Michelangelo Buonarotti

1475 -  1564

 

 

In Übersetzungen von:

Hermann Harrys

 

 

I. – Auf Dante

 

Er kam und zog in finstren Höllenschlünden,

Den rächenden und sühnenden, die Fährte,

Und stieg zu Gott, ein Sterblicher, und kehrte

Zurück, uns lautre wahrheit zu verkünden.

 

Ein heller Stern in dieser Welt voll Sünden,

Der auch mein Land so unverdient verklärte:

Was böte, je die erde, das ihn ehrte?

Herr, nur bei dir war Lohn für ihn zu finden.

 

Von Dante red’ ich. O, der schnöden Toren,

Die seine Tat so schlecht erkannt! Ich meine

Dich, Volk, das die Gerechten nur mißachtet.

 

Wär’ ich wie er zu solchem Leid geboren,

Für herben Bann, für Tugend, wie die seine,

Hätt’ ich die Welt und all ihr Glück verachtet!

 

 

II. – Auf Dante

 

Wer sagte, was von ihm zu sagen wäre,

Der wie ein Licht ist schon aus lichter Zone;

Leicht findet ihr das Wort, dem Volk zum Hohne,

Das ihn gekränkt, schwer das zu seiner Ehre.

 

Ins Reich der Sünden, daß er uns belehre,

Stieg er hinab, dann auf zu Gottes Throne;

Und schloß das Vaterland sein Tor dem Sohne,

Der Himmel tat ihm seines auf, das hehre.

 

O, selber dein Verderben so zu nähren,

Du schnödes Land! du solltest Zeuge werden,

Daß Großes stets zu großem Weh erkoren.

 

Und nur das Eine magst du zitternd hören:

Verbannt war kein so Edler je auf Erden,

Wie kein so Großer je vor ihm geboren.

 

 

III. – An Papst Julius II.

 

O Herr, wenn je ein Spruch die Wahrheit sagte,

So ist es der: wer hat, will nimmer geben.

Die Schwätzer ließest du sich dreist erheben,

Und lohntest jedem, der zu lügen wagte.

 

Ich bin’s, der treuen Dienst dir nie versagte,

War, wie der Strahl dem Lichte, dir ergeben;

Doch so vergeudet war mein rüstig Streben,

Daß, was ich tat, dir minder stets behagte.

 

Zu deinen Höhen hofft’ ich aufzusteigen,

Gerecht wie mächtig, würdest du verschmähen,

So dacht’ ich, je dein Ohr dem Haß zu neigen.

 

Doch nein, der Himmel läßt es ja geschehen,

Daß echter wert mißachtet sei auf Erden:

Vom dürren Baum nur soll geerntet werden!

 

 

IV.

 

Hier wandelt sich der Kelch zu Helm und Schwerte,

Hier, wo sie Christi Blut zu Markte tragen,

Wo – ach, er sah’s und wandte sich mit Zagen –

Zu Schild und Speer sich Kreuz und Dorn verkehrte.

 

O, daß er nie an diese Stätte kehrte,

Auf daß sie nicht nach schnödrem Preise jagen!

Schon mußte rom dem Weg des Heils entsagen,

Weil es das Blut, das köstliche, nicht ehrte.

 

Hätt’ ich nach Lohn für meine Kunst gerungen,

Der da im Mantel konnte reichlich lohnen,

Der mich zur Rast, zur tötenden, gezwungen.

 

Und mag sich’s arm auch gut im Himmel wohnen:

Was nützt es, wenn das Banner, hier erhoben,

Die Hoffnung tötet auf den Trost dort oben.

 

 

V. – Gegen die Pistojesen

 

Dank eurer Höflichkeit hab ich’s empfangen

Und hab’ es wohl an zwanzigmal gelesen;

Wie Gier’ge nach Genuß, scheint euer Wesen

Nur nach dem Gift der Lästrung zu verlangen.

 

Doch wußt’ ich, eh’ ich fort von euch gegangen,

daß Kain euer rechter Ahn gewesen,

Und daß ihr, Erben seiner Art, der bösen,

Die Tugend haßt, an der noch andre hangen.

 

Und ihr, von Neid und Übermut geschwollen,

Verachtet uns, die wir den Nächsten lieben,

Ihr seid’s, die selber ihr Verderben nähren.

 

Gedenke, wie der Dichter einst mit Grollen

Pistoja schalt, und ob du Lob geschrieben

Auf mein Florenz – du heuchelst ihm nur Ehren.

 

               Wohl ist’s ein Kleinod, doch es so zu nennen,

Gebürt nur Edlen, die es ganz erkennen.

 

 

VI. – An Luigi del Riccio

               1544

 

Oft birgt sich in der Gunst, der übervollen,

Die arge List zu schaden und zu kränken,

Und müßt’ ich, daß mir so geschehen, denken,

Ich hätte lieber nicht genesen wollen.

 

Was fruchtet aller Liebesdienst, was sollen

Mir Flügel, die in Truggespinste lenken?

man möchte dankend ganz sein Herz verschenken,

Und muß der Freunschaft, der entlarvten, grollen.

 

Drum, mein Luigi, wolltest du die Liebe,

Der ich das Leben danke, rein erhalten,

So daß auch jede Wolke rasch zerstiebe.

 

Erprobte Freunde weiß ich wert zu halten,

Doch muß der Dank für tausend Liebeszeichen,

Das weiß ich auch, vor jeder Kränkung weichen.

 

 

VII. – Auf den Tod des Cecchino Bracci

               An Luigi del Riccio   1544

 

Kaum hab’ ich jenes Augenpaar gesehen,

Zwei Sonnen dir in dunklen Lebensstunden,

Die, als der rauhe Tod sie überwunden,

Gott rief, vor seinem Antlitz aufzugehen.

 

Wohl klag’ ich drum; doch war’s nicht mein Versehen,

Daß ich zu spät so schönes aufgefunden,

Zu früh nur hat der Tod es uns entwunden,

Mag es auch frisch vor deinem Geiste stehen.

 

Und von dem Angesicht, dem engelmilden,

Soll ich, nun sich die Erde drüber hügelt,

Luigi, dir ein Bild von Steine geben?

 

Nur nach dem Leben weiß die Kunst zu bilden;

Doch weil der Freund sich oft im Freunde spiegelt,

So bild’ ich dich, und was dir starb, wird leben.

 

 

VIII.

 

Mit schmuckem Maultier, mir zum Angebinde,

Mit Zucker, Licht und dem Malvasiertranke

Verband mich Eure Gunst zu solchem Danke,

Daß ich kein Wort ihn auszusprechen finde.

 

Das Segel schlafft bei übermächt’gem Winde,

Und mich bewältigt, was ich Euch verdanke,

So daß ich mich gleichwie das Boot, das schwanke,

Ja, wie ein Halm im Wogenschwall empfinde.

 

Gewiß, Ihr schenktet viel an Trank und Speise,

Versahet, Herr, mich mit so guten Dingen,

Ihr habt gesorgt, daß ich gemächlich reise:

 

Wie wüßt’ ich Dank für solche Tat zu bringen!

Und dächt’ ich ganz mich selbst Euch hinzugeben,

Was wär’s? Vergelten, wahrlich, ist kein Geben.

 

 

IX. – An Gandolfo Porrino

 

Wohl gilt so große Schönheit für erkoren

Im Himmel selbst; wie sollte denn auf Erden

Der Glanz, der ihr entstrahlt, gewürdigt werden,

Wie hier, wo Sünd’ und Leid den Blick umfloren?

 

Du aber forderst sie wie neu geboren;

Das schafft kein Meißel, himmlische Gebärden,

Wie die, mal’ ich nicht nach; Müh’ und Beschwerden,

Zu bieten, was dich freute, sind verloren.

 

Wie Sterne vor dem Sonnenlichte weichen,

So unser blick vor jenem Glanz: wie könnte

Mein armes Handwerk an so Hohes reichen?

 

Drum harre, bis der Himmel dir vergönnte

Dereinst verjüngt so Herrliches zu schauen;

Wohl magst du ihm, doch nimmer mir vertrauen.

 

 

X. – An Giorgio Vasari

Auf sein “Leben der Maler, Bildhauer und Baukünstler”.

1550

 

War es mit Stift und Farben dir gelungen,

Die Kunst bis zur Natur emporzuheben,

Ja, selbst ihr Schönes schöner uns zu geben,

Und hast du so den Preis vor ihr errungen:

 

So ward sie vollends erst von dir bezwungen,

Seit du an ernstre Arbeit dich begeben,

Und soviel andern unvergänglich Leben

Auf Blättern von gelehrter Hand erschwungen.

