1304 – 1374 Italien
Aus dem Canzoniere
Übersetzungen von Karl Förster
Erster
Teil
I.
Die ihr, wie sie durch meine
Reime gehen,
Den Seufzern lauscht, womit
mein Herz ich nährte,
So lang der erste Jugendirrtum
währte
Und ich zu andrem war, als
jetzt, ersehen!
Ungleichem Stil, drin ich in
eitlen Wehen
Und eitlem Hoffen weinend mich
verzehrte,
Wird, wen Erfahrung Liebe
kennen lehrte,
Mitleid, nicht bloß
Verzeihung, zugestehen.
Wohl seh ich nun, wie ich in
aller Munde
Das Märlein lange war, und
solch Bekenntnis
Macht, daß beschämt ich drob
in mir erglühe;
Und meiner Torheit einzge
Frucht zur Stunde
Ist Scham und Reu und
deutliche Erkenntnis,
Daß Weltlust wie ein kurzer
Traum entfliehe.
II.
An mir zu üben seine holde
Tücke,
Für tausend Frevel eine
Schmach zu spenden,
Nahm seinen Bogen Amor still
zu Händen,
Und Zeit und Ort ersahen seine
Blicke.
Zum Herzen zog die Tugend sich
zurücke,
Den Sturm von Herz und Augen
abzuwenden;
Da eilt er, seinen Todespfeil
zu senden
Dahin, wo jeder Pfeil sonst
brach in Stücke.
Bestürzt jedoch vom ersten
Angriff, waren
Ihr weder Kräfte gnug noch
Raum verliehen,
Zu brauchen, wie es Not ihr
tat, die Waffen,
Oder mit List vom Orte der
Gefahren
Zu steiler Höh zurücke mich zu
ziehen.
Nun möchte sie und kann doch
Rat nicht schaffen.
III.
Am Tag, als rings sich barg
der Glanz der Sonnen,
Aus Mitleid mit dem Schöpfer,
in den Höhen,
Ward ich umgarnt und, eh ich
mich’s versehen,
Herrin, von eurer Augen Licht
umsponnen;
Denn weil ich nicht in solcher
Zeit gesonnen,
Den Kampf mit Amors Pfeilen zu
bestehen,
War ohne Arg. So haben meine
Wehen
Inmitten allgemeinen Leids
begonnen.
Es fand mich Amor gänzlich
ohne Wehre,
Den Weg zum Herzen durch die
Augen offen,
Durch deren Pforten Tränen
viel gezogen;
Drum bringt es ihm auch, dünkt
mich, wenig Ehre,
Daß er mich Nackten mit dem
Pfeil getroffen,
Euch, der Bewehrten, kaum
gezeigt den Bogen.
IV.
Der ewge Vorsicht einst und
Kunst entfaltet
In seines Wunderbaues lichter
Hehre,
Der diese schuf und jene
Hemisphäre
Und milder Jupiter als Mars gestaltet,
Auf Erden einst aus Blättern,
fast veraltet,
Zum Lichte zog die lang
verborgne Lehre,
Vom Netz Johannem zu des
Himmels Ehre
Und Petrum rief, wo er als
König waltet;
Nicht Rom hat er mit seiner
Wieg entzücket,
Judäa war’s; und wie zu Glanz
und Wonne
Die Demut er vor allen stets
erkoren,
Sandt er aus kleiner Stadt uns
eine Sonne;
Drob fühlen sich Natur und Ort
beglücket,
Wo solche Schönheit ward der
Welt geboren.
V.
Wann meine Seufzer, euch zu
nennen, steigen,
Beim Namen, den mir Amor
eingeschrieben
Ins Herz, „LAUdate!“ ruft der
Klang der lieben
Drei ersten Laut und bricht
alsbald das Schweigen.
Dann seh ich als REgentin euch
sich neigen,
Und kräftger fühl ich mich zum
Werk getrieben!
Doch „TAce!“ ruft der Schluß,
mich zu betrüben;
„Denn andrer ist’s, die Ehr
ihr zu erzeigen!“
So muß zu loben und zu huldgen
lehren
Das bloße Wort, sowie euch
einer nennet,
O aller Huldgung Wert und
aller Ehren!
Wenn nicht vielleicht Apollo
zürnt, zu hören,
Wie Menschenwort zu reden kühn
entbrennet
Von seinem Blätterschmuck, dem
ewig hehren.
VI.
So irrt mein töricht Sehnen ab
vom Wege,
Ihr, die zur Flucht sich
wandte, nachzudringen,
Die leicht entfliegt und frei
von Amors Schlingen,
Vor mir, der ich mich langsam
nachbewege;
Daß, ruf und lenk ich’s auch
zum sichern Stege,
Je mehr ich’s tu, so minder es
zu zwingen.
Kein Sporn, kein Zaum kann’s
zum Gehorsam bringen;
Denn widerspenstig macht es
Amors Pflege.
Und wenn’s den Zügel mit
Gewalt ergreifet,
Dann werd ich seiner
Herrschaft ganz verfallen,
Der mich zum Tode führet wider
Willen,
Dem Lorbeer bloß zu nahn, auf
welchem reifet
Die bittre Frucht, die, wenn
gekostet, allen
Mehr Schmerz verleiht, als
Schmerz vermag zu stillen.
VII.
Schlaf, träge Pfühl und
schwelgerisch Gewöhnen
Haben die Tugend von der Welt
genommen;
Drum ist von ihrem Lauf wie
abgekommen
Unsre Natur, besiegt durch
lang Verwöhnen.
Des Himmels holde Lichter, die
scherschönen
Und bilden unser Leben, sind
verglommen,
Daß wie ein Wunder es wird
aufgenommen,
Will Sangesstrom vom Helikon
ertönen.
„Nach Myrten und nach Lorbeer
welches Ringen!
Arm mußt und nackt,
Philosophie, du schreiten!“
Ruft’s Volk, ersehn auf
niedere Gewinne.
Nicht viele werden dorthin
dich begleiten;
So mehr muß, edler Geist, ich
in dich dringen,
Nicht abzustehn vom mutigen
Beginne.
VIII.
Am Fuß der Hügel, wo das
Prachtgeschmeide
Der Erdenglieder sie vordem
empfangen,
Die den vom Schlaf zu Tränen
oft und Bangen
Erweckt, der uns gesandt dir
zum Bescheide;
Da zogen frei wir hin in Fried
und Freude
Durchs Leben, das die Wesen
all verlangen,
Und keine Furcht je mocht uns
da befangen,
Daß unterwegs uns was die Lust
verleide.
Doch, wie sich unser Schicksal
auch gewandelt,
Wir haben, ob entrückt dem
heitern Leben,
Selbst für den Tod noch einen
Trost gefunden:
Daß Rach ihm wird, der also
uns behandelt,
Der, nah dem End, in fremde
Hand gegeben,
Mit einer stärkern Kette steht
bebunden.
IX.
Wenn der Planet, der unsre
Stunden scheidet,
Zur Herberg in des Stieres
Zeichen rücket,
Erglüht sein Horn, und Kraft
herniederzücket,
Die rings die Welt mit neuer
Farb umkleidet
Und nicht bloß das, woran sich
außen weidet
Der Blick, Gestad und Berg,
mit Blümlein schmücket,
Auch drin im Schoß, der keinen
Tag erblicket,
In Lieb ihn schwängernd, ihre
Macht vergeudet;
Dann sammeln diese wir und
andre Früchte.
So auch, die ich der Frauen
Sonne preise,
Wenn ihrer Augen Strahlen mir
erglühen,
Schafft Liebessinn in mir und
Liebesweise;
Doch wie sie auch die Blicke
lenk und richte,
Mir wird kein Frühling mehr
auf Erden blühen.
X.
Glorreiche Säul, o unsrer
Hoffnung Stütze,
An der empor sich Römerherzen
richten,
Du, den kein Gott vom rechten
Pfad und schlichten
Gewand, nicht Jovis Zorn in
Sturm und Blitze!
Nicht Logen, nicht Palast,
nicht Bühnensitze,
Vielmehr ein Plätzchen unter
Buchen, Fichten,
Im Rasen und ein Berg, wo,
froh im Dichten,
Die Seel empor sich hebt und
klimmt zur Spitze,
Tragen den Geist hier ob der
Erde Schranken;
Und Nachtigall in dunkler
Zweige Bogen,
Wenn durch die Nacht sie klagt
in süßen Tönen,
Schwellt uns das Herz mit
liebenden Gedanken;
Du nur verkümmerst uns so
vieles Schönen
Genuß, da du, o Herr, von uns
gezogen.
