Dante Alighieri              (Sonette zweifelhafter Echtheit)

1265 – 1336

 

In Übertragungen von

Richard Zoozmann

 

 

1. (An Cino da Pistoja?)

 

Man wollte oft, was Liebe sei, verkünden,

Und viele Worte gabs, doch niemand glückte

Zu sagen, was der Wahrheit näherrückte,

Und keiner konnte ihren Wert ergründen.

 

Der eine sprach, sie sei ein geistig Feuer,

Einbildung, vom Gedanken aufgefangen;

Der sprach, sie wär willkürliches Verlangen,

Erzeugt durch Wonne, die dem Herzen teuer.

 

Ich aber sage, wesenlos ist Liebe

Und ist aus Stoff nicht körperlich gestaltet,

Es sind vielmehr nur sehnsuchtsvolle Triebe;

 

Ist Lust an Schönheit, die Natur entfaltet,

Sodaß dem Wunsch des Herzens sonst nichts bliebe,

Und er genügt, solang die Freude waltet.

 

 

2.

 

Jwetzt wo die Welt sich schmückt mit einem Kleid

Von Laub und Blumen, jede Wiese lacht,

Der Himmel frei von Frost und Dunst sich macht,

Wo jedem Tier beginnt die Freudenzeit,

 

Und alles nur der Liebe scheint zu leben,

Wo Vöglein ihre alten Sänge wieder,

Vergessend aller Weh- und Klagelieder,

Auf Berg, auf Wiesen und im Wald erheben –

 

Weil ja die süße Zeit nun nicht mehr fern

Des Lenzes, froh und hell in seinem Grün:

Fühl ich mich Lust und Hoffnung neu durchglühn,

 

Gleich dem, dem Ruhm und Leben nur erblühn

Durch jenen über alles teuern Herrn,

Der mir nicht, seinem Knecht, sich wird versperrn.

 

 

3. (oder von  Cino da Pistoja?)

 

Ich sags, und wahr ists, daß mir keinerseits

Ein Schutz vor ihrer Augen Pfeil behage,

Drob diese große Macht ich nicht verklage,

Das Steinherz nur, an Mitleid voller Geiz,

 

Das mir ihr schönes, heitres Antlitz birgt,

Wodurch ich meines Herzens Wunde heile,

Dem ich durch Tränen Lindrung nicht erteile,

Weil keine bittre Klage bei ihr wirkt.

 

So schön ist die an Grausamkeit so volle,

Der Liebe fremd, dem Mitleid voll Verdruß:

Doch schmerzt nichts mehr, daß ich es sagen muß,

 

Weil mich erschöpft der Qualen Überfluß;

Obwohl ich ihr darob durchaus nicht grolle,

Nein, mehr als mir die treuste Liebe zolle.

 

 

4.

 

Ob der Gemeinheit der gemeinen Seelen,

Ob niedres Volk auch niedre Worte spricht:

Für eine kluge Frau geziemt sichs nicht,

Soll ihrem Kranz nicht Preis und Ehre fehlen,

 

Zu zagen und zu glauben, daß ihr Ruf,

Der allerorts glänzend wandelt und in Klarheit,

Sich rauben lasse; denn sie fühlt, daß Wahrheit

Ihr keinen Grund zu einem Tadel schuf.

 

Wie Dornen stehen um die Rosenköpfe

Und wie das reine Gold in Feuershelle,

So macht Ihr sichtbar Euch an jeder Stelle.

 

Drum rede denn manch törichter Geselle,

Weil hellern Glanz nur Euer Ruhm draus schöpfe,

Als wenn Euch preisen würden – solche Tröpfe

 

 

5.

 

Blickt her und sehet, wer mich zieht und leitet,

Denn mit euch leben kann ich nun nicht mehr,

Und bringt ihm Ehre dar, denn er ist der,

Der uns durch edle Frauen Qual bereitet!

 

Die Kraft, die tötet, aber Zorn nicht braucht,

Auf meine Bitte send er sie hernieder:

Und glaubet mir, daß ers im Wesen wieder

Nur toller treibt, je mehr man Seufzer haucht.

 

Sie zwang den Geist mir mächtigen Gewichts

Und läßt ihn durch solch edles weib zerstören,

Daß all mein Mut daliwegt vor ihr im Staube;

 

Und eine zarte Stimme läßt mich hören,

Die spricht: „So willst du also, daß ein Nichts

Solch schöne Herrin deinen Augen raube?“

 

 

6.