 

Wohl mochte Großes manch ein Volk erreichen,

Doch alle Kunst, die ihm gelungen, mußte

Der Meisterin natur noch immer weichen;

 

Ihr Trotz zu bieten, war nur dir gegeben:

Denn wer an andre so zu mahnen wußte

Wie du, wird mit den andren ewig leben1

 

 

 

XI. An Vittoria Colonna

 

Beglückter Geist, du weckst zu neuen Freuden

Dies Herz, schon halb dem Tode hingegeben;

Du kamst, mit deiner Huld mich zu beleben,

Die andre, soviel bessre, mir beneiden.

 

Durft’ ich an dir mein staunend Auge weiden,

So willst du nun die Seele mir erheben

Mit Edlem, das dein Geist dir eingegeben,

Und so in Hoffnung wandelst du mein Leiden.

 

Und für die Huld, die mir zum Ruhm gedeihet,

Die mich erhob in gramerfüllten Tagen,

Nimm allen Dank, den dieses Blatt dir weihet.

 

Denn nur vermessen wär’ es, wollt’ ich wagen,

O Herrin, dir für leuchtende Gedanken

Mit schlechtem Werke meiner Hand zu danken.

 

 

XII. - An dieselbe.

 

Weil ich mir, edle Frau, allzu geringe

Für soviel Gunst, wie du gewährst, erschienen,

Rang ich mit aller Kraft, sie zu verdienen,

Und dachte nicht, daß es mir ganz mißlinge.

 

Doch wie ich auch dir nachzustreben ringe,

Es ist umsonst, nichts fruchtet mein Erkühnen,

Und nur zur bittren Lehre sollt’ es dienen,

Daß nie zu dir mein niedrer Geist sich schwinge.

 

Und nur verblendet war ich, wenn ich dachte,

Daß meine Kunst vergelte, was wie segen

Des Himmels du an Huld mir zugewendet.

 

Es ist vergebens, daß ich sinne, trachte,

Denn wer vermöchte jemals aufzuwägen

Mit Menschenwerk, was uns der Himmel spendet!

 

 

XIII. – An dieselbe

 

Sobald Begeistrung, göttliche, Gebärde

Und Formen eines Menschen eingegeben,

Dann modelt, sein Erfaßtes zu beleben,

Der Bildner, was er sinnt, aus schlechter Erde.

 

Und dann erst, trotzend jeglicher Beschwerde,

Beginnt’s der Meißel aus dem Stein zu heben,

Bis daß es dasteht, schön und glanzumgeben,

Wie, der es schuf, bedacht war, daß es werde.

 

Und also, Herrin, ist auch mir geschehen:

Aus schlechtem und geringem Anfang ließest

Du, Edle, mich vollendeter erstehen.

 

Hier gabst du zu, dort, wie die Feile, hießest

Du Rauhes schwinden, - aber nur begehre

Du nie, daß ich mein flammend Herz bekehre!

 

 

XIV.

 

Nichts wird die Kunst des Meisters je ersinnen,

Das nicht verborgen schon im Marmor lebte,

Und keine Hand, die nicht der Geist belebte,

Erbringt, was da verschlossen liegt, tiefinnen.

 

So ist’s mit allem Leid, dem zu entrinnen,

Mit allem Glück, das ich zu finden strebte:

Es liegt in dir, du Holde, Reizumschwebte;

Nur lernt’ ich nie mein Heil dir abgewinnen.

 

Doch ist nicht Liebe schuld an meinem Leide,

Nicht Zauber oder Zorn in deinem Blicke,

Nicht Himmelsgunst noch widriges Geschicke.

 

Denn trägst du Huld und Tod im Herzen beide,

So liegt’s an mir, vermöchte alles Klagen

Der Liebe nichts als Tod mir einzutragen.

 

 

XV.

 

Sowie die Feder edle und geringe

Gedanken birgt, wie prächtige Gestalten

Und niedre schon im Marmorstein enthalten,

Je wie der Geist sie einst zum Leben bringe:

 

So sähe, wem du gönnest, daß er dringe,

O Herrin, tief in deines Herzens Falten,

Wohl neben Stolz auch das Erbarmen walten,

Wonach ich armer so vergebens ringe.

 

Wer Trauer sä’t und Kümmernis und Tränen,

Der Erntet bittren Gram, gleichwie der Regen,

Der perlende vom Himmel, nimmer Segen

 

Aus Saaten zeugt, die keinen Tau ersehnen;

Und wer für Blicke, die so leuchtend strahlen,

Nur Seufzer hat, der sei gefaßt auf Qualen.

 

 

XVI.

 

Wie mag’s geschehn, was doch Erfahrung lehret,

O Herrin, daß ein Bild, dem Stein entrungen,

Noch dauert, von des Bildners Geist durchdrungen,

Wenn kein Gedächtnis mehr ihn selber ehret?

 

Hinstarb die Hand, doch was sie schuf, das währet,

Natur, sie selbst, ward von der Kunst bezwungen.

Auch meinen Namen ahn’ ich schon verklungen,

Ich, dem die Kunst doch manche Huld gewähret.

 

Vielleicht, daß ich Erinnerung uns beiden,

Sei es in Steine, sei’s in Farben wahre,

Dein Antlitz malend undmein Liebesleiden.

 

Auf daß die Menschheit möge Jahr auf Jahre,

Wie schön du warst, wie ich dich liebte, lesen –

Und wie dich lieben ach! kein Wahn gewesen.

 

 

XVII.

 

Ein Herz, wie Schwefel und wie Berg die Hülle,

Und ihre Sehnen wie aus dürrem Reise;

Kein Führer, der die Seele unterweise,

Kein Zügel, der das ew’ge Sehnen stille;

 

Ein unstät reger, nie bewußter Wille,

Gelockt in der Verführung schlimme Gleise:

Was Wunder, daß ein Funke da, nur leise

Geschürt, die Brust mit lichter Glut erfülle!

 

Ich ward zum Dienst des schönen auserkoren,

Und wer ihn übt mit emsigem Bemühen,

Weiß, wie die Kunst den Menschen überwindet.

 

Und muß ich, mit dem hellen Blick geboren,

Für Schönes, das vom Himmel zeugt, entglühen:

Kann ich dafür, daß so dies Herz empfindet?

 

 

XVIII.

 

Mehr gelt’ ich mir, denn je, mit diesem lieben

Holdsel’gen Bild, das mir im Herzen wohnet,

Wie man den Stein, den edlen, höher lohnet,

In den die Kunst ihr zierend Werk geschrieben.

 

Und wie von Blättern, bildverziert, beschrieben,

Sorgsame Hut noch jede Trümme schonet:

So, seit dein Zeichen auf der Stirn mir thronet,

Lernt’ ich mich würdigen, mich selber lieben.

 

Mit solchem Zeichen bin ich wie bewehret,

Bin wie gefeit, daß ich das Höchste wage

Und vor Gefahren nicht zu schrecken brauche.

 

Flut oder Flamme läßt mich unversehret,

Hell wird die Nacht, wo ich dein Zeichen trage,

Und jedes Gift verweht vor meinem Hauche.

 

 

XIX.

 

Wie diese Blumen, schön zum Kranz gewunden,

Mit stolzer Wonne deine Scheitel schmücken;

Wie hätte, Küsse auf die Stirn zu drücken,

Jedwede gern zuerst den Weg gefunden!

 

Wie mag der Tag voll langer süßer Stunden

Das Kleid, das dich umwallen darf, beglücken;

Wie streifen Hals und Wange mit Entzücken

Die Flechten, zart von goldner Schnur durchwunden.

 

Doch schwelgender in glücklichem Behagen

Deucht mir das Band, dem deine wahl vergönnte,

So schmeichelnd sich um deine Brust zu ringen.

 

Und dort der Gürtel, scheint er nicht zu sagen:

O, daß ich immerdar hier haften könnte!

Was wär’s, wenn meine Arme dich umfingen!

 

 

XX.

 

Gib dir mein Augen, Herrin, zu verstehen,

Was meine Seele will, dann, eh’ ich’s sage,

Weißt du, wie tief ich dich im Herzen trage,

Ich rief dich an, um mich beglückt zu sehen.

 

Doch gläub’ger wohl als ich, laß mich’s gestehen,

Siehst du im treuen Sehnen dieser Tage

Die Gnade, die mir einst den Lohn ertrage,

Der jener harret, die inbrünstig flehen.

 

O sel’ger Tag, wo mir dies Los gefallen!

Dann, o dann ende rasch die Zeit, aufhöre

Die Sonne, die gewohnte Bahn zu wallen,

 

Damit mir nach so wehevollem Harme

Mein Liebespfand auf ewig angehöre,

Daß ich es halte froh in frohem Arme.

 

 

XXI.

 

Mein Auge findet dich zu allen Stunden,

Wohin dich auch dein stolzer Flug getragen;

Doch lenkt’ ich dir die Schritte nach, die zagen,

Dann war, wie bald! die holde Spur verschwunden.

