Mary Wroth
ca. 1586 – 1640 Großbritannien
ZaunköniG
Als aller Nächte Dunkelheiten sanken,
daß Schlaf (Des Todes Bild) den Sinn befällt,
entflohen mir die eigenen Gedanken
und suchten eine andre Zuflucht schnell.
Im Schlaf sah ich den Wagen: Sucht am Steuer,
und Venus, die sich strahlend niederließ.
Ihr Sohn facht heißen Herzen an das Feuer,
die sie darüberhält und dreht am Spieß.
Ein Herz besonders muß das Feuer leiden:
Die Göttin hat's in meine Brust getan.
"Nun schieß, mein Sohn, dies müssen wir gewinnen"
und er gehorcht, legt Pfeil und Bogen an.
Ich wacht' voll Hoffnung, doch die Träume scheiden.
Weh mir, seit eine Liebende ich bin.
Gewidmet der Liebe.
1.
Wohin im Labyrinth
soll ich mich wenden?
Nur Wege, meinen Weg
ich doch nicht kenne:
Wenn rechter Hand
ich loh in Liebe brenne,
führ mich voran,
Gefahr ich darin fände.
Wenn linker Hand,
der Argwohn wär zu tragen,
sagt mir die
Schande, daß ich umkehrn müsse.
Erstarkt, als ob
mein Kreuz Fortuna küsse,
gilt mir der
Stillstand schwerer zu beklagen.
Ich wäge ob ich vor,
ob rückwärts steuer,
ob rechts, ob links,
ob ungerührt ich bliebe.
Es wäre gut, wenn
sich der Zweifel legt.
Ich find auf meinem
Weg für meine Heuer
noch immer, was den
wirren Sinn bewegt,
gib alles auf und
nimm den Pfad der Liebe.
2.
Gib alles auf und nimm den Pfad der Liebe.
Mein Weg soll nur der Seel' zum Heil genügen,
die freudig auffliegt, redlich im Vergnügen,
wo eitlen Träumen niemals Raum geblieben.
Wenn wahre Keuschheit unsren Willen lenkt,
so wird uns unsre rechte Wahl erfreuen.
Der Liebe Licht bringt Frucht, die wir nicht reuen,
die Prüfung Liebe zu bestehn gedenkt.
Sie ist der helle Stern des Gnadenlichts,
Sie ist der Feuereifer, Stock des Friedens,
die Leuchte, stets genährt vom Öl des Rechts,
des Glaubens Bildnis, Schoß wachsender Freuden.
Die Liebe ist die Tugend, die uns lacht;
ihr Brand, ihr Band ist eine Freudenmacht.
3.
Ihr Brand, ihr Band ist eine
Freudenmacht,
Kein Zwang ist dort, nur
unberührtes Weiß,
wo keine Wolke dimmt ihr
reinstes Licht.
Doch will es ihr die Sünde bald
erwidern.
Die Wünsche, die versucht durch
Liebesmacht
wie Gold vom Feuer, schwarz
sich trennt vom Weiß,
Irrtum von Wahrheit, Dunkelheit
vom Licht,
wo Glaube zählt, die Liebe zu
erwidern.
Halt dich an sie und glänz in
ihrer Macht
und sie wird standhaft sein,
wie Unschuld weiß,
warm wie dein Blick und klar
wie Tageslicht,
ehernes Schicksal freudig zu
erwidern.
Gehorch der Liebe, schaue ihre
Macht;
an ihrem Hof entfaltet sie die
Pracht.
4.
An ihrem Hof entfaltet sie die
Pracht,
Ihr Aug glänzt von
Beständigkeit und Treue,
nicht flackernd, sondern
lichterloh entfacht
und wohl behütet ist der Liebe
Feuer
bis uns kein Stern mehr
leuchtet weit und breit,
bis Mond und Sonne lassen uns
in Nacht
zurück, bis wieder Chaos uns
befreit
von allem was die Erde uns
vermacht.
Gefühle, die ihr im Gefolge
sind
erproben unser Herz, ob es
gewinnt
zu kosten diesen angenehmen
Stich.
Solch angenehme Schmerzen
kümmern nicht;
Hat sich ihr Pfeil auch in dein
Herz getrieben:
nun brenne, Heftig sei auch deine
Liebe!
5.
Nun brenne! Heftig sei auch
Deine Liebe.