XII.
Kann sich mein Leben noch so
lang erhalten
In bangen Kümmernissen und in
Qualen,
Daß, kraft der letzten Jahr’,
ich einst die Strahlen
In euren Augen, Herrin, seh
erkalten,
Und euer Goldhaar silbern sich
gestalten,
Nicht grün Gewand und Kränz
euch mehr umstrahlen,
Die Wangen bleichen, die den
Mut mir stahlen,
In Klagen meinen Jammer zu
entfalten;
Dann gib wohl Lieb auch Kühnheit
mir, der Stunden,
Der Tag’ und Jahre Menge zu
enthüllen,
Die unter Schmerzen mir
dahingeschwunden.
Und wehrt die Zeit, so schönen
Wunsch zu stillen,
Gewiß doch mindest wird für
meine Wunden
In späten Seufzern mir ein
Balsam quillen.
XIII.
Wenn unter andern Fraun sich
eingefunden
Amor manchmal auf ihren
schönen Zügen,
Wie jeden Reiz die ihren dann
besiegen,
So wächst die Sehnsucht, die
mich hält gebunden.
Ich segne dann den Ort, die
Zeit, die Stunden,
Da zu so hohem sich mein Blick
verstiegen,
Und spreche: Dank, o Herz, des
Himmels Fügen,
der solcher ehre würde dich
erfunden!
Von ihr ist kommen dir ein
Liebesregen,
Das, folgst du ihm, zum
höchsten Gut dich leitet,
Verschmähend, was die andern
alle mögen;
Von ihr ist kommen mutiges
Bewegen,
Das graden Pfad zum Himmel dir
bereitet!
So zieh ich stolz, von
Hoffnung froh begleitet.
XV.
Bei jedem Schritte wend ich
mich zurücke
Mit müdem Körper, den ich kaum
ertrage;
Von eurer Luft gekräftiget,
dann wage
Ich weiter mich und jammre dem
Geschicke.
Doch wieder denkend an
verlassnes Glücke,
Den langen Weg und an die
kurzen Tage,
Steh bleich und halb entseelt
ich still, und schlage
Zur Erde weinend nieder meine
Blicke.
Dann faßt mich, während meine
Tränen rinnen,
Ein Zweifel, wie die Glieder noch
zu leben
Vermögen, seit der Geist
dahingeschwunden.
Doch Amor spricht: Kannst du
dich nicht besinnen,
Daß solches Vorrecht Liebenden
gegeben,
Die aller Erdenwesenheit
entbunden?
XVI.
Es zieht dahin der Alt in
Silberhaaren
Vom süßen Orte, wo er ward zum
Greise,
Und von den Seinen, die aus
ihrem Kreise
Besorgt den lieben Vater sehen
fahren.
Er schleppt die Glieder fort,
die wandelbaren,
Durch seiner Lebenstage letzte
Gleise,
Und hilft nach Kräften sich
ans Ziel der Reise,
Vom Weg ermüdet und gebeugt
von Jahren,
Um, seiner Sehnsucht folgend,
einzuwandern
In Rom und dessen Antlitz hier
zu sehen,
Den er einst hofft zu schaun
in Himmelsklarheit.
So will ich Armer manchmal
auch erspähen,
Soweit es, Herrin, möglich
ist, in andern
Euch, die Ersehnt, als wärt
ihr’s selbst in Wahrheit.
XVII.
Mir träufeln bittre Tränen von
den Wangen,
Und Seufzer stürmisch aus der
Tiefe wehen,
Geschieht es, daß nach euch
die Augen spähen,
Durch die allein ich von der
Welt gegangen.
Wohl sänftigt sich mein
glühendes Verlangen,
Sobald ich freundlich lächeln
euch gesehen,
Und wie aus Flammen fühl ich
mich erstehen,
Wenn meine Blicke staunend an
euch hangen.
Doch bald zu Eis erstarren die
Gedanken,
Seh ich beim Scheiden, wie mit
holder Sitte
Ihr von mir lenket meine
Schicksalssterne.
Öffnen der Liebe Schlüssel
dann die Schranken,
Entflieht die seel, und aus
des Herzens Mitte
Folgt sie gedankenvoll euch in
die Ferne.
XVIII.
Hab ich nach jener Seite mich
gewendet,
Wo ihr Gesicht mir leuchtet gleich
dem Tage,
Und denk ich, wie so hell ihr
Auge tage,
Des Licht mir brennend Teil
für Teil entwendet,
Dann fürcht ich, daß mein Herz
sich von mir wendet;
Und, nah das Ende sehend
meiner Tage,
Zieh ich dahin ein Blinder,
fremd dem Tage,
Der spurlos geht, und doch den
Fuß nicht wendet.
So eil ich fort, dem Tode zu
entrinnen,
Doch nicht so schnellen Laufs,
daß nicht die Wünsche
Mir folgten, wie sie immer
mich begleiten.
Stumm geh ich; denn ich weiß,
es würden rinnen
Viel Zähren um mein totet Wort
– und wünsche,
Daß nur aus meinen Augen
Tränen gleiten.
XIX.
Der Tiere gibt’s, die nach des
Lichtes Quelle
Mit stolzen Blicken schaun und
nicht erblinden,
Und andre, die, weil Schmerz
sie drob empfinden,
Hervor nur abends gehn aus
dunkler Stelle;
Noch andre meinen, in der
Flammen Helle,
Von irrem Wahn getrieben, Lust
zu finden;
Doch zeigt sich bald ein
zweites – daß sie zünden.
Weh mir, daß ich den Letzten
mich geselle!
Vermag ich doch im Licht nicht
auszuharren
Der holden Herrin, nicht mich
zu umbauen
Mit Finsternis noch Stunden
nächtger Weile!
So treibt mich mein Geschick,
mit feuchten, starren
Und blöden Augen stets nach
ihr zu schauen;
Ich folg und weiß, daß in die
Flamm ich eile.
XX.
Errötend manchmal, Herrin,
wenn ohn Ende
Von eurer Schönheit schweigen
meine Lieder,
Denk ich, wie ich zuerst euch
sahe, wieder,
Daß ich an andern nimmer
Freude fände.
Doch find ein Werk ich, nicht
für meine Hände,
Und eine Last, zu schwer
fürmeine Glieder;
Der Geist mißt seine Kraft,
und, müd und müder,
Wird er zu Eis und läßt das
Werk behende.
Wohl oft bereits wollt ich
mein Schweigen brechen,
Doch blieb in tiefer Brust die
Stimme hangen;
Hat ja kein Laut sich je so
hoch geschwungen!
Wohl oft begann in Versen ich
zu sprechen;
Doch wie auch Geist und Hand
und Feder rangen,
Beim ersten Anlauf waren sie
bezwungen.
XXI.
Oft bot ich schon mein Herz
euch voll Vertrauen,
O süße Kriegerin, Frieden zu
ersiegen
Mit euren Augen; doch in
stolzem Fügen
Gefiels euch nicht, so tief
herabzuschauen.
Und hofften auf dies Herz je
andre Frauen,
Es würde falsche Hoffnung sie
betrügen;
Die alte Lust, sie kann mir
nicht mehr gnügen,
Weil, was auch mißfällt, mich
erfüllt mit Grauen.
Drum, treib ich’s aus, und
findet’s keine Gnade
Bei euch in der Verbannung herben
Leiden,
Kann es nicht einsam, noch bei
andern leben.
Wie leicht da irrt es ab vom
rechten Pfade!
Und welche Schuld dann lastet’
auf uns beiden,
So mehr auf euch, je mehr es
euch ergeben!
XXIV.
Wenn jenes edle Laub mir, das
beschwichtet
Des Himmels Zorn, wann Jovis
Donner zücket,
Den Kranz nicht weigerte, mit
dem sich schmücket,
Wer in beredten Weisen
schreibt und dichtet,
Wär ich auch euren Göttinnen
verpflichtet,
Auf die herab die Welt
verächtlich blicket;
Doch dieses Unrecht hat mich ihr
entrücket,
Die einst den ersten Ölbaum
aufgerichtet.
Denn so kann nicht der Staub
Äthiopiens sieden
Im Sonnenbrand, wie ich, daß
ich um meine
Vor allem teure Habe bin
gekommen.