 

Wenn Nacht umarmt mit bräunlichem Gefieder

Die Welt und letztes Tageslicht verzuckt:

In Luft und Meer, im Wald, im Laube duckt

Und unterm Dach ein jedes Tier sich nieder,

 

Weil Schlaf dem regen Denken Ruhe bringt,

Nachdem er durch die Glieder sich ergossen,

Bis Morgenrot, von Lockengold umflossen,

Zur Tagesmühe alles wieder zwingt.

 

Ich Armer darf mich an den Schwarm nicht reihen,

Weil Seufzerqual, die Feindin der Erquickung,

mir offenhält die Augen, wach das Herz;

 

Und seh dem Vöglein gleich in Netzverstrickung,

Je mehr ich Ausweg such, mich zu befreien,

Mich mehr umgarnt nur und voll Irrtumsschmerz!

 

 

                                                             7.

 

Kam eines Tags zu mir Melancholie

Und sprach: „Ich will ein wenig Rast hier halten.“

Und mir erschiens, als ob da mit ihr wallten

Der Schmerz und Zorn, der ihr Gesellschaft lieh.

 

Und zu ihr sprach ich: „Fort, und laß mich frei!

Sie gab Bescheid, als wenns ein Grieche tue,

Und sprach zu mir behaglich, ganz in Ruhe –

Aufblickend sah ivh, Amor kam herbei,

 

In eine schwarze Tracht gekleidet wieder,

Und auf dem Haupte trug er einen Hut,

Und wirklich, Tränen flossen reich ihm nieder.

 

Und ich: „Was ist es, Schelm, was wehe tut?“

Und er: „Ich fühle Schmerz, weil ich gedachte,

Daß, Bruder, unsre Frau der Tod umnachte.“

 

 

 

 

Melancholie  kam eines Tags gegangen

Und sprach: Ich will ein wenig bei dir weilen!

Da schien es mir, als ob ihr Herz durchdrangen

Trübsal und Zorn, die beide schwer zu heilen.

 

Ich rief: Geh fort! Dein Hiersein schafft mir Bangen!

Schlau wie ein Grieche, statt nun fortzueilen,

Knüpft ein Gespräch sie an, mir mitzuteilen

So manches. – Da kam Amor, grambefangen.

 

In schwarze Trauertracht war er gekleidet,

Das Haupt bedeckt, abwärts den Blick gerichtet,

Und weinte bitterlich aus vollstem Herzen.

 

Und ich: Was macht dir, Ärmster, solche Schmerzen?

Ich bin betrübt, sprach er, zu Tod vernichtet,

Weil unsre Herrin, Freund, von hinnen scheidet!

 

 

 

 

8.

 

Sonett, kommt dir Meuccio zu Gesichte,

Sollst du, sobald du ihn erblickst, begrüßen;

Ja, eile hin und wirf dich ihm zu Füßen,

Daß du nicht gleichst dem unerzognen Wichte!

 

Und falls er dir sein Ohr ein wenig liehe,

Zu neuem Gruß freundwillig dich verpflichte,

Und dann von meinem Auftrag ihm berichte;

Vorher indessen ihn zur Seite ziehe

 

Und sag: „Meuccio, der dich liebt so sehr,

Schickt dir von seinen edelsten Juwelen,

Zu deinem guten Herzen zu gelangen.“

 

Doch laß als erste Gabe ihn empfangen

Hier die Geschwister dein mit dem Befehlen,

Bei ihm zu bleiben auf Niewiederkehr!

 

 

9.

 

Wenn meine Augen Pfeile schicken könnten,

Vielleicht auch so ein tödlich Gift enthielten,

Daß sie mit ihren Strahlen tödlich zielten,

Wie Basilisken, sagt man, blicken könnten,

 

Dann wär es recht nur, daß man sie entschuldige,

Die qualvoll mir entwendet Herz und Sinne.

Doch so, kaum wird sie meines Anblicks inne,

Verbirgt sie ihre Schönheit, der ich huldige,

 

Obwohl aus meinen Augen doch entspringt

Nichts als die Liebe, wenn ich sie betrachte

Mit jener Lust, wie sie mein Herz durchdringt.

 

So wolle gott – weil sie dies Leid mir brachte,

Drob Amor ihrethalb mein Herz bezwingt –

Daß sie in einem einzigen Seufzer schmachte!

 

 

10.