 

Der Geist, won lindrer Fessel nur gebunden,

Darf sich empor zu deinem Höhen wagen,

Denn meine Blicke sind es, die ihn tragen,

Doch, von der Last des Irdischen überwunden,

 

Kann ja die Hülle keine Schwingen breiten.

Das ist allein ihr Ruhm, dich mit dem Blicke

Auf deinem Engelsfluge zu geleiten.

 

Greifst du, wie hier, auch dort in die Geschicke,

O dann auf daß ich zu feiern tauge,

Umwandle ganz mich in ein einzig Auge.

 

 

XXII.

 

Erkorner Geist, in dessen wonnereichen

Und edlen Zügen wir verwundert lesen,

Welch eine Bildnerin Natur gewesen,

Als sie dich schuf, ihr Höchstes zu erreichen.

 

Anmut’ger Geist, all deine Zauber gleichen,

Ich glaub’ und hoff’ es, deinem tiefsten Wesen:

Huld, Lieb’ und Mitleid, Zierden so erlesen

und so verbürgt durch aller Schönheit Zeichen!

 

Schon halten Lieb’ und Schönheit mich in Banden,

Und daß nicht eitles Hoffen mich erfülle,

Hat, mein’ ich, mir dein Blick voll Huld gestanden.

 

Ach, welch Gesetz, welch grausam-strenger Wille

Gebot, daß auch so Schönen dieser Erde

Der Tod, der herbe, nicht erlassen werde?

 

 

XXIII.

 

Glänzt sie denn wirklich in so lichtem Scheine,

die Schönheit da? O Liebe, laß mch’s wissen,

Sag, oder deucht sie hehrer mir wie eine,

Nur weil ich ganz mein Herz ihr weihen müssen?

 

Du weißt es ja, da grausam im Vereine

Mit ihr du allen Frieden mir entrissen.

Und dennoch möcht’ ich meiner Klagen keine,

Nicht einen Funken meiner Gluten missen. –

 

„Ja, ihre Schönheit siehst du, doch umflossen

Von reinerm Glanze nun, da du die Fährte

Durchs Aug’ in deine Seele ihr erschlossen.

 

Und wie sie da, Unsterblichem verbunden,

Erst göttlich ward, allda sich erst verklärte,

So, wiss’ es, hat sie ganz dich überwunden.“

 

 

XXIV.

 

Gewaltig wie die Furcht durchbebt den Sünder

Das Gnadenwort: er weiß, er ist gerichtet,

Es starrt sein blut, all seine Hoffnung flüchtet,

Da plötzlich naht ihm seines Heils Verkünder.

 

So ist’s, wenn unverhofft dein Blick mit linder

Erbarmung sich auf meine Qualen richtet:

Ich seh’ es, wie die Nacht sich vor mir lichtet,

Doch schreckt darum das jähe Glück nicht minder.

 

Denn jede Botschaft, die nach langem Schmerze

Uns Heil verkündet, ist der Tod; zu jähe

Auf einmal preßt und weitet sie das Herze.

 

Drum wenn du willst, daß ich dem Tod entgehe,

So wehre deiner Huld, daß sie mir spende

Mehr, als ich Kraft zu tragen in mir fände.

 

 

XXV.

 

Noch ist kein Bild im Geiste mir erschienen,

Ob’s irdisches, ob’s bloßer Schatten wäre,

Keins, wie ich sinnen mag, um mir zur Wehre,

Du stolze Schönheit, gegen dich zu dienen.

 

Und wollt’ ich dich zu meiden mich erkühnen,

Wie trüge dann mein Herz die öde Leere?

Ich wähnte Lindrung für mein Leid, das schwere,

Und hätt’ es sicher mit dem Tod zu sühnen.

 

Was ring’ ich drum, der Schnheit zu entfliehen,

Darf ich der Feindin zu entkommen wähnen?

Nie ward der Sieg dem Schwächern noch verliehen.

 

Vertröstend stillt die Liebe meine Tränen,

Sie spricht: es ist doch süß ein Mühn wie deines,

Denn so gekämpft wird nimmer um Gemeines.

 

 

XXVI.

 

Nicht mit dem Herzen lieb’ ich dich, du Reine,

Drum ohne Herz kann meine Liebe leben,

Ganz jenem Schaun, dem lautren, hingegeben,

An dem von niedren Lüsten haftet keine.

 

Mir ward vom Himmel einst der Blick, der reine,

Dir aller Glanz der Schönheit mitgegeben,

Zwar, uns zum Leide, nur zu flücht’gem Leben,

Doch fühl’ ich daß mir Gott in dir erscheine.

 

Nicht anders wie die Glut mit Feuersflammen

Halt’ ich mit Ewigschönem fest zusammen,

Und was ihm gleicht, nur das ist mein Entzücken.

 

Der Himmel geht mir auf in deinen Blicken:

Und will ich heim, wo ich dich fand, mich denken,

Muß ich mich tief in deine Brau’n versenken.

 

 

XXVII.

 

Wie meine Blicke staunend an ihr hingen,

Als ich zuerst die Einzige gesehen!

Da dacht’ ich ihr, wie Adler lichtwärts gehen,

Wenn auch aus scheuer Ferne, nachzudringen.

 

Doch unbeschwingt nach Engelshöhen ringen,

Das ist wie Saaten ins Gesteine sähen,

Wie Worte in den Wind, daß sie verwehen,

Wie eitles Brüten über ew’gen Dingen.

 

Drum weich’ ich, von so lichtem Glanz getroffen,

Vor dir zurück; ach, aber dann geschieden,

Harr’ ich umsonst auf den ersehnten Frieden.

 

Wie rett’ ich mich, was hab’ ich noch zu hoffen?

Dir nah, erlieg’ ich flammendem Verderben,

Und ferne dir, muß ich vor Sehnen sterben.

 

 

XXVIII.

 

Mit deinem Auge schau’ ich lichtumflossen,

Was wie die Nacht vor meinen Blicken wäre;

Du bist mein Arm, und Bürden, noch so schwere,

Wie trag’ ich sie so leicht und unverdrossen!

 

Auf deinen Schwingen steig’ ich, und erschlossen

Seh’ ich den Himmel, deinem Flug zur Ehre.

Dein Wille wandelt Lächeln mir zur Zähre,

Den Lenz zu Frost und Eis zu Blütensprossen.

 

Was du erwählst, das ist auch mir erkoren,

Aus deinem Herzen kommt, was ich ergründet,

Aus deinem Geiste, was mein Wort verkündet.

 

Mir deucht, ich gleiche so dem Mond – verloren

Auf immer wär’ er sterblichem Gesichte,

Schenkt’ ihm die Sonne nicht von ihrem Lichte.

 

 

XXIX.

 

Was hoff’ ich nur, mein Sehnen zu ersticken,

Das schwellende, mit immer trübren Klagen?

Vergebens ringt nach grambefreiten Tagen,

Wen Qualen, wie sie mir verhängt, umstricken.

 

Warum so flehend nach dem Tode blicken?

Die Stunde kommt! Und hat sie mir geschlagen,

Ich bin gewiß, ich werd’ es freudig tragen,

Denn ach, wo gäb’ es Trost, mich zu erquicken?

 

Und darum tracht’ ich nicht, mein Los zu meiden,

Ich duld’ es aus, ich bin ja längst ersehen

Zum schweren Streit mit Wonnen und mit Leiden.

 

Und ist die Qual so süß, die mir geschehen,

Was Wunder, wenn ich, unbewehrt und zage,

Du starker Sieger, deine Ketten trage.

 

 

XXX.

 

Ein Lieben, dem Vergeltung nimmer fehle;

Ein Los, ein gleiches, zweien, die in trüben

Wie guten Stunden treu einander lieben,

Und dann ein Geist, der innig sie vermähle;

 

In beiden nur die eine ew’ge seele,

Auf gleichem Fittich himmelwärts getrieben:

Ein Flammenwort in jede Brust geschrieben,

Ein Pfeil, der beider Herz zur Scheide wähle;

 

Nie sich, nur stets dem andern hingegeben,

Mit Liebe nur nach Liebeshulden trachtend,

Und jeder, ob versucht, voranzutreiben,

 

Doch sich dem andern unterworfen achtend:

Mill Treue das, und mindres nicht, zum Pfande –

Wer wagt’ es, wer, zu brechen solche Bande?

 

 

XXXI.

 

O, möchte deine Schönheit ewig leben,

Jedoch beseelt von sanfterem Gemüte,

Drum wünsch’ ich nur, Natur bewahr’ und hüte

Die Reize, wie sie mählich dir entschweben;

 

Und wollte dann ein neu Gebilde weben

Aus aller Anmut, sie dich einst umblühte,

Und Liebe sorge für ein Herz voll Güte,

Ihm deine Schönheit zum Gewand zu geben;

 

Und sammle, daß ein andrer sie erwerbe,

Die Klagen alle, die ich jemals klagte,

All’ meine Tränen und mein bittres Wehe.