Sucht ruhigere Quellen drum
hienieden;
Der meinen ist die
Feuchtigkeit genommen,
Nur die nicht, die ich aus in
Tränen weine.
XXV.
Amor und ich, wir mußten
manchmal klagen –
Wie ich mich immerdar zu ihm
gehalten –
Sahn wir durch fremde,
grausame Gewalten
Sich ihrer fesseln eure Seel
entschlagen.
Nun heb ich Herz und Hand, Gott
Dank zu sagen,
Daß er sie trieb, sich
wiederum zu halten
Auf rechtem Weg, weil er mit
gnädgem Walten
Unsträflichem Gebet nichts
will versagen.
Und wenn, zurückgekehrt zum
Liebeleben,
Euch abzuwenden von dem
schönen Neigen,
Ihr Ström und Berge fandet auf
dem Wege,
War’s, daß ihr säh’t, wie
dornenvoll die Stege,
Und wie so rauh und steil das
Aufwärtssteigen,
Das uns zur rechten Stärke
soll erheben.
XXVI.
Nicht fröhlicher als ich,
sieht sich am Lande
Ein Schiff, von Flut geängstet
und bezwungen,
Wenn sich das Volk, von
Andacht fromm durchdrungen,
Zu danken niederwirft am
sichern Strande;
Nicht froher sieht erlöset
sich der Bande,
Dem schon der Strang den
Nacken hielt umschlungen,
Als ich, der nicht das Schwert
mehr seh geschwungen,
Das euch bedrängt mit langem
Kriegesbrande.
Und all ihr, die im Sang die
Lieb erhoben,
Erweist der Liebessprüche
gutem Meister,
Der früher irrte, die
verdienten Ehren;
Denn größer ist die Freud im
Himmel droben
Um eines Sünders reuiges
Bekehren,
Denn über neun und neunzig
fromme Geister.
XXVII.
Der Erbe Carols, dessen Locken
schmücket
Des Ahnherrn Krone, eilt, sich
zu bewehren,
Um Babylon die Hörner zu
zerstören
Und jedem, der das Schwert für
selbes zücket;
Und Christi Stellvertreter an sich
schicket,
Mit Schlüsseln und Talar zum
Nest zu kehren,
Daß bald er, wenn nicht andre
Ding es wehren,
Bologna und das edle Rom
erblicket.
Euer sanftmütig zartes Lamm
verjaget
Und fällt die stolzen Wölf,
und also mache
Es jedem, der rechtmäßger Lieb
entsaget.
Drum tröstet jenes, daß es
kämpf und wache,
Und Roma auch, die um den
Bräutgam klaget!
Ihr aber greift zum Schwert
für Jesu Sache!
XXXI.
Die hohe Seele, die so früh
von hinnen
Enteilt, gerufen zu dem andern
Leben,
Wird dort ihr der verdiente Lohn
gegeben,
Des Himmels bestem Teil muß
sie gewinnen.
Wenn dann bei Mars und Venus
mitten innen
Sie wohnt, wird dunkel sich
die Sonn umweben;
Denn sel’ge Geister werden sie
umschweben
Und huldgend ihrer ewgen
Schöne sinnen.
Wenn sie den vierten Kreis zum
Sitz empfangen,
Wie würden dann die drei an
Glanz ihr weichen,
Und sie allein nur Ruhm und
Preis erlangen!
Nicht würde sie verziehen im
fünften Zeichen;
Doch weiß ich, daß, wenn höher
sie gegangen,
Mit Jupiter all andre Stern’
erbleichen.
XXXII.
Je mehr dem letzten Tage naht
mein Leben,
Der alles Weh der Erde nimmt
von hinnen,
So schneller seh ich ab die
Zeit sich spinnen,
So trügerischer meiner
Hoffnung Weben.
Zum Herzen sprech ich da:
Nicht vieles eben
Wird mehr zu reden sein von
süßem Minnen;
Die schwere Erdenbürde will
zerrinnen,
Wie frischer Schnee; das wird
uns Frieden geben.
Mit ihr wird jene Hoffnung
auch vergehen,
Die uns betört so lang im Lauf
des Lebens,
Und Zorn und Furcht und
Tränenguß und Klagen.
Dann werden klar wir sehn, wie
oft durch Wehen
Der Mensch zum Bessern wird
emporgetragen,
Und wie so oft das Seufzen
ganz vergebens.
XXXIII.
Schon stand der Liebe Stern
mit heitrem Grüßen
Im Osten flimmernd, und im
Norden lachte,
Der vormals Juno eifersüchtig
machte,
Und ließ herab die hellen
Strahlen schießen.
Auf stand das Mütterchen; mit
bloßen Füßen,
Entgürtet, ging ans Spinnen
sie und fachte
Die Kohlen an; den Liebenden
nur brachte
Trauer die Stund, in der viel
Tränen fließen;
Als meine Hoffnung, die fast
ganz verglommen,
Zum Herzen kam, nicht auf
gewohntem Gleise,
Dem schlafverschlossenen und
tränenfeuchten;
Ach! Wie so anders war da ihre
Weise!
Sie sprach: Was hat den Mut
dir denn genommen?
Dir werden ferner diese Augen
leuchten!
XXXIV.
Lebt noch, Apoll, das an Thessaliens
Wogen
Dich einst entbrannt, dein
seliges Verlangen,
Gedenkst du noch, ob Jahre
schon vergangen,
Des blonden Haares, dem du
einst gewogen,
So schütze dieser heilgen
Zweige Bogen,
Die dich zuerst und mich
darauf gefangen,
Vor Frost und Wettern, die am
Himmel hangen,
So lang dein Antlitz trübe
sich umzogen.
Bei deiner Hoffnung fleh ich,
deinen Flammen,
Die aufrecht dich erhielten
einst im Leiden,
O nimmt die böse Luft von
unsern Matten!
Dann sehen voll Verwundrung
wir zusammen
Sitzen im Gras die Herrin von
uns beiden
Und selbst mit ihren Armen
sich beschatten.
XXXV.
Allein und sinnend durch die
ödsten Lande
Zieh ich mit langsam
abgemeßnem Schritte,
Und ringsum schweift zur
Flucht mein Blick, wo Tritte
Der Menschen irgendwo zu sehn
im Sande.
Nicht anders bin zu bergen ich
imstande,
Was schnell sich offenbart in
andrer Mitte,
Weil meines Wandels freudelose
Sitte
Nach außen Kunde gibt vom
innern Brande;
So daß ich glaube, meinen
Jammer ahnen,
Wie ich ihn vor den Menschen
auch verstecke,
Gebirg und Wälder nun und
Ström und Bäche.
Doch findich nicht so rauh und
wilde Bahnen,
Wo mich nicht Amor immer
gleich entdecke,
Daß ich mit ihm, er sich mit
mir bespreche.
XXXVI.
Glaubt ich, es könnte mich der
Tod entladen
Der Liebeswehn, die mich zu
Boden schlagen,
Zu Grab hätt ich mit eigner
Hand getragen
Längst diese Last, die Glieder
schmerzbeladen;
Doch würd ich ach! vielleicht
auf seinen Pfaden
Aus Leid in Leid, aus Krieg in
Krieg verschlagen;
Drum steh am Weg ich, möcht
und kann’s nicht wagen,
Und schmachte doch nach
anderen Gestaden.
Wohl wär es an der Zeit nun,
daß entglitte
Der letzte Pfeil dem
unbarmherzgen Bogen,
In andrer Blut getaucht schon
und getränket.
Das ist’s, um was ich Lieb und
jenen bitte,
Der, taub, mich läßt mit
seiner Farb umzogen
Und mich hinweg zu rufen nicht
gedenket.
XXXVIII.
Orso, nicht Ströme, die den
Lauf beschränken,
Nicht See noch Meer, darin die
Flüss entrinnen,
Nicht schatten auch von Ästen,
Bergen, Zinnen,
Nicht Wolken droben, die den
erdkreis tränken,
Noch andres Hindernis kann so
mich kränken,
Wie viel es lagert vor der
Menschen Sinnen,
Als, seh den Schlei’r ich um
zwei Augen spinnen,
Der mich nur immer läßt an
Tränen denken.
Und der gesenkte Blick, der
alle Freude,
Aus Demut oder Stolz, mir
kehrt in Trauer,
Wird Schuld, daß ich zu früh
von hinnen scheide.