 

Vielmals bei Tage lach ich laut und weine,

Bin tief berübt und singe fröhlich wieder;

Denn wenn sie scheidet, liegt mein mut darnieder,

Daß ich in kurzer Zeit zu sterben meine.

 

Kehrt sie zurück, so muß ich jubelnd singen,

weil mir ihr Nahn so großes Glück erteilte;

Doch kaum, daß sie ein wenig bei mir weilte,

Flieht sie aufs neu, mir neuen Gram zu bringen.

 

So hält ein wilder Zwiespalt mich beklommen,

Daß Tag und Nacht das Leben mir bedroht

Solch Zustand, ohne je zur Ruh zu kommen.

 

Amor, erbarme du dich meiner Not,

Gib Tod, gib Leben, dir ist unbenommen

Die Macht dazu, doch dies gibt mir den Tod!

 

 

11. (oder von  Cino da Pistoja?)

 

Weh mir! daß Mitleid ich zu finden achte,

Vernähme meine Herrin erst die Kunde

Der großen Pein in meines Herzens Grunde,

Und seh nun, daß sie grausam mich verachte,

 

Und demutfremd in starkem Zorne grollte,

Daß ich mich als gestorben schon betrachte,

Weil meinen Mut das ums Vertrauen brachte,

Was mir sonst Sicherheit verleihen sollte.

 

Drum will sich nicht der stille Vorwurf legen,

Wie ich noch leb, wo Hoffnung mir zerknickte,

Daß Sie und mitleid jemals Freundschaft hegen.

 

Ja, nur zu sterben noch für mich sich schickte,

Und sagen kann ich, daß ich nicht zum segen

Bolognia noch die schöne Frau erblickte.

 

 

12. (oder von  Cino da Pistoja?)

 

Die Frau dort, die mich wandeln läßt in Sorgen,

Sie trägt im Angesichte Amors macht,

Daß mir in meines Herzens Grund erwacht

Der holde Geist, den ich alldort verborgen.

 

Sie hat mir eingeflößt ein solch Verzagen,

Daß ich, seit ich den süßen Herrn gesehen

In ihren Augen volen Glanzes stehen,

Vor ihr den Blick nicht wage aufzuschlagen.

 

Und kommts, daß ich die schönen Augen sehe,

So winket mir darinnen so viel Glück,

Wie mein Verstand nicht fähig zu erfassen.

 

Dann sinkt mir alle Kraft gelähmt zurück,

Sodaß die Seele, die vor Seufzern wehe,

Sich anschickt, meinen Körper zu verlassen.

 

 

13.

 

Vom Antlitz (das die Sonne macht erblassen)

Der Segenspenderin für Segenswerte –

Die unserm Leben mehr an Reiz bescherte

Und Glück, als man auf erden mag erfassen,

 

Von ihren Augen (Sterne sinds und Sonnen),

Vor deren Glanz kein Blick sich kann erheben,

Wert, daß sie meinen Seufzern Nahrung geben,

Von ihren Worten, schlicht, hold, süß an Wonnen,

 

Von ihres Wesens himmlischem Gehaben,

Von nie vorhergeschauten Lieblichkeiten,

Die selbst die Luft mit Liebesfarbe rötet,

 

Von dem, was Himmel und Natur ihr gaben

An Reizen, unverändert allerzeiten –

Entsprang die Glut, die mich erhält und tötet.

 

 

14. (oder von  Cino da Pistoja?)

 

Jenes entzückenden Gesichtes Wonne

Erschuf den Pfeil, den mir die Augen sandten

Ins tiefe Herz, als sie zu mir sich wandten,

Der hingestarrt zu ihrer Schönheit Sonne.

 

Da fühlt ich, wie die Sehkraft mir verderbe

Im Angesichte, das die Furcht verwirrte;

Und jeder Seufzer, der der Brust entirrte,

Erzählte jammernd, daß mein Herz nun sterbe.

 

Ach! darauf weinte jeglicher Gedanke

Im schmerzerfüllten Geist, der mich erkennen

Läßt immer, was man höchlich an ihr preise.

 

Dort spricht zum Herzen einer solcherweise

Und sagt: mitleidig bist du nicht zu nennen

Mit unserm Los; drob ich verzweifelnd schwanke.

 

 

15. (oder von  Cino da Pistoja?)

 

Ihr, meine Frauen, saht ihr jüngst vielleicht

Die wonnige Gestalt, die schier mich tötet?

