Jonathan Howard
Israel
ZaunköniG
Beethoven
Drei Uhr in der Frühe schon
unsanft geweckt,
weil der schwankende Vater
durchs Schlafzimmer schrie,
wurde Ludwig bestimmt ans Piano
geschickt,
daß er spiele [i]Das
Wohltemperierte Klavier[/i]
Der Vater befahl ihm: "Die
Fuge b-moll!"
Ein Wunderkind aufzuziehn var
Vaters Plan,
der zum Amadeus so fortschreiten
soll,
und trieb seinen Ludwig zur
Höchstleistung an.
Gehörlos dann, fünfzehn Jahre
darauf,
Ludwig war seines Lebens schon
müd, formuliert
er sein Testament auf ein
schlichtes Papier,
an Carl, der nie anwesend war,
addressiert.
Sein anderer Bruder keine Zeile
bekam;
Eu teilte mit Johan nur noch
seinen Namen.
Diminuendo
Dies ist der Kern der Neunten,
wenn der Chor
erdröhnt und Ludwig treibt den
Stock im Takt.
Die Lyrik Schillers hebt den
Geist empor,
dann - plötzlich Stille, die
die Leute packt.
Und stürmisch steigt der
Beifall aus der Menge,
ja, selbst die Pärchen aus dem
Publikum
reißst aus den Sitzen. Mitten
im Gedränge
bringt Ludwigs Schweigen die
Sekunden um.
Die erste Geige hat ihr Spiel
beendet,
läßt Instrument und Bogen
sinken, stehend
nun seinem Dirigenten
zugewendet.
Beethoven, reglos auf den
Trubel sehend,
weiß, Gott hat ihn um jedes
Glück beraubt.
Und Ludwig weinte, weil er
schon ertaubt.
Coda
Es rief einst Emi bei Herrn Cutner an,
der größte in der Platten-Industrie.
"Es reichte uns zur Freude, nähmen Sie,
die Bitte, noch einmal zu spielen, an.
Zur Zeit sind Sie der beste Interpret
von Beethoven - Und meine Garantie:
Sie haben völlig freie Hände, wie
die Zweiunddreißig durch sie neu entsteht."
Nun eine Unruh auf dem Zyklus lag,
Sein Klang die Strenge zu verlieren droht,
bis der Akkord zu früh ersterben muß.
Unvorbereitet traf ihn da der Schlag,
der ihn urplötzlich lähmt von Kopf bis Fuß
und keine Platte zuließ bis zum Tod.
Wunderkind
Mit sechzehn führt nach Wien
ihn eine Reise
und er gelobt dort strengen
Unterricht
um sich im Spiel vor Mozart zu
beweisen.
Er schaut die Bühne und ist
drauf erpicht
den Meister zu erstaunen:
Ludwig saust
die Tasten auf und ab. - doch
Mozart schweigt
und zieht nur seine Oberlippe
kraus.
Er schüttelt seinen Kopf. Er
hat's vergeigt.
"Gönn' dem Klavier, daß es
'mal etwas ruht!"
ist ein gegebnes Thema noch so
gut,
vom Mittelmaß wird es zu leicht
erdrückt.
Beim Heimweg sinnt er ein ums
andre Mal
um Mutters nun beschleunigten
Verfall
und
Mozarts Taubheit für sein volles Stück.
Fidelio
"Nicht
stören!", aber jäh die Türe sprang
und Ludwig stürmte rein. Er brüllt empört:
"Ihr Murren hab ich hinten noch gehört,
Dies war der miserabelste Empfang!"
Herr Schickaneder muß sich wieder raffen.
Nun schau'n Sie doch, Napoleon aufmarschieren;
Vor Köchen spielen wir und Offizieren;
Die Zauberflöten wirken nicht auf Waffen."
Er hätte Mozart nicht erwähnen sollen,
wußt er doch Ludwig um die Mode grollen.
Der nahm das Stück zurück, so jäh gestört,
und gab die ganze Partitur verloren.
Noch lange tönte er in ihren Ohren,
doch huntert Jahr hat's niemand aufgeführt.