Wenn Dein Verlangen echt ist,
schwer und teuer,
so bitte, daß dein Teil der
Last nicht bliebe
verschont von einem reinigenden
Feuer.
Nur treue, aufrichtige Wärme
strebt,
die Sünde zu besiegen, sie
ertüchtigt
zu Rettung aus der Furcht. Der
Seele gibt
sie Gottes Liebe, zeigt sich
rein und züchtig.
Sie führt uns freundlich und
mit offnen Augen
voll Freude kam sie, Bestes uns
zu zeigen:
Was wir verdienen und wozu wir
taugen:
Wer blind, dem wird ihr Herzenslicht
zu eigen,
Dafür woll'n wir des
Liebessegen loben:
Sie mag die Lehrer und
Propheten proben.
6.
Sie mag die Lehrer und
Propheten proben,
in wem alleine wir die Kräfte
finden,
zwei Herzen zu vereinen, wie
verwoben
in einer Seel' zwei Leiber zu
verbinden.
Umsorgend wird der andere
beäugt,
dem andern zugewandt die Ohren
blieben
in Sanftheit, immer lernend.
Dies bezeugt
der wahrhaft Liebenden Gehalt
an Liebe.
Sie mehrt die Weisheit und sie
macht dich sehen,
den Blick tief in dein
Innerstes gelenkt,
was in dir selbst für
Reichtümer bestehen.
Bewundernd nimmst du an solch
ein Geschenk -
Millionen schmücken so der
Liebe Thron;
Wie selig sind die Liebenden dann schon!
7.
Wie selig sind die
Liebenden dann schon,
das Leben das du von Geburt
verlangt?
Im Auge lodern Feuer Cupidos,
die süße Flamme bringt das Herz
in Gang.
Sie schenken deiner sehnsucht
neues Leben
aus heißen Wünschen, die
geformt aus Liebe.
Nun ausgebrannt wird sie sich
neu erheben
und wachsen, daß die Freuden
daran blieben.
Die Liebe lehrt dich Maler
sein, lebendig
deine Bitte aufzuzeichnen, wahr
und ideell, und allezeit
beständig.
So kommst als Meister du der
Liebe nah.
Sie ist die letzte wahre
Konfession.
Dem, der sie meidet, wird sie
zur Lektion.
8.
Dem, der sie meidet, wird sie
zur Lektion
und straft den, dessen Seele
nicht verehrt
den unbegrenzten Segen und den
Wert
der Liebe, die da thront in
hohen lohen.
Erfüllt von Treu und Tugend,
die ihr frommen,
gestärkt im Wert, von Umsicht
neu gebor'n,
in ihr nur ein Gedanke brennt:
Der Dorn
der Eifersucht sei keiner Zeit
willkommen.
Wer kühl versucht, sich vor ihr
zu bewahren
wird wie im Eismeer jämmerlich
erfrieren;
Und ließ' er alle
Leidenschaften fahren,
ließ' er sich von der Liebe
nicht verführen,
wird nie sein Geist an andren
Ort enthoben;
Wer umkehrt muß der Liebe Anmut
loben.
9.
Wer umkehrt, muß der Liebe
Anmut loben,
wo Venus' Torheit keinen Port
erreicht.
Wer abfiel wird auch wieder
aufgehoben,
wenn Lüsternheit das schwache
Herz umschlich,
ergibt sich unsers ihrem Licht;
Die Sinne
verweilen oder rasten nicht
Womit
sie uns auch Anlass gibt um zu
beginnen:
An ihre Brust führt unser
erster Schritt.
Die Lust ist mit der Liebe
falsch benannt,
daß man sie unter ihrem Glanz
beäugt,
doch jedes Laster, jede andre
Schand
sucht man zu rechtfertigen. -
Es zeugt doch Liebe,
wer als Monster auch bekannt;
Am Hof der Liebe scheitert der
Verstand.
10.
Am Hof der Liebe scheitert der
Verstand,
hat sich nun treulich ihr
allein verschworen.
Verdienst und Neigung sind in
eins geboren
als Kinder von Verstand und
Liebe, fand
Vernunft auch guten Rat, kann
Liebe Kraft
ihrer Verfassung ihre Krone
tragen,
daß niemand wolle nur zu
zweifeln wagen,
denn ohne Furcht gibt niemand
auf sie acht.