Vor der, wenn Lächeln nur ihr Antlitz rötet,

wie Schnee vorm Sonnenschein mein Denken weicht?

 

Sie war es, die das Herz mir grausam knickte,

Daß ich kaum länger meinem Leben traue:

Wer immer drum, ihr Frauen, sie erschaue,

Falls sie der Zufall euch entgegenschickte,

 

Steht still vor ihr und wollt aus Mitleid wagen,

In Demut ihr zu melden diese Kunde,

Daß ich von ihr empfing die Todeswunde.

 

Und will sie, daß durch ihre Huld gesunde

Die Seele mein, drauf so viel Sorgen lagen,

So lasse sie: Bleib fern! durch mich euch sagen.

 

 

16. (oder von Dante da Majano?)

 

Aus meiner Herrin Augen schön und heiter

Blitzt eine Kraft, von Amor so durchdrungen,

Daß, wen sie trifft, zum Stillstehn wird gezwungen,

Um sie zu sehn; und nichts begehrt er weiter.

 

Schönheit und Zucht als Göttin sie verehren,

Und recht ists, da ihr Wert so unerreichbar,

Daß sie nicht Menschen, Göttern nur vergleichbar;

Und immer, immer soll ihr Ruhm sich mehren!

 

Wer sie recht liebt, des eignen Glücks sich wundert

Im Anschaun ihrer Tugenden: so viel sinds!

Und fragst du: wie ichs weiß? – Ich fühl es eben.

 

Doch willst du Aufschluß nun und sprichst: Wieviel sinds?

Nicht weiß ichs, denn ich zähle nicht nur hundert;

Unendlich mehr als doppelt muß es geben!

 

 

17.

 

Holdselig Mädchen, weil mich Amor schon,

Du weißt es, willig dir zu eigen machte,

Und ich für dich nur brenne und verschmachte,

So laß mich auch nicht sterben ohne Lohn.

 

Du kannst dir, edler Herr, vielleicht nicht denken,

Wie hart sie, und wie drückend meine Schmerzen;

Denn noch erlosch dir nicht im edlen Herzen

Das Mitleid, Hilfe einer Frau zu schenken.

 

Ja, alle gegenwärtige Not entschwindet,

Gibst du ersehntes glückliches Gelingen

Der Hoffnung nun, die Amor setzt in dich.

 

Darum, Madonna, eh der Tod mich findet,

Hilf mir um Gott, willst du mir Hilfe bringen,

Und, Harte, sie zu deinen Füßen mich!

 

 

18.

 

Ach! trage mit Geduld der Liebe Gluten

Und leide willig deines Herzens Qualen;

Denn dir, so hoff ich, wird solch Glück noch strahlen,

Daß du dich zählest zu den Frohgemuten.

 

Ich sah schon bei des Meers empörtem Fluten

Der Schiffer Antlitz totenbleich sich malen,

Die dann, wenn sie die Seele Gott empfahlen,

Erreicht den Hafen und zufrieden ruhten.

 

Denn Amor will kein Mißtraun, selbst kein leises;

Und kränkt er uns zuerst mit finsterm Grame,

So prüft er nur des Liebenden Gesinnung.

 

Und findet er ihn später wert des Preises,

Stimmt er ihm günstig die geliebte Dame,

Daß Wonne wird der Dienst in seiner Innung.

 

 

19.

 

Je stärker Amors Pfeile euch befehden,

Je schneller sollt ihr ihm auch angehören;

Nicht bessern Rat, das will ich euch beschwören,

Kann ich erteilen. Darum warn ich jeden!

 

Dann wird er euch mit süßem Balsam heilen

Zur rechten Zeit, bis alle Schmerzen wichen;

Denn Amors Wunden wiegen leicht, verglichen

Mit seiner Lust. Drum sollt ihr euch beeilen,

 

Zu euuerm Herzen jetzt den Weg zu bahnen

Für seine Macht, seid wirklich ihr getroffen

Von ihm so schwer, wie euer Wort läßt ahnen.

 

Und immer lasset diesen Weg ihm offen;

Denn Freuden schenkt er seinen Untertanen,

Und sie nur läßt er auf Belohnung hoffen.

 

 

20. Antwort auf ein Sonett von Dante da Majano

 

Wissen und Kunst, Geist, edle Lebensart,

Adliger Stand, Schönheit und Mammons Erz,

Kühnheit und Demut, ein freigebig Herz,

Großmut und Macht, ob einzeln und gepaart,

 

All diese Güter überwinden immer,

Mit des Besitzes Lust vereint, die Liebe:

Ob dies im Kampf mit ihr nun stärker bliebe,

Ob das: aus jedem leuchtet doch ihr Schimmer.

