Catherine Chandler
Canada
In Nachdichtungen
von
ZaunköniG
Vermisst
Für Cédrika
Es war wie jeden andern Tag zuvor:
Du standest auf, riefst deine Freunde an,
umarmst mich rasch und los gings mit Elan
zum Park Chapais, wo sich die Spur verlor.
Man fand dein Rad. Es suchte dort ein Mann
sein' Hund, hat sich Vertrauen so erschlichen.
Dir tat er leid, dem andre ausgewichen,
soviel man nach 10 Jahren sagen kann.
Was ich mir vorstell ist nicht zu verzeihn;
Ich hoffe fast, du könntst gestorben sein,
doch gibt's die kleine Chance, du lebtest, irgendwo,
und kommst einmal zurück nach haus. Und so
beende ich das längst Vergangne nicht,
bleibt offen meine Tür und brennt das Licht.
In Julias Garten wuchert gar
nicht wild:
Der Phlox, die Freesien steh’n
wohlbehütet;
Kein Rainfarn wächst hier,
keine welke Blüte
Verdirbt hier je das
kultivierte Bild.
Im Garten Kolibris
und Bienen leben,
die reichlich Nahrung für den Sommer
finden.
Im Ahorn hängen ihre Fettgebinde,
für die die Gäste Lieder
wiedergeben.
So war’s nicht immer: Löwenzahn regierte.
Egal ob es nun Lenz, ob Erntezeit:
In guter Zeit sie sich nicht
interessierte
fürs Wetter oder ihren
Fruchtertrag.
In Julias Garten alles gut
gedeiht,
als Schirm vor allem, was da
kommen mag.
Der Mond ist wieder voll. Ein
Eisesgitter
krallt sich ans Fenster. Die
gefror'ne Kruste
des Lac St-Louis glitzert,
glänzt und flittert
wie perlbestickt in dieser
Nacht. Es mußten
bald 20 Grad sein und ich
suchte Worte
der Wärme: Guaranis hatten mehr
der Schmetterlinge und der
Vogelorte.
Mein eigner Zug ist einen Monat
her.
Inzwischen zieht erneut vorbei
der Mond,
der Menschen Unbeständigkeit
gewohnt,
zu preisen jeden anbrechenden
Morgen
und hält, was er dem Tidenhub
versprochen.
Wie in den letzten Nächten gilt
mein Sorgen,
mich in den Lenz zu mogeln. -
noch vier Wochen.
"Narr," sagte meine
Muse zu mir, "Sieh in dein Herz und schreibe."
--Sir Philip Sidney, Astrophel and Stella
So suchte ich, doch es war nur
zu sehen:
Ein leerer Raum. Es liegen in
der Luft
der früheren Bewohner
Orchideen-
Lehen. Still hängt noch der
alte Duft
in allen Ecken. Immer wieder
dreht
sich hier mein Schlüssel, wo
das Grab einst war,
das schon durchsucht ist,
ausgeraubt, verweht...
Wie ich hier grabe, grübe nur
ein Narr.
Soweit die Gründe, Sir, doch
hör'n Sie bitte
zu guter letzt, was ich im
Herzen fand.
Sie hatten den Beweis schon in
der Hand -
Ich habe ihn benannt und
eingetütet,
Ich hab ihn aus dem Leib
herausgeschnitten
und barg die Jamben, die das
Herz gehütet.