Václav Z. J. Pinkava
*1958      Großbritannien / Tschechien

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In Nachdichtungen von

ZaunköniG

 



Im Vertrauen

Kein Wort kann dir noch etwas Neues bringen,
ein jedes ist gebraucht, ist Zweiter Hand.
Sogar die Melodien, die ich singe
sind aller Welt seit Alters her bekannt.

Kein Wort kann dir noch etwas Neues sagen
und selbst mein Schweigen wäre noch profan.
Die Stille haben andre ausgetragen,
vor unsrer Zeit verstummte unser Ahn.

Kein Wort das ich dir sagen kann ist neu.
Der tränengleiche Wasserlauf, die Spur
in der mein Denken aufgeht, folgt doch treu
dem alten Ziel. Neu sind die Wege nur,

das Alte, Ewige uns aufzufrischen.
Nichts steht in meinen Zeilen. Nur dazwischen.

 

 

 

Schlafenszeit

 

Kannst du nicht schlafen, ein paar Reime mach

auf "schlaflos". Vor dem ersten Morgenstrahl

schreib hin "Insomnia" nun hundertfach

und Müdigkeit befällt dich auf einmal.

 

"Bleib nach der Schule", sagt der Lehrer schlau,

"dann nimmt man dich für einen, der versteht."

Doch wie dein Haupthaar schütter wird und grau,

da lernst du endlich, daß die Zeit vergeht.

 

Da ist kein Zweifen, alle Zeit ist kurz.

Bis auf die Nacht, ruft dich die Einsamkeit

bei ihr zu weilen. Bist du nun bereit

als Astronaut zum schwerelosen Sturz?

 

Unzählbar sind die Sterne, wie die Schafe;

davon erschöpft wird es auch Zeit zu schlafen.

 

 

 

Post hoc

 

Punkt Mitternacht, des Phönix Tag Geburt;

Den Scheitelpunkt im großen Zeitenbogen

berühren wir nur unvorstellbar kurz;

ein Messer, das an Cäsium abgezogen.

 

Von kleinsten Rädchen bin ich bald verschlissen;

zerfasern sich in mir die Telomere,

so werd ich irgendwann mal fortgerissen,

ein Rumpf und keine Karte für die Fähre.

 

Wo ist nun der Gewinn so vieler Schritte,

der Gipfel, den ich ehrfürchtig erklomm?

Und welcher Taumel stürzt in meine Mitte?

Wer vor mir wurde schon genauso fromm?

 

Ich trau der Zeit, nun mein Geschick zu lenken;

dies ist der Augenblick um nachzudenken.

 

 

Verhältismäßig

 

Irgendwann wurden die Bindungen schwächer,

auch ohne, daß wir je die Ursachen kannten.

Es braucht keinen Dolchstoß, vergifteten Becher,

keine Fallstricke, ausgelegt von Intriganten.

 

Es braucht allein zwei dazu; auf beiden Seiten

sind die Gründe, um sich zu verschließen verwandt.

Wir fürchten nicht die kleinen Unehrlichkeiten;

so gut sie versteckt sind, sie sind uns bekannt.

 

Wenn man Eleanor Roosevelt interpretiert:

"Du hast die "Erniedrigung selbst akzeptiert",

gehören wohl zwei dazu. Wer hat nun Grund,

 

daß er über den anderen Urteile fällte?

Die Urachen sind oft den Blicken entschwunden;

bei globaler Erwärmung, wie menschlicher Kälte.

 

 

 

Auf dem See

 

Im Nebel schließt der Frost die Bläschen ein,
hält sie verwunschen im Kristall gefangen.
Sie ist heut wie ihr eigner Widerschein
von hellen Sternenbildern überhangen.

Ein Mann schiebt sich auf Kufen sacht heran,
bedacht ob er sein Gleichgewicht verliert.
Sein Weg auf dieser Spiegel_Eislaufbahn
wir Schritt für Schritt als feiner Riss notiert;

Das Eis trägt ihn hinfort, es knirscht, und splittert
um ihn vor zuviel Übermut zu warnen.
Er läuft und läuft in furchtlos großen Schritten
auf der verhängnisvollen Eislaufbahn.

Doch überm See lockt gleißender Azur.
Ein Kufenpaar zieht einsam seine Spur.