Jan Kasprowicz
1860 – 1926 Polen
In Übersetzungen von
I.
Die Katen reih'n
sich auf den Schwemmsandwellen,
der Garten ist mit Kirschbäumen besetzt;
Das Silber der Korbflechterweiden blitzt
an Scheunen oder flachen Rinderställen.
Der morsche Zaun verfällt und an den Rändern
des Weilers brüllen abgespeckte Kühe.
Die Mägde winden Kränze in der Frühe,
in bunten Kleidern und Korallenbändern.
Euch graue Katen muß ich elend wähnen;
mein karges Leben muß euch ähnlich scheinen,
daß doch genauso freudlos ist und schlicht...
So reich ist die Erinnerung für mich. -
Erinnerung, - was muß ich um dich weinen...
Genosse Zeit, wann tilgst du meine Tränen?!...
II.
Dort hinterm Dorf,
wie schon zur Väter Zeit
sieht man die reifen
Weizenähren wogen,
die goldne Gerste, Hafer und den Roggen
im Wind wird das
Getreide weit und breit
geworfen. Kann man
dort ein Stöhnen wähnen?
Und auf den Straßen
wirbeln Staub und Sand.
In Nesseln ächzt ein
Kreuz am Wegesrand
als ein Symbol der
Ängste und der Tränen.
Oh großer Gott! Oh
Christus! Unser Herr!
Die Früchte, die uns
dieser Acker schenkt,
die Garben, die noch goldner, dicker sind,
sie rauschen so
vergeblich wie der Wind,
der sich so traurig
auf den Acker senkt.
Für Blut und Schweiß
gab er die Ähren her.
III.
Sankt Kasimir - komm, Kibitz, bald zurück;
und Storch, du klappernder Sankt Adebar,
Die Sonne brennt, durch Disteln huscht der Star
und Lerchen trällern früh ihr frohes Stück.
Die Kinder toben auf dem Feld zu ärchen
und balgen sich im frischen Wiesenkraut;
die Mädchen rings im Kreise kichern laut -
"Wahrhaftig! ja! es ist ein echtes Märchen!"
Der Frühling! - Alle Lebensgeister wachen,
der Himmel blaut, die Sonnenblumen lachen.
Auch diesen Bauernhausern ist nichts fremd
Auch hier schlägt höher manches Menschenherz.
Birgt sich darin auch mancher Gram und Schmerz,
spannt doch die Brust noch manches alte Hemd.
IV.
Der Tag des Herrn...
vom Glockenklang geweckt
hat sich das Volk zur
Kirche aufgemacht.
Der Knecht geht
feierlich in blauer Tracht,
mit einem Reiser an
den Hut gesteckt.
Ob man zu Hochzeit
oder Taufe läutet?
Nein: Kreuzerhöhung.
- Und das Herz ist schwer
vor Hitze, Dürre,
Tränen rings umher...
Was, außer tiefem
Glauben, hilft noch heute?
Die Bauern fallen
zeitgleich auf die Knie:
"Schütz uns vor
Feuer, Krieg und Hungersnot.
Laß
uns ein wenig Zeit, uns zu erholen, -
Laß
unsre Sorgen rasch vorüberziehn."
Es klagt mit einer
Stimme - Oh mein Gott:
die heilig armen
Menschen, meine Polen!
V.
Wie auferweckt ist
unser Dörfchen wieder.
Was duftet denn so
frisch hier allerseits;
Die Alten, wie die
Mädchen tragen Kreuze
von Rade, Raute,
Kornblumen und Flieder.
Jan tauft im Wasser
aus dem Auegrunde
und tötet Unkraut,
das im Gift ertrinkt.
Johannisfeuer
brennen, Jungen flink
entzünden auf dem
Feld vorm Dorf die Bunde.
Da werd' ich einen andren Brand
gewahr:
Der Roggen rauscht,
es riecht nach Rüben-Rauch,
Dem Mädchen Sterne
als Verheißung glüh'n.
Nach Jahren ist der weg noch immer grün,
doch sie schmückt nun
als einzige ihr Haar?
Sie Sterne sinken,
sinkt die Hoffnung auch?
VI
"Was? Wirklich? ... Nicht doch! Das ist
doch bloß Schmu!..."
"Bei meinem Leben! Es ist nicht gelogen:
Der Nebel ist von Vorzeichen durchzogen -
Sie sehen, Kobis
Geist kommt nicht zur Ruh.
Und als Bartkowej in
das Haus nach oben
ging, sah er das heilge
Kreuzeszeichen und
die beiden Kohlen! und den schwarzen Hund!
Ich stell mein Los nicht zweimal auf die
Probe!"
So plaudern sie, und Regen schlägt ans
Fenster,
der sich ins Knarzen alter Türen mischt.
Im Hof der Hund heult und die Winde jammern,
bis auch das Feuer im Kamin verlischt.
Der Nord drückt in die kleine enge Kammer.
Die Furcht kommt just zur Stunde der
Gespenster.
XIV.
Ob's montags heiter
ist, ob's regnet: immer,
sofern man etwas zu
verkaufen hat,
schafft man
Gemüsebündel in die Stadt;
Die Boote tanzen auf
dem Silberschimmer...
was soll die stete
Litanei beweisen?!
Wir feiern lieber
unsre Frauenzimmer,
die, in der Not wie
Drosseln singend, immer
noch um die Kleidung
sorgen für die Waisen!
Und heute eilig an
den Bäckerlauben
für ihre Kinder
kaufen etwas Kuchen,
dazu noch Salz und
ein parr Scheffel Graupen.
Wie wild die Kleinen
durcheinanderrennen!
Und, ach, wie sie,
als sie nach krumen suchen,
sich an der heißen
Ofentür verbrennen.