsam, liebesinnend ich
zur Stelle.
Da sah ich Frauen nicht, doch
Fels uns Quelle
Und jenes Tages Bild, das
unverdrossen
Mein Geist mir malt, wohin
mein Blick sich wendet.
CXVII.
Wenn jener Fels, der meines
Tals Gehege
Zumeist verschließt, was ihm
den Namen spendet,
Mit seinem Rücken Babel
zugewendet,
Mit dem Gesicht gen Rom dahin
sich zöge;
So hätten meine Seufzer gute
Wege
Zu ihrer Hoffnung Ziel. Jetzt
zieht gewendet
Der da, der dort; doch, wie
ich sie entsendet,
Kommt jeder an, nicht einer
irrt vom Stege.
Und sind so gern gesehn da und
geborgen,
Wie ich bemerke, daß sie
niemals kehren;
Mit solcher Lust verweilen all
sie dorten.
Vom Auge kommt der Schmerz;
mit frühstem Morgen,
Vor Lust nach den verbotnen
schönen Orten,
Gibt es den müden Füßen Pein,
mir Zähren.
CXVIII.
Sechzehntes Jahr der Seufzer
ist verronnen,
Entgegen ich fortan dem
letzten gehe;
Und dennoch dünkt mich, wann
zurück ich sehe,
Daß nur vor kurzem solches
Leid begonnen.
Unheil ist Heil mir,
Bitterkeit bringt Wonnen,
Leben ist Last; daß es im Kampf
bestehe,
Fleh ich, und fürchte, daß der
Tod nicht ehe
Schließe den Blick, der
Sprache mir gewonnen.
Hier müde nun, möcht ich mich
fern befinden;
Mehr wollt ich wollen und will
mehr doch nimmer,
Und mehr nicht könnend, tu ich
nach Vermögen.
Und alter Sehnsucht neue
Tränen künden,
Daß, wie vordem ich war, ich
jetzt noch immer,
Und daß kein Ringen hilft,
mich zu bewegen.
CXX.
Das mitleidvolle Lied, in
dessen Zeilen
Ich eure Kunst und Güte
wahrgenommen,
Ergriff mich so, daß, wie es
angekommen,
Die Feder ich zur Hand nahm
sonder Weilen,
Um schnell euch die Gewißheit
zu erteilen,
Daß dessen Zahn, der aller
Welt muß kommen,
Mich noch verschont, obwohl
ich unbeklommen
Mich seiner Wohnung sah
entgegeneilen.
Doch kehrt ich um, dieweil ich
fand geschrieben
Über der Schwelle, daß noch
nicht so nahe
Die Zeit, die meinem Leben
vorgeschrieben;
Nur Tag und Stund ich nicht
verzeichnet sahe.
Drum soll sich euer Herz nicht
mehr betrüben
Und Würdgern suchen, der den
Kranz empfahe.
CXXII.
Schon wälzt sich hinab der
Himmel siebzehn Jahre,
Seit ich entbrannt und nie
mehr konnt erkalten.
Nur wenn mein Leiden ich mir
vorgehalten,
Mitten in Flammen ich wie
Frost erfahre.
Wahr ist der Spruch: Eh
wandeln sich die Haare,
Als alter Brauch. Und wie die
Sinn auch alten,
Nicht mindert sich der
Leidenschaften walten;
Das macht der Erdenleib, der
wandelbare.
O wehe mir! wann wird der Tag
sich zeigen,
Wo ich, der ich so nahe bin
dem Ziele,
Der Glut entrinn’ und dem so
langen Wehe?
Kommt je der Tag, wo nur, wann
gern ich’s sähe,
Des schönen Angesichtes süßes
Neigen,
Und nur, so weit es gut wär,
mir gefiele?
CXXIII.
Dies reizende Erblassen, zart
ergossen –
Ob süßem Lächeln lichte
Wolkenhülle –
Drang mir ins Herz mit solcher
Allmachtfülle,
Daß dies ihr schnell durchs
Auge sich erschlossen.
da lernt ich, wie des
Himmelreichs Genossen
Einander sehn. So trat aus
seiner Stille,
Den keiner sah, der
mitleidvolle Wille,
Vors Auge mir, das allem sonst
verschlossen.
Englischer Blick, demütige
Gebärden,
Die sonst in Fraun, wo Liebe
wohnt, sich zeigen,
Wären zur Seit ihr Übermut zu
nennen.
Sie schlug den adlig-schönen
Blick zur Erden
Und sprach, wie mires schien,
also mit Schweigen:
wer will von meinem treuen
Freund mich trennen?
CXXIV.
Liebe, Geschick und mein
Gemüt, gekehret
Vergangnem zu, zerfallen mit
der Nähe,
Betrüben so mich, daß mit Neid
ich sehe,
Wie sich die Meng am andern
Strande mehret.
Liebe zerreißt mein Herz; den
Trost dann wehret
Ihm das Geschick, und, daß es
so ergehe,
Zürnt das Gemüt und weint. Bei
vielem Wehe
Leb ich so immerdar zum Kampf
bewehret.
Nicht hoff ich, daß die schöne
Zeit mir kehre;
vom Schlimmern nur zum
Schlimmern will sich’s wenden,
Und schon den halben Lauf
legt’ ich zurücke.
Ach! nicht von Demant, als ob Glas
sie wäre,
Entgleitet jede Hoffnung
meinen Händen,
Und jeglicher Gedanke bricht
in Stücke.
CXXX.
Nun, da der Weg der Gnaden mir
verwehret,
Wandl’ ich fernab von jenen
Augen, denen
Ein Gott den Lohn für all mein
treues Sehnen
Vertraut, zu der Verzweiflung
Pfad gekehret.
Mit Leid nähr ich mein Herz,
wie es begehret,
Erzeugt zum Weinen, leb ich
nur von Tränen,
Und klage nicht, weil mehr,
als manche wähnen,
In solchem Stand die Träne
Lust gewähret.
Und nur an einem Bild hang ich
hienieden,
Nicht von Praxiteles, Zeuxis
und Phidias,
Von einem bessern Meister
ausgeführet.
Welch Skythien schützt mich,
welch Versteck Numidas,
Wenn, nicht mit unverdientem
Bann zufrieden,
Auch so verborgen, mich der
Neid erspüret?
CXXXI.
So neuer Art würd ich von Liebe
künden,
Daß tags ich zwänge tausendmal
zu stöhnen
Die Felsenbrust, ein
tausendfältig Sehnen
In dem erstarrten Herzen würd
entzünden;
Verfärbt würd ich das schöne
Antlitz finden,
Mitleidiger den Blick,
getaucht in Tränen,
Wie solche pflegen, die um eignes
Wähnen
Und fremde Schmach vergebens
Reu empfinden;
Säh rote Rosen, die in Schnee
sich weben,
Vom Hauch bewegt, das
Elfenbein enthüllen,
Das den zu Marmor macht, der’s
nah gewahret,
Und alles das, warum im kurzen
Leben
Ich nicht verzweifle, ja um dessentwillen
Ich stolz mich seh für letzte
Zeit bewahret.
CXXXII.
Ist’s Liebe nicht, was ist’s
denn, was ich trage ?
Ist’s Lieb, um Gott! was ist
denn diese eben?
Ist’s gut, wie mag es Tod und
Schmerzen geben?
Ist’s bös, warum so süß dann
jede Plage?
Glüh ich freiwillig, wo denn
her die Klage?
Ist’s wider Willen, was denn
frommt mein Beben?
O freudenreiches Weh, o Tod
voll leben,
was gibt die Macht dir, wenn
ich ja nicht sage?
Und sag ich ja, so klag ich
nicht mit Rechte.
Bei widerwärtgem Wind, auf morschem
Kahne
Treib ohne Steuer ich durch
offne Fluten,
So leicht an Wissen und so
voll von Wahne,
Daß selber ich nicht weiß, was
gern ich möchte,
Im Winter glüh, und beb in
Sommers Gluten.
CXXXIII.
Zum Ziel von Pfeilen macht
mich mein Verlangen,
Zu Wachs in Glut, zu Schnee
auf Sonnenhöhen,
Zu Nebel vor dem Wind; von
langem Flehen
Bin ich schon heiser, und ihr
laßt mich bangen.
Aus eurem Blick die
Todespfeile drangen,
Wogegen weder Zeit noch Ort
bestehen;
Von euch nur kommt (was euch
ein Spiel, zu sehen)
Glut, Sonn und Wind; drum ist
mir’s so ergangen.
Gedanken sind die Pfeil’,
Antlitz die Sonne,
Die Sehnsucht Glut. Mit
solchen Waffen ritzet
Zugleich mich Lieb und blendet
und vernichtet.
Der englische Gesang, der Rede
Wonne.
Nebst süßem Hauch, wovor kein
Ding mich schützet,
Sie sind die Luft, vor der
mein Leben flüchtet.
CXXXIV.
Nicht Frieden findend, nicht
im Kriegesstande,
Fürcht ich und hoffe, schaudr’
ich und erwarme,
Flieg himmelan und haft am
Erdenrande,
Umfasse nichts, wenn ich die Welt
umarme.
Mich schlug, der öffnet nicht
noch schließt, in Bande,
Der mich nicht mag und frei
nicht läßt die Arme;
Der mich nicht tötet, noch
erlöst der Schande,
Nicht leben läßt, noch mich
entnimmt dem Harme.
Ich seh ohn Augen, ohne Zung
ich flehe,
Muß Untergang und Hilfe gleich
ersehnen;
Ich hasse mich, andrem in Lieb
ergeben,
Zehre von Schmerz und lächle
unter Tränen,
Gleich mißbehagt mir Sterben
so als Leben.
Um euch, o Herrin, trag ich
solches Wehe.
CXXXVI.
Möcht Himmelsflamm auf deine
Locken träufen,
Gottlose du, von Flut und
Eichelnüssen
Nun reich und groß durch das,
was andre missen,
Weil so dich’s freuet, Schuld
auf Schuld zu häufen.
Nest des Verrats, wo, die die
Welt durchschweifen,
Zahllose wehn zum Licht empor
sich rissen,
Sklavin des Weins, von Bett
und Leckerbissen!
Du ausgelernt, in Lust dich zu
ersäufen!
Durch deine Kammern taumeln
Mädchen, Greise
Im Tanz; es steht Beelzebub
daneben
Mit Spiegeln, Flamm und
Blasebalg im Kreise.
Einst warst du Flaum und
Schatten nicht ergeben,
Gingst nackt im Wind, barfuß
durch Dornengleise;
Jetzt steigt zu Gott der Stank
von deinem Leben.
CXXXVII.
Das geizge Babel hat von
Gottes Zoren
So voll das Maß und seiner
Schuld, der schweren,
Daß es zerberstet fast;
Bacchus, Cytheren,
Nicht Pallas oder Zeus, hat
sich’s verschworen.
Ich harr auf Recht und geh
derweil verloren.
Doch neuen Sultan seh ich bald
ihm kehren.
Dem wird – nicht wann ich’s
wollt – ein Sitz der Ehren,
Und der sei in Baldacco ihm
erkoren.
Dann werden seine Götzen rings
zerstreuet,
Verbrannt die stolzen,
gottverhaßten Zinnen,
Und inn und außen, was darin
sich freuet;
Dann wird nur Seelen, die die
Tugend minnen,
Die Welt zuteil, die goldne
Zeit erneuet,
Und alte Sitt auf Erden Raum
gewinnen.
CXXXVIII.
Du Haus des Zorns ! o
Born du voll Bedrängnis!
Schule des Wahns! Tempel der
Ketzereien!
Einst Rom, nun Babel, falsch
zu maledeien,
Das Tränen häuft und Seufzer
rings und Bängnis!
O Werkstatt du des Trugs!
grausam Gefängnis,
Wo Gutes stirbt, nur Böses
will gedeihen!
Hölle Lebendger! Wollte Christ
verzeihen,
Nicht zürnen, wunderbar wär
solch Verhängnis.
In keuscher Armut klein
gegründet, endlich
Hebst gegen deine Gründer du
die Hörner,
Schamlose Metze! Worauf steht
dein Hoffen?
Auf deine Buhlen? Schätze, die
du schändlich
Erworben all? Nicht Konstantin
kommt ferner;
Doch nehm’s die traurge Welt,
die es betroffen.
CXXXIX.
Je sehnsuchtsvoller ich die
Flügel breite,
Zu euch zurück, o süße Schar,
zu dringen,
So mehr verwirrt in seinem
Leim die Schwingen
Mir das Geschick, treibt irr
mich in die Weite.
Mein Herz will, send ich’s
aus, mit ihm im Streite,
Bei euch im sonngen Tal die
Zeit verbringen,
Wo Küst an Küsten unser Mehr
umschlingen;
Vorgestern ließ ich’s weinend
von der Seite.
Ich ging zur Linken, weil es
rechts sich kehrte,
Von Lieb es nach Jerusalem
getrieben,
Ich nach Ägypten, wie Gewalt
begehrte.
Doch pflegt Geduld in
Schmerzen Trost zu üben;
Denn selten, wie es langer
Brauch uns lehrte,
Und kurz nur sind beisammen
wir geblieben.
CXL.
Amor, der mir im Herzen lebt
und waltet,
Und drinnen seinen höchsten
Thron empfangen,
Gewappnet kommt er oft auf
meine Wangen,
Hält da gelagert sein Panier
entfaltet.
Sie, die mich lehrt, wie Lieb
und Leid gestaltet,
Und will, daß Scham, Vernunft und
scheues Bangen
die Hoffnung zügle und mein
heiß Verlangen,
Zürnt bei sich selbst der
Glut, die nie erkaltet.
Zum Herzen fliehet Amor da
voll Grauen
Und weint und bebt und läßt
sein Tun und Sinnen
Und birgt sich da und ist
nicht mehr zu schauen.
Was kann, ihn fürchtend,
andres ich beginnen,
Als bis zuletzt mich ganz ihm
anvertrauen?
Wer schön in Liebe stirbt,
geht schön von hinnen.
CXLI.
