Maximilian Alexandrowitsch Woloschin
1877 - 1932            Russland / Ukraine
http://www.bruck-grossglockner.at/buergerservice/aktuelles.html

 

 

 

 

In Übertragungen von

ZaunköniG

 

 

 

 

Corona astralis

 

 

Magistrale

 

Im Liebeskosmos gleichen wir Kometen,
verschlossen bleibt uns die bewährte Bahn.
Wir träumen wahr in dieser Erde Wahn,
wir, die wir zu den Mittnachtsonnen beten;

Uns tauften nicht die Wasser einer Lethe:
Der Geist muß sich mit dem Gedächtnis quälen,
mit jenseitigen Schmerzen, die noch schwelen
in uns Verbannten, Pilgern und Poeten;

dem Seher, der bei Tageslicht erblindet,
dem der lebendig in der Gruft verschwindet,
dem diese Erde heiligt sein Exil.

Der alle Namen kennt, wahrt die Vision,
dem wird ein Rendezvous kein frohes Ziel:
Das Abschiednehmen wird ihm Obsession.

 

 

1.

Im Liebeskosmos gleichen wir Kometen:
Bis in die helle Sphäre der Plejaden
zog es uns brennend zu den Feuerpfaden;
durch Sternenstürme, die uns licht umwehten.

Wir schweifen fort... Den dunkelen Planeten,
der kreist in seinen Schwertes Radius
verließen wir; uns zog, wie Ikarus,
die Sonne an, gehüllt in Wind. Doch drehten

wir wieder ab; vor der Berührung, weg
vom Sonnenlicht, zurück in tiefste Nacht,
nur unserer Parabel zugetan
in blinder Rebellion. Die Kühnheit streckt
sich nach dem Untergang, der sich entfacht...
Geschlossen bleibt uns die bewährte Bahn.

 

 

2.

 

Geschlossen bleibt uns die bewährte Bahn,

denn angefochten ist der heilge Bund

von Erdentempeln, Erdengötzen und

der Hohepriester spricht das Volk nicht an.

 

Verwirrte Träume plagen unsern Geist;

Wie Bienen treibt es uns im Schwarm herum

verlassen flüchtend unser Ilium

und rötlich unser Dreiecksegel gleißt.

 

Es schaudert uns, wie Böen nach uns fassen,

wir rumpeln eilig durch die schlechten Gassen,

doch gehen mutig unsern Weg voran,

 

bis wir das Donnern rings vergessen werden,

den Malstrom aus Verzweiflung und Beschwerden -

Wir träumen wahr in dieser Erde Wahn!

 

 

3.

 

Wir träumen wahr in dieser Erde Wahn:

Brokatne Strahlen dämmern sacht empor,

Des Morgens Murmeln wird zum Abendchor,

der Schwundmond nimmt schon Feuerfarben an.

 

Die Wellen hat er zu Demant zerschlagen,

die er ans tiefe schwarze Meer verlor.

Doch nachts seh'n wir das Leuchten des Tabor,

und keine Sonne wird im Herzen tagen.

 

Wir kennen nicht des Mittags Licht-Ekstase,

die Erdenwüsten, flüssige Topase,

nicht Bernsteinglanz, nicht goldner Strahlen Pracht.

 

Die Mondgewänder seidig uns umwehten...

Wir sind uns tags bewußt der klaren Nacht,

wir, die wir zu den Mittnachtsonnen beten.

 

 

4.

 

Wir, die wir zu den Mittnachtssonnen beten,

wir stellen tiefsten Bronnen unsre Fragen;

Die Diamanten, in das All getragen

zu Sternsystemen, Nebeln und Planeten,

 

vom großen Hundsstern bis zur Fledermaus,

von Wega bis zu der Plejaden Flimmern,

durchpflügen die Unendlichkeit der Himmel

und drücken unsere Gelübde aus.

 

Oh Sternenstaub! Oh heilger Bienenschwarm!

Ich will erkunden, wägen bis ich weiß.

Du schriebst die Karten und benanntest jeden...

 

Wir sind an Wissen heut nicht minder arm,

erinnern uns an unsern alten Geist:

Uns tauften nicht die Wasser einer Lethe!

