Vittoria Colonna

1490 - 1547

 

In Übersetzungen von:

Alfred von Reumont

 

 

 

Giovanna d’Aragona

 

„Der Geist, gewohnt zu schau’n das helle Licht,

Das Wahrheit treu sein inn’res Auge lehrt,

Sobald er merkt wie ein Gedanke kehrt,

Der nicht zu gleichem Ziel strebt, will ihn nicht;

 

So wie der stolze Vogel der in Sicht

Der Sonne schwebt, ein schwaches Kind nicht werth

Der Pfleg’ erachtet, sondern ihm verwehrt

Des Nestes Hut mit herrischem Verzicht:

 

So ziemt es mir nicht, dieser Frau, der hehren,

Die Himmels Zorn und schlimme Welt besiegte,

Ruhmreiches Thun mit würd’gem Sang zu lohnen.

 

Drum sagt ihr Andern, wie sie neue Ehren

Zu denen ihrer hohen Ahnen fügte,

Und heller leuchtet zwischen ihren Kronen.“

 

 

 

 

Mit solcher edlen Flamme hat umwunden

Mich Liebe, daß der Zeiten Flucht nicht kränkt,

Daß vor dem keuschen Trieb, drin ich versenkt,

Jedwede Neigung meiner Brust entschwunden.

 

So fest hält mich das süße Joch gebunden,

Daß nied’rer Ketten nicht das Herz gedenkt;

Durch Furcht nicht noch durch Hoffen wird’s gelenkt,

Dem einen Band und Feuer treu befunden.

 

So tief hat mich der scharfe Pfeil getroffen,

Geschnellt vom Bogen, daß die Wunde offe

Mir gegen neues Sehnen Scirm geboten.

 

Die Fackel löschte Lieb’, wo sie entbrannt,

Zerbrach den Bogen, einmal straff gespannt,

Zerriß, den sie so fest geschürzt, den Knoten.

 

 

 

 

Welch friedlich Meer mit rein krystall’nen Wellen

Hat mein gesichert Fahrzeug einst durchzogen,

Mit reicher edler Last geschmückt die Wogen,

Umhaucht von reinen Lüften und von hellen!

 

Der Himmel, feindlich heut’ des Lichtes Quellen,

Ließ mild es leuchten da an seinem Bogen;

Schien anfangs so der Fahrt das Glück gewogen,

Wie leicht kann vor dem Ziel der Kahn zerschellen!

 

Das Schicksal, wandelbar und grausam, zeigt

Sein zornig Antlitz plötzlich im Entfalten

Des wilden Sturms den es heraufbeschworen,

 

Wo alles Unheil zu mir niedersteigt,

Da Blitz und Winde um die Wette walten –

Doch bleibt mein treuer Stern mir unverloren.“

 

 

 

 

Den Blick zu meiner Sonne fest gekehrt,

Hätt’ Eurer Aar glorreiches Ziel errungen;

Zu ihrer Sphäre freudig aufgeschwungen,

Hätte sein Fittig zwiefach Kraft bewährt.

 

Nun mit dem Licht ist Hoffen ihm verwehrt,

Da hellem Glanze folgten Dämmerungen;

Seht, wie der erste Eifer ist verklungen,

Wie nicht das Höchste mehr der Flug begehrt.

 

Triumphe wohl, Trophä’n und reiche Beute

Um ihn gereiht von so viel Siegeszügen,

Entzieh’n der Nacht, was sonst ihr fiel zu eigen.

 

Am Tag, dem letzten, strahlet in die Weite

Noch hell sein Ruhm, doch, schwer verletzt, zum Fliegen

Hebt er die Schwingen ohne aufzusteigen.

 

 

 

An Papst Paul III.

 

Von Schwertern seh’ ein Leuchten ich und Speeren

Auf meinen Fluren, Freund’ verkehrt in Grauen,

Gesang in Jammer, Argwohn statt Vertrauen,

Wo ich als Kind vernahm die ersten Lehren.

 

Verkünd’ in heil’gen Werken und in hehren

Den milden Sinn auf den wir, Vater, bauen,

Im Mantel dem glorreichen laß Dich schauen,

Als dessen Träger wir Dich fromm verehren!

 

Wir sind ja doch, wenn nicht die Wahrheit trübt

Dein Zorn, die ältesten von Deinen Söhnen,

Als solche von den Guten längst geliebt.