Wie manchmal Schmetterling’ in
warmen Tagen,
Des Lichts gewohnt, zu
törichtem Vergnügen
Andern vor blinder Lust ins
Auge fliegen,
So daß sie selber sterben,
andre klagen;
So werd ich stets ins
Flammenlicht getragen
Der Augen, drin so große Reize
liegen,
Daß Liebe zagt, sich der
Vernunft zu fügen,
Und der Verstand vom Willen
wird geschlagen.
Und wohl zwar seh ich, wie sie
mich verschmähen,
Und weiß, daß ich dem Tode
mich verschrieben,
Weil in dem Schmerz die Kraft
nicht kann bestehen;
So schmeichelnd aber blendet
mich mein Lieben,
Daß ich, statt eigner, wein um
fremde Wehen
Und blindlings werd in meinen Tod
getrieben.
CXLIII.
Hör ich so süß euch sprechen
und erzählen,
Wie’s Amor nur den Seinen
gibt, gleich fange
Ich an, zu glühn in meines
Herzens Drange,
Daß es entflammen müßt
erloschne Seelen.
Dann will die schöne Herrin
auch nicht fehlen;
Ich seh sie nahen, hold in
Blick und Gange,
Die oftmals mich, statt mit
der Glocken Klange,
Mit Seufzern wecken und den
Schlaf mir stehlen.
Ihr Haar seh ich im Wind
zerstreut; sie kehret
Sich um nach mir, und also
zieht sie drinnen
Im Herzen ein, als die den
Schlüeel führet.
Das Übermaß nur des Entzückens
wehret
Der Zung und weiß den Mut
nicht zu gewinnen,
Laut zu verkünden, wie sie
drin regieret.
CXLIV.
So freundlich sah ich nie die
Sonne walten,
Wann rings umher die Nebel
sich verzogen,
Nach Regen nie des Himmels
bunten Bogen
So viele Farben in der Luft
entfalten;
Wie ich in Flammen sah sich
umgestalten
Am Tag, der um die Freiheit
mich betrogen,
Das Auge, dem (ich hab es wohl
erwogen)
Kein Ding auf Erden kann die
Waage halten.
Ich sah, wie Amor in den Augen
spielte,
So hold, daß seit ich solches
drin gelesen,
Mir ist, als ob sonst alles
dunkel wäre.
Ich sah ihn, mein Sennuccio,
wie er zielte,
So daß seitdem ich sicher
nicht gewesen,
Und doch, es immer neu zu
sehn, begehre.
CXLV.
Hin, wo versengt die Halm’ im
Strahl sich beugen,
Und wo, ihm trotzend, Schnee
und Schollen ragen;
Dahin, wo mäßig wärmt der
Sonne Wagen;
Wo ihre Strahlen sinken, wo
sie steigen;
In Armut oder zu der Stolzen
Reigen;
Zu heitrer Luft, zu Nebeln
hingetragen;
In stiller Nacht, in lang und
kurzen Tagen,
In Jugendlenz und an des
Lebens Neigen;
In Höll und Himmel, nah und
fernen Landen;
In sumpfgem Talesgrund, auf
Bergeshöhen;
Ein freier Geist und in des
Leibes Banden;
Mit dunklem Namen und zu Ruhm
ersehen,
Werd ich bestehn, wie immer
ich bestanden,
Fortseufzend, wie es fünfzehn
Jahr’ geschehen.
CXLVI.
O Seel, umstrahlt von Tugend
und entzündet,
Um die so viel ich des Papiers
verbrauche!
Du reines Haus von jedem
frommen Brauche!
O Turm, in hoher Stärke fest
begründet!
O Flamm, o Rosen, zartem
Schnee verbündet,
Drin ich mich spiegle, wie zum
Bad mich tauche!
O Lust, die meinen Flug mit
sanftem Hauche
Zum Antlitz trägt, des Glanz
nicht zweites findet!
Von eurem Namen, wenn so weit
verstanden
Ich würde, sollte Baktrien
erklingen,
Don, Thule, Nil, Atlas, Olymp und Calpe.
Nun aber ich nicht vermag zu
bringen
Der ganzen Welt, tön er den
schönsten Landen,
Die Apennin trennt, Mehr
umkreist und Alpe.
CXLVII.
Der Wille, der mich mit zwei
feurgen Sporen
Und einem harten Zügel lenkt
und leitet,
Wenn manchmal das Gesetz er
überschreitet,
Daß ich zu einger Freude sei
erkoren,
Trifft er auf eine, die, was
drin geboren,
Kühnheit und Furcht, liest auf
der Stirn gebreitet,
Und siehet Amor, der ihn
streng bedeutet,
Aus Augen blitzend, die in
Glut verloren.
Dann gleicht er einem, der vor
Jovis Strahlen,
Des Zürnenden, die Flucht
ergreift betroffen,
Weil groß Befürchten zügelt
groß Verlangen;
Doch oft, wann kühle Flamm und
banges Hoffen
Der Seele, wie durch Glas,
sich außen malen,
Strahlt neue Huld auf ihren
süßen Wangen.
CXLVIII.
Nicht Etsch, Tessin, Po, Arno,
Var und Tiber,
Nil Tigris, Hermus, Indus,
Phrat und Ganges,
Alpheus, Ister, Don, noch,
kräftgen Ganges,
Rhon, Elbe, Seine, Rhein,
Eur’, Hebrus, Iber,
Nicht Efeu, Tann und Pinie
kühlt mein Fieber,
Wacholder nicht mein Herz,
mein glühend-banges,
Wie Bächlein tut, das mitweint
gleichen Dranges,
Und Bäumlein, das ich singe
lieb und lieber.
Die eine Zuflucht find ich,
seit begonnen
Amor den Kampf, drin nimmer
darf ermatten
Mein Leben, das so schnellen
Laufs verronnen.
Drum, schöner Lorbeer, wachs
auf Ufers Matten,
Und, was sein Pflanzer
Freudiges ersonnen,
Schreib er beim Laut des Bachs
im süßen Schatten.
CL.
„Was tust, was denkst du,
Geist? Wird’s Friede geben?
Kommt Ruhe je? Wird ewig Krieg
geführet?“
„Weiß nicht was wird; doch das
hab ich gespüret,
Nicht freut ihr Auge unser
Jammerleben.“
„Was hilft’s, will sie mit
diesem Aug uns weben
Im Sommer Eis, und Flammen,
wann es frieret!“
„O sie nicht will’s; der
tut’s, der sie regieret.“
„Gleichviel! Sie sieht’s und
schweigt doch, still ergeben.“
„Wohl manchmal schweigt die
Zung, und drin im Herzen
Klagt’s laut; von außen
freudig zu gewahren,
Weint’s innen, wo kein anderer
es schauet.“
„Mit allem dem wird das Gemüt
der Schmerzen
Nicht ledig, die sich sammeln
drin und scharen,
Weil Elend großer Hoffnung
nicht vertrauet.“
CLI.
Aus schwarzen, wild
durchstürmten Wellen flüchtet
Kein Schiffer, um dem Hafen
zuzuschwanken,
Wie ich aus freudlos-düsteren
Gedanken,
Wohin mich große Sehnsucht
spornt und richtet.
Nie ward ein sterblich Auge so
vernichtet
Von Himmelsglanz, wie mein ich
fühlt erkranken,
Als sie den Strahl des milden
Blickes tranken,
Drin Amor seine Pfeile schärft
und lichten.
Geköchert seh ich ihn, nicht
mit der Binde,
Ein Kind mit Flügeln, nicht
gemalt – lebendig;
Außer was Scham verhüllt, mit
nacktem Leibe.
Was vielen dunkel, zeigt er
mir inwendig,
Daß Teil für Teil im schönen
Aug ich finde,
Was ich von Liebe red, und was
ich schreibe.
CLII.
Dies fromme Wild, mit Tiger-,
Bärensinne,
Mit eines Engels Leib und
Menschenwangen,
Kreist zwischen Freud und Weh,
Hoffnung und Bangen
Mich so, daß festen Stand ich
nie gewinne.
Wenn seinen Fängen ich nicht
bald entrinne,
Von Ungewißheit fort und fort
befangen,
Vergeh ich, Amor, denn zum
Herzen drangen
Die süßen Gifte schon; ich
ward des inne.
Die Kraft, hinfällig, wie sie
ist, und wankend,
Trägt nicht den Wechsel mehr
von Leid und Freuden,
In einem Nu von Glut zu Kälte
schwankend.
Durch Flucht hofft sie zu
enden ihre Leiden,
Von Stund an Stunde mehr und
mehr erkrankend;
Denn nichts kann, wer vom
Leben nicht kann scheiden.
CLIII.
Ans kalte Herz geht, heiße
Seufzer! Brechen
Sollt ihr das Eis, das Mitleid
nicht bezwinget!
Mag, wenn zum Himmel sterblich
Flehn sich schwinget,
Gnad endlich oder Tod mein
Leid besprechen!
Süße Gedanken, geht, um dort
zu sprechen
Von dem, wohin der schöne
Blick nicht dringet!
Und wenn ihr Stolz, mein Stern
ein andres bringet,
Wird Hoffnung mir und Wahn
zugleich gebrechen.
Wohl könnt ihr, wenn auch
unbedingt nicht, sagen,
Daß, wie ihr Zustand friedsam
ist und heiter,
So unser dunkel, ruhlos und
voll Zagen.
Geht sicher nun! Amor ist euch
Begleiter!
Und darf die Luft nach meiner
Sonn ich wagen
Zu deuten, trifft mich wohl
kein Unglück weiter.
CLIV.
Himmel, Gestirn und Elemente
gaben
Wetteifernd jede Mühe sich, zu
bauen
Ein lebend Licht, in welchem
sich beschauen
Sonn und Natur, die sonst
nichts Gleiches haben;
Ein neues Werk, so reizend, so
erhaben,
Daß irdsche Blicke sich zu ihm
nicht trauen;
So scheinet Amor Süß und Huld
zu tauen
Aus schönemAug in unermeßnen
Gaben.
Die Luft, durchzückt von
diesem holden Schimmer,
Entbrennt von Sittsamkeit,
daß, wie ich’s funden,
Ich nimmer sagen kann und
denken nimmer.
Gemeines Sehnen wird da nicht
empfunden,
Nur das der Ehr und Tugend.
Wann doch immer
Hat Schönheit niedre Gier so
überwunden?
CLV.
Wie Zeus auch eiferte, den
Blitz zu schwingen,
Und Cäsar brannte, seinen
Feind zu schlagen,
Doch müßten sie gerührt dem
Zorn entsagen,
Und Mitleid jedem seine Waff
entringen;
Sie weinte, und mein Herr ließ
es gelingen;
Daß ich sie sah und hörte ihre
Klagen,
Mir Leid zu häufen und der
Sehnsucht Plagen,
Und grausam Mark und Bein mir
zu durchdringen.
Es malte Amor mir das süße
Weinen,
Ja grub es ein, und ließ in
Herzens Grunde
Die holden Wort in Demant wie
versteinen,
Wohin mit Schlüsseln,
kunstreich-fest, zur Stunde
Er oft noch kehrt, und außen
läßt erscheinen
Mit schweren Seufzern seltne
Trän im Bunde.
CLVI.
Ich sah auf Erden Engelsitte
schalten
Und Himmelsschönheit,
sondergleichen beide,
Daß die Erinnrung Schmerz mir
gibt und Freude;
Denn, was ich seh, sind
Schatten, Traumgestalten.
Ich sah zwei Augen tränen,
deren Walten
Die Sonne tausendmal erfüllt
mit Neide,
Und hörte Wort, erpreßt von
schwerem Leide,
Die Berg’ aufregen, Ströme
könnten halten.
Lieb, Einsicht, Mut und
Schmerz und mildes Neigen
Zu süßem Einklang weinend sich
umfingen,
Wie keinen je die Erde hörte
singen.
Der Himmel horchte still dem
holden Klingen,
daß sich kein Blättchen regt
in allen Zweigen;
So süße Laute durch die Lüfte
gingen.
CLVII.
Der immer herbe Tag, den stets
ich ehre,
Grub mir sein Bild ins Herz in
solcher Weise,
Daß kein Verstand, kein Stil
ist, der es preise,
Wiewohl im Geist ich oft nach
ihm mich kehre.
Ihr Tun, geschmückt mit jeder
Huld und Hehre,
Und ihre Klagen, bitter-süß
und leise,
Ließen mich zweifeln, ob des
Himmels Kreise
Ein irdisch oder göttlich Weib
verkläre.
Das Haupt rein Gold und warmer
Schnee die Wangen,
Sterne die Augen unter Brau’n
von Eben,
Wo Amor spannte – nicht
umsonst – die Sehne;
Perlen und rote Rosen, drin
gefangen
Die Schmerzen schön und glühe
Worte weben,
Die Seufzer Flammen und
Kristall die Träne.
CLVIII.
Wohin mein lasses Aug ich
richt und wende,
Den Drang zu sänftigen, der es
regieret,
Find ich, der schöne Herrin
vor mir führet,
Daß meine Sehnsucht grünend
bleib ohn Ende.
Dann ist’s, als ob sie holden
Schmerz empfände
Und Mitleid, wie es edle
Herzen rühret.
Den Ohren auch erdichtet er
und zieret
Lebendgen Wortes, frommer
Seufzer Spende.
Amor und Wahrheit mußten
selbst gestehen,
Daß, was ich sah, war
Schönheit sondergleichen,
Nie sonst gesehen unter
Sternenhöhen;
Daß nie gelauscht so frommen,
wonnereichen
Worten die Welt, noch Tränen
je gesehen
So schön die Sonn aus schönen
Augen schleichen.
CLIX.
In welchen Himmel, welcherlei
Ideen
Fand die Natur das Muster, zu
bereiten
So schön Gesicht, um hier uns
anzudeuten,
Was droben sie vermöcht in
bessern Höhen?
Hat Nymphen wer im Bach, im
Wald gesehen
Göttinnen Haar so lautern
Goldes breiten?
Wann hegt ein Herz so viel der
Herrlichkeiten?
Doch gibt das Ganze mir des
Todes Wehen!