 

 

5.

 

Uns tauften nicht die Wasser einer Lethe,

daß unser Sterngeist ins Vergessen fällt!

Er trank vom Urquell aus der Unterwelt,

gelobte zum verborgnen Kreis zu beten,

 

zum nie vollendeten und dem verfluchten,

wo alle Strahlen uns Saphiren gleichen,

im Bachgemurmel, glitzernden Bereichen.

Das Licht, nach dem wir diesen Dunst durchsuchten:

 

Im Dunkel irrlichtert der Sumpf wie je. -

Ein Nichts hat uns der Wind zurückgebracht;

ein Schwarm von Schatten der Persephone.

 

Achilles Augen starren in die Nacht,

doch wird nur trauriger die alte Seele:

Der Geist muß sich mit dem Gedächtnis quälen.

 

 

6.

 

Der Geist muß sich mit dem Gedächtnis quälen.

Er ist wie Grassaat nächtens aufgegangen.

Er ist in seinem kühlen Grab gefangen,

zu schlafen wie in alten Mausoleen

 

und Pyramiden. Doch ihr Kalksteindom

ist ihm kein unzerstörbares Gerüst.

Der Ewigkeiten Lavakruste ist

für uns der unsichtbare heiße Strom.

 

Ihr Sonnengräber! Und ihr Weltenurnen!

Vom Mondleib und den Toten des Saturn

soll mir das angehalt'ne Herz erzählen;

 

wie es aus Sternenstaub den Leib gewonnen.

Doch ist es müde dieser toten Sonnen,

mit jenseitigen Schmerzen, die noch schwelen.

 

 

7.

 

Mit jenseitigen Schmerzen, die noch schwelen,

fällt nun der Sorgen Gluthauch jäh zusammen.

Entfacht das Banner neu entfachter Flammen,

die sich aus sehnsüchtigen Winden schälen.

 

Es war dies Feuer, dem der Biss entstieg:

Dem Geist war es Musik, dem Körper Gräues; -

Laokoon war verstrickt in dieses Knäuel

von Schlangen, Feuerzungen... und er schwieg.

 

Verschwende nicht dein Schmerzensglück, Verhängnis,

den Stolz der Ketten und die Freudenfron

und nicht dein Hochgefühl in dem Gefängnis.

 

Verschwende dein Gedächtnis nicht der Lethe!

Das Leid bewahrt in uns der Welten Lohn,

in uns Verbannten, Pilgern und Poeten.

 

 

8.

 

In uns Verbannten, Pilgern und Poeten,

die nichts geworden sind und alles wollten,

den Vögeln liegt das dunkle Protokoll,

ein Stab. - Er hat um unsern Bund gebeten.

 

Die Schuld am Ungescheh'nen; - Wie man's wendet -

Die meisten scheitern über alle Maßen;

dein Traum und Zweifel stehn an allen Straßen...

vergossner Honig, Lieder unvollendet.

 

Ach, wer in Testamenten zu sich findet

und demütig geliebt die alte Schmach,

des wüster Blick geht nun dem Wasser nach.

 

Vor fremden Zelten fragt er um sein Brot.

Auch er zieht als ein wandernder Rhapsod:

Der Seher, der bei Tageslicht erblindet.

 

 

9.

 

Dem Seher, der bei Tageslicht erblindet

sind Stimmen und der Worte Klang Verweise,

der Körper Duft, der Pflanzen Rauschen leises

Geheimnis, das sich ihm zum Kranz verbindet.

 

Im Dunkel zieht Lichtbringer Phöbus Spur,

gibt tiefen Einblick, gerade durch Erblindung.

Gott in der Krippe: Höhle der Entbindung

und Wandelung an Jesu Christ Geburt.

 

Urmutter Nacht umarmt den dunklen Schoß,

der Vater kehrt zurück zum Uterus,

hat ein Geschenk vom Bären mitgebracht.

 

Die Sonne nahm man jenen in der Nacht,

dem den ein unachtsames Schicksal schindet,

dem der lebendig in der Gruft verschwindet.

 

 

10.