 

Drum, wenn du wünschest, Freund, dir möchten frommen

Die Kräfte, die Natur gab oder Glück,

So nütze sie auch redlich Amors wegen

 

Und sei nicht seinem holden Wink entgegen;

Denn alles weicht vor seiner Macht zurück,

Was gegen ihn den Ansturm unternommen.

 

 

21.

 

Laß, Amor, uns ein klein Gespräch doch wagen

Und such des Zornes Pein mir zu zerstreuen;

Und soll sich einer dann des andern freuen,

Laß, Herr, von unsrer Frau uns etwas sagen.

 

Gewiß, der Weg scheint minder uns beschwert,

Weiß solch Gespräch uns ruhiger zu machen,

Und Lust zur Heimkehr fühlt ich schon erwachen

Beim Meinungsaustausch über ihren Wert.

 

Auf, Amor, denn dir ziemt es anzufangen,

Und mache dich bereit; denn ihretwegen

Bist du so gut, Gesellschaft mir zu zollen,

 

Seis mir zum Lohn, seis nun aus freiem Wollen!

Mein Geist, mein Denken will sich nicht mehr regen,

So groß ist, dir zu lauschen, mein Verlangen.

 

 

22. (oder von  Cino da Pistoja?)

 

Euch machte wert, jedweden Schatz zu heben,

Eurer Lateinerstimme süßer Klang,

Wär Euer Herz so flatterhaft nicht eben,

In das nie Amors Pfeil verwundend drang.

 

Ich, dessen Herz ganz jener Dorn zerpeinigt,

Der Heilung bringt, indem er Seufzer schickt,

Ich finde wohl die Schmiede, wo sich reinigt

Die Tugend, drob Ihr mich so bleich erblickt.

 

Es ist nicht Schuld der Sonne, sieht sie nicht

Belaubt die Stirn, beim Schwinden und beim Scheinen,

Schuld ists des bösen Ortes und gemeinen.

 

Und wenn ich säh, daß Eure Augen weinen,

Damit Ihr glaubet, was die Lippe spricht,

Nicht drückte mich des Zweifels Schwergewicht.

 

 

23.

 

Ach! weine mit mir, Stein, der du bringst Not;

was zogst du zu so grauser Pforte ein,

Daß Todesangst mein Herz läßt steinern sein?

Ach! wein mit mir, der du sie hältst für tot.

 

Du warst erst weiß und bist jetzt schwarz zu nennen

Und dunkel, bist an Farbe ganz verschlossen,

Mitleid, die Tür: ich soll ihn nicht erkennen.

 

Öffne mir, Stein, damit ich seh den Stein,

Der sich in dir, Grausamer, birgt tiefinnen;

Mein Herz sagt mir, sie muß noch lebend sein.

 

Denn läßt mein Blick mich Täuschung nicht gewinnen,

So hat ihn schon zersplittert Angst und Pein:

Was, äußrer Stein, was macht der Stein darinnen?

 

 

24.

 

Der Lärm der Jagd, der Jäger wildes Hetzen,

Der Hasen Sprung, der Ruf der Treiberleute,

Die von der Koppel losgelassene Meute,

Durch schöne Flur zum Fange nachzusetzen,

 

Dies freut gewiß ein Herz, das frei von Schranken

Und frei von Sorgen darf durchs Leben wandeln;

Doch aus der Menge zärtlicher Gedanken

Verspottet einer mich für solches Handeln

 

Und fragt, wie er gewohnt ist, mich zu rügen:

Ob so sich Herzensadel offenbare,

Daß man, zu frönen grausamem Vergnügen,

 

Sich wende von der Frauen zarten Zügen! –

Darauf, aus Furcht, daß Amor es erfahre,

Fühlt ich zur Scham sich mir die Schwermut fügen.

 

 

25.

 

Ich sehe nunmehr wohl, daß deine Macht

Sowie auch dein Umarmen ist vergebens.

Weh mir, Fortuna, alle Lust des Lebens

Ist fern von mir, und Schwarz ist meine Tracht.

 

Jetzt komm, Verderben, tobe, Schloßenschauer,

Stürz nieder, Himmel, krause Welt, vergehe,

Öffne dich, Erde, und den Leib voll Wehe

Verschlinge und die Seele voller Trauer.