 

Und glücklicher vielleicht mit meinem Erbe,

Erstreitet er, was mir das Glück versagte,

Wird ihm zuteil, was ich umsonst erflehe.

 

 

XXXII.

 

Erst wohnt das Feuer tief im Stein, dem kalten,

Und wenn er dann, von Flammen rings umgeben,

Zergangen ist, dann ist’s, als hätt’ er zu Leben

Stark, andern Stein am Steine festzuhalten.

 

Und besser dann und wider Sturmgewalten

Gehärtet, darf er himmelan sich heben,

Wie Seelen rein der Höllenglut entschweben,

Um einzugehn, wo ew’ge Gnaden walten.

 

So von den Flammen, die auch mich durchglühen,

Muß ich verschlungen sein, dann wird, ich glaube,

Erhöhtes Leben wohl auch mir erblühen.

 

Dann erst, verraucht und aufgelöst zu Staube,

Härt’ ich am Feuer, das so schöne Blicke

In mir entfachten, mich zu ew’gem Glücke.

 

 

XXXIII.

 

Dein Blick so kalt, und ich doch liebentzündet,

Du Eis, und ich in Flammen, wo ich weile;

Aus zarten Armen mir die Kraft zuteile,

Die auch die Last, die schwerste, überwindet.

 

Du einzig Wesen, nur von mir ergründet,

Unsterblich selber, tötest du; zum Heile

Geschaffen, triffst du mit so herbem Pfeile;

Selbst frei, bist du es, die das Herz mir bindet.

 

Woher, o Herrin, all dies Widerstreiten,

Wie magst du mit dem Blick, dem wonnereichen,

Nur Schatten über meine Stirne breiten?

 

Den frohen Mut hast du mir ganz entwendet,

Und wohl der Sonne muß ich dich vergleichen,

Die, selber kalt, so heiße Glut versendet.

 

 

XXXIV.

 

Wer viel dem andern schuldet, wer das Leben

Ihm gar verdankt, zu dem er neu erwachte,

Was hätte der Vergeltendes zu geben,

Das seiner Schuld ihn frei und ledig machte?

 

Und warum wollt’ er auch begierig streben,

Daß er des Dankes sich entbunden achte?

Er zahlte wohl, doch nur um preiszugeben

Den Lohn, den treuer Dienst noch immer brachte.

 

Und wär’s, daß ich dir undankbar erschiene,

O Herrin, dennoch möcht ich nimmer wagen,

Vergeltung für so reiche Gunst zu bieten.

 

Wie herrschtest du, der ich so willig diene,

Hätt’ ich die Schuld getilgt? Ich will entsagen,

Dir gleich zu sein; du sollst allein gebieten.

 

 

XXXV.

 

Ihr Bäche und ihr wasserreichen Quellen,

Gebt sie mir wieder, meine heißen Zähren,

Aus mußt’ ich sie in eure Fluten leeren,

Und nun lebend’ger treiben eure Wellen.

 

Luft, die du mir den Himmelsglanz, den hellen,

Verwehrst, weil meine Seufzer dich beschweren,

Laß sie zurück in meinen busen kehren;

Und so dein trübes Antlitz sich erhellen.

 

Du, Erde, gib die Spuren mir zurücke,

Laß frisches Grün darüber wehn. Die Klagen,

O Echo, gib, die ich dir zugetragen;

 

Gib mir, du Heil’ge, meine trunknen Blicke!

Gebt, gebt, damit ich andres Schöne liebe,

wenn alles Flehn zu dir vergebens bliebe.

 

 

XXXVI.

 

Vernunft bejammert mich und mein Beginnen,

Indes ich süße Liebesträume nähre,

Und warnet mich und schilt mein töricht Sinnen

Und spricht also: „Du denkst vielleicht, dir wäre

 

Aus dieser Flamme Leben zu gewinnen,

Du seist der Phönix, den sie nicht verzehre?

Doch seinem Fall wird keiner je entrinnen,

Der fallen soll; nichts fruchtet alle Lehre.

 

Wohl drängt es mich, der Wahrheit nachzustreben,

Und doch, dies schwache Herz, wie treibt es immer

Zu sündlichem Begehr, zu neuem Fehle!

 

Zwiefachem Tode bin ich preisgegeben:

Den flieh’ ich, jenen andren fass’ ich nimmer,

und unterdessen sterben Leib und Seele!

 

 

XXXVII.

 

Ich weiß nicht, will es meiner Seele deuchten,

Sie sei von ihres Schöpfers Licht durchdrungen;

Wie, oder sind es sonst Erinnerungen

In Schönes, die so alle Nacht verscheuchten?

 

Sind es nur Wahngebilde, die mir leuchten,

Hat dieses Herz mit Träumen nur gerungen?

Wer sagt mir, welche Macht mich so bezwungen,

Daß helle Tränen mir die Blicke feuchten?

 

Was mich bewegt, mein Fühlen und mein Schauen,

wer deutet mir’s? Von außen ward’s empfangen,

Sonst wüßt’ ich nicht, von wo es kommt, zu sagen.

 

So ist’s, seit ich dich sah, du Stolz der Frauen!

Hat wohl dein Blick dies Sträuben und Verlangen,

Dies Ja und Nein mir in die Brust getragen?

 

 

XXXVIII.

 

Der einst die Zeit, die nie zuvor verschlossen,

Aus nichts erschuf, und der sie dann geschieden,

Er gab dem Tag die Sonne und der müden

Und stillen Nacht den Mond zu Weggenossen.

 

Und aller Menschen Los ward da beschlossen:

Glück und Bekümmernis, Streit oder Frieden;

Mir aber ward die dunkle Zeit beschieden,

Die düsternd meine Wiege schon umflossen.

 

Wie Stunden tiefster Nacht sich dunkler schwärzen,

So trüber wird’s in mir, und ach! es zeuget,

Was ich noch schaffe, nur von meinen Schmerzen.

 

Doch lindert eins den Kummer, der mich beuget,

Das ist, daß meine Nacht den Glanz vermehret,

Der, seit du atmest, Herrin, dich verkläret.

 

 

XXXIX.

 

Der Raum, den feste Mauern rings umwinden,

Und jeder Ort, den sichre Hüllen decken,

Sie bergen Nacht und wehren so dem kecken

Und frohen Licht, den Weg zu ihr zu finden.

 

Und gilt es doch das Dunkel überwinden,

Dann braucht’s der Sonne nicht, es wegzuschrecken,

Geringres dient den Tag darin zu wecken,

Selbst vor dem Wurm, der leuchtet, muß es schwinden.

 

Und wo die Flur der Sonne preisgegeben,

Da seht, auf daß sie tausendfältig trage,

Den stolzen Pflüger mit der Schar sich waffnen.

 

Im Schatten reift der Mensch allein zum Leben:

Drum gilt die Nacht soviel voraus dem Tage,

Als wie der Mensch der Frucht, der erderschaffnen.

 

 

XL.

 

Blickt Phöbus nicht vom lichten Himmelsbogen,

Hält er den Arm nicht um die Welt geschlagen,

Die kalte schaurige, dann wollt ihr sagen,

Nacht sei dies Licht, das eurem Blick entzogen?

 

Und doch, wie bald ist diese Nacht verflogen!

Ein Flämmchen, wo es blitzt, kann sie verjagen,

Sie weicht dem Funken, aus dem Stein geschlagen,

Dem Zunder, der den Funken eingesogen.

 

Wo wäre sie, wenn nicht die Sonne schwände,

Wo, wenn sie nicht, gleichwie ein Kind der Erde,

In ihr die Stätte, sich zu bergen, fände?

 

Drum fordert nicht, daß sie gepriesen werde,

Sie, deren Finsternis erschrocken fliehet,

Wo nur ein Schimmer noch so schwach erglühet.

 

 

XLI.

 

O Nacht voll süßer, ob auch dunkler Stunden,

Jedwedes Mühn will Ziel und Frieden sehen;

Dich preisen, zeugt von sinnigem Verstehen,

Wer dich erhebt, hat deinen Wert empfunden.

 

Die Seele, der Gedankenlast entwunden,

Darf ein in deine kühlen Schatten gehen,

Du hebst vom Irdischen zu ew’gen Höhen,

Und träumend wird der Himmel oft gefunden.

 

O Todesschatten, was an Leid die Herzen

Der Menschen trifft, du wirfst es siegend nieder,

Du letzte feste Zuflucht unsrer Schmerzen.