Nach Himmelsschönheit rings
vergebens spähet,
Wer nie der Augen milden Blick
ertragen,
Wann sie umher sie lieblich
kreist und drehet.
Nicht weiß, wie Amor schlägt
und heilt, zu sagen,
Wer es nicht weiß, wie süß vom
Mund ihr gehet
Das Wort, wie süß ihr Lächeln
und ihr Klagen.
CLX.
Amor und ich stehn wundernd,
sie zu schauen,
Wie wer etwas Unglaubliches
ersiehet,
Spricht oder lächelt sie, die,
hold erblühet,
Allein sich selber gleicht,
nicht andern Frauen.
Aus schönem Himmel ruhig
heitrer Brauen
Flimmt so mein treues
Sternenpaar und glühet,
Daß, wer da aus nach hohem
Lieben ziehet,
Sich keinem andern Licht darf
anvertrauen.
Welch Wunder, wann, ein
Blümlein, mitten innen
Sie unter Gräsern sitzt, die
grünen Sprossen
Ihr weißer Busen drückt mit
sanftem Drucke!
Wie süß, wann, von des
Frühlings Schein umflossen,
Allein sie wandelt und in
stillem Sinnen
Ein Kränzlein flicht dem
krausen Gold zum Schmucke!
CLXI.
O irre Schritt’, o Wünsch’,
ihr wachen, schnellen;
O treu Gedächtnis; o du wildes
Weben;
O schwaches Herz du; o du
mächtig Streben;
O meine Augen, Augen nicht,
nein Quellen;
O Zweig, der Stirnen Schmuck,
der ruhmeshellen;
O einzger Preis zwiefacher
Kraft gegeben;
O süßer Wahn; o mühevolles
Leben,
Die ihr mich treibt durch
Berg’ und Uferstellen;
O schönes Aug, drein Amor hat
geleget
Zügel und Sporn, womit er
lenkt und treibet
Nach Lust, daß aller
Widerstand vergebens!
O edle Seelen, die ihr Liebe
heget,
Gibt’s deren hier, und ihr, o
Schatten, bleibet
Und sehet ach! den Jammer
meines Lebens!
CLXII.
Glücksel’ge Blumen, die zu vielen
Malen
Die Herrin wandelnd beugt, o
lichte Sprossen!
Ihr Höhn, wo sich ihr süßes
Wort ergossen,
Des schönen Fußes Spuren noch
sich malen!
Geschlanke Bäum und junge
Zweig’ in Talen!
Violen, lieblich ihr und
bleich erschlossen!
Du Schattenwald, von Sonnenlicht
umflossen,
Das hehr und stolz dich macht
mit seinen Strahlen!
O freundlich Ländchen! o du
reine Welle,
Die du ihr badest Wang und
klare Sterne
Und dich ernärst von der
lebendgen Helle!
Wie neid ich euch so Holdes,
wann ich ferne!
Kein Felsen ragt bei euch, der
auf der Stelle
Mit meinen Flammen nicht
erglühen lerne.
CLXIII.
Amor, du kennst mein Denken
all und Hoffen
Und schweren Weg, den du mich
lehrtest gehen;
O komm, in meines Herzens
Grund zu sehen,
Verhüllt den andern allen, dir
nur offen!
Was, weil ich dir gefolgt bin,
mich betroffen,
Du weißt’s, und klimmst doch
schnell von Höh zu Höhen
Voran, und lässet unbemerkt
mich stehen,
Der ich so matt durch steilen
Pfad und schroffen.
Wohl seh ich fern des süßen
Lichtes Hehre,
Wohin du spornst und treibst
auf rauhen Wegen;
Doch deiner Schwingen ich zum
Flug entbehre.
Froh will ich sein bei aller
Sehnsucht Regen,
Wenn ich gemach in Sehnen mich
verzehre,
Und weiß, daß meine Klag ihr
nicht entgegen.
CLXIV.
Jetzt, da der Himmel schweigt und
Erd und Winde,
Vögel und Wild des Schlafes
Zügel tragen,
Die Nacht im Kreise führt den
Sternenwagen,
Das Meer sich ruhig streckt
durch seine Gründe,
Wach ich, glüh, sinn und wein,
und, wo ich stünde,
Ist nah mein Feind mit seinen
süßen Plagen;
Krieg ist mein Zustand, voll
von Zorn und Zagen;
Nur, denk ich sie, ich einigen
Frieden finde.
So dringt aus einem hell
lebendgen Quelle,
Draus ich mich nähre,
Süßigkeit und Herbe,
Und eine Hand gibt Heilung mir
und Wunden.
Und weil mein Jammer nie gelangt
zur Stelle,
Ersteh ich tausendmal des Tags
und sterbe;
So weit ach! hab ich noch, um
zu gesunden!
CLXV.
So oft den weißen Fuß, von
Huld umfangen,
Sie ehrbarlich durchs frische
Gras beweget,
Scheint, was in Blumen sich,
in Halmen reget,
Von ihren zarten Sohlen
ausgegangen.
Amor, der nur nach Schönem
trägt Verlangen,
Da seine Kraft nur zu erproben
pfleget,
Hat ihr ins Aug so warme Lust
geleget,
Daß andres nicht mich locken
kann noch fangen.
Und mit dem holden Blick, dem
leichten Schweben
Stimmt schön ihr Wort voll
Süßigkeit und Wonnen
Und ihr demütig, sanft
bescheidnes Weben.
Von den vier Funken hat zum
Teil begonnen
Die Glut, von der ich Flamme
hab und Leben,
Der ich ein nächtger Vogel in
der Sonnen.
CLXVI.
Blieb ich einst standhaft in der
Höhle stehen,
In der Apoll geworden zum
Propheten,
Hätt auch Florenz vielleicht
seinen Poeten,
Nicht bloß Verona, Mantua
gesehen;
Doch weil mein Feld nicht mehr
von jener Höhen
Springquell sich labt, muß
anderem Planeten
Ich jetzo folgen, und von meinen
Beeten
Mit krummer Sichel Dorn und
Klette mähen.
Der Ölbaum welkt; es zieht auf
anderm Pfade
Das Wasser hin, das dem Parnaß
entspringet
Und einst mit Blüten jenen
Baum gesegnet.
Unglück sonach, vielleicht
auch Schuld mich bringet
Um alle gute Frucht, wenn
seiner Gnade
Ein Teil der ew’ge Zeus nicht
auf mich regnet.
CLXVII.
Wenn Amor ihr gebeut, den
Blick zu senken,
In einen Seufzer sammelt mit
den Händen
Der Sehnsucht Hauch, als Wort
sie zu entsenden,
Klar, lieblich, englisch, göttlich,
kaum zu denken,
Fühl ich mein Herz in Lust
sich von mir lenken
Und Wünsche drin sich und
Gedanken wenden;
Dann sprech ich: Möcht es so
doch mit mir enden,
Will mir so hehren Tod der
Himmel schenken!
Der Klang doch, der so süß die
Sinne bindet,
Zügelt den Geist, bereit schon
zu entschweben,
Durch große Lust nach solcher
Laute Schöne.
So leb ich, und so breitet
denn und windet
Des Lebens Faden auf, der mir
gegeben,
Diese des Himmels einzige
Sirene.
CLXVIII.
Ein süßes Wort, das Amor zu
mir schicket,
Wie’s längst zum Boten
zwischen uns erlesen,
Meldet mir tröstend, daß er
nie gewesen
Bereit, wie jetzt, zu dem, was
mich beglücket.
Ich aber, der bald Lügen hab
erblicket
In seinem Wort, bald Wahrheit
drin gelesen,
Glaube nur halb, kann Zweifels
nicht genesen,
Und fühl in Ja und Nein mein
Herz zerstücket.
So fliehn die Jahr’, und in
des Spiegels Scheine
Seh ich der Zeit mich nahen,
die entgegen
Seinem Versprechen so als
meinem Hoffen.
Mag sein, was kann; altr’ ich
doch nicht alleine,
Und mit den Jahren wechselt
nicht mein Regen;
Vor kurzer Zeit nur bangt, die
mir noch offen.
CLXIX.
Der Sehnsucht voll, durch die
ich Feindschaft übe
All anderm Sehnen und allein
durchs Leben
Mich treib, hab oft ich selbst
mich aufgegeben,
Die suchend nur, der besser
fern ich bliebe;
Dann seh ich wandeln sie, so
süß, so trübe,
Daß bang die seel erbebt,
flugs zu entschweben;
So läßt der Seufzer Scharen
sich erheben
Die schöne Feindin meiner und
der Liebe.
Wohl seh ich einen
Mitleidstrahl ergossen
Zwischen erhabnen umwölkten
Brauen,
Der mir das wehe Herz erhellt
aufs neue.
Dann faß ich mich; und bin ich
nun entschlossen,
Ihr offen meinen Jammer zu
vertrauen,
Ist des so viel, daß ich den
Anfang scheue.
CLXX.
Ihr Antlitz oft mit
menschlich-holden Zügen
Hat mir nebst den Genossen Mut
gegeben,
Mit ehrbar kluger worte leisem
Weben
Demütig meine Feindin zu
bekriegen.
Doch läßt ihr Blick den
Vorsatz bald verfliegen,
Weil in der Hand ihr mein
Geschick, mein Streben,
Mein Glück, mein Weh, mein Tod
so als mein Leben,
Durch ihn, der des allein die
Macht hat, liegen.
Drum war ich nie so meiner
Worte Meister,
Daß mich ein andrer, als ich
selbst verstünde;
So macht mich Amor heiser und
verzaget.
Und wohl nun seh ich, wie die
Zungen binde
Entbrannte Lieb und Seelen
raub und Geister.
Gering nur glüht, wer, wie er
glühe, saget.
CLXXI.
Liebe gab freundlich-strengem
Arm mich eigen,
Der schuldlos tötet, und die
Schmerzen schalten,
Klag ich, zwiefach. Drum, wie
ich’s stets gehalten,
Ist’s besser, sterben so in
Lieb und Schweigen.
Vom Eis des Rheines müßten
Flammen steigen,
Träf ihn ihr Auge, Felsen
könnt es spalten,
Und ihrem Reiz gleicht so ihr
stolzes Walten,
Daß ihr mißfällt, gefällig
sich zu zeigen.
Nichts kann mit aller Einsicht
je ich heben
Vom schönen Demant, der ihr
Herz versteinet;
Das andr’ ist Marmor, atmend,
lebensrege.
Doch wird sie nie mit allem
Widerstreben
Verwehren mir, wie finster sie
erscheinet,
Daß Hoffnung ich und süße
Seufzer hege.
CLXXII.
O Neid, der aller Tugend Fehde
schwöret,
Und alles Schöne gern von je
bestritten,
Wes Weges bist du in ihr Herz
gelitten,
So still? mit welcher Kunst
hast du’s betöret?
Mein Heil hast mit der Wurzel
du zerstöret,
Zu glücklich ihr gezeigt mich,
die mein Bitten,
Mein keusch-demütiges, sonst
gern gelitten
Und nun mit Haß und Weigrung,
scheint es, höret.
Und wie sie auch mit
unhold-strengem Handeln
Mein Glück beklag und lache
meiner Klage,
Kann der Gedanken keinen sie
mir wandeln.
Ob tausendmal sie töt an einem
Tage,
Ich lieb und hoff auf sie doch
sonder Wandeln;
Denn Amor tröstet, macht sie,
daß ich zage.
CLXXIII.
Seh ich der schönen Augen
heitre Sonnen,
Drin, der die meinen malt und
netzt, verziehret,
Trennt müd von Herzen sich die
Seel und fliehet
Zu ihres Erdenparadieses
Wonnen.
Wenn sie da Süß und Herbes
viel, umsponnen
Ringsum die Welt von
Spinnenweben siehet,
Klagt sie bei sich und Amor,
der sie mühet
Mit Sporn und Zaum, bald so,
bald so gesonnen.
In solcher Gegensätze wirrem
Spiele,
Nun eisig, nun mit glühendem
Verlangen,
Steht sie so zwischen
Seligkeit und Wehen;
Froher Gedanken wenge, trüber
viele;
Und meist gereut das kühne
Unterfangen.
Aus solchem Keim muß solche
Frucht erstehen.
CLXXIV.
In bösem stern war (wenn, wie
mancher denket,
Der Himmel ob uns herrscht)
ich einst geboren;
Bös war die Wieg an meines
Lebens Toren,
Bös Land, wohin den Fuß ich
drauf gelenket;
Und bös die Frau, die mit dem
Blick mich kränket
Und Pfeilen, die nur mich zum
Ziel erkoren;
Drob ich so oft, o Amor, dich beschworen,
weil selbe Waff auch, willst
du’s, Heilung schenket.
Dich aber freut mein Schmerz;
nicht also jene.
Sie klagt, daß er nicht herber
sei und weher,
Und Pfeile nur, nicht Speere,
mich getroffen.
Eins tröstet mich: daß nach
ihr schmachten höher
Beglückt, als ganz besitzen
andre Schöne;
Du schwörst’s beim goldnen
Pfeil, und ich will’s hoffen.
CLXXV.
So oft der Zeit ich und des
Orts gedachte,
Wo ich mich selbst verlor, und
werter Schlingen,
Mit denen Amors Hände mich
umfingen,
Was Bittres süß, Weinen zum
Spiel mir machte,
War Schwefel ich und Zunder,
und es fachte
Der sanfte Hauch, den stets
ich hör erklingen,
Das Herz zu Flammen, die mir
Freude bringen
Und Nahrung, weil ich andres
wenig achte.
Die Sonne, die allein mein
Auge siehet,
Erwärmt mich immer noch mit
Liebesschimmer
Am Abend, wie sie früh es mir
erzeiget,
Und leuchtet so mir aus der
Fern und glühet,
Daß das Gedächtnis frisch und
treu, wie immer,
Die Schlinge nur, die Zeit,
den Ort mir zeiget.
CLXXVI.
Kühn zieh ich durch der Büsch
unwirtbar Grauen,
Wo fahren Leut und Waffen
rings umstricken;
Mit Furcht kann nur die Sonne
mich berücken,
Der Strahlen der lebendgen
Lieb enttauen.