 

Jetzt hast du, Feind, was du gewollt, erworben,

Hast Willenskraft und Hoffnung mir entwendet,

Hast Liebe, Wohlsein, alles mir zerschlagen.

 

Und ich, der weiß, wie dieser Tanz einst endet,

Sag lieber Feind, Lebwohl!, wenn ich gestorben,

Und folg, wohin mich Wind und Wellen tragen.

 

 

26.

 

Die Höfe, Tugend, flieh, o bittres Sinnen,

Wo Neid und Bosheit ihre Quelle haben,

Elend und Arglist ihre Stelle haben;

Törichtes Volk, schamloser Geist herrscht drinnen.

 

Die guten Herrscher halte sie voll Huld,

Die wert des Himmels sind durch Rang und Ehre;

Denn seufzen unter aller Laster Schwere

Die Höfe, ist es feiler Diener Schuld.

 

Bedenkt, er siehts, der gute Herr der Erden,

Doch schweigt er, neue Diener zu vermeiden,

Und er beurteilt jeden ganz nach Wert.

 

Die Welt muß heute so geleitet werden;

Doch traurig, wer bei solcher Schar muß weiden,

Denn kaum ein Tod auf Stroh wird ihm beschert.

 

 

27.

 

Wir sind die traurigen Federn, die erschrecken,

Das Scherchen und das trübe Messerlein,

Die schreiben halfen voller Schmerzenspein

Die Worte, die ein Echo in Euch weckten.

 

Nun höret denn, warum wir fortgegangen

Und uns, bei Euch zu sein, hierher begeben:

Die Hand, die uns bewegte, sagt, voll Bangen

Fühl sie im Innern sonderbar es beben,

 

Daß es ihm also stark das Herz durchspalten

Und ihn dem bittern Tod so nah gebracht,

Daß ihm nur übrigblieben Seufzerklagen.

 

Jetzt bitten wir Euch drum mit aller Macht,

Ihr möget nicht verschmähn, uns zu behalten,

Daß ihm ein wenig Mitleid mög behagen.

 

 

 

28. an Herrn Bosone Raffaelli von Gubbio

 

Wohner des Hügels, laub- und schattendicht,

Von dem ein Flüßchen, nicht sehr stürmisch, springet,

(Des Name Linci weich und lieblich klinget

Auf italienisch, doch im Deutschen nicht)

 

Geh abends froh zu Tisch und in der Frühe,

Da du vom teuern Sohne heute siehst

Erhoffte Frucht, der fließend schreibt und liest

Französisch sowie Griechisch ohne Mühe.

 

Weil sonst ein hoher Geist nicht Wohnung nimmt

Hier in Italien, diesem Schmerzensquelle,

Bei dem man darf solch eine Frucht erhoffen,

 

So dients zur Lust dem ältern Raffaelle,

Daß er ihn bei Gelehrten angetroffen,

Wie oben auf dem Wasser Leichtes schwimmt.

 

 

29.

 

Wenn Schmerz und Not, drin ich mich weinend gräme,

Nur etwas mir erleichterten das Scheiden

Von diesem Leben, reich an Qual und Leiden,

Saturn sogar mein Seufzen dann vernähme.

 

Doch weiß ich Rat nicht, und wohin ich gehe,

Ist Brand und Pest zu sehn am Horizonte;

Weil ich mein Wort nicht unterdrücken konnte,

Ich unterm Himmel bald kein Obdach sehe.

 

So in Verzweiflungswut, die nichts kann mindern,

Soll ich beenden nun mein Elendsleben,

Ganz ohne Hoffnung, Ruhe zu erstreiten.

 

Nun sei es drum! So halte mein Bestreben

Schritt mit den wechselnden Zufälligkeiten:

Kein andres Mittel kann mein Jucken lindern.

 

 

30. (oder von Messer Benuccio Salimbeni? )

 

Soviel du kannst und darfst, vergib dem Rechte

Du nichts, den Freunden und dem Vaterlande,

Soviel du kannst, entflieh dem Kriegesbrande,

Weil er den Herren macht zum Knecht der Knechte.

 

Doch wenn dem Falschen nicht obliegt das Echte,

Dann sei, was falsch, vom Falschen selbst beschossen;

Denn wer nur flieht und fest sich hält verschlossen,

Der reizt die Übermütigen zum Gefechte.