Auch eine weiße Hand kränkt,
die mit schlauer
Gewandheit immerdar zu meinem
Leide
Vorm Aug mir steht, gleich
einer Felsenmauer.
XXXIX.
Ich fürchte so der schönen
Augen Pfeile,
Worin der Tod wohnt bei der Liebe
Lichte,
Daß ich, wie vor der Rut’ ein
Kind, mich flüchte,
Und ersten Sprung tat vor
geraumer Weile.
Von nun an gibt es nicht so
jähe Steile,
Nach der mein Wollen nicht
empor sich richte,
Zu meiden, was die Sinne mir
vernichte
Und kalten Steines Härte mir
erteile.
Drum wenn ich, euch zu sehn,
mich spät ermannte,
Um nicht zu nahen dem, was
mich verzehret,
Wär’s Fehler wohl, nicht
unwert der Entschuldigung;
Doch daß ich mich nach jenem
umgekehret,
Und aus dem Herzen solche
Furcht verbannte,
Nicht kleine Pfänder waren’s
meiner Huldgung.
XL.
Wenn Lieb und Tod nicht
hindern das Gelingen
Neuen Gewebes, das ich jetzt
beginne,
Und ich dem zähen Vogelleim
entrinne,
Da ich Zwiefaches will in eins
verschlingen,
Werd ich vielleicht ein
Doppelwerk vollbringen
Bei neu- und altem Stile
mitten inne,
Daß (Bangen fast bei solchem
Wort die Sinne)
Sein Brausen bis zu dir nach
Rom wird dringen.
Nun aber, da mir fehlt, das
Werk zu enden,
Etwas von den gebenedeiten
Fäden,
Die halfen jenem meinem lieben
Vater;
Warum empfang ich nichts von
deinen Händen,
Die sonst so mild? O sei du
mir Berater,
Und keimen wirst du sehn viel
holde Reden.
XLI.
Wird seinem Heimatland der
Baum entrücket,
Des Phöbus einst in
Fraungestalt begehret,
Dann schwitzt Vulcan und
schärfet und bewehret
Die Pfeile Jovis, der in Grimm
sie zücket,
Der Donnerstürme, Schnee und
Regen schicket
Und weder Cäsar mehr noch
Janus ehret;
Es weint das Land; Sol stehet
abgekehret,
Weil anderswo er die Geliebt
erblicket.
Mars und Saturn dann neuen Mut
entbinden,
Grausame Stern’; Orion bricht
den bangen
Piloten feindlich Steuer so
als Taue;
Äol läßt Juno und Neptun
empfinden
Und uns im Zorn, daß sich zu
ferne Aue
Gewandt der Engel Lust, die
schönen Wangen.
XLII.
Doch wenn in Demut, mild und neu
verkläret,
Ihr Lächeln wieder Herz und
Sinn erquicket,
Wie dann der alte Schmied auch
an sich schicket,
Wie er die Arme hebt, die
Flamme nähret –
Umsonst! denn seine Waffen,
stark bewähret
In Ätnas Schoß, sieht Zeus
sich all entrücket,
Und seine Schwester strahlt,
wie neu geschmücket,
Weil heitern Blick Apollo ihr
bescheret.
Das Abendland regt sich von
lauen Winden,
Zum Ruder greift der Schiffer
sonder Bangen,
Und Blum und Gras erblüht auf
jeder Aue,
Und allerorts die bösen Stern’
entschwinden,
Damit das schöne Auge sie
nicht schaue,
Für das schon viel der Tränen
untergangen.
XLIII.
Neun Tage schon vom hohen
Söller blicket
Apoll nach ihr, die seine Ruhe
störet,
Die einst umsonst zu seufzen
ihm gelehret
Und gleicher Art nun andre
berücket.
Er sucht und späht, und weil
es ihm nicht glücket,
Zu sehn, ob fern, ob nah sie
eingekehret,
Gleicht einem er, den Wahnsinn
hat betöret,
Weil schnell verschwand, was
ihn nur jüngst entzücket.
So stand er trauernd hinter
Wolkengründen,
Sah nicht das Antlitz kehren,
dessen Prangen
Ich tausend Blättern – leb ich
– anvertraue.
Vor Gram ließ so verwandelt er
sich finden,
Daß Tränen aus den schönen
Augen drangen,
Weshalb die Luft ich noch
verfinstert schaue.
XLIV.
Der in Thessalien sich in
alten Tagen
Mühte, mit Bürgerblut das Land
zu färben,
Weint, als von seines
Tochtermannes Sterben
Des Hauptes wohlbekannte Züg’
ihm sagen;
Und jener Hirt, der Goliath
erschlagen,
Er weint ob der Empörung
seines Erben;
Und bei dem Tode Sauls, dem
schmachvoll herben,
Drob wohl ein stolzer Berg mag
bitter klagen.
Doch ihr, die Mitleid
nimmermehr bezwungen,
Die Waff und Schirm ihr immer
habt bereitet
Für Amors Bogen, der vergebens
schießet;
Ihr seht von Todesfahren mich
umrungen,
Und keine Trän aus euren Augen
gleitet,
Draus Zorn nur und Verachtung
sich ergießet.
XLV.
Mein Feind, drin ihr das
Augenpaar erblicket,
dem Amor und der Himmel gibt
die Ehre,
Hat euch durch hold und
überirdisch-hehre,
Nicht aber seine Reiz’, in
Lieb entzücket.
Nun, Herrin, treibt ihr mich,
von ihm berücket,
Aus meinem süßen Haus. O
tränenschwere
Verbannung! Obwohl nimmer wert
ich wäre,
Zu wohnen da, wo sich’s für
euch nur schicket.
Doch weil ich da vernietet und
versenket,
Sollt euch der Spiegel nicht
zu meinem Leide
So rauh und stolz erziehn in
eitlem Ruhme;
Zumal wenn an Narcissus ihr
gedenket:
Zu einem Ziele gehn die Wege
beide;
Obwohl das Gras unwürdig
solcher Blume.
XLVI.
Gold, Perl und Blumenschmuck
in eurem Haare,
Der welken sollte in des
Winters Tagen,
Für mich als Dornen, starr und
giftig, ragen,
Wie täglich ich im Herzen drin
erfahre.
Drum hoff ich wenge Tag’ und
wandelbare;
Denn großer Schmerz kann nicht
von Alter sagen –
Doch mehr der bösen Spiegel
muß ich klagen,
Die Liebesäugeln müht seit
manchem Jahre.
Sie haben Schweigen meinem
Herrn geboten,
Der für mich bat, nun aber
wahrgenommen,
Wie in euch selbst sich eure
Lust beschränket.
Gefertigt wurden sie am Fluß
der Toten,
Mit ewiger Vergessenheit
getränket,
Woher der Anfang meines Tods
gekommen.
XLVII.
Ich sah, wie drin die Kraft
sich schon verliere
Der Geister, die von euch ihr
Sein empfingen,
Und weil aus anerschaffnem
Triebe ringen
Dem Tod entgegen all der Erde
Tiere,
Ließ ich die Lust, die ich
sonst stark regiere,
Auf fast verlornem Wege vorwärtsdringen;
Denn Tag und Nacht will sie
euch nach mich zwingen,
Und widerstrebt, wenn ich sie
anders führe.
Sie leitete beschämt mich und
verdrossen,
Wo ich der Augen holdes Paar
getroffen,
Vor dem ich scheu die meinen
sonst verschlossen.
Nun darf ich ja wohl noch zu
leben hoffen;
Solch Heil hat sich aus einem
Blick ergossen!
Ich sterb, ist mir nicht mehr
die Aussicht offen.
XLVIII.
Wenn Glut in Glut nicht
auslischt und verschwindet,
Kein Strom vertrocknet, wann
ihn Regen nähret,
Vielmehr durch Gleiches sich
das Gleiche mehret,
Und oft ein Gegenteil das
andr’ entzündet;
Warum, o Amor, der die Seelen
bindet,
Dem ein Geist in zwei Körpern
angehöret,
Hast du so neuer Art in ihm
gelehret,
Wie vieles Wollen schwächeres
begründet?
Gleichwie der Nilstrom,
stürzend von den Höhen,
Mit lautem Schall betäubt die
Nachbarleute,
Wie Sonnenstrahlen starres
Auge blenden;
So muß die Sehnsucht, mit sich
selbst im Streite,
Im zügellosen Ringen
untergehen,
Und spät die Fahrt durch
zuviel Spornen enden.