Ich geh und sing und meine,
sie zu schauen
(O Wahn!), die mir kein Himmel
kann entrücken;
Und ihr zur Seite glaub ich zu
erblicken,
was Buch und Tannen sind,
Fräulein und Frauen.
Ich höre sie, wann Zweig’ und
Weste flüstern,
Und wann im Laub der Vögel
Klagen steigen,
Und Wellen murmelnd fliehen
durch die Matten.
Der Öde Schauer und einsames
Schweigen
Gefielen so mir nie in Waldes
Schatten;
Nur daß sie meine Sonne mir
verdüstern!
CLXXVII.
Mit tausend Bächen täglich,
tausend Höhen
Hat in Ardennen Amor mich
umringet;
Der seiner Treuen Herz und Fuß
beschwinget,
Daß lebend sie den dritten
Himmel sehen.
Mich freut, daß wehrlos ich
gewagt, zu gehen,
Wo Mars bewehrt urplötzlich
Schrecken bringet,
Ein Schiff, das sonder Mast
und Steuer dringet,
Mit Weh beladen, durch erregte
Seen.
Denk ich jedoch, woher, mit
welcher Schwinge
Ich kam, nun, da die finstre Fahrt
geendet,
Fühl ich, wie Furcht aus
Übermut entspringe.
Ein schönes Land und holder
Strom nur spendet
Dem Herzen Sicherheit, das
guter Dinge
Dem Wohnort seiner Sonne
zugewendet.
CLXXVIII.
Mich spornt die Lieb und
zwingt mich dann, zu stehen,
Macht kalt und heiß, macht
kühn mich und verzaget,
Zürnet und lächelt, ruft mich
und verjaget,
Hält jetzt in Hoffnung mich
und jetzt in Wehen,
Und führt mein müdes Herz
durch Tief und Höhen,
Daß nach dem Weg umsonst mein
Sehnen fraget,
Und höchste Freud ihm, scheint
es, mißbehaget;
So ist mein Geist voll
Irrtums, nie gesehen.
Die Furt zeigt ihm ein
freundlicher Gedanke,
(Durch Wasser nicht, die aus
den Augen rinnen)
Dahin schnell, wo er Frieden
hofft, zu fliegen.
Darauf, als treib ihn größre
Macht von hinnen,
Muß andern Wegs er ziehn, und,
wie er schwanke,
Seinem und meinem langen Tod
sich fügen.
CLXXIX.
Zeigt auch, mein Geri, mir,
von Zorn verblendet,
Die süße Feindin stolzes
Widerstreben,
Ist mir ein Trost der Rettung
doch gegeben,
Des Kraft der Seele neuen Atem
spendet.
So oft unwillig sie die Augen
wendet,
Hoffend, das Licht zu rauben
meinem Leben,
Brauch ich nur mein in Demut
zu erheben,
Und all ihr Zorn ist, wie im
Nu, geendet.
Wenn dies nicht wäre, würd ich
nur beklommen
Nach ihr, als wär’s Medusens
Haupt, mich neigen,
Das all versteinte, die es
wahrgenommen.
So mach’s auch du; denn
nirgend will sich zeigen
Dir andre Hilf, und Fliehen
kann nicht frommen
Vor Fittichen, wie unserm
Herrn sie eigen.
CLXXX.
Wohl kannst du, Po, forttragen
meine Rinde
Mit deinen reißenden gewaltgen
Wogen;
Der Geist jedoch, den jene
hält umzogen,
Sorgt nicht, daß dein und
andre Kraft ihn binde.
Nicht beugend rechts noch
links, zieht er geschwinde
Grad durch die Luft, die
seinem Wunsch gewogen;
Hinflatternd nach der goldnen
Zweige Bogen,
Bezwingt er Segel, Ruder, Flut
und Winde.
Fürstin der andern, stolz
erhabne Welle,
Die du der Morgensonne ziehst
entgegen
Und fern in Abend lässest
schönre Helle,
Du folgst, im Arm mein Irdsches,
deinen Wegen;
Das andre kehrt mit
Liebesflügel-Schnelle
Zurück auf seiner süßen Heimat
Stegen.
CLXXXI.
Ein zartes Netz, aus Perl und
Gold gereihet,
Spannt Amor in die Gräser
unter Zweigen,
Die, immergrün, mein Sehnen
sind, mein Neigen,
Obwohl ihr Schatten mehr
betrübt, als freuet.
Köder war Same, den er
ausgestreuet
Und mähet, Lust und Bangen zu
erzeugen;
So holder Laut, wie ich ihn
hörte steigen,
Hat nie seit Adams Schöpfung
sich erneuet.
Rings funkelte das Licht, vor
dem die Sonne
Sich birgt; das Seil war um
die Hand geschlungen,
Von der an Glanz der Schnee
wird übertroffen.
So fiel ich in das Netz,
umstrickt von Wonne,
Von süßen Weisen, wie von
Engelszungen,
Von Wohlgefallen, Wunsch und
frohem Hoffen.
CLXXXII.
Die mir das Herz entbrannt mit
heißem Streben,
Die Liebe, hält’s mit eisger
Furcht befangen,
Und ob die Hoffnung größer, ob
das Bangen,
Ob Flamm, ob Kält, es will
sich nicht ergeben.
Ich glüh im Frost, muß in der
Hitz erbeben,
Voll Argwohn immerdar und voll
Verlangen,
Ganz wie ein Weib, das einen
Mann umhangen,
Zu bergen ihn, mit dünnen
Florgeweben.
Die erste dieser Plagen ist
mir eigen,
Zu glühen Tag und Nacht; wie
süß das Wehe,
Faßt kein Gedank, wie sollt
ein Reim es singen!
Die and’r ist’s nicht: vor
meinem Feuer zeigen
Sich gleich die Menschen; wer
zu seiner Höhe
Gedenkt zu fliegen, dehnt
umsonst die Schwingen.
CLXXXIII.
Wenn mich ihr süßer Blick zum
Tod entzückte,
Und ihre zarten, hold
verständgen Laute,
Wenn Amor ihr so viel Gewalt
vertraute,
Daß mich ein Lächeln, ja ein
Wort beglückte;
Was würd ach! wenn sie minder
freundlich blickte –
Aus Fügung oder Schuld – als
sonst sie schaute,
So daß der Tod da, wo mir
nimmer graute
Durch ihre Gunst, nun
schreckhaft mich berückte?
Muß schauernd drum in Frost
mein Herz erbeben,
Wann umgewandelt sie einmal zu
schauen,
Hat solche Furcht Erfahrung
mir gegeben.
Beweglich ist das Weib, nicht
drauf zu bauen;
Ich weiß, es währt der Liebe
süßes Leben
Gar kleine Zeit im Herzen nur
der Frauen.
CLXXXIV.
Liebe, Natur und eine Seel,
ergeben
In Demut jeder schönen Tugend,
walten
Verschworen gegen mich. Nach
langem, alten
Gebrauch sinnt Liebe, mir den
Tod zu geben;
Natur hält mit so zartem Band
ihr Leben,
Daß keine Kraft vermag, es zu
erhalten,
Und, nicht zu beugen, will dem
ungestalten,
Mühevollen Dasein ihre Seel
entschweben.
Den teuren Gliedern so, den
süßen, frommen,
Wahrhafter Lieblichkeit
getreuem Spiegel,
verglüht gemachz des Geistes
letzter Funken.
Und hält das Mitleid nicht den
Tod am Zügel,
Seh ich, wie tief die
Hoffnungen gesunken,
Von denen Leben mir und Lust
gekommen.
CLXXXV.
Von goldnen Federn, reich und
kunstlos, heget
Dieser mein Phönix also teure
Spangen,
Die seinen hohen weißen Hals
umfangen,
Daß allen Lust, mir Weh es
innen reget.
Und ein natürlich Diadem er
träget,
Von dem die Lüft in heitrem
Lichte prangen,
Draus flüssge Gluten, die mich
heiß durchdrangen
Im rauhsten Frost,
verschwiegen Amor schläget.
Ein Purpurkleid mit
himmelblauem Saume,
Rosenbestreut, die schönen
Schultern decket;
Einzig Gewand und Schönheit
nie gesehen!
Den dort in reichem,
dufterfüllten Raume
Arabscher Berge das Gerücht
verstecket,
Stolz sehn wir ihn durch
unsern Himmel gehen.
CLXXXVI.
Sahn einst Virgilius und
Homerus tagen
Das Licht, das meine Augen hier
gewahren,
Sie hätten, seinen Ruhm zu
offenbaren,
Vereinter Kraft das Höchste
müssen wagen.
Des würd Äneas und Achilles
klagen,
Ulyss und andr’ aus der Heroen
Scharen,
Und der so gut bei
sechsundfünfzig Jahren
Die Welt regiert und den
Ägisth erschlagen.
Jene des Muts, der waffen alte
Blume
Hatte wie gleichen stern mit
dieser neuen
Blume der Ehrbarkeit und aller
Schöne.
Ennius sang rauhes Lied von
jener Ruhme,
Von dieser ich. O daß nicht
lästig seien
Ihr meine Gaben, sie mein Lob
nicht höhne!
CLXXXVII.
An Held Achills berühmtes Grab
gelehnet,
Seufzt Alexander aus des
Herzens Grunde
Glücksel’ger, dem
Posaunenklang erdröhnet
So herrlich aus so hohen
Sängers Munde!
Doch diese reine Taube,
hochgeschönet
Vor allem auf dem weiten
Erdenrunde,
Nur matt aus meinem schwachen
Lied ertönet;
So haben all ihr Los und ihre
Stunde!
Sie, wert, daß Orpheus und
Homer erzählten
Von ihr, und jener Hirt, den
Mantua ehret,
Zu ihrem Preis nur immer
dürfte singen,
Vertrauten Sterne, die bloß
hierrin fehlten,
Dem, der mit ihrem Namen fromm
verkehret,
Vielleicht ihr Lob durch
Sprechen zu verringen.
CLXXXVIII.
Der Zweig, o Sonne, den du
liebtest ehe,
Mir einzig wert, grünt einsam,
reich geschmücket,
An schönem Ort, wie keiner,
seit erblicket
Einst Adam sein und unser reizend
Wehe.
Laß bleiben uns, zu schaun!
ruf ich und flehe,
O Sonne; doch du fliehst, und
Schatten drücket
Die Höhn; du nimmst den Tag
mit dir; entrücket,
Trägst du hinweg, wonach
zumeist ich spähe.
Und dieser Schatten, den die
Hügel senden,
Dort, wo mein Flämmchen
funkelt mild und helle,
Wo großer Lorbeer kleinem Keim
entsprossen,
Wächst, weil ich spreche noch,
mir zu entwenden
Den süßen Hinblick auf die
sel’ge Stelle,
Wo mit der Herrin sich mein
Herz verschlossen.
CLXXXIX.
Es muß mein Schiff zu Mitternacht
im Kalten
Durch Skylla und Charybd auf
wilden Seen,
Hoch mit Vergessenheit
beladen, gehen;
Das Steuer hat mein Herr und
Feind erhalten;
Gedanken, schnell und kühn,
die Ruder halten,
Die, scheint es, Sturm und
Untergang verschmähen;
Und Seufzer, Hoffnungen und
Wünsche wehen
Als feuchte Stürme, die die
Segel spalten.
Ein Tränenregen, Nebel trüber
Sorgen
Erweicht die Taue, die schon
schlaff sich senken,
Aus Irrtum und Unwissenheit
gewunden;
Mein süßes Sternenpaar hält
sich verborgen,
Getränkt in Flut ist Kunst und
kluges Denken,
Und keinen Port mehr fürcht
ich zu erkunden.
CXC.
Ein weißes Reh, dem Goldgeweih
verliehen,
Erschien mir einst auf grünen
Rasenflächen,
In Lorbeerschatten, zwischen
zweien Bächen,
Am Morgen, bei des Lenzes Ersterblühen;
So mild und stolz, daß, um ihm
nachzuziehen,
Ich jede arbeit eilte
abzubrechen,
Wie Geizigen, die Schätze sich
versprechen,
Der Hoffnung Lust versüßet
Sorg und Mühen.
„Nicht rühr mich an!“ stand um
den Hals in Zügen
Von Demant und Topasen hell
erhaben,
„Mein Cäsar hat befreit mich
und entbunden!“
Die Sonne war zum Mittag schon
gestiegen,
Mein Auge matt, doch gierig,
mehr zu haben;
Da sank in Fluten ich – es war
verschwunden.
CXCI.
Wie Gott anschauen ist das
ewge Leben,
Und niemand mehr da will, noch
dürfe wollen,
So, Herrin, hat in kurzem,
kummervollen
Dasein mir Euer Anblick Lust
gegeben.
Noch sah Euch selbst ich nie
so schön, wie eben,
Wenn Augen Wahrheit je dem
Herzen zollen;
O sel’ge Stund, aus der mir
Heil entquollen,
Besiegend jeglich Hoffen,
jeglich Streben!
Und müßt ich nicht sobald
darauf verzichten,
Nicht wollt ich mehr: denn
wenn sich manche nähren
Nur vom Geruch und solches
gilt für Wahrheit,
Andre Gefühl und Schmack mit
Glut beschwichten
Und wasser nur, die aller Süß
entbehren,
Warum nicht ich mit Eures
Blickes Klarheit?
CXCII.
Laß, Amor, daß wir schaun, was
uns beglücket –
Neu und erhabne Dinge -, still
uns stehen!
Die Wonnen sieh, die auf sie
niederwehen,
Den Himmelsglanz, der unsre
Erde schmücket!
Die Kunst, die schön mit
Purpurzier gesticket,
Mit Perl und Gold das Kleid,
nie sonst gesehen!
Sieh, wie durchs schattge Tal
um schöne Höhen
So hold sie wandelt und so
freundlich blicket!
Das Grün, der Blumen
tausendfarbger Schimmer,
Um diesen dunklen, alten Baum
gestreuet,
Flehn, daß der schöne Fuß sie
rühr und drücke.