 

Du stärkst und heilest unsre schwachen Glieder,

Gibst Müden Ruh und lösest die Gerechten

Von Gram und Zorn, die ihre Seel’ umflechten.

 

 

XLIII.

 

Wenn Gluten, die das junge Herz durchsprühen,

Ob unverhehlt, ihm doch am Leben zehren,

Wie soll das alternde den Flammen wehren,

Die wilder nur, weil im verborgnen, glühen?

 

Und wenn die Jahre, wie sie rasch entfliehen,

Kraft, Mut und Leben allgemach verheeren,

Wie dürfte der noch süße Träume nähren,

Den Todesschatten drohend schon umziehen?

 

Ich ahne schon, wie, von der Glut verschlungen,

Dies arme Herz zur Asche wird, und sehe

Den Staub erfaßt, verweht, verstürmt vom Winde.

 

Und hab’ ich, jung, mit lindrer Glut gerungen,

Wie hofft’ ich, welk und alt, daß ich das Wehe

Der wildern Liebesqual noch überwinde?

 

 

XLIV.

 

Vermöchte Liebe jemals sich zu messen

Mit aller Schönheit, die an dich verschwendet:

Sagt, wo  ihr Stätten tief im Herzen fändet,

Die dann der Glut, der wilden, sich verschlössen?

 

Allein der Himmel, unser nie vergessen,

Er hat’s in seiner Weisheit so gewendet,

Daß Schönheit, wie die deine so vollendet,

Zu unserm heil wir nimmer ganz ermessen.

 

Mir ist versagt, zu dir mich zu erheben,

Denn nur, was es erkennt und staunend siehet,

Das ist’s, wofür ein menschenherz erglühet.

 

Und meinst du, daß ich Armer dir mein Leben

Nicht willig gab, so denke, daß der Seele

Die Glut und Kraft, dich ganz zu würd’gen, fehle.

 

 

XLV.

 

Oft mag es sein, daß Heil, erst spät gewonnen,

Viel reichern Lohn als rasch erworbnes biete,

Ich klage doch, daß mir’s so spät erblühte;

Denn ach! wie bald ist seine Zeit verronnen.

 

Wohl weiß ich ja, Natur schilt unbesonnen

Ein Herz, das alt wie meines noch erglühte,

Und jede Träne, die dem Aug’ entsprühte,

Mahnst an die Jahre, die mir hingeronnen.

 

Schon sah ich meinen Tag zu Rüste gehen

Und fühle, nun die Sonne schwand, nur kalte

Und nächt’ge Schatten schaudernd mich umwehen.

 

Du aber, Herrin, weckst die Glut, die alte,

Und alles, was ein Herz in jungen Jahren

Bewegt, das soll ich Greiser noch erfahren!

 

 

XLVI.

 

Aus süßer Trauer sank ich in das Wehe

Der Luft zurück; für flüchtiges Behagen,

Für diese Glut, in der ich untergehe,

Verscherz’ ich alles Heil in künft’gen Tagen.

 

Und wenn ich ganz in deinen Banden gehe,

Hab’ ich mich selber darum anzuklagen?

Nicht jene Blicke, die ich flammen sehe

Wie Licht, vom Paradies zur Welt getragen?

 

Ja, Schönheit, wie der Himmel dir vergönnte,

Ist nicht von dieser Welt, ist uns hienieden

Von Gottes Hand, das tröstet mich, beschieden;

 

Wen gäb’ es, der sie von sich wehren könnte?

Berief der Himmel selber dich zum Siege,

Wer darf es tadeln, wenn ich unterliege?

 

 

XLVII.

 

Hätt’ ich, als mir zuerst auf meinen Wegen

Mein irdisch Sonnenlicht so schön entglommen,

Dem Phönix gleich zu ihr den Flug genommen,

Längst würd’ ich sie wie heut im Herzen hegen.

 

Und rascher wie, wo sich Verfolger regen,

Der flinke Hirsch, der Leopard entkommen,

Wär’ ich ihr nachgeflogen, nicht beklommen

Und zagen Muts wie jetzt, nein, kühn-verwegen.

 

Und doch, warum in Klagen mich ergehen,

Nun in den Blicken dieses Engels Frieden

Und Heil und meine Ruhe mir beschieden?

 

Hätt’ ich im jungen Leben sie gesehen,

Wer weiß, ob ich wie jetzt vermocht auf Schwingen,

Wert ihrer Tugend, mich emporzuringen!

 

 

XLVIII.

 

Gib mir die Tage wieder, wo mein lieben

Und Sehnen ungebändigt in mir glühte,

Gib jenes Engelsbild, das frühverglühte;

Was, da es schwand, ist dieser Welt geblieben!

 

Gib mir den Schritt, vom Ungetüm getrieben,

Dem brennenden, das lange nun verglühte,

Die Flamme gib, die mir die Brust durchsprühte,

Und dann noch einmal will ich seufzend lieben.

 

Du, Liebe, willst ja einzig von den süßen

Und wehen Klagen Sterblicher dich nähren;

Was kann ein Greis, ein müder, dir gewähren!

 

Die Ufer jenseits winken schon und grüßen;

Zeit ist es, daß zu andrem Liebesstreite,

Zu schönrem seine Seele sich bereite.

 

 

XLIX.

 

Mir war verwehrt an Irdisches zu denken,

Als ich zuerst dich sah, so reizumfangen;

Du solltest ja das edlere Verlangen

Der Seele stillen, ihr den Frieden schenken.

 

Gewöhnt nur himmelwärts den Flug zu lenken,

Nimmt ihr den Blick das Schöne nicht gefangen,

Das Schimmer ist und nur zu bald vergangen,

Nein, in das Ew’ge will sie sich versenken.

 

Der, sag’ ich euch, hat auf sein Heil verzichtet,

Der töricht liebt, was Frieden nicht gewähren,

Nicht dauern kann, weil es, sich wandelnd, flüchtet.

 

Lust ist nicht Lieb’, ist zügellos Begehren,

Der Seelen Tod. Wohl soll der Geist auf Erden

Durch Liebe rein, reif erst im Himmel werden.

 

 

L.

 

Wo große Schönheit große Lieb’ erzwinget,

Da redet nicht von sündlichem Vergehen,

Wofern nur solche Liebe wie ein Wehen

Vom Hauch des Göttlichen das Herz durchdringet.

 

Sie stärkt zu hohem Fluge, sie erschwinget

Dem Geiste schon die erste jener Höhen,

Von wo er, müde dieser Erdenwehen,

Sich auf zu seinem ew’gen Schöpfer ringet.

 

Ich liebe nicht um flücht’ger Freuden willen:

Hoch steht mein Ziel, und andre Lieb’ als meine

Darf nie ein Herz von edler Art erfüllen.

 

Die zieht empor, die niederwärts; die eine

Entstammt dem Geist, die andre nur den Sinnen,

Wer ihr gehorcht, wird nie der Schmach entrinnen.

 

 

LI.

 

Das ist in Worten nimmermehr zu sagen,

Was ich in dir, Gebieterin, erblicke;

Ob meinen Geist die Hülle noch umsticke,

Du hast ihn oft zu Gott emporgetragen.

 

Mag sich der Hohn an edle Regung wagen

Und denken, daß er lästernd sie ersticke,

Ich würde drum dem süßesten Geschicke,

Inbrünstig treuem Lieben nie entsagen.

 

Wer Schönes tief erkennt, der weiß, es gleiche

Dem ew’gen Quell, dem wir das Leben danken,

Er weiß, es leite schon zu jenem Reiche,

 

Für das es zeugt und bürget, die Gedanken.

Und wem beschieden ist, um dich zu werben,

Der strebt zu Gott und wird einst freudig sterben.

 

 

LII.

 

Wohl weißt du, was mich trieb in deine Nähe,

Du weißt, ob’s auch die Lippe nicht bekennet,

O Herrin, wer sich ganz dein eigen nennet;

Was soll es denn, daß ich dich zaudern sehe!

 

Und willst du, daß ich nicht vergebens flehe,

Und hast du froh zu hoffen mir vergönnet,

O, so zerbrich die Schranke, die uns trennet,

Denn wisse, tiefer schmerzt verborgnes Wehe.

 

Und zürne nicht, wenn ich an dir nur liebe,

Was du am meisten selber an dir ehrest,

Denn nur von Geist zu Geist ist diese Liebe.

 

Was du, Erkorne, mich ersehnen lehrest,

Mag keiner hier zu fassen sich getrauen,

Wer aber starb, o Herrin, wird es schauen.

 

 

LIII.

 

Vom Himmel kam dein Geist herabgestiegen,

Als wie ein Engel, Menschen zu beglücken,

Im irdischen Gewand die Welt zu schmücken

Und wieder dann einst himmelwärts zu fliegen.