XLIX.
Wohl hab ich dich, soweit ich
es imstande,
Vor Lüge stets bewahret und
hoch gepriesen,
Treulose Zung, und hast doch
nie erwiesen
Mir Ehre drum, wohl aber Zorn
und Schande;
Denn will um Gnad ich flehn in
meinem Brande
Und deine Hilfe mir dazu
erkiesen,
Gibst du erstarrt kaum Wort’,
und keins von diesen
Klingt anders, als wie aus der
Träume Lande.
O Tränen, die zu Nacht ihr
mich begleitet,
wenn ich allein am liebsten
wär und schliefe,
Ihr flieht vor dem, was
Frieden beut in Schmerzen!
Und Seufzer ihr, sonst
überlaut, wie gleitet
So leis ihr dann und zaghaft
aus der Tiefe!
Nur mein Gesicht schweigt
nicht von meinem Herzen.
LI.
Nicht viel mehr durfte meinen
Augen nahen
Das Licht, das schon von
weitem sie versehret,
So hätt ich mich verwandelt
und verkehret,
Wie einst Tessalier sie
verwandelt sahen.
Und kann ich mehr nicht, als
schon ist, empfahen
Ihre Gestalt, ob’s auch mein
Glück nicht mehret,
Würd ich fürwahr noch heute,
des belehret,
Zu rauhstem Fels, von düstrem
Ernst umfahen,
Zu Demant oder Marmor mich
gestalten,
Aus Furcht vielleicht, oder
Jaspis werden,
Von Geiz und Wahn dann hoch im
Preis geachtet;
Und frei würd ich vom Joche
der Beschwerden,
Drob ich beneide jenen müden
Alten,
Des Schatten weithin durch Marokko
nachtet.
LVI.
Hab ich in blinder Lust, die
mich verzehret,
Die Stunden zählend, mich
nicht selbst belogen,
So flieht die Zeit, dieweil
mein Sprechen währet,
Die mir zum Lohn Verheißung
zugewogen.
Welch böser Schatten hat die
Saat verheeret
Und um die nahe Ernte mich
betrogen?
Welch Wild ist’s, so durch
meine Hürde fähret?
Die Wand, die zwischen Ähr’
und Hand gezogen?
Nicht weiß ich’s, ach! Das
aber ward ich inne,
Daß, um mein Leben mehr mir zu
verleiden,
Mich zu so froher Hoffnung
Liebe führe.
Und nun steht, was ich las,
mir vor dem Sinne:
Daß keinem Menschen vor dem
letzten Scheiden
Zu sagen, daß er glücklich
sei, gebühre.
LVII.
Langsam und zögernd kommt mein
Glück zur Stelle –
Die Hoffnung schwankt, es
wächset das Verlangen,
Und Meiden weckt, wie Harren,
Weh und Bangen –
Erst zögert’s, und dann
flieht’s mit Tigerschnelle.
Ach, schwarz wird eh der
Schnee, die letzte Welle
des Meers versiegen, Fisch’
auf Alpen hangen,
Die Sonne sinken, wo
hervorgegangen
Tigris und Phrat aus ein und selber
Quelle,
Bevor ich Fried und Waffenruh
gefunden,
Und sie und Amor andre Sitt’
erwerben,
Die mir zum Unheil sich
verschworen haben.
Und kost ich Süßes, ist so
viel des Herben,
Daß gleich vor Ekel der
Geschmack verschwunden.
Sonst widerfährt mir nichts
von ihren Gaben.
LVIII.
Die Wangen, die dem Weinen
schon erliegen,
Laßt, lieber Herr, sich auf
das eine neigen;
Seid mit Euch karger ihm, der,
die ihm eigen,
Grausam zu bleichen, findet
ein Vergnügen.
Zur linken Hand das zweite,
schließt den Zügen
Der Boten ihr den Weg, die da
entsteigen,
Die gleich im Jänner und
August Euch zeigen,
Weil langem Weg die Zeit nicht
will genügen.
Und einen Kräutersaft trinkt
mit dem dritten,
Der alles, was das Herz
betrübt, zerstreue,
Am Ende süß, im Anfang schwer
gelitten.
Mich stellt dahin, wo Freude
wohnt inmitten,
Daß ich den Steuermann des
Styx nicht scheue,
Wenn nicht zu übermütig solch
ein Bitten.
LX.
Der edle Baum, dem treu ich
angehangen,
So lang mir Zorn nicht
rausch’t in seinen Zweigen,
Ließ blühen meinen schwachen
Geist und steigen
Mein Leid, von seinen Schatten
mild umfangen.
Drauf, als ich mich nicht
wähnte hintergangen,
Und ihm statt Süße Herbe ward
zu eigen,
Da wandte sich nach einem Ziel
mein Neigen,
Zu sprechen nur von meinem weh
und Bangen.
Was soll nun sagen, der in
Liebeswonne
Erseufzt, wenn Hoffnung meine
neuen Lieder
Ihm gaben, die nunmehr ihm
dieses raubet?
Kein Dichter pflückte je von
ihm, nie wieder
Leih Zeus ein Recht ihm, feind
ihm sei die Sonne,
Daß er vertrocknet dasteh und
entlaubet!
LXI.
Gesegnet sei mir Jahr und Tag
empfangen,
Und Mond und Jahreszeit,
Minut’ und Stunden,
Das schöne Land, der Ort, wo
mich gefunden
Die schönen Augen, welche mich
gefangen!
Gesegnet sei das erste süße
Bangen,
Mit dem ich einst an Amor mich
verbunden,
Und Pfeil und Bogen, die mir
schlugen Wunden,
Und Wunden, die mir bis zum
Herzen drangen!
Gesegnet auch die vielen
Wort’, in denen
Ich meiner Herrin Namen rings
geehret!
Und alle Seufzer, alle Wünsch’
und Tränen!
Gesegnet alle Blätter, die
gemehret
Der Teuren Ruhm! gesegnet all
mein Sehnen,
Das ihr nur, keiner andern
angehöret!
LXII.
Vater der Höhn, nach manch
verlornem Tage,
Nach Nächten, voll der Torheit
hingegangen,
Im Herzen drin ein glühend
wild Verlangen,
So zierlich Wesen sehend mir
zur Plage;
Gib nun, daß ich mit deinem
Licht micht schlage
Auf bessern Weg, zu schönerm
Unterfangen,
Daß, der umsonst die Netze
ausgehangen,
Mein harter Gegner, drob sich
schäm und klage.
Das elfte Jahr, o Herr, ist schon
im Scheiden,
Seit ich das harte Joch auf
mich geladen,
Das auf dem Duldsamsten am
schwersten lieget.
Wend ach! von mir mein
unverschuldet Leiden!
Den irren Geist, führ ihn zu
bessern Pfaden;
Erinn’r ihn, wie du heut am
Kreuz gesieget!
LXIV.
Vermöchtet ihr, durch
abgewandte Schritte,
Die schneller sich zur Flucht,
als andre, lenken,
Durch Hauptes Neigen und der
Augen Senken,
Verschmähend die bescheidne,
fromme Bitte,
Euch wegzustehlen aus des
Herzens Mitte,
Drein Amor Zweig an Zweig, um
euch zu kränken,
Vom ersten Lorbeer impft – ich
würde denken:
Ihr übt mit Recht des Zornes
strenge Sitte.
Denn eine zarte Pflanz ist
nicht geborgen
In heißem Boden; darum reißt
sie gerne
Sich von ihm los, um anderswo
zu treiben.
Doch weil das Schicksal euch’s
versagt, ihm ferne
Zu leben, müßt ihr dafür
mindest sorgen,
Nicht an verhaßtem Orte stets
zu bleiben.
LXV.
Weh mir, daß ich einst
schlecht mich vorgesehen
Am Tag, als Amor kam, mich zu
bekriegen,
Der Schritt für Schritt zum
Herrn emporgestiegen
Von meinem Leben und besetzt
die Höhen!
Ich glaubt, es könne
nimmermehr geschehen,
Nie könn und werde seiner
Pfeil’ erliegen
Des Herzens Mut, mir nie die
Kraft versiegen;
Sie pflegt’s dem, der sich
überschätzt, zu gehen!