Und, wie von lichtem,
liebesel’gem Flimmer,
Entzündet sich der Himmel
rings, erfreuet,
Daß aufgeheitert ihn so schöne
Blicke.
CXCIII.
Mich nährt so edle Kost, daß
ich entbehre
Gern Nektar und Ambrosia
dagegen;
Im Sehn vergeß ich jeden
andern Segen,
Und Lethes Fluten ich von
Grund aus leere.
Dann schreib ins Herz ich
andres, was ich höre,
Daß immer neu sich meine
Seufzer regen;
Entführt von Lieb auf
unbekannten Stegen,
Von zweien Süßigkeiten so ich
zehre.
Denn jene Stimm, im Himmel
selbst willkommen,
Tönt in so holdem Wort, so
zart gestaltet,
Wie’s keiner denkt, der es
noch nie vernommen.
Zugleich in kleinster Spanne
Raum entfaltet
Sich’s klar, was Kunst und
Geist im Leben frommen,
Und wie Natur und Himmel
mächtig waltet.
CXCIV.
Die holde Luft, die rings
erhellt die Höhen,
Im schattgen Busch die Blumen
ruft ins Leben,
Kenn ich an ihres Atems
sanftem Beben,
Durch den ich steigen muß in
Ruhm und Wehen.
Um Rast dem müden Herzen zu
erspähen,
Flieh ich der Heimatlüfte
süßes Weben;
Und such, um Licht dem trüben
Sinn zu geben,
Mein Sonnenlicht, und hoff es
heut zu sehen;
In dem so viel der Wonn ich
werde innen,
Daß Liebe stets mich führt in
seine Nähe;
Dann blendet’s so, daß es zu
spät zum Fliehen.
Nicht wehr, nur Flügel möcht
ich, zu entrinnen;
Doch will der Himmel, daß ich
drin vergehe;
Denn fern muß ich
verschmachten, nah verglühen.
CXCV.
Von Tag zu Tag mehr wandl’ ich
Haar und Wangen;
Doch nicht von süßer Angel los
mich beiße,
Doch nicht von grünen Zweigen
los mich reiße
des Baums, dran Sonn und Kälte
nichts verfangen.
So lang am Himmel noch die
Sterne prangen,
Noch Wasser hegt das Meer,
fürcht ich und heiße
Sein Schattendach willkommen,
schmäh und preise
Die Wunde, mir so tief ins
Herz gegangen.
Nicht hoff ich jemals Rast von
meinen Wehen,
Solang in Bein und Nerv und
Fleisch ich weile,
Oder bis mein die Feindin mild
gedenket;
Eh kann wohl das Unmöglichste
geschehen,
Eh was, als Tod und sie, die
Wunden heile,
Die Lieb ins Herz mit Augen
mir gesenket.
CXCVI.
Die heitre Luft, die einen Weg
gefunden,
Rauschend durch grünes Laub,
zu meinen Wangen,
Erinnert mich der Zeit, da ich
empfangen
Durch Amor erste süße, tiefe
Wunden,
Und läßt das schöne Antlitz
mich erkunden,
Das Zorn verbirgt und
Eifersucht verhangen,
Samt Haar, in Stein und Perlen
jetzt befangen,
Blonder als Gold, vordem und
losgebunden:
Dem sie gebot, sich flatternd
auszuschwingen,
Und dann es zierlich knüpfte,
Flecht an Flechte,
Daß, denk ich dran, das Herz
mir will zerspringen;
Die Zeit dann schuf ein
festeres Geflechte,
Und zwang das Herz in so
gewaltge Schlingen,
Daß, sie zu lösen, nur der Tod
vermöchte.
CXCVII.
Die Himmelsluft, die sich im
Lorbeer wieget,
Wo Amor in die Seit Apoll
geschlagen,
Und mir ein süßes Joch gebot
zu tragen,
Dem meine Freiheit lange noch
erlieget,
Fügt mir, was altem Mauren
zugefüget
Medusa, da sie ihn als Stein
ließ ragen;
Auch schönem Knoten kann ich
nicht entsagen,
Der Ambra, Gold, die Sonne
selbst besieget;
Das blonde Haar, die krause
Schling ich meine,
Die mir so lieblich hält die
Seel umfangen,
Der ich nur Demut gab zu Wehr
und Waffen;
In Eis verkehrt ihr
schattenbild alleine
Mein Herz, und färbt mit
bleicher Furcht die Wangen;
Doch weiß das Aug in Marmor umzuschaffen.
CXCVIII.
Die milde Luft, die
sonnenwärts beweget
Und schwingt das Gold, das
Amor webt und windet,
Mit schönen Augen, selbst mit
Locken bindet
das müde Herz sie, flüchtge
Geister reget.
Was nur von Mark und Blut mein
Körper heget,
Es zittert, wenn es ihre Näh
empfindet,
Die Tod und Leben oftmals, wie
sich’s findet,
In wandelbarer Schale schwenkt
und wäget,
Seh ich die Strahlen brennen,
die mich zünden,
Die Knoten blitzen, welche
mich gefangen
Und über ihre Schultern
niedergleiten.
Ich faß es nicht; drum kann
ich’s nimmer künden.
Von solchen Lichtern ist mein
Gweist befangen,
Erdrückt und matt von solchen
Süßigkeiten.
CXCIX.
O schöne Hand, die um mein
Herz sich schläget,
Die du mein Sein umfängst in
kleinem Runde;
O Hand, drin allen Fleiß und
alle Kunde
Gott und Natur, zum Ruhm sich,
ausgeleget!
Fünf Perlen, wie der Orient
sie heget,
Und grausam nur und hart für
meine Wunde!
Ihr Finger zart, die Amor
recht zur Stunde,
Mich reich zu machen, ohne
Hülle reget!
O Handschuh, der, so weiß und
weich und teuer,
Blank Elfenbein du decktest,
frische Rosen!
Wer sah so schöne Hülle je auf
Erden?
Hätt ich doch Gleiches von dem
schönen Schleier!
O Unbestand von allen
Erdenlosen!
Ein Raub ist’s, und er wird
entwandt mir werden.
CC.
Nicht bloß die nackte Hand vor
andern Dingen,
Die sich – o Leid! – nun birgt
vor meinen Blicken,
Die andre Hand auch und zwei
Arme schicken
Behend sich an, mein zages
Herz zu zwingen.
Amor stellt tausend, kein’
umsonst, der Schlingen,
In neuer Reize Lust mich zu
umstricken,
Die so den Leib, den
himmlisch-hehren, schmücken,
Daß Sprache nicht noch Geist
so hoch sich schwingen:
Die heitern Augen,
sternenlichten Brauen,
Den engelhaften Mund, in dem
beisammen
Mit Perl und Rosen süße Worte
liegen,
Die alles zittern machen vor
Erstaunen,
Auch Stirn und Locken, die der
Sonne Flammen
Mittags zur Sommerzeit an
Glanz besiegen.
CCI.
Mein Glück und Amor hatten mir
bescheret
So schöne Bordenzier von Gold
und Seiden,
daß auf der Zinn ich stand von
meinen Freuden,
Dacht ich bei mir, wem solches
angehöret.
So oft der Tag mir ins
Gedächtnis kehret,
Der Reichtum sollt und Armut
gleich bescheiden,
Muß ich erzürnen drob und
Schmerz erleiden,
Von Reu und Scham und
Liebesschmach verzehret,
Weil meinen edlen Raub ich
ließ entfliegen,
Zur Zeit, wo’s galt, mich’s
zaghaft ließ verdrießen,
Die Kraft nur eines Engleins
zu bekriegen,
Weil ich zur Flucht nicht
Flügel gab den Füßen,
Mindest der Hand Vergeltung
zuzufügen,
Die mich so viel der Tränen heißt
vergießen.
CCII.
Aus schönem, hellen,
blank-lebendgen Eise
Entspringt die Glut, die mich
entflammt, vernichtet,
Die Herz und Adern trocknet
und verflüchtet,
Daß ich zugrunde geh unmerkbar
leise.
Der Tod hat schon zum Schlag
die Hand mit Freise,
Ein Sturmgewölk, ein
brüllender Leu, gerichtet,
Verfolgt mein Leben, das vor
ihm sich flüchtet,
Und ich erbeb und schweige
zagerweise.
Wohl könnt es sein, daß Lieb
und Huld verbunden
Noch, eine Doppelsäul, empor
mir stiegen
Zwischen der matten Seel und
Todesschlage;
Doch glaub ich’s nicht, noch
kann ich es erkunden
In meiner süßen Feindin
Herrscherzügen;
Darob nicht sie, mein Glück
ich nur verklage.
CCIII.
Weh, daß ich glüh, und eine
nicht will trauen!
Es traut mir alle Welt, nur
nicht die eine;
Sie, hoch vor allen, die
erwählte meine,
Sie, scheint es, traut mir
nicht, und kann’s doch schauen.
Endlose Schönheit und gering
Vertrauen,
Seht ihr mein Herz nicht in
der Augen Scheine?
Wär’s nicht mein Stern, so
sollte doch, ich meine,
Vom Born des Mitleids mir
Erbarmen tauen.
Dies mein Erglühn, das euch so
wenig teuer,
Und euer Ruhm, durch meine
Vers’ ergossen,
Könnten noch Tausende
vielleicht entzünden;
Im Geiste seh ich schon, mein
süßes Feuer,
Wie eine kalte Zung und, fest
verschlossen,
Ein Augenpaar nach uns viel
Glut entbinden.
CCIV.
Seele, die du von so
verschiednen Dingen
Siehst, hörst, liest, sprichst
und schreibst und denkest innen!
Unstetes Aug, und du vor
andern Sinnen,
Durch den ins Herz die frommen
Worte dringen!
Wie ungern hättet ihr die
Pfadesschlingen
Berührt, auf denen Nacht und
Nebel spinnen,
Konntet ihr die zwei Lichter
nicht gewinnen,
Nicht liebe Spuren, die voran
euch gingen!
So helles Licht voraus nun,
solch Geleite,
wird sonder Irrsal kurze Bahn
durchschnitten,
daß sie für ewge Wohnung uns
bereite.
Ring auf, mein schwacher Mut,
zum Himmel, mitten
Durch ihres süßen Zornes Nebel
schreite,
Folgend dem Himmelsstrahl, den
frommen Tritten!
CCV.
Süß Zorn und Unmut, süß ein
friedlich Neigen,
Süß mir die Bürde, Kummer süß
und Bangen,
Süß jedes Wort, mit süßer Lust
empfangen,
Drin süße Hauch’ und süße
Gluten steigen.
Nicht klag, o Seele; duldend
mußt du schweigen,
Mildern das bittre Süß, das
uns befangen,
Mit süßer Ehr, aus Lieb
hervorgegangen
Zu ihr, zu der ich sprach:
Dein bin ich eigen!
Vielleicht kommt einer noch
und rufet schmachtend
In süßem Neid: Wohl viel hat
übernommen
Für schönste Liebe der zu
seinen Zeiten!
Und andrer: O Geschick, mein
Aug umnachtend!
Daqß ich sie nicht gesehn! Daß
sie gekommen
Nicht später, oder ich nicht
mehr beizeiten!
CCVIII.
Du rascher Strom, aus rauher
Alpenquelle
hervorgeronnen, drum du Rhone
heißest,
Der Tag und Nacht du sehnend
mit mir reisest,
Dich treibt Natur, mich Lieb
an gleicher Stelle.
Geh du voraus; nicht zügelt deine
Schnelle
Ermattung, Schlaf. Und ehe du
erweisest
Sein Recht dem Meer, beachte,
wo du kreisest
Um frischres Grün, in reinrer
Lüfte Helle.
Da findest unsre Sonne du, die
süße,
Die deinen Strand mit Blumen
schmückt und Schimmer;
Vielleicht (o Hoffnung!) wird
sie mich vermissen!
Küß ihr die schöne weiße Hand,
die Füße!
Und sag ihr, statt der Rede
sei das Küssen!
Der Geist ist willig, schwach
das Fleisch wohl immer.
CCIX.
Es zieht die süße Höh, wo ich
zurücke
Mich ließ, der fliehend ich
nie kann entfliehen,
Voraus mir, daß, die Amor mir
verliehen,
die teure Bürd allimmerdar
mich drücke.
Oft voll Verwundrung auf mich
selbst ich blicke,
Daß fort ich wandl’ und noch,
trotz allem Mühen,
Dem schönen Joch mich nimmer
konnt entziehen,
Dem ich, je mehr ich fern, so
näher rücke.
Gleich Hirschen, die den Stahl
im Herzen tragen;
Sie fliehn dahin mit
giftgetränktem Pfeile
Und heftgerm Schmerz, je
raschern Laufs sie jagen;
So ich, den Stahl im Herzen,
der zum Teile
Den Tod mir gibt, zum Teil ein
froh Behagen;
Vor Schmerz vergeh ich und
ermatt in Eile.
CCX.
Wie all des Meeres Ufer ich
durchspähe,
Vom Ebro bis Hyaspes fernen
Pfaden,
von roten hin bis kaspischen
Gestaden,
Nur einen Phönix weit und
breit ich sehe.
Rechts welcher Rabe rief, links
welche Krähe
Mein Schicksal? welche Parze
spann den Faden?
Wie Schlangenohr ist taub das
Ohr der Gnaden;
Umsonst ach! hofft ich, daß
mir Heil geschähe!
Von ihr nicht sprech ich; aber
der sie lenket,
Ließ Süß und Lieb ihr Herz die
Füll erwerben;
So viel hat sie, so viel sie
andern schenket.
Und meine Süßigkeiten zu
verherben,
Nicht merkt sie, oder
scheint’s, und nicht bedenket,
Wie sich vor Schlafenszeit die
Schläfe färben.
CCXI.
Mich spornt die Lust; voraus
mir Amor ziehet;
Die Freude lockt; Gewohnheit
treibt und schüret;
Die Hoffnung schmeichelt,
tröstet und berühret
Mit ihrer Hand mein Herz, das
matt verglühet;
Das arme Herz erfaßt die Hand
und siehet
Nicht, wie so blind und
treulos, die es führet;
Vernunft ist tot, und
Sinnlichkeit regieret;
Aus irrem Sehnen anderes
erblühet.