 

Zu große Langmut dient nur zu vermehren

Die Willkür, die der Ordnung widerstreiten

Und gute Sitten will in schlechte kehren,

 

Sodaß es dringend nötig wird zuzeiten,

Dem Frevelmut mit kühner Stirn zu wehren

Und, wenn er droht, den Racheweg zu schreiten.

 

 

31.

 

Wenn dich Fortuna zum Gebieter machte,

So denk auch immer, Maß zu halten klüglich!

Zu fallen fürchte der am meisten füglich,

Der sich am sichersten vorm Falle dachte;

 

Und denke nicht, daß jeder still mag dulden

Das ihm von dir zu Unrecht Angetane.

Wer treu das Schicksal glaubt in seinem Wahne,

Den schmerzt im Sturz am meisten sein Verschulden.

 

Nie hat Fortuna Rücksicht je genommen,

Nein, rollt ihr Rad, wie ihr es Freude macht

Und ruft nicht Achtung! sollst zu Fall du kommen.

 

O du, der herrscht, nimm auf dies Wort Bedacht:

Gedenke, eh du noch emporgekommen,

Wie viel sie tief schon in den Staub gebracht.

 

 

32.

 

Vermißte ich den schönen Anblick nicht

Von jener Frau, die ich zu sehn verlange,

Um die ich seufzend traure, weinend bange,

So fern von ihrem lieben Angesicht:

 

Das – was mich niederbeugt und schwer bedrückt

Und mich so grausam martert, daß ich bebe,

Und wenn auch atmend noch, schon kaum mehr lebe,

Gleich einem, dem die Hoffnung ganz entrückt –

 

Wär dann mir leicht und ich nicht grambedeckt.

Doch weil ich sie noch muß wie früher missen,

So beugt mich Amor unter Kümmernissen,

 

Und nirgend ist ein Trost für mich zu wissen,

Daß alles, was den andern Freude weckt,

Mir ekelt und das Gegenteil bezweckt.

 

 

33.

 

Es ist solch knorrig Holz an keinem Stamme

Noch irgendwo ein Fels so hartgeschiefert,

Den sie, die grausem Tod mich überliefert,

Mit schönen Augen liebend nicht entflamme.

 

Ja, tritt sie einem, der sie sieht, entgegen,

Triffst sie ins Herz ihn, wenn er nicht entflieht,

Sodaß er sterben muß; denn niemals sieht

Für seine treue Pflicht er Erntesegen.

 

Ach! wozu wurde solch gewaltige Macht

Den Augen solcher herben Frau gegeben,

Die ihrer Treuen keinem wahrt das Leben,

 

Und so dem Mitleid stolz muß widerstreben,

Daß sie nicht des, der für sie stirbt, hat acht,

Ja, ihm verbirgt noch ihrer Schönheit Pracht?

 

 

34.

 

So bin ich nach der Augen schönem Schimmer

Entbrannt, die mich getötet und verrieten,

Daß dahin, wo sich Tod und Hohn mir bieten,

Doch heiße Sehnsucht mich zurückführt immer.

 

Was ich erkannt, was ich durch Ahnung spüre,

Mir so des Geists und Körpers Auge blendet,

Daß sich Vernunft und Stärke von mir wendet

Und ich dem Wunsch nur folg, wie er mich führe.

 

Der bringt mich, der ichs arglos ließ geschehen,

Zu süßem Tod durch süßen Trug und Tand,

Daß ich ihn nach dem Schaden erst erkannt;

 

Viel Schmerz durch die verhöhnte Qual ich fand,

Doch größern find ich, ach! weil so muß sehen

Mit mir das Mitleid sich den Lohn entgehen.

 

 

 

 

Wie sehnsuchtsvoll doch bang ich nach dem Schimmer

Der schönen Augen, die verrätrisch töten.

Trotzdem, daß ich vergehn muß und erröten,

Unabgeschreckt aufs neue nah ich immer.

 

Das Aug des Geists und Körpers blendets schlimmer,

Als ob im Licht ein zweites Licht sie böten;

Weil Kraft und Klugheit fehlt in diesen Nöten,

Folg ich der Sehnsucht treu, ein rüst’ger Schwimmer.

 

Sie bringt mich, weil ich folgsam ihr vertraue,

Zu süßem Tod durch süßen Trug, den leider

Ich nach erlittnem Unheil erst durchschaue.

 

Doch bittrer schmerzt, als daß ich blindlings glaubte,

Das Schicksal mich, das als des Glückes Neider

Die Liebe des verdienten Lohns beraubte.