Alle Verteidgung kommt von
jetzt zu späte,
Als zu versuchen noch, ob Amor
ehre
Mehr oder minder sterbliche
Gebete.
Nicht bitt ich mehr, daß mäßge
Glut verzehre
Mein Herz (noch frommt’ es,
wenn ich es auch täte);
Nur, daß er ihr etwas der Glut
beschere.
LXVII.
Am linken Strand Tyrrhener-Meeres
drüben,
Dort, wo die Flut erseufzt, im
Wind zerstoben,
Sah plötzlich jenen Baum ich
hoch erhoben,
Von dem mit Recht manch Blatt
ich vollgeschrieben.
Erinnernd an das blonde Haar
der Lieben,
Spornt’ Amor mich, der drin
begann zu toben,
So in den Bach, den Gräser
überwoben,
Ward ich, nicht mehr ein
Lebender, getrieben.
Da, einsam zwischen Busch und
Höhn verloren,
Fühlt’ ich Beschämung, die dem
edlen Sehnen
Genügt; nicht mocht ich andern
Sporn begehren.
Mich freut nur, daß sich neue
Roll erkoren
Augen und Fuß, da, weil der
feucht ist, jenen
Ein milderer April trocknet
die Zähren.
LXVIII.
Der Anblick eures Lands, des
benedeiten,
Regt Seufzer um vergangnes
Leid mir innen,
Auf! Armer! rufend, was ist
dein Beginnen?
Und zeigt den Weg, zum Himmel
aufzuschreiten.
Doch hebt mit dem ein andres
an zu streiten
Und spricht: Warum gedenkst du
zu entrinnen?
Erinn’re dich, es eilt die
Zeit von hinnen,
Zu kehren heim an unsrer
Herrin Seiten.
Ich, der ich dann solch Reden
wohl verstehe,
Erstarre drin, gleich dem, der
erst sich freute
Und plötzlich hört von einem
großen Wehe.
Dann kehrt das erst, und es
entflieht das zweite;
Wer sieg’? Ich weiß es nicht;
doch bis vorehe
Lagen sie, und nicht einmal
nur, im Streite.
LXIX.
Ich weiß, daß, wie sich
Menschensinne brüsten,
Sie, Amor, doch nichts gegen
dich vermögen;
So viel Meinwort’ und
Schlingen allerwegen
Hab ich erfahren, so viel arge
Listen.
Doch, was mich wundert, in den
letzten Fristen
(Ich red als einer, dem daran
gelegen,
Und hab’s bemerkt dort auf den
salzgen Wegen
Bei Elbas, Giglios und
Toskanas Küsten)
Floh ich vor deiner Hand, mich
zu ermannen;
Allseits verfolgt von Himmel,
Sturm und Wogen,
Zog unbekannt und pilgernd ich
von dannen,
Als deiner Diener Schar (weiß nicht,
von wannen)
Mir zu beweisen kam, gleich
sei betrogen,
Wer mit dem Glück kämpft, wer
sich ihm entzogen.
LXXIV.
Zu denken bin ich müde, wie
ich’s trage,
Daß mein Gedank an euch nicht
zu ermüden,
Und wie ich noch vom Leben
nicht geschieden,
Um zu entfliehn der Seufzer
schwerer Plage;
Und wie, daß ich von Wang und
Locken sage
Und von der Augen
vielbesprochnem Frieden,
Mir Ton und Sprache nimmer
fehlt hienieden,
Zu künden euren Ruhm bei Nacht
und Tage;
Und wie im Fuß noch Kraft und
Lust sich rege,
Da so viel Schritt’ ich machte
sonder Frommen,
Zu folgen eurer Spur von Steg
zu Stege;
Und wo Papier und Tint ich
hergenommen,
Zu eurem Preis. War ich auf
falschem Wege,
Von Amor, nicht vom Ungeschick
ist’s kommen.
LXXV.
Die schönen Augen, die mich also
trafen,
Daß sie nur selber heilen
meine Wunde,
Nicht aber Steineskraft, nicht
Zauberkunde,
Nicht Kräuter, die in
Meerestiefen schlafen,
Verschlossen mir all andrer
Liebe Hafen,
Daß ich an einem Bilde nur
gesunde;
Und folgt die Zung ihm, treu
dem alten Bunde,
Darf Spott nur den Begleiter,
sie nicht strafen.
Die schönen Augen sind’s, die
allerwegen
Lassen, was da mein Herr
beginnt, gelingen,
Vor allem, wann es gilt, mein
Herz zu brechen.
Die schönen Augen sind’s, die
mir durchdringen
Allorts das Herz mit ihrer
Flammen Segen,
Daß ich nie müde bin, davon zu
sprechen.
LXXVI.
Amor, mit schmeichelnder
Verheißung Tücke,
Trieb heim mich zu des alten
Kerkers Türen;
Die Schlüssel dann gebot er
ihr zu führen,
Die feindlich aus mir selbst
mich hält zurücke.
Ich merkt’ es nicht, bis sie –
o dem Geschicke!
Mich fesselte. Nun galt es,
sich zu rühren,
Und seufzend (niemand glaubt’
es meinen Schwüren)
Kehr ich zurück nun zu der
Freiheit Glücke;
Und muß ein Teil noch meiner
Ketten tragen,
Wie ein Gefangener, in Schmerz
und Wehen,
Weil Aug und Stirn vom Herzen
drinnen sagen.
Und wenn du meine Farbe
würdest sehen,
Du sprächest gleich: Darf ich
ein Urteil wagen,
Der hat nicht weit zum Tode
mehr zu gehen!
LXXVII.
Nicht Polyklet, wie scharf er
mochte spähen,
Noch andere, derselben Kunst
erfahren,
Nähmen das Kleinste wahr in
tausend Jahren
Der Schönheit, die mein Herz
sich ausersehen.
Mein Simon aber war in
Himmelshöhen,
Die meiner hohen Herrin
Wohnsitz waren;
Da sah er sie und eilt’, ihr
Bild zu wahren,
Daß wir hier unten auch ihr
Antlitz sähen.
Ein Werk von denen war’s, die
nur gelingen
Im Himmel können; da nicht, wo
die Glieder
Gleich einem Schleier noch die
Seel umfahen.
Was er da brachte, konnt er
mehr nicht bringen,
Als er empfunden Kält und
Wärme wieder,
Und seine Blicke Sterbliches
nur sahen.
LXXVIII.
Als Simon an zum hohen Werk
sich schickte,
Das seiner Hand für mich den
Stift gegeben,
Wenn’s ihm da, Stimm und ein
verständig Leben
Dem lieblichen Gebild zu spenden,
glückte,
Er viele Seufzer meiner Brust
entrückte,
Die mir vergälln, was andre
hoch erheben:
Denn um das Antlitz seh ich
Demut weben,
Als ob es Frieden mir
entgegennickte;
Und wenn mit ihm zu sprechen
ich begonnen,
Scheint es mir wohl ein
freundlich Ohr zu leihen –
Könnt es mich nur mit einer
Antwort laben!
Pygmalion, wie mußtest du dich
freuen
Des Bildes, der du tausendmal
gewonnen,
Was ich ein einzig Mal nur
möchte haben!
LXXIX.
Entspricht so End als Mitte
dem Beginnen
Vierzehnten Jahres, seit mich
Weh umfangen,
Kann mir kein Schatten Kühlung
mehr gewinnen;
So wächst – ich fühl es wohl –
mein heiß Verlangen.
Die Liebe, die mein Herz
bedrängt, mein Sinnen,
In deren Joch der Atem mir
vergangen,
Nahm mich mir selbst zur Hälft
und waltet innen
Durch Augen, die mir leidvoll
aufgegangen.
So sehr ich täglich mehr mich
ab und schwinde
So heimlich, daß nur ich’s
allein gewahre,
Und jene, deren Blick mein
Herz zerteilet.
Kaum daß ich noch die Seele
drin bewahre,
Noch weiß, wie lang sie
Wohnung bei mir finde;
Denn näher kommt der Tod, das
Leben eilet.
LXXXI.
Ich bin so müde meiner Sünden
Verjährter Last und alter
schlimmer Weise,
Daß zu erliegen ich vorm
Schluß der Reise
Befürcht und mich in Feindes
Hand zu finden.
Wohl kam ein großer Freund,
mich zu entbinden
Durch höchste Huld, die nie
ich sattsam preise;
Drauf eilt er schnell aus
meiner Augen Kreise,
Daß ich vergebens späh, ihn zu
erkünden.