Dann ehren beide ihre Macht als
ein,
doch gilts die Lüsternheit zu
meiden und
das Unrecht, den Betrug, der
ganz allein
die Irrtümer gebiert, die böse
enden;
Frucht einer Saat und
unheilvoller Grund
Uneigennützig ein Gebet zu
senden.
11.
Uneigennützig ein Gebet zu
senden,
daß Freiheit dient, zu
schwächen dumpfe Erde,
die Fülle an die Falschheit zu
verschwenden,
bewirkt, daß lediglich ein
Mangel werde.
Zur Unzeit zeitlos wär's in der
Entstehung,
gesäet in Bosheit, falscher
Zeit entsprungen,
die, wie vom Schierling irr in
der Verdrehung,
von schlimmem Dunst in jedem
Kreis durchdrungen.
Dann freuten wir uns nicht in
ihrem Glanz,
wenn Schatten triumphieren,
treue Feuer
jedoch versänken in der Asche
ganz
und kühlten aus. - Oh nein!
Erneuer
der Liebe Macht! Sie strahl' im
eignen Licht;
Die Liebe siegt vorm eigenen
Gericht.
12.
Die Liebe siegt vorm eigenen
Gericht,
genau wie diee Blüten nicht
vergehen.
Obwohl sie fallen, sterben sie
doch nicht:
Du wirst statt ihrer, ihre
Früchte sehen.
Vor banger Liebe magst du zwar
erbleichen,
doch voll Genuss wird wieder
Licht entfacht,
so klar und schön, mit gar
nichts zu vergleichen,
als nur mit Venus in geweihter
Nacht.
Wer sich in Liebe hingibt,
selbstlos denkt,
den soll die Fröhlichkeit
allzeit begleiten,
im Geist bereichert und mit
Glück beschenkt,
ihm herrlichste Genüsse
auszubreiten.
Der Liebe Göttlichkeit hab ich
erkannt:
Von Nebeln frei, ich alles
heiter fand.
13.
Von Nebeln frei, ich alles
heiter fand,
in gutem Glauben ohne Bos und
Arg,
Wo Freundschaft ein geachtet
Unterpfand,
in treuer Liebe, die gerechtes
mag.
An Liebe sind die Titel nur
gebunden:
Versorger unsres Lebensglücks,
du seist
Uns Richter und Vollstrecker
froher Kunde,
der uns auf deine Liebespfade
weist.
Nur Dir dann, Amor, Lenker
unsrer Herzen,
Beherrscher der Gefühle, lieb und
treu,
vertrau ich meine Seele voller
Schmerzen,
dass sie in deinem Geiste sich
erneu’.
Mich selbst befehl’ ich ganz
und gar an dich,
nur dies mein Herz, das du
verschenkt hast nicht.
14.
Nur dies mein Herz, das du
verschenkt hast, nicht.
Du gabst es als zu leicht
erobert weg,
für deine Sammlung wertlos und
zu schlicht.
Mit ihm geht nun ein weitres,
unbefleckt.
Mein Herz ist den Tribut zu
zahl'n bereit.
mein unberührter Glaube zahlt
die Zeche.
Es ist Verdienst meiner
Beständigkeit,
daß ich an Neid und Missgunst
nicht zerbreche.
Doch muß mich immer neues
Unglück finden.
Dein Neider sollte mir mein
Gegner sein.
Die Eifersucht will alle Kräfte
binden,
daß ich nichts tuen kann; ich
seh' es ein.
wenn auch verliebt, verzehr ich
mich in Bränden.
Wohin im Labyrinth soll ich
mich wenden?
15.
Gib alles auf und nimm den Pfad
der Liebe.
Ihr Brand, ihr Band ist eine
Freudenmacht.
An ihrem Hof entfaltet sie die
Pracht.
Nun brenne! Heftig sei auch
deine Liebe!
Sie mag die Lehrer und
Propheten proben.
Wie selig sind die
Liebenden dann schon!
Dem
aber, der sie meidet, wird sie zur Lektion;
Er muß wohl fürder ihre Anmut
loben.
Am Hof der Liebe scheitert der
Verstand,
Uneigennützig ein Gebet zu
senden.
Die Liebe siegt vorm eigenen
Gericht.
Von Nebeln frei ich alles
heiter fand;
Nur dies, meinen Herz, das du
verschenkt hast, nicht.
Wohin im Labyrinth soll ich
mich wenden?