Ethelwyn Wetherald

1857-1940 Canada

 

 

 

 

 

In Nachdichtungen von:

ZaunköniG

 

 

 

 

Die Prärie

 

Ob jungfräuliches Grün im Frühling hüllt das Land,

Ob dann, soweit das Auge reicht, zartduftend sitzen

die wilden Rosenbüsche in der Sommerhitze,

Ob herbstlich gleißt im königlichen Prachtgewand

von Goldrute die Ebene. Ob bald durchdringen

die Regentropfen mit den tänzerischen Füßen

die Prärie Sie lebt Gefühle wie von Flüssen.

Und stärker: von den nimmermüden Windes-Schwingen.

 

Was immer ihre Tracht ist, sie spricht nur von Liebe,

von unschuldiger Liebe im blassrosa Kleid,

von heißen Freudentränen, zärtlich, strahlend, gold,

die wohlbehütet unter ihren Schwingen blieben:

Ihr Sommer lieblich und des Winters Einsamkeit

beharrlich wie der Liebe endlose Geduld.

 

 

 

Die rote Rose

 

Sind alle Lebenswinde träg' und lahm,

sieht sie nach ihrem Rosenbett, wie's loht,

nach jeder Knospe, ob sie, warm und rot

zur kargen Erde schaut, von der sie kam,

 

ob auf zu Ihm, der gab den lieben Rahmen

in voller Perfektion, in dem sie brennt

für sie, weil sich die Rose drin erkennt:

als Leben nur aus Duft, aus Seelen-Flammen.

 

Mein schweres Herz! Auch du bist eine Rose.

Die Perfektion hält dich in fester Hand

und flüstert dir die Wünsche, süß und teuer.

 

Nicht welke! Dieser milde Wind soll lose

verwehn den Duft in blumenloses Land

und fache an die Glut zu heiß'rem Feuer.

 

 

 

In der Menge

 

Hier in der überfüllten Einkaufsmeile,

gestoßen von der hastig geilen Menge,

im Stimmenwirrwarr, im Verkehrsgedränge,

wo Ströme rastlos flinker Füße eilen,

 

seh ich ein Grüppchen Bäume stehn im Eck,

von Tau gebadet. Einer Drossel Lied

verzaubert diesen unscheinbaren Fleck,

der Puls der Schönheit, der mich an sich zieht.

 

Ich hörte ihn erst gestern in den Bäumen.

Wo sich das Pflaster durch die Häuser zieht,

schleicht sich der Zauber ein, und wie in Träumen

verwandelt sich mein Schritt zum Vogellied.

Der Kiefernduft, der aus den Essen kam

lieh den Passanten einen Waldesrahmen.

 

 

 

Schneetreiben

 

Der Schnee deckt weich der magren Erde Bauch,

bis sie von dicken Daunen ganz vermummt.

Dem Tod legt er ein neues Bahrtuch um

und er begräbt die Dächer, bis der Rauch

 

so scheint, als weicht dem Leib der Lebenshauch.

Wie monden kann in ihm die Brache träumen

und kann die Zuflucht sein von kahlen Bäumen,

um den zu bergen, der den Mantel braucht.

 

Reif überzieht den Zaun, den Kiefernstumpf,

die schroffe Maserung. Die Welt klingt dumpf

wie der gesetzte Fußtritt einer Nonne.

 

Barmherzigkeit! die durch dein Treiben werde,

das macht, das selbst die dunkle grobe Erde

gleißende Antwort geben kann der Sonne.

 

 

 

 

November

 

So kommt des alten Jahrs zerfurchtes Antlitz immer:

Der schummerige Blick will sich im Traum ergehen,

die rückwärts schau'nden Augen scheinen noch zu sehen

der voll belaubten Juniseele roten Schimmer,

durch desaströsen Wind, zerstörerischen Regen;

Gestalten, die von Müdigkeit total durchdrungen,

beschreiten nur noch Wege der Erinnerungen,

die unter Stress und Schutt des langen Jahrs gelegen.

 

Gutnacht! Gutnacht! Der Tau tränt heute dick und feucht,

doch plaudert sie noch weiter, nur um nicht zu gehen,

von Apfelblüten, Blumen, die dort üblich stehen,

bis Licht des Indian Summer doch am Nachttisch leuchtet

und unter einer Decke Schnee, so dick gebauscht,

träumt sie schon wieder eines jungen Jahres Rausch.