 

Dem, der lebendig in der Gruft verschwindet,

zeigt sich das Grab in einem neuen Licht:

des Sonnengott's verborgenes Gesicht

im erdenschoß: Wo sich Getreide findet,

 

auch Sicheln mähen, Flegel schlagen drauf.

Auf Archen Vögel ihre Nester bauen.

Man kann in ihren Mantelfalten schauen

wie Tag und Nacht vergeh'n, des Schicksals Lauf.

 

Und ohne Freude, ohne Trauer, stumm

verfolgen Menschen dieses eitle Spiel.

Kein dunkles Grübeln ohne ein "Warum".

 

Es spürt der Mensch alleine diese Lust

all das zu schmecken, was noch nicht gewußt,

und diese Erde heiligt sein Exil.

 

 

11.

 

Dem diese Erde heiligt sein Exil,

den keine weite Flur mehr freuen kann,

dem haftet jeden Schritt Erinn'rung an

an andre Welten, in sich selbst das Ziel.

 

In meinem Herzen scheint die Flamme auf,

als ob für mich die heiligende Schrift

erschien auf Tafeln mittels Flammenschrift,

und ich gab das Konzept der Formen auf.

 

Er wandert durch die Welt, durch Straßenstaub,

Vergessne Götter, Priester, die nicht glauben,

schaut in den Dingen nur nach der Struktur.

 

Entgehen könnte dem Verderben nur,

der noch im Tod durchschaut die Konfusion:

Der alle Namen kennt, wahrt die Vision.

 

 

12.

 

Der alle Namen kennt, wahrt die Vision,

und wer das Flüstern all der Gräser hört,

vom Täufer und vom Tag, der ihm gehört,

der singt der Liebe Wellen Oberton.

 

Die weißer Erde Seele kennen, dort

im Untergang, ummanteln ihre Herzen

und sie entzünden die sakralen Kerzen,

die ziehen Isis ersten Schleier fort.

 

Wer suchte denn die Erdenfreuden nicht?

Die Tänzerinnen, das Bacchantenspiel

hängt nur am kurzen Glück gepresster Trauben.

 

Wer wie einst Orpheus alle Schranken bricht,

läßt sich auch seine Schatten nicht mehr rauben -

dem wird ein Rendezvous kein frohes Ziel.

 

 

13.

 

Dem wird ein Rendezvous kein frohes Ziel,

der seine Leidenschaften nicht vergisst

bis jeder ferne Klang verloschen ist.

Wer trank nicht von Osiris Wein zu viel -

 

Uns bangt von Jarmos Schultern abzunehmen

die Hoffnungslosigkeit miot der es sich so schindet.

Er will sich nicht für seine Tränen schämen, -

für das, was uns dem fernen Mond verbindet.

 

Die Angst ist einsam und doch ungezählt -

Wie in der Wüste, wie auf See so weit.

Er gab nicht auf die bittere Passion.

 

Im allerletzten Augenblick des Leid

hat er sich nicht das leichte Glück gewählt:

Ihm wird das Abschiednehmen Obsession.

 

 

14.

 

Ihm wird das Abschiednehmen Obsession.

Den Schmerz, die Traum-Asche sieht er darinnen.

Wir wandeln nicht auf blauem Mondlicht-Linnen,

erinnern keinen ungesagten Ton.

 

Vergeblich mühten wir uns zu lobpreisen

die falschen Träume, welche zu uns kamen.

Dort ist kein Mensch, und alle diese Namen

sind blos die Leiden auf endlosen Reisen.

 

Nur Dunkelheiten, die uns rings umsäumen,

dem Auge feindlich, boten sie kein Ziel

wo keine Sonnenwinde uns umwehten.

 

Wir gingen weiter unsern Weg in Räumen

der Finsternis als unserem Exil -

Im Liebeskosmos gleichen wir Kometen.

 

 

 

Lunaria

 

 

1.

 

Du Perle, Edelstein der Himmelsstille,

an schneeiger Lagune Sternengrund!

In deinem Licht scheint jedes Antlitz jung,

selbst der Datura bist du noch ihr Wille.

 

Der müde Abglanz deiner Strahlen senkt

sich in die Herzen mit der Sucht nach Liebe.