Reiz, Tugend, süße Red,
holdselig Weben
Haben an schöne Zweige mich
gebunden,
Und still verwickelt sich mein
Herz darinnen.
Dreizehn hundert sieben und
zwanzig eben,
Am sechsten Tag Aprils in
erster Stunden,
Trat ich ins Labyrinth, draus
kein Entrinnen.
CCXII.
Der Freund am Traum, im
Schmachten Lust ich finde,
Umarm ein Nichts, nach
Sommerlüftchen gehe,
Durchschwimm ein grundlos Meer
ohn Uferhöhe,
Pflüg Äther, bau auf Sand und
schreib in Winde,
Schau in die Sonne so, daß ich
erblinde
vorm Glanz, der mir verlöscht
des Auges Sehe,
Jage nach einem irren,
flüchtigen Rehe
Mit hinkendem, langsamen,
schwachen Rinde.
Blind, matt für alles andr’,
als meine Plage,
Nach der ich Tag und Nacht
umtastend wandle,
Auf Amor, Herrin, Tod ich nur
beim Namen.
So zwanzig Jahr’ (o schwer und
lange Klage!)
Nur Tränen, Seufzer, Schmerz
ich mir erhandle.
In solchem Stern faßt ich
Lockspeis und Hamen!
CCXIII.
Huld, die der Himmel wengen
gibt zu eigen;
Tugend, nicht heimisch in der
Menschen Kreise;
Und unter blondem Haar
Verstand der Greise;
Und Himmelsschönheit bei der
Demut Neigen;
Anmutig, fremd und einziges
Bezeigen;
Ein Sang, der in der Seele
nachtönt leise;
Ein Engelsang; ein Hauch, der glüher
Weise
Das Härtste bricht und Hochmut
weiß zu beugen;
Und schöne Augen, die das Herz
versteinen,
Die Nacht und Abgrund
mächtiglich erhellen,
Seelen entführen und an andre
geben;
Worte, drin Süße sich und
Hoheit einen,
Und seufzer dann, die holdgebrochen
schwellen –
Die Zauberer verwandelten mein
Leben.
CCXV.
Bei edlem Blut ein Leben still
zufrieden;
Ein reines Herz bei hohem
Geist und Sinnen,
Des Alters Frucht in Blüten
mitten innen,
Bei ernstem Antlitz heitern
Seelenfrieden
Hat dieser Herrin ihr Planet
beschieden,
Ja, aller Sterne König, echtes
Minnen
Um Ehr und Preis und mutiges
Beginnen,
Wohl göttlichsten Poeten zu
ermüden.
Mit Lieb in ihr steht
Sittsamkeit im Bunde,
Mit Schönheit der Natur des
Schmuckes Funkeln
Und ein im Schweigen auch beredtes
Handeln,
Im Aug ein Etwas, das zu
selber Stunde
Die Nacht kann lichten und der
Tag verdunkeln,
Honig in Gall und Gall in
Honig wandeln.
CCXVI.
Ich wein am Tag, und nachts,
wo es beschieden
Den armen Sterblichen, zur Ruh
zu gehen,
Schwimm ich in Tränen, doppeln
sich die Wehen:
So spend ich weinend meine
Zeit hienieden.
In bitterm Naß muß ich das Aug
ermüden,
Das Herz in Leid, und mich den
Ärmsten sehen
Von allen wesen; denn nicht
zugestehen
Will je der Liebe Pfeil mir
eingen Frieden.
Weh! daß von der zu jener Sonn
ich wandre,
Von dem zu jenem Schatten! daß
entflohen
Der größte Teil des Tods, der
Leben heißet!
Mehr, als mein Weh, schmerzt,
was verbrachen andre,
Daß Mitleid und mein treuer
Schutz mich lohen
Im Feuer sieht und mich ihm
nicht entreißet.
CCXVII.
Anstimmen wollt ich so
gerechte Klagen
Vordem und in so glühen Reimen
singen,
Daß Mitleidsflammen, dacht
ich, sollten dringen
Ins Herz, das hartes Eis in
Sommers Tagen;
Die kalte Wolke, die sich drum
geschlagen,
Sollt in dem Hauch des heißen
Worts zerspringen;
In Haß dacht ich bei andern
die zu bringen,
Die mir verhüllt der Augen
schmerzlich Tagen.
Jetzt will nicht Haß ihr, mir
nicht Gnad ich finden;
Dies kann ich nicht, zu jenem
fehlt der Wille;
Dazu hat Stern und Schicksal
mich erlesen.
Doch ihre Götterschönheit will
ich künden,
Daß, wenn ich abgeschüttelt
diese Hülle,
Die Welt erseh, wie süß mein
Tod gewesen.
CCXVIII.
Erscheinet sie in holder
Frauen Runde,
die nirgend in der Welt hat
ihresgleichen,
Dann muß vor ihr der andern
Reiz erbleichen,
Wie kleine Sternlein vor des
Tages Stunde.
Ins Ohr dann flüstert mir’s
von Amors Munde:
Weil diese blüht in unseren
Bereichen,
Ist’s Leben schön; doch bald
nahn andre Zeichen,
Die Tugend geht, mit ihr mein
Reich zugrunde.
Wie wenn Natur dem Himmel Mond
und Sonnen,
Der Luft den Wind, der Erde
Gras und Büsche,
Uns wiedernähme den Verstand,
die Worte,
Dem Meere raubte Wogen so als
Fische,
So hätt, und mehr noch, Öd und
Nacht begonnen,
Verschlöß der Tod mir ihres Auges
Pforte.
CCXIX.
Der neue Sang, der Vöglein
Klageweisen
In erster Frühe durch die
Täler hallen,
Und plätschernd rauschen
flüssige Kristallen
Klar, frisch und schnell dahin
in ihren Gleisen.
Die Schnee’ge mit dem
Goldgelock, zu preisen,
Daß trügerische lieb ihr nie
gefallen,
Erweckt mich bei der
Liebestänz Erschallen,
Die Silberlocken kämmend ihrem
Greisen.
Da grüß Auroren ich, mit ihr
im Bunde
Die Sonn, und mehr die andre,
deren Sehnen
Mich blendet eh, und noch es
tut zur Stunde.
Einst sah ich miteinander beid
erstehen,
Und sieh! in einer Stund,
einer Sekunde
Ließ die die Stern, und jene
die vergehen.
CCXX.
Woher nahm Amor doch das Gold,
zu weben
Ein blondes Flechtenpaar? Und
jene Rosen
Von welchen Dornen? Und von
welchen Moosen
Den zarten, frischen Reif mit
Puls und Leben?
Woher die Perlen, zügelnd zu
umschweben
Der süßen Worte züchtig
fremdes Kosen?
Woher der Stirn, der heitern,
wolkenlosen,
Die Zauber all, die göttlich
sie umweben?
Von welchen Engeln stieg, aus
welcher Sphäre
Herab so himmlisches, so
schmelzend Singen,
Daß wenig nun zu schmelzen
bleibt hienieden?
Von welcher Sonn entsprang des
Lichtes Hehre
In Augen, die mir Krieg und
Frieden bringen,
Die mir das Herz in Eis und
Feuer sieden?
CCXXI.
Welch Schicksal, welche Kräft
und Listen heben
Wehrlos aufs neu zum
Schlachtfeld mich von hinnen
der Schmach? Ein Wunder wär
entrinnen;
Mein wär das Wehe, ließ ich da
mein Leben.
Nicht weh, nein, nur Gewinn!
So freundlich weben
Die Funken und die Leucht im
Herzen drinnen,
Die blendend es in Gluten läßt
zerrinnen;
So brennend sah ich zwanzig
Jahr entschweben.
Des Todes Boten fühl ich, wenn
ich tagen
Und fernher blitzen seh der
Augen Flimmer;
Doch wenn sie näher mir sie
aufgeschlagen,
So süß dann netzt und ritzt
mich Amor immer,
daß ich’s nicht denken kann;
geschweige sagen;
Das Wahr erreichen Witz und
Sprache nimmer.
CCXXII.
„Ihr sinngen Frauen, einsam
bald zu sehen,
Bald froh gesellt, die kosend
hin ihr ziehet,
Sagt, wo mein Tod ist, wo mein
Leben blühet,
warum nicht unter euch, wie
sonst geschehen?“
„In jener Sonn Erinnrung
freudig, gehen
Wir leidvoll, weil die süße
Freundin fliehet,
die Eifersucht uns ach! und
Neid entziehet,
Den fremdes Glück verletzt,
wie eigne Wehen.“
„Wer hemmt und zügelt Wesen,
die sich lieben?“
„Die Seele nichts, den Leib
Zorn, strenger Wille;
An ihr ist’s jetzt, manchmal
an uns zu schauen.
Doch oft steht auf der Stirn
das Herz geschrieben;
So sahn verdunkelt wir der
Schönheit Fülle,
Und Tränen ihr aus feuchten
Augen tauen.“
CCXXIII.
Wenn Sol ins Meer taucht
seinen goldnen Wagen,
Umdüsternd mein Gemüt, wie
Luft und Auen,
Wird eine schwere Nacht voll
Angst und Grauen
Mit Himmel, Mond und Stern mir
zugeschlagen.
Dann red ich ach! zu ihr von
meinen Plagen,
Die mich nicht hört, und hadre
mit dem rauhen
Geschick und mit der Welt und
meiner Frauen,
Mit Amor und mit mir in lauten
Klagen.
Der Schlummer ist verbannt,
die Ruhe fliehet,
Nur Seufzer gibt es bis zum
Morgenschimmer,
Und Tränen, die von Herz zu
Augen fließen.
Aurora kommt und hellt die
Nacht – mich nimmer!
Die Sonne nur, die mir das
Herz durchglühet
Und labt, nur sie kann meinen
Schmerz versüßen.
CCXXIV.
Wenn Liebestreu, ein Herz, das
sonder Lügen,
Ein süßes Schmachten,
höfliches Verlangen,
wenn frommer Wunsch, in edler Glut
empfangen,
Wenn langes Irrn auf
Labyrinthes Stiegen,
Wenn jeglich Denken, abgemalt
in Zügen,
Oder in Worten, die bald
Scham, bald Bangen
Verschluckt, daß sie zum Ohre
kaum gelangen,
Wenn, veilchenblaß, drin
Liebesgluten siegen,
Wenn, andre lieber als sich
selbst gewinnen,
Wenn Weinen nur und Seufzen
nach wie ehe,
An Schmerzen, Zorn und Kummer
nur sich weiden,
Wenn fern erglühen, nah zu Eis
gerinnen,
Die Gründe sind, daß liebend
ich vergehe –
Ist’s, Herrin, Eure Schuld,
und mein das Leiden.
CCXXV.
Zwölf Fraun, ja, Sterne, froh
und unbegleitet,
Ehrbarlich müde, sah ich;
mitten ragen
Die Sonn; auf einem Schifflein
all getragen,
Wie keines, glaub ich, je
durch Fluten gleitet.
Nicht gleich war ihm, das
Jason einst geleitet
Zum Vlies, nach dem die Menschen
all noch jagen,
Nicht das, worüber Troja noch
muß klagen,
Von denen durch die Welt der
Ruf sich breitet;
Dann sah ich sie im
Siegeswagen thronen,
Und meine Laura mit dem
frommen Wesen,
Zur Seite sitzend, holde
Weisen singen;
Nicht Menschending und irdsche
Visionen!
Sel’ger Autumedon, Typhis!
erlesen,
So holde Frauenschar ans Ziel
zu bringen!
CCXXVI.
Nie war auf seinem Dach so
abgeschieden
Ein Spatz, wie ich, kein Wild
in dunklem Hage,
Seit mir ihr Antlitz fehlt,
der nichts ich frage
Nach andrer Sonn und Augenlust
hienieden.
Nur immer Weinen gibt mir
Freud und Frieden;
Speis ist mir Gall und Gift;
das Lachen Klage;
Des Himmels Bläue Dunkel;
Nacht ist Plage;
Das Bett ein hartes
Schlachtgefild dem Müden.
Der Schlaf ist, wie der Mensch
ihn nennt, in Wahrheit
Bruder des Tods, der
freundlichen Gedanken
Das Herz entzieht, die es dem
Leben einen.
Du einzig Land voll
segensreicher Klarheit,
Ihr grünen Ufer, schattge
Blütenranken,
Ihr habt mein Glück – ich muß
es fern beweinen!
CCXXVII.
O Luft, die du, an blond
Gelock geschmieget,
Es hebst und regst und, hold
von seinem Scheine
Bewegt, das süße Gold
zerstreust, das reine,
Und sammelst dann, in Knoten
schön gefüget!
Du webst in Augen, draus mich
hat besieget
So manch ein Pfeil, daß noch
ich’s fühl und weine;
Und schwankend such ich, ob
mein Schatz erscheine,
Ein Roß, das scheu bald vor,
bald rückwärts flieget.
Denn bald find ich ihn nah,
bald dann gewahre
Ich ihn so fern; bald muß ich
stehn, bald fallen;
Bald seh ich, was ich wünsche,
bald das Wahre.
Du Luft mit lichtem Strahl,
beglückt vor allen,
Verweil! Und Welle du, o
flüchtge, klare,
Warum kann ich statt dein
dahin nicht wallen?
CCXXVIII.
Amor schloß meine Brust mir
auf, zu fügen
Und pflanzen drein, vom Herzen
rings umfangen,
So grünen Lorbeer, daß sein
lichtes Prangen
Wohl müßte jeglichen Smaragd
besiegen.
Ihn schmückten Seufzer und der
Feder Pflügen
Nebst süßen Wassern, die aus
Augen sprangen,
Daß Düft aus ihm empor zum
Himmel drangen,
Wie sie wohl nie aus andern Zweigen
stiegen.
Holdseligkeit und Tugend, Ruhm
und Ehre
Und züchtger Reiz bei
engelreinen Sitten,
Das sind die Wurzeln dieser
edlen Pflanze.