Doch widerhallt noch seines
Worts Verkündgung:
Beladne ihr, seht da aus der
Bedrängnis
Den Pfad! Kommt, wenn kein
andrer ihn verriegelt!
O welche Gnad und Liebe, welch
Verhängnis
Gibt Taubenschwinge mir, die
aus Versündgung
Zur Ruh empor mich von der
Erden flügelt?
LXXXII.
Nie ward ich, Herrin, müd, um
euch zu minnen,
Noch werd ich’s sein, weil ich
am Leben bleibe;
Vom eignen Haß doch nun ans
Land ich treibe,
Und kraftlos macht der Tränen
endlos Rinnen.
Will lieber mir ein schön,
weiß Grab gewinnen,
Als daß zur Schmach man euren
Namen schreibe
Auf Marmor mir, trennt sich mein
Geist vom Leibe,
Der wohl nunmehr ihm länger
wohnet innen.
Drum, kann ein Herz, in Lieb
und Treu erfahren,
Euch, ohn ihm Qualen zu
bereiten, gnügen,
Laßt diesem eure Gnade
widerfahren!
Meint euer Zorn auf andre Art
zu siegen,
Er irrt, und wird nie, was er
denkt, gewahren;
Das dank, o Lieb’, ich mir und
deinem Fügen!
LXXXIII.
Eh beide Schläfe sich nicht
weiß gestalten,
Die sich entfärben, scheint’s,
von Tag zu Tage,
Bin ich gefährdet, ob ich
schon mich wage
Dahin, wo Amors Pfeil’ und
Bogen walten.
Doch soll er mich nicht quälen
mehr, noch halten,
Wie er mich zu umstricken Lust
auch trage,
Noch mir das Herz, wie viel er
Wunden schlage,
Mit seinen grausam giftgen
Pfeilen spalten.
Nicht können aus den Augen
mehr die Zähren;
Doch wissen sie den Weg, bis
da zu dringen,
Daß kaum etwas vermag, sie
abzuwehren.
Wohl mag der heiße Strahl mir
Wärme bringen;
Doch brenn ich nicht; es kann
den Schlaf mir stören
Ihr grausam Bild, doch nie ihn
ganz bezwingen.
LXXXIV.
„Ihr Augen, weinet, wie das
Herz euch lehret,
Das nur durch euch den Tod
davongetragen.“
„So tun wir stets; doch müssen
wir beklagen
Mehr fremden Wahn, als der uns
selbst betöret.“
„Früh habt den Eingang Amorn
ihr gewähret,
Wo noch er seine Herberg
aufgeschlagen.“
„Durch jene Hoffnung konnten
wir es wagen,
Die er im Herzen, das nun
stirbt, genähret.“
Nicht kann, wie euch bedünkt,
die Ausflucht gelten,
Weil ihr sogleich beim
frühesten Erscheinen
So geizig darauf wart, mit ihm
zu dulden.“
„Das ist’s, was wir vor allem
nun beweinen,
Daß die vollkommnen Richter
also selten,
Und oft ein andrer büßt für
andrer Schulden.“
LXXXV.
Stets liebt ich ihn und lieb
und werd ihn lieben
Fortan nur immer mehr von Tag
zu Tagen
Den süßen Ort, wohin ich oft
mit Klagen
Gekehrt, wann Liebe sann, mich
zu betrüben;
Und bin entschlossen, Stund
und Zeit zu lieben,
Da jeder eitlen Sorg ich mich
entschlagen,
Mehr sie noch, die mit
freundlichem Behagen
Mich durch ihr Beispiel lehrte
Gutes üben.
Doch wer gedacht, auf einmal zu
gewahren,
Mein Herz bald da, bald dorten
zu bekriegen,
Die süßen Feind’ all, die so
lieb mir waren?
Mit welcher Kraft weißt,
Liebe, du zu siegen!
Wüchs mit dem Wunsch nicht
Hoffnung, vor den Jahren
Müßt ich, wo ich am liebsten
lebt, erliegen.
LXXXVI.
Ich werde fort und fort das
Fenster hassen,
Draus Amor tausend Pfeile
schon entgegen
Mir sandte, weil nicht alle
töten mögen;
Denn schön wohl ist’s im
Glücke zu erblassen.
Daß mich der Erde Kerker noch
umfassen,
Muß ach! ein endlos Wehe mir
erregen,
So größer, weil ich’s ewig
werde hegen,
Da nicht vom Herzen will die
Seele lassen.
Die Arme, die nun könnt aus
langem Wehe
Ermessen, wie, was
Menschenwitz auch täte,
Die Zeit er nimmer wenden
kann, noch binden!
Oft fleht ich ihr mit solchem
Wort: O gehe,
Du Traurige; denn immer geht
zu späte,
Wer seine frohern Tage sahe
schwinden!
LXXXVII.
Wie wohl ein guter Schütz
sogleich beim Schießen
Aus weiter Ferne schon es kann
erspähen,
Ob der, ob jener Schuß sei zu
verschmähen,
Und ob das Ziel ein andrer
werde grüßen;
So, als der Pfeil entflog aus
euren süßen
Zwei Augen, merket ihr, er
werde gehen
Mir grad ins Herz, draus nun,
seit es geschehen,
Mir ewge Tränen durch die
Wunde fließen.
Und sicher bin ich, daß ihr
spracht damalen:
Der Arme! wie’s die Sehnsucht
ihm beflügelt!
Sieh da den Pfeil, der ihm den
Tod muß geben!
Nun seh ich, wie der Schmerz
mich hält und zügelt;
Und was auch meine Feinde mir
noch weben,
Zum Tod ist’s nicht, doch wohl
zu größern Qualen.
LXXXVIII.
Da, was ich hoffe, bald nicht zu
erreichen,
Und so behend hinab das Leben
gehet,
Wollt ich, ich hätte bessre
Zeit erspähet,
Schneller, als im Galoppflug,
zu entweichen.
Nun muß gelähmt ich und
ermattet schleichen
Vom Ort, nach dem die
Sehnsucht mich gedrehet,
Wohl sicher nun; doch im Gesicht
noch stehet
Der liebenden Begegnung altes
Zeichen.
Drum rat ich euch, die ihr
noch Wandersleute,
Lenkt ein! Und ihr, die Lieb
entzündet innen,
O wartet nicht, bis letzte
Gluten schmerzen!
Denn leb ich, Tausende doch
nich entrinnen;
Wohl stand auch meiner Feindin
Kraft zur Seite,
Doch sah ich sie verwundet
tief im Herzen.
LXXXIX.
Entflohn der Haft, wo Amor,
wie in Mauern,
Mich hielt, mir, was ihm
dünkte, zuzufügen,
O Frauen, lange Zeit nicht
würde gnügen,
Zu melden euch der neuen Freiheit
Trauern.
Mein Herz sprach, keinen Tag
lang könn es dauern
Für sich, und drauf erschien,
mich zu betrügen,
Jener Verräter, so verlarvt
mit Lügen,
Um Klügere wohl täuschend zu
belauern.
Zurück drum mußt ich seufzen
oft und sprechen:
Ach, süßer waren Joch,
Fußblöck’ und Banden
Mir, als zu wandeln frei und
ungebunden!
Weh mir, daß ich so spät mein
Leid verstanden!
Und wie so schwer nun wird es
mir, zu brechen
Des Irrtums Fessel, die ich
selbst gewunden!
XC
Zerstreut im Wind die goldnen
Locken waren,
Und kreisten sich in tausend
süßen Ringen,
Ein mildes Licht sah ohne Maß
ich dringen
Aus Augen, die damit so karg
nun sparen.
Und Mitleid schien ihr Blick
zu offenbaren,
Wenn Blindheit nicht und
Täuschung mich befingen.
Ich, der so leicht in Liebesglut
zu bringen,
Was Wunder, wenn ich schnelle
Flamm erfahren?
Ihr Gang war nicht ein irdisch
sterblich Wesen,
Vielmehr von Engelart; aus
ihrem Munde
Ertönten Worte, nicht wie
Menschenlaute;
Ein Engel war’s, ja Sonne, was
ich schaute.
Und wär nun auch nicht mehr,
was einst gewesen;
Ob schwächern Bogens heilet
keine Wunde.
XCI.