 

Dieselbe Stadt erzeugte uns’re Ahnen,

Die süße Heimath sollte uns versöhnen,

Der Himmel über uns zum Frieden mahnen.“

 

 

 

Zum Tode Gasparo Contarini

 

Kaum seh’ von fern’ ich sprießen frisches Laub,

Der Hoffnung Grün verkündend Frühlingsblüthen,

Dem Herzen stete Trauer zu verbieten,

So gibt auch schon der Tod ihm nicht Verlaub.

 

Die edle Seele, nied’rer Regung taub,

Die uns entschwand zu himmlischen Gebieten

Dieweil hier unten wir uns angstvoll mühten,

Den Wellen zu entreißen ihren Raub;

 

Sie konnt’ des Tibers alten Glanz erneuen,

Das Vaterland, das ihren Weth bezeugte,

Durch langersehnte Segnungen erfreuen,

 

Am Tag wo sie auf ihrer Ruhmesbahn

Verdienst und Lohn in schönem Bündnis zeigte,

Mit Petrus’ großem Mantel angethan.“

 

 

 

 

Von Schilf so voll ist und von Schlamm und sand

Dein Netz, o Petrus, daß, von Wind und Wellen

Auf allen Seiten wild umtobt, zerschellen

Und sinken kann dein Schifflein fern vom Strand.

 

Leicht wiegt’ es einst, gelenkt von fester Hand,

Auf Fluthen sich, auf trüben oder hellen;

Jetzt rechts wie links, und vorn wie hinten schwellen

Die Wogen um das schwere unverwandt.

 

Der Dir gefolgt, durch höhern Rath erkoren,

Mit Geist und Hand versucht er ohn’ Ermüden

Das Fahrzeug in den sichern Port zu leiten.

 

Doch stetes Hemmnis seh’n wir Ihm bereiten

Durch fremde Arglist – ist nicht Hülf’ beschieden

Von Dir, so geht sein Mühen doch verloren.“

 

 

 

 

Wenn die Gedanken gläubig sich erheben

Zu ihm, der sterbend an dem Kreuze hing,

Und in dem Licht, daß sie von Ihm empfing,

Zum Urquell will die Seele aufwärts streben;

 

So ist’s kein irdisch eitles Ueberbeben,

Wenn sie in heißer Sehnsucht sich erging,

Denn von sich selber denket Der gering,

Der nur in Gottes Gnade weiß zu leben.

 

Bei hohem Flug erlahmen ird’sche Schwingen,

Kommt ihnen Hülfe nicht vom Himmelshauch;

Des Menschen Blick hemmt dichter Nebelrauch,

 

Ist Himmelslicht nicht da ihn zu durchdringen;

Vergeblich ist was Menschensinnen schafft:

Christus allein verleiht die rechte Kraft.“

 

 

 

 

Nicht fürchten darf der Erde Kampf und Mühen

Die Seele, die gefunden höhern Frieden;

Was schadet Frost dem Busen, der hienieden

In sich des Himmels Feuer fühlt erglühen?

 

Der Erde Last kann nicht herunterziehen

Den Geist, dem ew’ge Sehnsucht ward beschieden;

Vergebens suchet Schmähung zu ermüden

Den, der im voraus Unrecht hat verziehen.

 

Was nutzt es, Pfeile auf die Burg zu schnellen,

Die auf lebend’gem Felsen steht gegründet,

Im Fundament die eig’ne Stärke findet?

 

Was hilft es, nah’ dem Boden Netze stellen

Dem Vogel der, befreit von niederm Truge,

Empor zum Himmel steigt in kühnem Fluge?“

 

 

 

 

Wenn flücht’ger Ton, geschaffen zu durchdringen

Die schwanke Luft die ihn empfängt mit Beben,

Verschmelzend Geist und Sinn zu raschem Leben,

Aus schwacher Brust gelöst so süß kann klingen,

 

Mit solchem Zauber kann das Herz bezwingen,

Von Sorgen frei es himmelwärts zu heben,

Dem Menschengeist ein Sporn zu kühnem Streben,

Um leichten Fluges sich emporzuschwingen:

 

Was wird die reine Seele dann gewahren,

Wenn sie vernimmt die Harmonie der Sphären,

Mit innerm Ohre lauscht dem ewig Wahren,

 

Im Gnadenhimmel, in des Höchsten Glanze,

Wo Ton und Maß nach ew’ger Regel währen

Und voller Einklang stets beherrscht das Ganze?“