So in mir lebt sie, wo ich hin
mich kehre –
O sel’ge Last mir! – und mit
keuschen Bitten
Beug ich die Knie vor ihrem
Heilgenglanze.
CCXXIX.
Ich sang, itzt wein ich, und
ein gleich Vergnügen,
Wie sonst am Singen, ich am
Weinen finde,
Weil, nicht der Wirkung
denkend, nurder Gründe,
Zur Höhe meine irren Sinne
fliegen.
Gleich trag ich so der Härt
als Milde Fügen.
Was Haß, was Huld und Demut
mir verkünde;
So daß ich keiner Bürde Druck
empfinde,
Und meine Waffen keinem Zorn
erliegen.
Drum mag nach alter Weise
meinetwegen
Amor, die Herrin, Welt,
Geschick verfahren;
Doch denk ich stets nur
Freuden zu erwerben.
Glüh, sterb und schmacht ich
auch; ein Sein voll Segen,
Wie meins, ist unterm Mond
nicht zu gewahren;
So süß erweist die Wurzel sich
des Herben.
CCXXX.
Ich weint, itzt sing ich, da
ihr himmlisch Glühen
Nicht mehr die Sonn entziehet
meinen Blicken,
In der mich sittig Amor läßt
erblicken
All seine süße Kraft, sein
fromm Bemühen;
Draus pflegt er solchen
Tränenstrom zu ziehen,
Mich vor der Zeit dem Leben zu
entrücken,
Daß mir nicht Furt, nicht
Segel, Ruder, Brücken,
Selbst Fittiche nicht gnügten
zum Entfliehen.
So tief war und so reich der
Tränen Quelle,
So weit das Ufer, daß mit den
Gedanken
Kaum zu erreichen war die
ferne Stelle.
Nicht Palm und Lorbeer, aber
Friedensranken
Schickt mir das Mitleid zu und
spendet Helle,
Trocknet die Trän und will,
ich soll noch leben.
CCXXXI.
Wohl hatt ich einst ein
glücklich Los gewonnen,
Von Neide frei und frei von
Tränengüssen;
Und wenn auch andre
glücklicher sich wissen,
Ein Weh ist besser, denn viel
tausend Wonnen.
nun hält so schwere, trübe
Wolk umsponnen
Die Augen, meinen Trost in
Kümmernissen,
Von welchen dennoch kein ich
möchte missen,
Daß wie erloschen meines
Lebens Sonnen.
Natur, o Mutter! strenge du
und milde!
Woher solch Können dir, solch
streitend Wollen,
Daß du zerstörst dein eigen
schön Gebilde?
Lebendgem Quell ist jede Kraft
entquollen;
Doch wie, o Vater, stimmt’s
mit deiner Milde,
Daß andr’ uns dein Geschenk
entreißen sollen?
CCXXXII.
Held Alexander ward vom Zorn
bezwungen,
Drob Philipp ihn zum Teil noch
überragte;
Was half’s, daß nur Lysipp
sein Standbild wagte,
Zu malen ihn, Apellen nur
gelungen?
So wütend ward vom Zorn Tydeus
durchdrungen,
Daß sterbend Menalippen er
benagte;
Mit seinem Zorne Blindheit
sich erjagte
Sulla, und ward zuletzt von
ihm verschlungen;
Das kannt auch Valentinian, erkoren
Durch Zorn zum Weh, und, der
daran gestorben,
Ajax, der Viel’ erschlug und
sich am Ende.
Der Zorn ist kurze Wut und,
unbeschworen,
Wird’s lange Wut, und dem, der
sie erworben,
Wird Schmach wohl oft,
zuweilen Tod zur Spende.
CCXXXIII.
Welch großes Heil doch ward
mir, als dem einen
Der schönsten Augen, die es je
gegeben,
Da ich es sah von Schmerz und
Nacht umgeben,
Die Kraft entquoll, die
Schwäche gab dem meinen!
Nach langem Fasten sah ich sie
erscheinen,
Um die allein ich Sorge trag
im Leben;
Himmel und Amor sah ich milder
weben,
Als je, und alle Hulden mir
vereinen.
Dem rechten Aug, nein, rechter
Sonn entstiegen
Der Herrin, fühlt ins rechte
Aug ich dringen
Die Wehen mir, die Lust, nicht
Schmerz, mir fügen,
Ganz so, als hätten sie Verstand
und Schwingen,
Den Sternen gleich, die durch
den Himmel fliegen;
Natur und Mitleid ließen es
gelingen.
CCXXXIV.
O Kämmerlein, du Port mir
sonst nach Tagen
Voll schwerer Stürme,
freundlich aufgeschlossen;
Ein Quell der Tränen nun, zu
Nacht ergossen,
Die tags vor Scham ich muß
verborgen tragen!
O Bettlein, Ruhstatt einst und
Trost in Plagen!
Aus welchem Schmerzenskrug
hält dich umflossen
Amor mit jener schneegen Hand,
entschlossen,
Grausam und wider Recht nur
mich zu schlagen?
Nicht dich nur, Heiligtum und
Ruhstatt, flieh ich!
Mir selbst mehr will ich und
dem Bild entrinnen,
Mit dem ich sonst emporflog zu
den Höhen.
Zu mir verhaßt-feindsel’gem
Pöbel zieh ich,
(Wer glaubt’s?) da eine Zuflucht zu gewinnen;
So fürcht ich mich, mit mir
allein zu stehen.
CCXXXV.
Weh, Amor trägt mich, meinem
Wunsch entgegen –
Und wohl gewahr ich’s – auf
verbotnen Pfaden;
Drum ihr, die mir im Herzen
thront voll Gnaden,
Werd ich zur Last; nicht war
das sonst mein Pflegen.
Kein kluger Schiffer wahrt auf
Klippenwegen
Sein Schiff, mit
köstlich-reicher Fracht beladen,
Wie ich mein schwaches Boot
bewahrt vor Schaden
Von ihres unbeugsamen Stolzes
Schlägen.
Doch ewger Seufzer Stürm und
Tränenschauer
(Denn rings hat Wintersturm
mein Meer umzogen
Und Schreckensnacht), sie haben’s
fortgetrieben,
Wo andern Leid, sich Qual es
bringt und Trauer,
Und andres nicht, bezwungen so
von Wogen,
Daß Segel nicht, noch Steuer
ihm geblieben.
CCXXXVI.
Amor, ich irr, und seh, daß
irr ich gangen;
Doch, wie wem Flammen an dem
Busen zehren,
Erstirbt Vernunft, weil sich
die Schmerzen mehren,
Bezwungen schon beinah von Weh
und Bangen.
Zu zügeln pflegte sie mein
heiß Verlangen,
Der Stirne heitern Frieden
nicht zu stören –
Nicht mehr! Des Zügels muß die
Hand entbehren,
Verzweifelnd hat die Seele Mut
empfangen.
Drum, wenn sie stürmt,
entfremdet ihrem Stile,
Machst du’s, der du sie immer
spornst aufs neue,
Daß sie die rauhsten Wege
sucht zum Ziele;
Und mehr der Himmelsgaben
seltne weihe
In meiner Herrin. Mache, daß
sie’s fühle
Mindest und meine Schuld sich
selbst verzeihe.
CCXXXVIII.
Verstand der Engel,
königliches Walten,
Ein klarer Geist, ein Auge,
scharf und helle,
Ein hoher Sinn, Vorsicht,
bedacht und schnelle
Und solchen Herzens wert
fürwahr zu halten,
Sah schönen Frauenkranz sich
rings entfalten,
Daß reicher Glanz dem Feste
sich geselle,
Und fand die schönst, ein
Kenner, auf der Stelle
Unter so vielen herrlichen
Gestalten.
Andre, die über ihr in Zeit
und Glücke,
Wies mit der Hand alsbald er
auf die Seite
Und grüßte liebreich eine nur
im Kreise,
Und drückt ihr einen Kuß, mit
Huld im Blicke,
Auf Aug und Stirn, daß
jegliche sich freute;
Ich sah mit Neid die süß und
fremde Weise.
CCXL.
Zu Amor fleht ich, wie ich
jetzt noch flehe,
Daß eure Huld er freundlich
mir erneue,
O süßes Leiden! herbe Lust!
wenn Treue
Mich irren ließ vom Pfad zur
rechten Höhe.
Gestehen muß ich’s, wie ich’s
jetzt gestehe,
Daß die Vernunft, die Mutter
frommer Reue,
Dem Trieb erliegt, der
immerdar aufs neue
Dahin mich führt, wo ich
gezwungen gehe.
Ihr mit dem Herzen, das der
Himmel gnädig
Mit hellem Geist und hoher
Tugend kläret,
Wie je herab aus gütgen
Sternen troffen,
Mitleidig müßt ihr sprechen,
Zornes ledig:
Was kann er sonst, von meinem
Blick verzehret?
Warum so schön ich? er voll
Wunsch und Hoffen?
CCXLI.
Der hohe Herr, vor dem nicht
flüchtge Eile,
Wehr und Verbergen Schutz
vermag zu spenden,
Hatte mein Herz, zur Freud es
hinzuwenden,
Entbrannt mit einem glühen
Liebespfeile;
Und war auch tödlich gleich in
erster Weile
Der Schuß; um sein Beginnen zu
vollenden,
Nahm einen Pfeil des Mitleids
er zu Händen,
Daß er dem Herzen Wund auf
Wund erteile.
Die eine Wunde Glut und Flamm
entbindet,
Die andre Tränen, die aus
Augen senket
Der Schmerz, der mich um euer
Leid befangen.
Erguß von zweien Quellen nicht
ertränket
Ein Fünklein nur der Brunst,
die mich entzündet;
Vielmehr durch Mitleid wächset
das Verlangen.
CCXLII.
„Schau, müdes, liebes Herz,
dort jene Höhen!
Da ließ ich gestern sie, die
uns in Treuen
Ein Weilchen hold, sich’s
später ließ gereuen,
Dem Aug itzt möcht entlocken
ganze Seen.
Kehr du dahin; gern will
allein ich stehen;
Sieh, ob’s noch Zeit, die
Schmerzen zu zerstreuen,
Die stärker nur bis jetzo sich
erneuen,
Prophet du und Genosse meiner
Wehen!“
„Der du, in Selbstvergessenheit
befangen,
So sprichst, als wär dein Herz
dir noch zur Seiten,
Armer Verblendeter in eitlem
Sinnen!
Denn als von deinem teuersten
Verlangen
Hinweg du zogst, mocht es dich
nicht begleiten,
Und barg sich tief in schönen
Augen drinnen.“
CCXLIII.
Du grüne Höh mit schattgen
Blütenbogen,
Wo singend ruht, oder, in sich
gekehret,
Von ewgen Geistern Zeugnis uns
gewähret
Sie, die der ganzen Welt den
Ruhm entzogen;
Mein Herz, das ihretwegen mir
entflogen,
Und weislich tut und mehr, so
nie es kehret,
Sucht, wo das Gras, vom
schönen Fuß geehret,
Die Tränen dieser Augen
eingesogen.
Es seufzt und saget oft: Ach,
dürft erscheinen
Hier nur ein Weilchen er, des
Grams Geselle,
Der müde schon vom Leben und
vom Weinen!
Sie lacht des, und verschieden
sind die Fälle;
Herzlos gleich ich dem Stein,
du Edens Hainen,
O glückliche du, heilige, süße
Stelle!
CCXLIV.
Schlimmes bedrängt mich,
Schlimmres ich erspähe,
Und einen Pfad zu ihm, so
breit und eben,
Daß ich in gleichen Wahnsinn
mich ergeben,
Mit dir abirrend in demselben
Wehe.
Weiß nicht, ob ich um Krieg,
um Frieden flehe;
Groß ist der Schaden, bös, in
Schande leben.
Doch warum zagen? Will nicht
widerstreben
Des Ewgen Schlusse, was mir
auch geschehe.
Zwar bin ich würdig nicht der
Ehr und Güte,
Die du mir angetan; dich
täuscht die Liebe,
Die auch ein helles Aug oft
falsch läßt sehen;
Doch himmelwärts zu heben mein
Gemüte,
Ist mein Entschluß, zu spornen
Herz und Triebe;
Kurz ist die Zeit, und langer
Weg zu gehen.
CCXLV.
Ein frisches Rosenpaar,
gepflückt in Eden,
Vorgestern, bei des ersten
Mais Entfalten,
Ein schön Geschenk von liebem,
klugen Alten,
Zwei Jüngeren gereicht, eine
für jeden,
Mit einem Lächeln und so süßen
Reden,
Den rauhsten Mann in Liebe
festzuhalten,
Mit strahlenden Gefunkels
süßem Walten
Verändert es im Angesicht
jedweden.
„Nie hat der Tag solch
Liebespaar beschienen!“
Sprach lächelnd er und seufzte
dazwischen,
Und beid umarmend wand er sich
im Runde.
So teilt er Wort und Rosen
zwischen ihnen;
Drob noch im Herzen Freud und Furcht
sich mischen.
O sel’ge Rednergab, o frohe
Stunde!
CCXLVI.
Die laue Luft, die lind den
Lorbeer reget
Und lichter Locken Gold,
erseufzend leise,
Aus Leibern bannt sie
wunderbarerweise
Die Seelen, von so holdem
Spiel beweget.
O weiße Ros, in Dornen jung
geheget,
Wann kommt, der deinesgleichen
find im Kreise,
Stolz unsrer Zeit? Gib, Vater,
daß die Gleise
Der Erd ich laß, eh ihre
Stunde schläget!
Daß ich nicht seh das
allgemeine Klagen,
Der Welt ihr einzig
Sonnenlicht entrissen,
Den Augen, die kein andres
Licht ertragen,
Der Seele, die von anderm
nichts mag wissen,
Und Ohren, die nach anderm
wenig fragen,
Wie dann ihr süßes, frommes
Wort sie missen.
CCXLVII.
Vielleicht glaubt mancher, daß
zu weit ich gehe,
Wenn ich, die ich anbet auf Erden,
preise,
Und über alle sie als fromm
und weise,
Als adlig, ehrbar, schön und
hold erhöhe.