 

 

 

 

 

 

 

35.

 

Weil Euer Anblick so das Herz berührt

Mit schwerem Schlag, daß alle Nerven beben,

Gott, laß dein mitleid etwas Luft ihm geben,

Damit der arme Geist Erholung spürt!

 

Siehst du nicht, wie ich weinend jetzt verzehre

Die wehen Augen ob endloser Pein,

Die mich so nahe läßt dem Tode sein,

Daß ich umsonst wohin zu fliehn begehre?

 

Seht, Herrin, welchen Schmerz ich trage, sehet,

Und wie die Stimme kaum noch Kraft mir leiht,

Weil sie Euch stets um Gnade angeflehet!

 

Doch, meine edle Herrin, wenn dies Leid

Euch Freude macht, drin mir das Herz vergehet,

So seht mich als demütigen Knecht bereit!

 

 

36.

 

Ich fluch dem Tag, wo ich zuerst ward inne

Ders Lichts von Euerm Aug, das mich verriet,

Der Stunde auch, wo Ihr erstiegt die Zinne

Des Herzens, draus ihr mir die Seele zieht.

 

Fluch auch der zarten Feile, die aus Minne

Geglättet und so buntgefärbt manch Lied,

Daß es für Euch im Schmuck der Reime rinne,

Drob huldigend stets auf Euch die Mitwelt sieht.

 

Fluch dem Gedächtnis auch, das dessen sich,

Was mich getötet hat, nicht will entschlagen,

Des Bildes, dem nie Reiz und Unheil wich,

 

Drob Amor Euch verschwor oft freventlich,

daß alle sein und mein zu lachen wagen,

Weil ich das Glücksrad rauben wollt für mich.

 

 

37.

 

               Amor

Wohlan und nehmt hinweg nun eure Türen

und sie wird einziehn, die die andern ehrt;

Denn diese Herrin, die so hoch an Wert,

Läßt Macht und Edelsinn vereint uns spüren!

 

               Dichter

Weh mir, o wehe!

 

               Amor

                               Sag mir was du wolltest?

 

               Dichter

Ich zittre so, ich kann mich kaum erheben -

 

               Amor

Nun fasse Mut, ich will dir immer Leben

Und Hilfe sein, wie du bekennen solltest.

 

               Dichter

Ich fühle jeden Trieb mir unterbunden

Von der geheimen Kraft, die ihr entfließt,

Und seh, wie Amor mich mit Pein umschließt.

 

               Die Herrin

So komm zu mir, auf daß du Freude siehst;

Nur im Gedächtnis trägst du noch die Wunden:

Doch zweifle nicht, bald sind sie dir entschwunden!

 

 

38. (An Giovanni Quirino?)

 

Nie glaub ich, daß mir Grausamres erscheine

Als sie, in deren Dienst mein Leben schwindet;

Wenn sich ihr Wunsch in eisigem See befindet,

So ruht in heißer Liebesglut der meine.

 

Die Mitleidlose, die mit Freundschaft geizet,

So schönheitsreich zu sehn, mir schon genügt,

Und so bin ich in meiner Qual vergnügt,

Daß meine Augen andre Lust nicht reizet.

 

Mir scheint, die stets den Blick zur Sonne wendet

Und auch verwandelt wandellos schenkt Liebe,

Daß sie solch herbes Los wie mich nicht triebe.

 

Wenn diese Stolze unbesiegt denn bliebe

Von mir, so, Amor, eh mein Leben endet,

Sei mir dein Mitleidsseufzer doch gespendet.

 

 

39. (An Giovanni Quirino?)

 

Der Fürst, der seine Diener mit Geschenken

Erfreut, die maßlos sind und übervoll,

Läßt mich entsagen allem trotzigen Groll

Und meinen Blick zum Himmelshochsitz lenken.

 

Und bin dann, die Verklärten im Gedenken,

Die Bürger in der Stadt der Herrlichkeit,

Zum Lob des Schöpfers als Geschöpf bereit,

Mich lieber in sein Lob noch zu versenken.

 

Erwäg ich dann, wie groß der Lohn wird sein,

Zu dem einst Gott beruft die Christenscharen,

So brauch ich andres nicht mehr zu gewahren.

 

Doch, lieber Freund, du läßt mich Leid erfahren,

Willst du der künftigen Welt nicht Sorge leihn,

Um sichres Gut zu opfern für den Schein.