Die Vollmondnächte früher Jahre blieben

den Mustern jeder Träumerei verschränkt.

 

Dein feuchter Glanz, die Schattenspiele, matt,

die sich auf Wände, Böden, Stufen legen

verleihen schlichtem Stein türkisnes Licht.

 

Gezahnter scheint noch das Platanenblatt

und sanfter sich im Wind die Zweige regen;

Du Göttin der Empfängnis, Traumgesicht!

 

 

2.

 

Du Göttin der Empfängnis! Traumgesicht!

Du Licht, das sich in unserm Schlaf entfaltet;

Verlockend wandelbare Vielgestalte,

Die mit der Unschuld auch das Siegel bricht;

 

Verführst zum Kuss, daß man ein Beben fühlt,

Durch Schönheit quälst du jedes unsrer Glieder

und nachts steigst du zum Junggesellen nieder,

in Tyll als Selenitin eingehüllt.

 

Die rauhe See muß sich dir zärtlich neigen.

Du bist des Dunkels Göttin und des Schweigens.

Du rührst uns an bis in die tiefste Schicht.

 

Das Meer schwillt an durch dich, der Mutterbauch, -

und leicht löst du der Kleider Gürtel auch:

Kristall der Liebe! Wir beschwör'n dein Licht!

 

 

3.

 

Kristall der Liebe, wir beschwör'n dein Licht!

Du bist der Schlüssel zu den Kupfersphären;

Durch dich entsteigen zottige Chimären

den Höhlen, ungestalt und fürchterlich.

 

Wie Psalmen klingt ihr teuflischer Gesang,

sie töten Hunde, um ihr Blut zu lecken,

sie haben Katzenaugen, Pantherflecken,

geflügelt scheinen sie und überlang.

 

Der Geister Fleisch: gewebt aus deinen Strahlen!

Die Backsteinziegel kannst du schroffer malen,

Die Ziegen-, Pferde-, Schaf- und Hundefelle

 

sind dir zur Nacht geweiht als Opferlohn.

Du schläfst im Weingeist und im schwarzen Mohn,

Du Herrscherin, Gespielin jeder Welle!

 

 

4.

 

Du Herrscherin, Gespielin jeder Welle!

Opalgekrönte, ewige Verbannte,

Als Himmelsbild der Yoni und bekannte!

An deiner Schwellung sich die Frauen quälen...

 

Auch wir die Fesseln deiner Liebe fühlen:

Dein Schoß, bevölkert von Medusenherden;

Zur Erde nieder steigen Meerschaumpferde,

um milchig jeden Feldstein zu umspülen.

 

Am tiefsten Grund geheime Strudel streiten,

als wechselnde Gewalten der Gezeiten,

die mich durch dich aus meinem Innern riefen.

 

Des dunklen Schmerzes schillernde Korallen

und alten Wissens Algen zu dir wallen...

Mit welcher Trauer, ach! Aus welcher Tiefe!

 

 

5.

 

Mit welcher Trauer, ach, aus welcher Tiefe,

wie sterbenskrank, in eigner Fäulnis siechend, -

herauf aus eiterigem Ausfluß kriechend

die Dünste, wie aus Bilenkräutern triefend:

 

Ein Fiebertraum, der schwül von Opium,

befällt wie feuchte Erde unsre Weiber;

der dunkel anfällt ihrer Freier Leiber

und bringt mit seinem Urteil alle um.

 

Durch blinden Schmerz der umgepflügten Brache,

durch stickigen Geruch der Bluteslache,

gezähmte Ozeane unsrer Adern,

 

durch so vieler Begegnung dumpfes Hadern

erwächst dir, was sich bisher mir verwahrte;

erwächst dir, was durch meine Kreuzweih nahte.

 

 

6.

 

Erwächst dir, was durch meine Kreuzweih nahte,

der Tiefe Blume, hast du Leidenschaft

in Götterleiber eingesenkt; Die Kraft

gabst du dem Fleisch und die Geschwister traten

 

in feindselige Lager auseinander.

Doch Opfergaben nimmst du an von allen...

Oh laß auch mich zu deinen Füßen fallen!

Dem stärkren Geist ist Schmerz umso bekannter!