 

Und so nur solltest du mein Herz besiegen,

Nicht mit dem lichten Glanz in deinen Blicken

In Freuden, rasch hinwelkende, verstricken,

Nein, in Gedanken an das Ew’ge wiegen.

 

Rührt dennoch deine Schönheit mich zuzeiten,

So hilft sie ja die erste Stätte finden,

Von wo des Himmels Gnaden aufwärts leiten.

 

Denn deutlicher will Gott sich nicht verkünden

Als in so schöner Hülle, uns hienieden

Als Spiegel ew’ger Herrlichkeit beschieden.

 

 

LIV.

 

Wie durch das Aug’ in unseres Herzens Falten

Der süße Zauber alles Schönen dringet!

So breit und offen ist der Weg, es ringet

Sich ein in tausend wechselnden Gestalten.

 

Und lass’ ich dann mein wählend Age walten,

So fürcht’ ich, ach, daß mich Betörung zwinget,

Am Schönen, das nur flücht’ges Glück erschwinget,

Und nicht an jenem staunend festzuhalten,

 

Das uns zum Himmel lenkt. Uns ward zu schlimmer

Bedrängnis Lieb’ im Leben zugesellet;

Und wem unedle Glut den Busen schwellet,

 

Wer nur vom Gifte schlürft und trachtet nimmer,

Zum Ewigschönen sich emporzuschwingen:

Weh, wieviel Leid muß dem die Liebe bringen!

 

 

LV.

 

Wenn ich, erfüllt von tiefbewegtem Sinnen,

Ihr bild im Herzen trage, das geweihte,

Dann immer tritt der Tod ihm jäh zur Seite

Und droht und scheucht das liebe bild von hinnen.

 

Was aber gilt der Seele sein Beginnen?

Sie weiß, daß Sterben schönres Heil bereite;

Das spornt die Liebe, daß sie mut’ger streiter,

Sie rüstet sich, sie will dem Sieg gewinnen

 

Und spricht: Sein Tod steht jeglichem geschrieben;

So stirb auch du, doch sterben und noch lieben,

Das heißt, die Seele mit dem Lichtgewande

 

Umkleiden, daß sie, los der Erdenbande

Und reiner durch die Flammenglut, die hehre,

Nur leichtern Flugs zur ew’gen Heimat kehre.

 

 

LVI.

 

Im Feuer muß der Schmied sein Eisen glühen,

Soll es in schöne Formen sich verkehren,

Und ohne Feuer wär’s vergebens Mühen,

Das Gold von seinen Schlacken rein zu klären.

 

Zur Asche muß der Phönix erst verglühen,

Eh’ er ersteht: das, mein’ ich, sollte lehren,

Uns werde Leben aus dem Tod erblühen,

Uns, die noch sterbend edle Gluten nähren.

 

Welch schönes Los, ihr Flammen, wie willkommen!

Ich wähnte mich dem Tode schon verfallen,

Nun fühl’ ich mich von neuer Kraft durchglommen.

 

Euch ist bestimmt, nur himmelwärts zu wallen,

Und ich, durch euch unsterblich neu geboren,

Bin euren Pfad mit euch zu gehn erkoren.

 

 

LVII.

 

Wohl hoff’ ich, daß mein Flehn dich überwinde,

Daß du erfüllst, was ich so heiß begehre,

Was sollt’ es denn, daß diese Welt bestünde,

Wenn nie ein Wunsch Gott wohlgefällig wäre.

 

Hab’ ich, mich dir zu weihn, nicht weise Gründe,

Da ich mit dir den Frieden mir gewähre,

In dir dem Himmel selber mich verbünde

Und Flammen, die das Herz verschönen, nähre?

 

Nur jene Liebe trügt und hoffe nimmer

Belohnt zu sein, die leichten Muts von Stunden

Zu Stunden schwindet mit der Schönheit Schimmer.

 

Doch die, von keinem Wandel überwunden,

In reinem Herzen lebt, soll schon auf Erden

Der Ahnung ew’gen Glücks teilhaftig werden.

 

 

LVIII. – Auf den Tod der Vittoria Colonna

1547

 

Als sie zum Tod der Himmel ausersehen,

Sie, der ich Seufzer endlos nachgesendet,

Da trauerte, die Schönres nie vollendet,

Natur, und wer sie lebend je gesehen.

 

Doch hieß der Tod dich auch von hinnen gehen,

Hat er der Sonnen schönste uns entwendet,

Doch wähn’ er nicht, du seist ihm nun verpfändet;

Du lebst mit uns, und lebst in ew’gen Höhen.

 

Denn nicht, als ob dem Tod verfallen wäre,

Was laut erscholl zu deines Namens Ehre,

Als wär’ ihm selbst dein ew’ges Teil errungen:

 

Fortlebt dein Ruhm in dem, was du gesungen,

Der Himmel aber brauchte nur den herben

Verhaßten Tod, dich, Einz’ge, zu erwerben.

 

 

LIX. – Auf den Tod derselben

 

Was säumt’ ich, mich der Erde zu entschwingen,

Als meine Sonne schien, in lichten Stunden?

Wohl hätt’ ich da den Tod so süß gesunden,

So leicht den Weg, gelehnt an ihre Schwingen.

 

Wie rasch die hellen Tage mir vergingen,

Ich sah es nicht. Nun ist mein Licht geschwunden,

Und ach! wie hoffte, nun so schuldumwunden,

Die Seele noch zum Himmel einzudringen!

 

Du, Sonne, warest meines Fußes Leuchte,

Mit dir konnt’ ich den Himmel mir erwerben:

Wie da der Tod mir stolze Wonne deuchte!

 

Ich aber blieb, um einsam hinzusterben,

Und kein Erinnern stärket so die Seele,

Daß dir zu folgen ihr der Mut nicht fehle.

 

 

LX. – Auf den Tod derselben

 

Was Wunder, wenn ich, von der Glut, der hehren,

Umlodert, selber hab’ erglühen müssen,

Und wenn ich, nun sie schwand, in Kümmernissen

Fortlebe, mich zur Asche zu verzehren!

 

Ihr Antlitz schien die Welt mir zu verklären,

Und fühlt’ ich auch mein Herz von gram zerrissen,

Doch ward ich so vom Schauen hingerissen,

Als ob mir Qual und Tod nur Wonnen wären.

 

Doch nun der Himmel diesen Glanz, den lichten,

Erlöschen ließ, der mich entflammt’ und nährte,

Glimmt’s nur in mir wie Kohle, fast versehrte.

 

Und neue Scheiter muß die Liebe schichten

Zu neuem Brand. Wo nicht, so wird’s geschehen,

Daß meiner Asche Spuren selbst verwehen.

 

 

LXI. – An Giorgio Vasari

               1554

 

Auf schwankem Kahn, oft unter Sturmeswehen,

So trieb ich in der Menschheit Hafen, lande

Nun bald nach letzter Fahrt an jenem Strande,

Wo Gott befiehlt, daß wir ihm Rede stehen.

 

Tor, der ich war, daß ich die Kunst ersehen,

Die lockende, zu meines Glückes Pfande,

Daß ich mich schwelgend warf in ihre Bande

Und träumte gar von süßen Liebeswehen!

 

Und wehe, wär’ ich heute noch umgarnet,

Da zwiefach mich der Tod umschwebt. der eine

Ist mir gewiß, - und ach! der andre warnet!

 

Und Frieden find’ ich nicht bei Farb’ und Steine,

Denn nur für ihn glüht jede Liebesflamme,

Der uns die Arme beut vom Kreuzesstamme.

 

 

LXII.

 

Wie hat die falsche Welt mich so betrogen

Um Tage, die nur Gott gebühret hätten,

Wie, statt im Schoß der Gnaden sich zu betten,

Dies Herz das Gift der Sünde nur gesogen!

 

Und nicht belehrt, wie wem sein Wahn gelogen,

Trug ich sie fort, des Irrtums schwere Ketten.

Und nun mein Sehnen, mich zu dir zu retten,

Erwacht, ist alle Hoffnung fast verflogen.

 

Willst du den Pfad zum Himmel mir noch schenken,

O Herr, so leite mich hinan! Verlassen,

Müßt’ ich ja nicht, wohin die Schritte lenken.

 

Entflamme mich, daß ich in trotz’gem Hassen

Zum Kampf mit dieser Welt mich noch bereite,

Und so dein Reich im Sterben mir erstreite.

 

 

LXIII.

 

Was gäb’ es schlechter, niedrer wohl hienieden,

Als ich, o Herr, von dir verlassen, wäre?

Drum sei geduldig mit dem Schwachen, Müden,

Und steh’ ihm bei, daß er zu dir sich kehre.

 

Gib, daß mir jene Kette sei beschieden,

Die alle Himmelsgab’ umfaßt, und mehre

Du mir den Glauben nicht und nicht den Frieden,

Wonach ich sehnend trachte und begehre.

