Dante Gabriel Rossetti

1828 – 1882           Großbritannien

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& Monument des Augenblicks

 

 

In Übersetzungen von

ZaunköniG

 

 

 

 

Mondgespiele

So sterbensmüde heute nacht und matt
geh ich zu bett um Ruhe zu erreichen
und ich verfolge Luna mit Vergleichen,
die sich in meinem Blick verdoppelt hat:

im Teich, und wie ein Drachen im Gezweig;
in einer trüben Kugel ganz verschwommen
ein Fisch, dumm, vollgesichtig und benommen,
wie, eine Blase, die zum Himmel steigt.

Sie schickt, als ich mich von ihr fortgedreht,
mir meinen krummen Schatten spottend bei:
"Schreit deine Maße ab, komm - eins, zwei, drei!

Doch seh' ich sie, ist sie die Unschuld leiblich.
Und nun, zum Abschied, wenn sie untergeht
küßt sie mir 'Gute Nacht', - so unbeschreiblich.

 

 

 

 

 

 

 


Pandora

 

Wo führt das hin, Pandora? War es deine Tat,

Daß sich die Feuerschwingen frei entfalten?

Oh, wofür wollte der Olympier Rat

Dich als ein Abbild seiner selbst gestalten?

 

Daß nun für immer Juno’s Blick ein Zeichen,

Und daß er tödlich wirkt wie Pallas’ Miene?

Daß Venus’ Blick mag heut den Menschen gleichen

erloschnen Augen einer Proserpine?

 

Wo führt das hin? Die Flügel ausgestreckt,

Hat Krankes das Gesunde angesteckt,

Denn zuviel Leidenschaft lag im Verbot.

 

Nun halt dein Kästchen fest! Du magst nicht fragen

Wohin sie flogen, noch zu denken wagen

Ob Hoffnung drin lebendig oder tot.

 

 

 

Lilith

Von Adams erster Frau wird oft erzählt,
(vor Eva noch erfuhr sie seine Gunst)
sie kannte vor der Schlange schon die Kunst
um zu verführn, - ihr Haar war gold gewellt.

Sie saß, noch jung, auf einer alten Erde,
sich selbst so still betrachtend, daß man ahnt,
wie sacht die Männer sind von ihr umgarnt,
bis ihr zuteil Herz, Körper, Leben werde.

Als ihre Blumen gelten Rosen, Mohn.
Verborgner Duft zerfließt, Oh Lilith, war
es dein Kuss, der ihn sanft im Schlaf umwebt?

Sieh, wie die Glut in jungen Augen lebt,
dein Zauber in ihn fährt, besessen schon
verschnürt sein Herz ein einzges goldnes Haar.

 

 

 

 

Amors Vermächtnis

Du, die du mich zur Liebesstund verführst;
in meinem Herzen bist du stets present;
In deinem Herzen sein Vermächtnis brennt.
Wen? Wessen Atem habe ich gespürt?

Geweihter Rauch aus Amors Sakristei!
Dich, die, zwar stumm, sein Wort hat doch gefunden,
worauf sich unsre Seelen fest verbunden,
denn: "Du bist eins mir mir und ich bin dein."

O, deine Anmut ist mir höchster Preis,
und Amor gilt der Ruhm, gehst du die Stufen
vom Dunkel in den ersten Dämmerkreis,

wo rinnt zum Tränental ein trüber Lauf.
Die Augen ihr Erlösungswerk dort schufen
und ziehen meinen Geist zu dir herauf!

 

 

 

Der Kuss

Was für Gefühle in der Todesstunde schwelen;
und was uns auch für Schicksalsschläge streifen;
was könnte nach der Ehre unsrer Körper greifen,
entrisse je das Brautkleid einer treuen Seele,

da meiner Dame Lippe gerade, wie man sieht,
an meinem Mund zu einem Zwischenspiel gelangte,
ganz wie es Orpheus, als er selber litt, verlangte,
mit ausgezehrter Miene, mit dem letzten Lied.

Ich war ein Kind, so zärtlich rührte sie mich an;
Umfingen wir uns Brust an Brust, war ich ein Mann.
Ich war ein Geist, durchweht von ihres Geises Lächeln,

wir waren Götter uns den Atem zuzufächeln.
Im Lebensblut lief unsre heiße Glut zusammen,
ein Brand, entfacht von göttlicher Verlangen Flammen.

 

 

 

 

Im Weidenhain

 

I.

 

Ich saß mit Amor über eine Quelle
gebeugt; am Wasser er allein und ich.
Er sprach nicht und er schaute nicht auf mich,
doch schlug die Laute an, hier zu erhellen

mir das Mirakel. Unsre Blicke zielen
ins Spiegelbild der Augen, sacht und still
im leichten Wellenspiel. Die Weise will
zu Ihrer Stimme werden: Tränen fielen;

Aus seinem Augenpaar erwuchsen Ihre.
Die Wogen wühlt er auf durch seine Schwingen
zu wässern meinen dürren Herzensgrund;

Die Wellen sich in Ihrem Haar verlieren.
Als ich mich zu Ihr niederbeuge bringen
sie überreiche Küsse meinem Mund.