Mir scheint es anders, und in
Furcht ich stehe,
Daß sie mein Wort zu niedrig
schmäh und leise,
Sie, wert wohl einer höhern,
feinern Weise;
wer zweifelt, komme, daß er
selbst sie sehe.
Und heißen wird es dann:
wonach er ringet,
Athen wohl könnt es und
Arpinum quälen,
Mantua, Smyrna, ein und andre
Leier.
Irdische Zunge gnüget nicht
zur Feier
Des Göttlichen; nicht durch
ein freies Wählen,
Durch Schickung Amor sie
bewegt und zwinget.
CCXLVIII.
Wer sehn will, was hier unter
uns gewähren
Natur und Himmel, komme, sie
zu sehen,
Als Sonn, erwählt, nicht mir
nur aufzugehen,
Den Blinden auch, die keine
Tugend ehren.
Und komme bald; denn, die der
Schuld entbehren,
Raubt erst der Tod und läßt
die Schuldgen stehen;
Sie, die Ersehnte in der
Götter Höhen,
Schön Erdending, vergeht und
kann nicht währen.
Sehn wird er, kommt er bald,
all königliche
Sitt, alle Tugend, allen Reiz
zum Kranze
In einem Leibe wunderbar sich
einen;
Wird sagen dann, stumm seien
meine Sprüche,
Mein Geist geblendet von dem
hehren Glanze;
Doch, wenn er zögert, wird er
ewig weinen.
CCXLIX.
Wie wird mir bang, kehrt vor
die innern Sinnen
Der Tag, da ich, in Schwermut
hingegeben,
Die Herrin ließ, bei ihr mein
Herz! Im Leben
Mag keinem Ding so gern und
oft ich sinnen.
Ich seh sie dann mit
demutvollem Minnen
Aus schönen Fraun sich wie die
Ros erheben
Aus Blümlein, freudig nicht,
noch traurig eben,
Wie wer, ohn andres Weh, sich
fürchtet innen.
Sie hatte jeden Schmuck von
sich geleget,
Gewand der Freude, Perlen,
Kränze, Spangen,
Lachen, Gesang und
menschlich-süße Rede.
So ließ mein Leben ich von
Fahr umheget.
Graunbilder, Träum und
Ahnungen umfangen
Mich nun, und gebe Gott, daß
nichtig jede!
CCL.
Sonst pflegt im Traum mir
fernher Trost zu reichen
Die Herrin durch ihr
englisches Erscheinen;
Jetzt sendet sie mir Schrecken
nur und Weinen;
Nicht kann ich mehr der Qual,
der Furcht entweichen.
Oft seh auf ihrem Antlitz ich
die Zeichen
Des Mitleids sich mit bitterm
Schmerz vereinen,
Und höre Dinge, die Gewähr mir
scheinen,
Daß freud und Hoffnung bald
die Segel streichen.
„Gedenkst du noch der letzten
Abendstunde“,
Spricht sie, „als ich dein
Auge ließ in Zähren,
Und, von der Zeit gedrängt,
von dir geschieden?
Da konnt ich nicht, noch mocht
ich dich belehren;
Jetzt sag ich dir, als wahr
und sichre Kunde:
Nicht hoffe, je zu sehen mich
hienieden!“
CCLI.
O jammervolles, schreckliches
Gesichte!
So ist’s denn wahr, daß vor
der Zeit dies hehre
Gestirn erlosch, das in des
Jammers Schwere,
In Hoffnung bei mir stand mit
seinem Lichte?
Wie aber kommt’s, daß ich so
groß Gerüchte
Von andern Boten, von ihr
selbst nicht höre?
Nein! Gott nicht hätte des,
Natur nicht Ehre;
Mein Glaube war ein eiteles
Gedichte!
Wohl mir, daß noch den Anblick
zu erleben
des schönen Angesichts, ich
hoff und träume,
Zur Stütze mir, der Welt zum
Schmuck gegeben!
Doch wenn der schönen Herberg
irdsche Räume
Sie floh, zur ewgen Wohnung
aufzuschweben,
So bitt ich, daß mein letzter
Tag nicht säume.
CCLII.
Voll Zweifels wein ich, wenn
ich jetzt gesungen,
Und fürcht und hoff und atme
aus meinen Kränken
In Vers’ und Seufzern; Amors
Streiche lenken
All auf mein Herz sich, das
von Weh durchdrungen.
Wird je dies fromme Angesicht,
bezwungen,
Sein erstes Licht dem Auge
wieder schenken?
(Nicht weiß ich ach! was ich
bei mir soll denken)
Oder hat’s ewge Tränen ihm
bedungen?
Den Himmel zu empfahn, der ihm
gebüret,
Vergaß es, daß zwei Augen hier
noch tagen,
Denen es Sonn ist, die nicht andres
rühret?
In solchem Krieg ohn End, in
solchem Zagen
Leb ich ein Leben, wie ich nie
geführet,
Wie wer umirrt, auf dunklen
Pfad verschlagen.
CCLIII.
O süße Blick’, o Wörtlein klug
gewendet,
Werd ich euch wieder hören,
wieder spüren?
O blonde Locken, die mein Herz
umschnüren,
In deren Haft zum Tod es Amor
sendet!
O schön Gesicht, zum Unheil
mir gespendet,
Drob Tränen nur genußlos zu
verlieren!
O Trug der Lieb, o
schmeichelndes Verführen,
Mir Lust zu geben, die in Leid
nur endet!
Und wenn aus schönem, sanften
Augen dringet,
Wo mein Gedank und Leben
wohnet innen,
Ein sittig holder Blick
vielleicht zu Zeiten;
Dann schnell, daß meine
Freuden all zerrinnen,
Entfernt mich, oder Roß und
Schiffe bringet
Mein Los, behend nur, Weh mir
zu bereiten.
CCLIV.
Ich lausch und kann doch Kunde
nicht erlangen
Von meiner süßen Gegnerin
Beginnen;
Noch weiß ich, was ich sagen
soll und sinnen,
So teilt mein Herz in Hoffnung
sich und Bangen.
Wohl mancher schon hat
Schönheit Weh verhangen;
Schöner ist sie, als all, und
keuscher innen;
Vielleicht, daß Gott so reine
nahm von hinnen,
Daß sie, ein Stern, am Himmel
sollte prangen,
Ja, eine Sonne; drum mit
langen Leiden
Und kleinen Rasten muß zu Ende
gehen
Mein Leben nun. Warum, o
hartes Scheiden,
Hältst du so ferne mich von meinen
Wehen?
Vollbracht sind meines
Schauspiels kurze Freuden,
Mein Leben halben Wegs zum End
ersehen.
CCLV.
Wenn frohe Liebende des
Morgens Kunde
Hassen und nach dem Abende
verlangen,
Mehrt mir der Abend Tränen nur
und Bangen,
Ist mir der Morgen glücklichere
Stunde.
Dann öffnet oft in einerlei
Sekunde
Zwei Osten ein und andrer
Sonne Prangen,
Die, gleich von Schönheit und
von Licht umfangen,
Den Himmel ziehn zur erd im
Liebesbunde.
Wie’s da schon war, als noch
die Zweig am Leben,
Die mir durchs Herz tief ihre
Wurzel breiten,
Um die ich andrem mehr, als
mir, ergeben,
Geht es mir noch von zwei
verschiednen Zeiten,
Denn segnen muß ich, die mir
Ruh will geben,
Und hassen, die mir Weh kommt
zu bereiten.
CCLVI.
O könnt ich je der Rach an ihr
genesen,
Die mich durch Blick und Rede
gleich zerstöret,
Und dann zu größerm Leid sich
von mir kehret,
Die Augen bergend mir, die
süßen, bösen!
So meiner Geister matt
bekümmert Wesen
Sauget mir aus allmählich und
verzehret
Und brüllend, wie ein Leu, ans
Herz mir fähet
Die Nacht, die ich zur Ruhe
mir erlesen!
Die Seele, die sonst nur der
Tod verdränget,
Trennt sich von mir, und,
ihrer Hast entkommen,
Fliegt sie zu ihr, die drohend
sie empfänget.
Wohl hat es manchmal Wunder
mich genommen,
Wenn die nun spricht und weint
und sie umfänget,
Daß fort sie schläft, wann
solches sie vernommen.
CCLVII.
Wonach ich seufz und schmacht,
auf schönen Wangen
Hing sehnend fest mein Blick,
als, wie zu fragen:
„Was denkst du?“ Amor vor mir
aufgeschlagen
Die teure Hand, mein anderes
Verlangen.
Wie Fisch’ im Netz hing da
mein Herz gefangen,
Woraus durch Beispiel gute
Werke tagen,
(Die Wahrheit sah mein Sinn
nicht vor Behagen)
Wie Vögelein im Leim an
Zweigen hangen.
Der Blick doch, dem sein
Gegenstand genommen,
Wollte wie träumend sich den
Weg bereiten,
Ohn den doch all sein Glück
nur unvollkommen.
Die Seele, zwischen beiden
Herrlichkeiten,
Fühlte sich wie von
Himmelslust beklommen,
Empfand, ich weiß nicht, was
für Süßigkeiten.
CCLVIII.
Hell sah ich Funken aus zwei
Lichtern tagen,
Und, nach mir blitzend,
freundlich mich umspinnen;
Aus klugem Herzen hört ich
seufzend rinnen
Erhabne Red, auf sanfter Flut
getragen,
Daß beim Erinnern schon ich
muß verzagen,
Gedenk aufs neu ich jenes
Tages innen,
Wie damals überrascht ich kam
von Sinnen,
Als sie der alten Härte sich
entschlagen.
Die Seele, stets genährt in
Schmerz und Leiden,
(So viel vermag ein alt
befestigt Pflegen!)
Vermochte nicht, das
Doppelglück zu fassen,
Da schon beim Vorgeschmack so
neuer Freuden
Sie Furcht und Hoffnung
wechselnd bang bewegen,
Und zweifelnd oft sie zögert,
mich zu lassen.
CCLIX.
Stets sucht ich Einsamkeit vor
allen Dingen,
(Die Ströme können’s, Feld und
Busch verkünden)
Um zu entfliehen jenen Tauben,
Blinden,
Die fernab von des Himmels
Pfaden gingen.
Und dürft ich meiner Wünsche
Ziel erringen,
Hielt ferne von Toskanas lauen
Winden
Mich noch in ihren schönen
dunklen Gründen
Die Sorga, die mir weinen
hilft und singen.
Mein Schicksal aber, immerdar
mir feindlich,
Stößt dahin mich, wo ich mit
Herzeleide
Im Schlamme meinen teuren
Schatz erblicke.
Der Hand, mit der ich
schreibe, ward es freundlich
Diesmal; und wohl verdient sie
solches Glücke;
Amor sieht’s; ich und sie, wir
wissen’s beide.
CCLX.
In solchem Stern hab ich zwei
Augen sehen,
An Huld und Tugend allen
überlegen,
Daß vor der holden
Liebesnester Regen
Mein Herz den schönsten
Anblick muß verschmähen.
Nicht kann vor ihr das
Herrlichste bestehen,
Was fremde Land und ferne
Zeiten hegen,
Nicht, die gebracht einst
ihrer Schönheit wegen
Den Griechen Not, Troja die
letzten Wehen;
Ihr weicht das schöne
Römerweib, des Eisen
Die keusche, zornge Brust
durchstach, ingleichen
Hypsipyle, Argia, Polyxene.
Wohl mag Natur sich hoch ob
solcher Schöne,
Ich will in ihr mein höchstes
Labsal preisen!
Doch was? Sie kam so spät,
schnell zu entweichen.
CCLXI.
Wo eine Frau nach hohem Ruhme
strebet,
Den Geist, Holdseligkeit und
Kraft begründen,
Sie wird in meiner Feindin Aug
ihn finden,
Die alle Welt als meine Frau
erhebet;
Wie Ehre sich erwirbt, in Gott
sich’s lebet,
Wie Anmut sich und Ehrbarkeit
verbünden,
Man lernt es da; und wie aus
Erdengründen
Zum Himmel, der sie liebt,
grad auf man schwebet;
Die Red auch, die kein Griffel
je erreichet,
Das schöne Schweigen und das
fromme Pflegen,
Die zu beschreiben weiß kein
menschlich Sinnen.
Blendende Schönheit, der sich
nichts vergleichet,
Lernt da sich nicht; denn
solcher Lichter Segen
Ist Himmelsgab, ihn kann nicht
Kunst gewinnen.
CCLXII.
“Wertvoll ist’s Leben, und
nach ihm zu preisen
In schönen Fraun ein
ehrbarliches Streben.“
„Kehrt’s um, o Mutter; nie ja
hat’s gegeben
Schönheit und Wert ohn
ehrbarlich Befleißen;
Und die sich ihre Ehre läßt
entreißen,
Ist weder Frau, noch auch
lebendig eben;
Und scheint sie’s auch, ist’s
schuldvoll bittres Leben,
Schlimmer, als Tod und herbste
Pein, zu heißen.
Nicht hat Lukretia wunder mich
genommen,
Als daß zum Tod das Schwert
sie mußt ergreifen,
Und nicht der Schmerz allein
ihr konnte gnügen.“
Die Weisen aller Zeiten mögen
kommen
Und drüber sprechen! All am
Boden streifen;
Die eine nur sehn himmelwärts
wir fliegen.
CCLXIII.
O Baum du der Triumph’ und
Sieg’, erzogen,
Feldherrn- und
Dichter-Scheitel zu umweben,
Wieviel in diesem kurzen
Erdenleben
Hast du mir Leid und Freuden
zugezogen!
Wahrhafte Herrin, einem nur
gewogen,
Der Ehre, die vor allen dir
gegeben,
Nicht Amors Schling und Netz
macht dich erbeben,
Deinen Verstand hat Schlauheit
nie betrogen.
Adel des Bluts und was von
werten Schätzen
Hier unter uns, Gold, Perlen
und Rubinen,
Verachtest all du als gemeine
Bürde.
Die hohe Schönheit, der nichts
gleichzusetzen,
Kann nur so weit sich deine
Huld verdienen,
Als sie der innern Keuschheit
Schmuck und Zierde.