 

Je seltner du sie gibst, je höher werde

Ich, Herr, die Gabe deiner Gaben ehren;

Es hoffe keiner Glück von dieser Erde.

 

Was ließest du dein Blut so willig fließen,

Wenn es nicht war, die Gnaden zu gewähren,

Die einzig deinen Himmel uns erschließen!

 

 

LXIV. – An Lodovico Beccadelli

               1556

 

Wohl hoff’ ich, daß nach diesen Leidenstagen

Uns beide Gottes Huld zum Himmel leite;

Doch ging’ ich gern noch einmal Euch zur Seite,

Hochwürd’ger Herr, eh’ wir der Welt entsagen.

 

Und bin ich wie in Ketten nun geschlagen,

Und trennet uns das Meer, das feindlich weite:

Nichts soll mir wehren, daß ich Schwingen breite,

Die mich im Geist zu Euch hinüber tragen.

 

Wie Eurer, denk’ ich trauernd auch des lieben

Urbiners, der mit mir wohl dort verweilte,

Wär’ er mit mir auf Erden nur geblieben.

 

Nun aber mahnt der Tod, der ihn ereilte,

Auch mich, daß ich zu andrer Fahrt mich rüste,

Hinüber winkt er zu der schönren Küste.

 

 

LXV.

 

Ist nur der Tod gewiß, die Stunde nimmer,

Doch ahn’ ich meine Tage bald vergangen,

Und ob die Sinne noch am Leben hangen,

Die Seele will es nicht, die durt’ger immer

 

Mein Ziel ersehnt. In dieser Welt voll schlimmer

Verlockung stirbt auch edleres Verlangen,

Der Mut versiegt, von Finsternis umfangen,

Und alle Wahrheit wich dem falschen Schimmer.

 

Ach, Herr, wann wird auch mir die Stunde winken,

Die, wer dich glaubt, ersehnt? Soll ich der Fehle

Noch mehr begehn, und alle Hoffnung sinken?

 

Was frommt dein Licht, erfüllt es nicht die Seele,

Eh’ uns der Tod entrafft! Wer tief in Sünden

Von hinnen geht, wird nimmer Gnade finden.

 

 

LXVI.

 

So alt und soviel Sünden unterlegen,

In allem stark, was frommer Brauch verachtet,

Seh’ ich mich schon von beidem Tod umnachtet,

Und muß noch immer Gift im Herzen hegen.

 

Und bin nicht stark, Gewöhntes abzulegen:

Wie ich gelebt, geliebt, wonach getrachtet –

Wenn deine Gnade mich nicht wert erachtet,

Mich abzulenken von so irren Wegen.

 

Doch laß es nicht, o Herr, dabei bewenden,

Daß du mit Sehnen mir die Seel’ erfüllest

Dorthin, wo du sie schufst mit deinen Händen:

 

Nein. eh’ du noch vom Staube sie enthüllet,

Mach ihr die Wege licht, die rauhen, schweren,

Und hilf ihr, sicher in die Heimat kehren.

 

 

LXVII.

 

Vielleicht, daß Leiden mich an Mitleid mahne,

Daß ich nicht spotte derer, die gefallen,

Ist meine Seele selbst der Schuld verfallen

Und, einst so rein, verführt zu bösem Wahne.

 

Herr, was geschähe, ließest deine Fahne

Du nicht noch einmal schirmend mich umwallen,

Und hülfest nicht, daß aus den Schrecken allen

Rings um mich her zu dir der Weg sich bahne.

 

Dein Fleisch, dein Blut, dein Todesleid, das herbe,

Es wasche von mir gnädig alle Schande

Der Sünden, mein und meiner Väter Erbe.

 

Du nur vermagst es, und du hilfst ja gerne;

Sei denn mit mir in meinem Jammerstande,

So nah dem Tod, und ach! von Gott so ferne.

 

 

LXVIII.

 

O gib, daß ich allwege dich erkenne,

Und gib, daß deine Flammen nur, die hehren,

Unedle nimmer mir die Seele nähren,

Daß deine Glut allein in ihr entbrenne.

 

Dich ruf’ ich, Herr, nur du bist’s, den ich nenne:

Du kannst die Qual des Wahnes von mir wehren,

Und gibst mir Kraft, zum Guten mich zu kehren,

Nun ich in Reue mich zu dir bekenne.

 

Du gabst dem ew’gen Geist die arme Hülle,

Du hast ihn in die Zeitlichkeit entsendet,

Auf daß also sich sein Geschick erfülle.

 

Sei du mit deiner Huld ihm zugewendet,

Hilf ihm, o Herr, sich stärken und erheben,

Sein Heil ist ganz in deine Hand gegeben.

 

 

LXIX.

 

Der Bürde los, entschlossen abzusagen,

Herr, ew’ger, allem irdisch-eitlen Hange,

So ward ich, wie aus wildem Wogendrange

Das müde Boot, zum Ankerplatz getragen.

 

Die Hand, die teure, an das Kreuz geschlagen,

Die Dornen um dein Haupt, die blut’ge Wange,

Sie senken Hoffnung in das Herz, das bange,

Du wolltest deine Gnad’ ihm nicht versagen.

 

Sieh nach dem Recht nicht an, was ich verschuldet,

O, neige dein geweihtes Ohr und wehre

Nicht strengen Arms, daß ich dir reuig nahe.

 

Auch mir zulieb hast du den Tod erduldet.

Sieh, ich bin alt, drum williger gewähre,

Daß ich mein Heil aus deiner Hand empfahe.

 

 

LXX.

 

Wie mag so oft der Wunsch mir wiederkehren,

Mir seien Jahr’ auf Jahre noch beschieden;

Als wäre mit dem Wunsch der Tod gemieden,

Der die nur schrecket, die ihn von sich wehren!

 

Und wenn nur bittre Leiden beten lehren,

Was sollen mir noch Freuden, die hienieden,

Je lockender, je tiefer allen Frieden

Vernichten und mit Gift die Seele nähren.

 

Vergönnet mir, o Herr, nun dein Erbarmen,

In heil’gem Eifer wieder zu entbrennen

Und läßt, die Seele stärkend, noch mich Armen,

 

Wie eigner Wert so nichtig sei, erkennen:

Dann wär’ es Zeit, rasch zu dir einzugehen,

Um gutes Wollen ist’s sobald geschehen!

 

 

LXXI.

 

Herr, laß mich nicht in meinem Kampf erliegen;

Ein eis’ger Schleier hält dies Herz umschlungen,

Die Feder heuchelt, die dein Lob gesungen,

Und meine Blätter, die dich preisen, lügen.

 

Viel besser, ach! daß meine Lippen schwiegen;

Mein Herz, ich weiß, ist nicht von dir durchdrungen,

Umsonst hab’ ich, dir’s aufutun, gerungen,

Umsonst, sein wildes Trachten zu besiegen.

 

Zerreiße du den Schleier, Herr, vernichte

Die Schranke, die wie düstre Nacht umhüllet,

Und öffne so die Bah zu deinem Lichte!

 

Send’ es herab, auf daß, von ihm erfüllet,

Die seele ganz sich dir verbunden wisse,

Daß ich dich nie in meinem Herzen misse.

 

 

LXXII.

 

Erkornen Geistern war so froh zu Sinne,

Und auch so trübe darum, daß dein Sterben,

Nicht ihres, uns den Himmel sollt’ erwerben,

Und daß du blutetest uns zum Gewinne.

 

Froh, weil du tigtest, was einst im Beginne

Gesündigt war, den andern zum Verderben;

Trüb, als sie sahen, daß am Kreuz, dem herben,

Dein Blut, wie eines Knechts der Knechte, rinne.

 

Wie zeugte da der Himmel, zu verkünden,

Wer und von wo du seist! Es schwand die Sonne,

Der Fels zerbrach, trüb ward das Meer, das weite;

 

Erzväter stiegen auf aus finstern Schlünden,

Dämonen wimmerten und ganz in Wonne

War nur das Menschenvolk, das taufgeweihte.

 

 

LXXIII.

 

Ergreift mich auch ein unnennbares Wehe,

So oft ich, wie mein Wandel war, mich frage,

Doch bin ich froh, wenn für vergangne Tage

Erinnrung will, daß ich ihr rede stehe.

 

Froh, weil ich dann auf Erden schon ersehe,

Wie nichtig Freuden sind; und voller Klage,

Weil ich die Qual der Angst im Herzen trage,

Daß soviel Schuld zu spät zum Himmel flehe.

 

Denn was an Glauben, Herr, dir jeder schulde,

Doch wär’s vermessen, sich dem Wahn zu beugen,

Daß jeden Aufschub deine Liebe dulde.