Die schöne Herrin, der mit
treuem Minnen
Du zugetan, ist schnell von
uns geschieden,
Gestiegen, hoff ich, zu des
Himmels Frieden;
So süß, so lieblich war ihr Tun
und Sinnen.
Zeit ist’s, die Schlüssel
wieder zu gewinnen
Zum Herzen dein, die sie besaß
hienieden,
Und graden Wegs zu folgen ihr.
Ermüden
Darf fürder dich kein
irdisches Beginnen.
Denn bist der größern Bürde du
entladen,
Kannst leicht du von dir werfen
all die andern,
Und aufwärts als ein ledger
Pilgrim wallen.
Du siehst, wie bald dem Tode
muß verfallen,
Was lebt, und wie es zu den
finstern Pfaden
Der Seele not tut, frei und
leicht zu wandern.
XCII.
Weint, Fraun, und Amor wein in
euren Chören,
Weint, Liebende, ihr auch in
allen Landen;
Denn tot ist jener, der so
ganz verstanden,
Euch, weil er lebt auf Erden,
hoch zu ehren.
Ich bitte meinen Schmerz, mir
nicht zu wehren,
Daß meine Tränen fließen, los
der Banden;
Er sei mit so viel Seufzern
mir zuhanden,
Als nötig sind, das volle Herz
zu leeren.
Die Reim’ auch mögen weinen
und Gesänge,
Weil unser Messer Cino,
lieberkoren,
In dieser letzten Zeit von uns
gegangen!
Pistoja wein und die verkehrte
Menge,
Die nun so lieben Nachbar hat
verloren!
Der Himmel freue sich, der ihn
empfangen!
XCIII.
Amor sprach oft zu mir:
Schreib eigenhändig,
Was du gesehn, schreib es in
goldnen Zeichen,
Wie meine Jünger all ich laß
erbleichen,
Und augenblicks sie tot mach’
und lebendig.
das ward dir einst wohl selber
klar inwendig;
Ein Beispiel warst du allen,
die dir gleichen;
Dann hieß dich andre Arbeit
von mir weichen;
Doch wie du flohst, ich war
dir nah beständig.
Und wenn die Augen, drin du
einst mich leuchten
Gesehen, wo ich freudig
eingezogen,
Zu brechen deines Herzens
Widerstreben,
Zurück mir geben den
allmächtigen Bogen,
Wird sich dein Antlitz
abermals befeuchten;
Denn nur von Tränen, weißt du,
zehrt mein Leben.
XCIV.
Wann durch das Aug in Herzens
Grund gestiegen
Ein herrschend Bild, kein
andres da verweilet,
Und was an Kraft die Seele
drin verteilet,
Läßt, wie ein starr Gewicht,
die Glieder liegen.
Dann pflegt an erstes Wunder
sich zu fügen
Ein zweites: Wann der
flüchtige Teil enteilet
Aus sich, wird eine Stell ihm
zugeteilet,
Wo Rach ihm wird und in dem
Bann Vergnügen.
Alsdann, gleich Toten, zwei
Gesicht’ erbleichen,
Dieweil die Kraft, die Leben
drinnen hegte,
Nirgend mehr da, wo sie vorher
sich regte.
Das war’s, was damals mir den
Geist bewegte,
Als an zwei Liebenden der
Wandlung Zeichen
Ich sah, und werden sie zu
meinesgleichen.
XCV.
Könnt ich so gut in Lieder
übertragen
Mein Denken, wie ich’s trag im
Herzen drinnen,
Kein Mensch wär irgend von so
harten Sinnen,
Daß er nicht sollt aus Mitleid
mich beklagen.
Doch sel’ge Augen ihr, die mir
geschlagen
Die Wunde, der nicht Helm noch
Schild entrinnen,
Ihr seht mich nackt von außen
und von innen,
Wenn sich die Wort’ auch
meinem Schmerz versagen,
Seit in mir widerleuchtet euer
Sehen,
Gleichwie im Glas der Sonne
Strahlen glühen;
Drum mag die Sehnsucht ohne
Worte gnügen.
Weh! Petro schadete nicht,
noch Marien
Der Glaube, der nur mich soll
schwer bekriegen!
Auch weiß ich, daß nur ihr
mich könnt verstehen.
XCVI.
Ich bin des Harrens nun so
müd, umrungen
Von all des wehs endlos feindselger
Nähe,
Daß Hoffnung ich und Wünsche
haß’ und schmähe,
Und jede Fessel, die mein Herz
umschlungen.
Doch hat das schöne Antlitz
mich bezwungen,
Das ich gemalt im Herzen trag
und sehe,
Wohin ich schau; drum zu dem
alten Wehe
Fühl ich mich wider Willen
hingedrungen.
Da irrt ich, als der Freiheit
alt Geleise
Mir abgeschnitten war und
rings entschwunden;
Denn Heil nicht bringt, was
sich das Aug erwählet.
Da rannt ins Unglück frei und
ungebunden
Die Seele, die nach fremder
Macht und Weise
Nun ziehen muß, weil einmal
sie gefehlet.
XCVII.
Wie hast, ach schöne Freiheit,
du beim Scheiden
Gezeigt mir, wie so selig war
mein Leben
Damals, als mir der erste
Pfeil gegeben
Die Wund, an der ich immer
werde leiden!
Den Augen ward ihr Weh ein Quell
der Freuden,
Daß der Vernunft nicht half
ihr Widerstreben,
Weil sie verschmähn der Erde
Tun und Weben.
Dazu gewöhnt ich ach! gleich
früh die beiden.
Ich darf, wer meines Todes
nicht gedenket,
Nicht hören, und nur ihres
Namens Süße,
Des lieblich tönenden, ruf’
ich den Lüften.
Das ist’s, wozu mich Liebe
spornt und lenket,
Und andern Weg nicht kennen
meine Füße,
Noch weiß die Hand, wen sonst
sie preis in Schriften.
XCVIII.
Orso, wohl kann an euer Roß
man legen
Gebiß und Zaum, der ab vom
Lauf es kehret;
Allein das Herz? Wer bindet’s,
wenn geehret
Es sich begehrt, und haßt, was
dem entgegen?
Klagt nicht! es bleibt ihm
unverkürzt deswegen
Sein Wert doch, ist auch euch
das Gehn verwehret;
denn, wie der öffentliche Ruf
uns lehret,
Ist’s schon voraus, wie andr’
auch eilen mögen.
Wenn auf dem Kampfplatz nur zu
rechten Zeiten
Es ein sich stellt, von waff
und Wehr umfangen,
Die Alter, Tugend, Lieb und
Blut ihm geben,
Rufend: Mich treibt ein adelig
Verlangen
Nebst meinem Herrn, der mich
nicht kann begleiten
Und sich verzehrt, daß er muß
ferne leben!
XCIX.
Da euch und mir so manchmal
sich’s erwiesen,
Wie unser Hoffen allzumal uns
trüget,
So hebt zum höchsten Gut, das
immer gnüget,
Das Herz, ein froher Dasein zu
erkiesen.
Dies Erdenleben gleicht den
bunten Wiesen,
Wo zwischen Blum und Gras die
Schlange lieget;
Und wo ein Gegenstand den
Blick vergnüget,
Geschieht es nur, so mehr zu
fesseln diesen.
Ihr also, die ihr Ruhe wollt
erkaufen
Eurem Gemüte vor den letzten
Tagen,
Folgt wenigen und nicht dem
großen Haufen.
Bruder, du zeigst – kann
freilich mancher sagen –
Den Weg, von dem du selbst
dich oft verlaufen,
Von dem du weiter jetzt, als
je, verschlagen.
C
Das Fenster, das, so oft ihr’s
will behagen,
Die eine Sonn, um Mittag andre
spüret,
Und jenes, das, von kalter
Luft gerühret,
Bei kurzen Tagen klirrt, vom
Nord geschlagen;
Der Stein, wo sinnend oft in
langen Tagen
Die Herrin mit sich selbst
Gespräche führet,
Und all die Orte, die ihr Fuß
berühret,
Die ihrer Schönheit Schatten
je getragen;
Der böse Pfad, wo Amor mich
ersehen,
Der Lenz, der, wie dahin die
Jahre schwinden,
Mir bis auf heut erneut die
alte Wunde,
Der Blick und all die Worte,
die mir stehen
Tief eingegraben in des
Herzens Grunde,
Lassen mein Auge Lust an
Tränen finden.