1806-1893 USA
ZaunköniG
Heloïse an Abélard
Muß ich nicht lieben? - Wollte mein Herz springen
mit jedem aufgeregten Puls dir bei,
solls stehenbleiben? - Ist der Geist nicht frei?
Kann Menschenfessel die Essenz bezwingen?
Kann es mit Drogen, kanns durch Bann gelingen?
Ich muß dich lieben. - Ich will dankbar sein,
Wie Todgeweihte knien auf blankem Stein,
werd ich den Kelch von meinem Blut dir bringen
und am Altar zum Sterben niederfallen.
So laß mich knien; eine Reine sinkt,
das Herz voll Lieb, der Mund in Psalmen spricht,
werd willig ich aus allen Himmeln fallen.
Wenn dieser Seufzer auch mein Leben trinkt;
Ich will dich nur still lieben, darf ich nicht?
Poesie
Kein Hauch Gefallsucht weht in mir; ich knie,
o Göttin allerhöchster Kunst vor dir.
Ich komme nicht in eifernder Manier
zu dir, o himmelreine Poesie.
Du bist von mir mit Geist- und Liebeszügen
gefühlt seit Anbeginn von Zeit und Erde.
Du zeigst uns, seit uns Mond und Sonne werde
so tiefe Freuden, - zu tief für Vergnügen.
Ich war dein Kind, noch ehe meine Zunge
Gebrauch zu infantilem Ausdruck kannte.
Und nun, da ich die Harfensaiten spannte
und manche disharmonisch wohl geklungen,
weiß ich, wenn auch mein Liedchen falsch erklingt,
du schmähst das Opfer nicht, das man dir bringt.
Der Barde
Dem Herzen muß die Müh vergeblich sein,
mag es den Puls auch zu verstecken suchen,
mag es der andren härtren Schlag verbuchen,
bleibt fühlbar dennoch nur die eigne Pein.
Dem Geier ausgeliefert, an den Stein
gekettet. Allezeit sein Schnabel voll,
daß Schmerz erst mit dem Leben enden soll,
prägt der uns eigne Melodien ein,
um schwachen Abdruck unsrer Qual zu geben,
der Herzen rührt. Und edle Geister neigen
sich ehrfürchtig. Seit dem gehör'n in jeder Zeit
dem Barden seine Lorbeern, doch sie zeigen
kaum mehr den Schmerz. Er bräuchte Brot zum Leben,
doch stellt man Stein nur auf, so hoch und breit.
Sind wir für dieses Leben hier
geboren,
beständig nur Phantomen
nachzujagen,
und alles was wir fassen zu
beklagen,
weil wir es, bereits greifend,
schon verloren?
Als ob im Kuß das Irdne sterben
muß.
O Leben, hast du keinen
Freudengruß?
Verlockt nur Unerreichbares den
fuß?
Füllt Unerreichbares nur unsre
Brust,
Das stets den Sinnen ihre Ruhe
raubt?
So ist das Leben! Niemand
siehst du siegen,
nur immer neues Klagen oder
Scheitern.
Es ist ein Test: Wer stärker an
sich glaubt,
wird weiter vorwärtsdrängen,
aufwärtsfliegen.
Das Jetzt macht dich nicht
satt,
noch
kann's den Geist erweitern.
Religion
Allein mit sich das Herz, doch nicht allein,
schwelgt es so gern über verborgnem Harm,
als seiner kargen Freude. Seltsam warm
umhüllt es tröstlich bald sein eigner Schein.
So mancher hat den Punkt schon überschritten
und Funken sprühten aus vergangnem Schlag,
um uns zu zeigen, was dort vor uns lag,
wofür die Weisen und die Guten litten:
Der weinte, betete, den zogs in Fernen.
So der Pilot, der Tiefen schwarzen Raumes
unfehlbar mißt im Abgleich mit den Sternen.
Er nimmt den Weg, der keinem andern glich,
und erntet für den Mut die Frucht des Traumes.
Er bleibt auf Kurs und läßt die Küste hinter sich.
Mir träumte die vergangne Nacht
ich lag
in meinem Grab. Ich lag ganz
still und tief.
Mein Geist litt dort, wo meine
Asche schlief.
Es war ein Alptraum - und ich
denk ich mag
dort vorgefühlt so manche
Wahrheit hören.
Die Jugendträume sterben
allesamt.
Die Hoffnung und die Sehnsucht
sind verdammt
sich zu ergeben irdischem
Zerstören.
Von allen Eitelkeiten
reingewaschen,
wird uns doch manche Täuschung
wert und lieb
die einst die Erde birgt. Von
allen Dingen
rührn uns zu Tränen, die
verbrannte Aschen,
für die die Erde als ihr
Schrein verblieb.
Uns beugt die Furcht im
Schatten dunkler Todesschwingen.
Ich flöge nicht wie du zur
Einsamkeit der Föhren.
Sommer-Morgen
Der Sabbath-Morgen ist erwacht und flocht
den Sonnenkranz. Die Männer suchen Muße;
Sie waschen ab des Werktags Schweiß und Ruß
und legen an der Quelle ab ihr Joch.
Durch Malven, Kapuzinerkresse, Winden;
umspielend, schattet lind manch zarte Blume
das Landhaus-Fenster. Die erwärmte Krume
am Bohlenweg die Sonnenstrahlen finden
und ein florales Maßwerk blüht im Glanz.
Selbst Kinder faßt dies innre Glimmen ganz;
Die Mutter, aller Müh'n der Woche bar,
sitzt voller Grazie in ihrer Schar
und singt zum Sabbath die vertrauten Weisen,
als ob mit ihr die Seraphim lobpreisen.
Todesstrafe
Denkt besser von den Menschen,
ihr, die wagt
zu stoppen eines Herzen warmen
Fluß.
Ihr spürt nicht ihre Angst und
wie verzagt
sie sind, wenn ihre Seele
scheiden muß
aus ihrer Wohnstatt. Aber die
Tortour
bringt sie nicht ab von ihrem
schiefen Weg,
und das Verbrechen bleibt in
der Natur,
das sie auf eine lange Zeit
befleckt.
Nein, wir nur, wie sie
eingepfercht in Kammern,
spür'n eignen Schmerz bei
unsresw Nächsten Qual.
Des Pulses Pladoyer wollt ihr
verdammen,
doch überlaut klingt's, wie ein
Hornsignal:
Das Unrecht bleibt ein Unrecht.
Solchen Schmerz
fühlt, angesichts des toten
Bruders, jedes Herz.
Nächstenliebe -
Verzweifelnd an der Gerechtigkeit
Verzweifelnd an der Menschen Niedertracht,
in der die Bosheit überdauern kann,
schrei ich nur um Gerechtigkeit, - denk' dann
dass dies normal sei bis ich - neu bedacht -
doch Demut lerne. Langsam wächst das Licht
in mir - aus tiefster Treue steigt's empor