 

Und dennoch wollte ja dein Blut bezeugen,

Daß, wenn wie keiner du für uns gelitten,

Du auch erhörst wie keiner, wenn wir bitten.

 

 

LXXIV.

 

Ist jene Sonne, die das Weltall nähret,

Lenkt und belebt, auch nur die einzig-eine,

Doch glänzt sie nicht in immer gleicher Reine,

Und wechselnd ist die Gunst, die sie gewähret.

 

Mir deucht die Welt in ihrem Licht verkläret,

Indes ihr meinet, daß sie spärlich scheine,

Je wie getrübteren Gemüts der eine,

Der andre froher sich zum Lichte kehret.

 

So ist’s mit dir, du Holde: tiefer dringet

der lichte Glanz von deinem Angesichte

In jedes Herz, das inniger empfindet.

 

Und wenn er mächt’ger nicht den Geist beschwinget,

So ist’s, weil, überströmt von solchem Lichte,

Die arme Menschenkraft versiegt und schwindet.

 

 

LXXV.

 

Den schärfsten Pfeil, mich tötend zu durchdringen,

Den wünscht’ ich mir als Balsam für die Wunde,

Doch so ist Liebe: wie sie auch verwunde,

Sie spornt, das Leben heißer zu umschlingen.

 

Wohl sah sie mich mit meinen Qualen ringen,

Dann aber kam ihr Bote mit der Kunde:

„Ja, liebe nur, denn nur mit Lieb’ im Bunde

Vermag, wer stirbt, sich himmelan zu schwingen.

 

„Ich bin es, der dir einst in jungen Tagen

Erschien, daß er dein irrend Auge lenke

Auf ewig Schönes, das vom Himmel zeuget.

 

„Nun mahn’ ich abermal, daß du nicht zagen

Noch schwanken mögst; denn helles Licht, bedenke,

Muß denen leuchten, die das Alter beuget.“

 

 

LXXVI.

 

Flieht vor der Liebe, Menschenherzen, flüchtet!

Wild ist ihr Brand und grausam ihr Verwunden,

Wer nicht alsbald den Weg zur Flucht gefunden,

Der hat auf Freiheit und Vernunft verzichtet.

 

Flieht! Wie sie grausam über mich gerichtet,

Was sie mir schlug an wehevollen Wunden,

Ihr mögt daran, was eurer harrt, erkunden,

Erkennen, wie ihr tückisch Spiel vernichtet.

 

Flieht vor dem ersten Blick, flieht ohne Säumen!

Wohl mocht’ ich von geborgnem Glücke träumen;

Nun fühl’ ich, und ihr seht es, wie ich brenne.

 

Wie schmeichelnd auch die Schönheit lockt – ich nenne

Euch Toren, die ihr folgt. Mit jenem Pfeile,

In den ihr stürmt, entsagt ihr allem Heile.

 

 

LXXVII.

 

Du hast zum Himmel mich emporgehoben,

Du, die allein auf Erden mch entzückte;

Dir dank’ ich, was nur wenige beglückte,

Ein Leben wie im Reich der Geister droben.

 

Sind hier Geschöpf und Schöpfer so verwoben,

Daß Himmelsahnung mich der Welt entrücke,

Wie sollte dann das Herz, das glutdurchzückte,

Nicht ungestraft dich preisen und dich loben?

 

Drum wenn ich von so schönem Augenpaare

Den Blick nicht wenden mag, so ist es, weil ich

In seinem Licht den Weg zu Gott gewahre.

 

Und deucht mir edel meine Lieb’ und heilig,

So ist es, weil die Flamme, die mich nähret,

Der Wonne gleicht, die jene Welt verkläret.

 

 

LXXVIII.

 

Dir, tückische Liebe, hab’ ich Jahr’ auf Jahre

Mein Sinnen und mein Denken hingegeben,

Du wußtest für die Kunst, die wunderbare,

Mit immer regem Trieb mich zu beleben.

 

Nun aber ring’ ich Armer, für das wahre

Und ew’ge Teil zum Flug mich zu erheben,

Und wie beschwert mein Schuldbuch ich gewahre,

Der Himmel, fleh’ ich, wolle doch vergeben.

 

Ganz andre Liebe zu ganz andrem Schönen,

Das nicht verwittert, ist fortan mein Sehnen,

Und unbewehret biet’ ich ihrem Pfeile

 

Das Herz, denn ihre Wunden sind zum Heile.

So wird mir Himmelsahnung schon erwecket,

Eh’ noch der Marmor meine Asche decket.

 

 

LXXIX.

 

Hier ist die Stätte, wo sie Herz und Leben,

Die Liebste auf der Erden, mir entwandte,

Hier, wo sie Trost aus schönem Aug’ entsandte,

Hier durft’ ich einst den Blick zu ihr erheben.

 

Hier war ich Sklav’, hier ward ich freigegeben,

Hier jauchzt’ und weint’ ich – ach, und grausam brannte

Der Schmerz, als sie sich scheidend von mir wandte,

Die mich gewann, um mir den Tod zu geben.

 

Hieher oft wandl’ ich, und hier sitz’ ich nieder,

Und wie des Glücks, so auch des Grames willen

Ehr’ ich und such’ ich diese Stätten wieder.

 

Noch lächl’ ich hier, noch fühl’ ich Tränen quillen,

Je wie Erinnrung sie, für die ich glühte,

Mir wecket, grausam oder reich an Güte.

 

 

LXXX.

 

Die ihr für Schönes lautren Sinn entfaltet,

Ihr wißt das treue Menschenbild zu ehren,

Das euch die Kunst, die älteste an Ehren,

Aus Wachs, aus Erde oder Stein gefaltet.

 

Ward nun die Zeit, die unerbittlich waltet,

Nicht müde, zu verwüsten, zu verheeren,

Dann im Gedächtnis wird das Schöne währen

Lebendig, wie es war, und unveraltet.

 

Und du mit allem Reiz, der dir beschieden,

Mit allem, der den Himmel ziert, du zeugest

Von jenem ew’gen meister schon hienieden.

 

Und ob auch du den Jahren einst dich beugest,

Doch, eingedenk des nimmer Wandelbaren,

Werd’ ich dein Bild im Herzen tief bewahren.

 

 

LXXXI.

 

Sonst war’s in mir wie Eis in Glut getrieben,

Jetzt ist’s wie Glut von starrem Eis bezwungen;

Das Band, so fest geschmiedet, ist zersprungen,

Und alle Lust seh’ ich in Gram zerstieben.

 

Was mir zum Heile war, dies erste Lieben,

Es hält wie Qual die Seele mir umschlungen;

Ich fühle mich von Todesfrost durchdrungen,

Wie wem vom Leben kaum ein Hauch geblieben.

 

Ha, schlimmer Tod, es wäre mild gewesen,

Ein Herz, das liebte, nicht allein zu wählen,

Nein, auch das andre gleich dir zu erlesen.

 

Dann trüg’ ich nicht dies Leben voller Plage,

Und frei von Leiden, die das Herz mir quälen,

Spart’ ich den Lüften ach! so manche Klage.

 

 

LXXXII.

 

Nicht nur besiegen, nein, mich ganz verheeren,

Das wolltest du, schon einst, zu tausend Malen,

Und nun sich bleicher meine Scheitel malen,

Ließ’ ich durch deine Lockung mich betören?

 

Ach, wie so manchmal hast du mein Begehren

Gespornt, gezügelt, - was erdacht an Qualen,

Die mir das Rot von meinen Wangen stahlen,

Wie oft die Brust mir überschwemmt mit Zähren!

 

Dich, Liebe, mein’ ich, dir da gilt’s, du Stolze!

Jetzt bin ich frei, umspüre mich nicht weiter,

Dein grimmer Bogen zielt da doch ins Leere.

 

Wurm oder Säge in verkohltem Holze,

Was hülf’ es? Ach, und den gebrochnen Streiter

Verfolgen, ist gewiß kein Werk der Ehre.

 

 

LXXXIII.

 

Süß wär’s, mich im Gebet vor dir zu neigen,

Hätt’ ich die Kraft, zu dir emporzuflehen;

Was hilft es, Saat in meinen Acker säen?

Er ist zu karg, heilsame Frucht zu zeugen.

 

Die Saat des Frommgerechten ist dein eigen,

Dein Odem muß, damit sie keime, wehen;

Und keinem ist’s gewährt, dir nachzugehen,

Dem deine Gnaden nicht die Wege zeigen.

 

Gib mir Gedanken ein, o Herr, Gedanken,

Die also mächtig mir die Seel’ ergreifen,

Daß ich dir folge fest und ohne Wanken.

 

Und Worte laß auf meinen Lippen reifen,

Beredt, von dir erfüllt, daß sonder Enden

Sie Ehre, Dank und Lobgesang dir spenden.