Frederik van Eeden
1860 – 1932 Niederlande
In Übertragungen von
ZaunköniG
Ellen
II
1
Nach oben schweift der Mensch, und sein Bestehen
ist eine Flucht. Breitflüglige
Akkorde
sind mir mein Boden und Vertrauen geworden,
die mir zum Trost zu meiner Liebsten gehen.
Verzag nicht! menschen
sollen nicht verstehen;
Schön hebt das Rauschen an der
Flügelhorden.
Der Mensch ist klein und hoch die Lieder wehen.
Sie können sie nicht fassen, noch ermorden.
So geh denn schnell, mein Sang, mein
Abgesandter!
Bring Trost! Mein Liebchen hat so viel
Beschwerde.
Die Nacht ist kalt und dunkel ist das Land.
Oh, du mein armes, mein verlassnes
Lamm!
Ihm ist so bang, es blökt nach seiner Herde,
ob sie es holt, die noch nicht wiederkam ! ?
2
Lass mich
begreifen, Herr! Siehst du denn nicht:
Die Lippen trocken, meine Augen nässen
vom bangen Suchen. Ich will doch nur wissen,
Was ist dein Plan? Doch du enthüllst dich
nicht!
Hör weiter zu, was mich so schlimm verdriesst.
Das Schönst'
vernichtet, Edles weggeschmissen,
die Seel verkauft, das Herz hinausgerissen,
dass ich, bei Gott, das Liebste selbst
verstieß.
Ich bin für dich bereit, mein Souverän!
Was kann ich mehr? Die Liebe ist verloren.
Sie wird verwelken und im Guten gehn -.
Selbst dies hab ich, o Gott, für dich getan!
Soll ich dann deine Stimme nicht mehr hören,
ob dies die Wahrheit ist, und deine Bahn?
3
Kannst du
noch grauser schlagen! - Gott!, mein Gott!
Sieh ich
bin stark, und brechen soll ich nicht.
Doch lässt
du deinen Diener leiden, weil er dich
so lieb
hat? sich ihm oben Freude bot?
Aufs
Menschsein soll ich keinen Fluch verwenden,
in deinem
Namen sollte ich nicht klagen.
Muss ich
auch unermessne Leiden tragen,
nehm ich das Leben an aus deinen
Händen.
Doch
schreibe auch die Kehrseit meiner Sünde:
dass
dieses Menschenkind ins Elend fällt,
so tief
verloren in die Nacht von Trauer.
Der Kreis
der Leiden hat sich ihm geründet
und es
kennt schon das Bitterste der Welt,
doch stirbt's nicht und sein Lebensmut will dauern.
4
So ging
ich durch die Welt, voll Eifer hassend.
Nun gehe
ich in Liebe, das ist mehr!
Aus Liebe
sind wir und in Liebe kehr
ein jeder
heim, die ewge Hoffnung fassend.
In Stolz
hab ich das Menschenvolk geschmäht,
doch du
bist auch ein Mensch, Lieb, die ich ehre.
Und deines
Körpers Leiden und Verzehren
macht, daß mir aller Menschen Schuld vergeht.
Ich saß
auf meinem Thron von Schwarz und Gold,
kalt
glitzernd, von dem harten Hass umnachtet,
der
ständig fordert, höhnt und stur verachtet.
Ich sah
dein Liebeslicht, so schön und hold,
dein
schönes Antlitz und den Glanz der Schmerzen
im
Flammenschein von Gottes brennendem Herzen!
5
Aus deinen
Schmerzen kommt es, dass ich weiß:
Gott ist
ein Gott der Leiden, nicht der Lust.
Er ist der
Schmerzensmann, und wen er küsst
muss
grausam bluten, aus den Wunden heiß.
Du hast
ihn lieb, mein Lieb, und bist bereit
zu tragen
ohne Stütze und Gerüst.
In dir
wird sich der Weltschmerz selbst bewußt, -
Inkarnation
von Gottes eignem Leid.
Wenn dies
nicht wahr ist, kann ein Gott denn sein,
der weinen
lässt die demütigen Augen,
der treue Lieb schlägt mit so
harter Pein
und in der
seelgen Allmacht thronen kann?