 

Da sucht des Mondes spitz gekrümmtes Horn

den Weg nach unten auf der bleiern Fahrt

als zweigehörnte Göttin, Unsichtbare,

 

den Friedhöfen und Kreuzungen ein Born:

Im Zwilicht raucht das Pofer vom Altar

der blassen Diana oder der Hekate.

 

 

7.

 

Der blassen Diana oder der Hekate

drängt sich nun flehend meine Hand entgegen.

Erschöpft bin ich nun Zorn und Kampf erlegen.

Zeig dein Gesicht im leblosen Achat!

 

Dumpf grollend in rotglühenden Gewändern

gehst du, daß unter dir die Gräber beben,

du Dreihaupt, hältst den Schlüssel unsres Lebens,

zwei Fackeln, Dolch und Siegel in den Händen.

 

Aus deinen Augen Tod und Dunkel schwimmt;

am Scheideweg uns Wolfsgeheule trifft

und auf den Gräbern manches Licht verglimmt.

 

Erwachend in des Sees schwarzer Tiefe

zieht sich die Nacht, die mit dem Purpurgift

noch in den ungelebten Träumen schlief.

 

 

8.

 

Noch in den ungelebten Träumen schlief

die Sehnsucht. Wir erwachten aber, bange,

im Herzen eingebrannt das Wort der Schlange:

"Ihr könntet Götter sein!" als sie uns rief.

 

Des Stieres Sünde wurde unser Erbe,

und Wächterengel sind am Tor zugegen.

Wir irren immer weiter ab vom Wege;

Des Mondes Brandmal führt uns ins Verderben.

 

Hoch über uns, wie eh und je, zieht weich

und dunkel und von Leidenschaft geschunden

der Mond, der aus der Sternenkrone brach.

 

Doch aus der schwarzen Glut der tiefen Wunden

des Himels schauen uns Gesichter nach; -

Sie sind so süß - und ohne Trost zugleich.

 

 

9.

 

Sie sind so süß - und ohne Trost zugleich:

bewußtseinslose Träume dunkler Buchten.

Ich stieg hinab zum Grund der Schieferschluchten,

bis in den Abgrund diesem Himmelreich.

 

Die Sternenschar sich in den Himmel goss,

die Sonnenscheibe glänzend aufwärts schreitet,

steigt über die entfachten Gipfel, breitet

die Feuerflügel aus, so riesengroß...

 

Kein Dämmern. Weder Luft noch Wasser. Spat

nur schimmert hart, - und Quarzsand, - und Achat.

Kein Abendrot, auch nicht Auroras Bänder

erleuchten deines Himmels Nachtgewänder.

Unheimlich, launisch sind sie, ungehalten:

die Träume deiner diamantnen Falten.

 

 

10.

 

Die Träume deiner diamantnen Falten

sind ausgebrannt, - und unerbittlich stur

ist deiner Pfeiler, Bögen Grundstruktur;

Dein Bildnis von schwarz glänzenden Basalten

 

von Erz geädert wie der Echsen Schmuck.

Wie Wachs ergießen sich die Lavaflecken,

die sich zu tumben Ebenen erstecken.

Drei Mittage der dunkle Alpendruck

 

ließ deine Schmelze öd zu Bims erkalten

im Nimbus der gewalttätigen Tage Wahn.

Und in der Nacht, am Krater des Hipparch,

 

zeichnet die Volva einen Fixstern nach,

um zwischen Asche und Obsidian

den Schimmer deiner Meere zu erhalten.

 

 

11.

 

Den Schimmer deiner Meere zu erhalten,

erzählt von Raserei, von Kampfes Glut

dein starres Leid; dein sinnentleerter Mut

von eisigen und feurigen Gewalten,

 

existentiellen Stürmen „Ja“ und „Nein“,

von Meer und Sturm im kosmischen Disput.

Von der gespenstischen polaren Brut

Erlebt die Sonnenuntergänge keiner.

 

Vorm dunklen Zirkus Mare Tenebrarum

Gefror ihr Eifer an der Schlucht, und darum

Sitzt eine Schramme auf der Mondalp steil

 

Als letzte Spur des Himmels Richterbeil.