Er sei
verflucht als widerliche Lüge
und
Schande fiele seine Allmacht an!
6
O Seele!
die an meine sich gebunden,
von meiner
Hand glaubt, dass sie heile macht,
doch diese
Hand hat unheilbare Wunden
und
schweres Weh zu spüren beigebracht.
Und doch
hab ich die Bindung nicht geschunden,
geduldig
minnend, ohne Schmach und Reue.
Nun ist
fürwahr für wunderlich befunden
der Liebe
Kraft und unsre große Treue.
Oh großes Herz,
das mehr um mein Leid litt
als um
sein armes Selbst, - und doch bekam
dies
schönste Kleinod einen harten Tritt.
Nun gehst
du neben mir und dein Erbarmen.
Du kühlst
mein Haupt, stützt meinen müden Schritt
in dieser
Wüstenei, so dürr und warm!
7
Weh mir!
Weh mir! Kann ich dem Drang bestehen,
in Kampf
zu treten mit dem starken Mann?
Zwei hohle
Augen die mich höhnend sehen
erwägen
wohl wie es geschehen kann.
Kalt-grausig
schaut er meine Torheit an, -
den
kleinen Menschen - soll er's kurz ertragen,
dann reißt
er ihn aus seiner Ruh - und dann
wird er
die Klauen in dein Herzfleisch schlagen!
Ein jedes
Leben ist ihm ganz ergeben,
so tilgend
unsre Schuld vom Sündenfall, -
dein Leid,
das dir durch meine Hand gegeben -
wird ewger Friede, ein für allemal.
Kann ich
dir vorwerfen zu ihm zu streben,
dem
Liebsten, der dich nicht verlassen soll?
8
Dabei ist
Leiden besser als der Tod, -
Für gar nichts ist das Menschenherz
verschieden.
Der Brand der Seelen ist das Morgenrot,
woraus licht tagen soll der Himmelsfrieden.
Des Vaters Zweifel, Streit und sein Verfehlen
wird in den Kinderherzen ausgestritten.
Er wird verherrlicht durch die Not der Seelen
von Märtyrern, die ihm zur Ehre litten.
Bedenke, Kind! Willst du ums Sterben fragen,
dass Tote Gott niemals die Ehre geben.
Doch Schlechtes, wie das Leid zum ew'gen tragen,
die lieber tot sein wollen, als zu leben.
Er ist ein Gott, der mit sich selbst im
Streit,
und der soll heile machen all dein Leid.
9
Schön
schaurig wird mein Leben als Geschichte,
voll
Blüten, die der Leidensbaum verschwendet.
Daran sind
meine Worte und Berichte,
mein
Seelenklingen allezeit verpfändet.
Oh
Schmerzenslilie bleichender Opale
von
Leiden, glänzend mit dem rotgoldenen Rand
von meiner
Liebe! Alabaster-Schale,
in welcher
aufsteigt unentwegter Brand
der
Opferflamme in dem klaren Licht!
Du bist
mein Gotteslamm und mein Altar.
Mein
liebstes Gut hab ich dem Herrn geweiht.
Die
Feuersäule, Leitstern wunderbar, -
Mein
Marmorfels, wo fest verankert liegt
der Glaube
an des Menschen Herrlichkeit.
III
9
Könnt ich nur allzeit fühlen was ich weiß;
daß niemals Heil wird ohne Schmerz geboren,
daß nie ein Herz soll werden auserkoren,
das nicht in Flammen stünde, loh und heiß.
Ach, daß das schwere Herz zu leugnen sucht
die Wahrheit, die ich selber konnt erblicken
und nicht vermag den Zweifel zu ersticken,
im Unrecht noch sein eignes Leid verflucht!
Erinner dich, Herr, wie die Last dich mühte
Du weißt es noch, wie so ein Leid beschwert.
Mach also, daß es nicht zu sehr bedrücke,
daß nicht mein schmerzverblendetes Gemüt
bald aus Verzweiflung aufbegehrt
und schlägt die steinern Tafeln noch in Stücke.