So bist du der skalpierten Erde gleich,

verbleibst als Schreckensmaske, tot und bleich!

 

 

12.

 

Verbleibst als Schreckensmaske, tot und bleich,

um zeitlos, passiv alles zu ertragen.

Den edlen Elfenbeinkelch einst zerschlagen

bist du heut der Chimären Totenreich.

 

Aus Engelsreihen trat auf neue Fährten

und forderte der toten Sphären Gott

Prinz Luzifer als neues Morgenrot,

Rebellenfürst im Himmel und auf Erden.

 

Er meißelte den Tod ein in das Sein,

schlug aus dem Fleisch das Ich, das sich erkannte

um den Gedanken Flügel zu verleihn,

 

wofür man ihn zum tiefsten Grund verbannte.

Gerippe bleibst du, unfertige Welt,

ein Schmerzensschrei, zu Schneeflaum ausgefällt.

 

 

13.

 

Ein Schmerzensschrei, zu Schneeflaum ausgefällt

bleibst du, in Wut und Stolz und Schmerz verwoben,

der, unter einem Wellenkamm zerstoben,

im Beben längst erloschner Sterne gellt.

 

Die Geister werden noch dein Zaumzeug tragen,

um deinen Gral voll Bittersalze schreien,

der seelen Golgatha wirst du noch sein

bis an das Ende dieser Erde Tage.

 

"Ich", Sterbende, erkennt das Höllenwort,

"zerreibe mit der Langsamkeit des Gifts

die Körper hier, die Seelen aber dort."

 

Als ein Vampir hast du die Welt im Griff,

saugst ihre Lebensfunken, wie's gefällt,

du Hungerleiche einer Anderwelt.

 

 

14.

 

Du Hungerleiche einer Anderwelt,

bist an die erde durch dein Los gebunden,

und jeder, dir durch steten Kampf verbunden

mit Wein auch Salböl, Asche, Salz erhält.

 

Doch noch am Tage des Gerichtes fühlen

wir wie die Ohnmacht und die Macht verwischt.

Gefangne Sonnen werden dann als Gischt

die Füße Yoshwa Ben Pandirs umspülen.

 

Als wir ihn noch in unsrer Mitte ahnten,

gefiel uns eins: ihm war auch Furcht zu eigen.

Du schautest weg. Wir stehn im Unbekannten.

 

Vor dem geheimnisvollen tiefen Willen

kann ich mich nur in Seelenruh verneigen,

du Perle, Edelstein der Himmelsstille.

 

 

 

 

Magistrale

 

Du Perle, Edelstein der Himmelsstille,
du Göttin der Empfängnis, Traumgesicht!
Kristall der Liebe! Wir beschwör'n dein Licht!
Du Herrscherin, Gespielin jeder Welle!

Mit welcher Trauer, ach, aus welcher Tiefe
erwächst dir, was durch meine Kreuzweih nahte,
der blassen Diana, oder der Hekate
noch in den ungelebten Träumen schlief.

Sie sind so süß - und ohne Trost zugleich:
Die Träume deiner diamantnen Falten,
den Schimmer Deiner Meere zu erhalten.

Verbleibst als Schreckensmaske, tot und bleich;
Ein Schmerzensschrei, zu Schneeflaum ausgefällt,
Du Hungerleichnam einer Anderwelt.

 

 

 

Dämmern der Krim

 

14

 

Odysseus auf der Krim

für Lydia Zinovieva-Annibal

 

Nach vielen Tagen auf dem Ozean

gen Ost, - und die gesetzten Segel schwollen -

fahr'n wir ins vorbestimmte Land voran,

in dessen Dunst die müden Wellen rollen.

 

Der Abend schaut auf uns noch karmesin

und es entrückt dem Blick in fernre Weite

ein Land das schläft: Die Berge schattend ziehn

mit ausgedörrten Wäldern an der Seite.

 

An den Altar Persephones wir treiben,

wo den still begrünten Quell erreichen,

mit Widen und Akazien. Wir streichen

die sanften Farne und die Zaubereiben.

 

Die düstren Sonnenuntergänge hatten

wir mit uns, rufend jeden Todesschatten.