 

 

II.

 

Und Amor sang, doch war es ein Gesang,

den die Erinnerungen halb durchdringen;

als ob der Toten Seelen zu mir singen,

die ihrer Neugeburten harr’n so lang.

 

Mir wurd gewahr die Menge um mich rum,

die, baumgeworden, in den Weiden leiden,

die meiner Trauer gleichen, dir, uns beiden

und unsre Tage überschatten stumm.

 

Wir schaun einander an, sind uns bekannt,

weil mal gemeinsam vor dem Abgrund stand,

gehalten vom unsäglich engen Kuss.

 

Im Selbstmitleid bedauern wir uns leise

Und seufzen: „Nur noch einmal, und dann Schluss!“

Doch unbeirrt sang Amor seine Weise:

 

 

III.

 

Ihr alle, die ihr durch die Weiden geht,

mit hohlen Wangen, glühend weiß entfacht,

den Abgrund eures Witwerstandes seht,

so lang wie eine lebenslange Nacht;

 

bevor ihr, die ihr oft umsonst gelitten,

die letzte Hoffnung aufgebt, - nur Verzicht

die Lippen schmecken lernten auf ihr Bitten,

eh ihr einst wiedersehen sollt das Licht! –

 

Oje, der bittre Ort im Weidenhain

weint Wolfsmilch weiß und Blutwurz rot.

Wo könnte je ein solches Lager sein,

in dem die Seele gern in Schlaf sinkt, Tod.

 

Viel besser, ihr vergesst hier euer Leben,

als euch im Weidenhain ein Ziel zu geben!

 

 

IV.

 

So sang er: so wie Rosen eng zusammen-
gekrallt beim Abschiedsweh des Windes stehen,
am Abend streuend doch einmal verwehen,
wenn Flecken Rost auf ihren Blättern flammen; -

Wenn erst das Lied erstirbt, löst sich der Kuss
und ihr Gesicht sinkt in den Quell zurück,
so grau wie seine Augen. Trifft sein Blick
mich neu, weiß ich nicht ob er es gewußt,

weiß nur, wie ich mich niederbeugte, trank,
von ihrem Bild, am Wasser, wo sie sang,
ihr Atem, Ihre Tränen, ihr Seele...

und wußte, daß ich Amors Antlitz fühle,
daß mich sein Mitleid zu ihr niederdrückt,
bis wir vereint in seinem Glanz entrückt.

 

 

 

Der Liebe Thron

Ich nenne euch die Kräfte, die das Herz wohl mag: -
Der Hoffnung Blick nach oben und der Wahrheit Mund,
Ruhm, der die Asche anfacht von vergangner Stund
zu leuchtender Erinnerung durch Flügelschlag.

Der Jugend noch verbliebnen letzten goldnen Haare,
noch immer eng an die geliebte Schulter schmiegend
seit dem Ade, in inniger Umarmung liegend.
Das Leben, das noch Blütenkränze flicht der Bahre.

Der Liebe Thron wird all dies überragen:
Des Abschieds und des Wiedersehens stärksten Sturm.
Sie wohnt in Räumen bisher ungeahnter Art.

Die Wahrheit weiß, die Hoffnung suchts vorherzuagen
und wünschenswert ist Liebe allezeit der Ruhm.
Die Jugend und das Leben fühlen für sie zart.

 

 

 

Geburt der Braut

 

So lang ersehnt belächelt meine Dame,
wie aus dem Dunkel bricht der erste Strahl,
wie Mütter schaun ihr Kind zum ersten Mal
und sich gewiß sind, Liebe ist die Amme.

Mit ihr gebor'n, Geschöpf von Hunger pur
und Durst,
das unter ihrem Herzen liegt,
das sich aus wohlem Dunkel fortbewegt
und nach ihm schreit, zerreißt die Nabelschnur.

Nun finden wir uns unter seinen Schwingen.
von ihm geschirmt stehn wir in seinem Hain,
in dem er uns ein warmes Lager richtet.

In seinen Liedern unsre Seelen klingen,
als seine Kinder, ob wir sterblich sein,
für uns erstrahlt sein Haar in goldnem Licht.

 

 

 

1. Fassung

2. Fassung

 

Alles in Allem

Verschiedenen Gemüts trägt Gast für Gast
sich leise in das Kondulenzbuch ein.
Ihr Leben scheint der Liste gleich zu sein:
Ein Seelenaushang, täglich neu verfasst.

Was grübelt jener, überm Sohn, der starb,
ob denn der Tote um die Andacht wüßte?
Und wenn die Mutter ihm die Augen küßte:
"War es nicht so, als Vater um sie warb?"

Kann dies Gemäuer einem mit der Zeit
zur Freude werden, anderen zum Leid?
Ein schlichter Kalkputz nur, wohin man sieht.

Der Himmel projeziert das Glück des Lebens,
doch brennt sich die Erinnerung vergebens
als Höllenqual in Augen ohne Lid.

 

 

Alles in Allem

Wie ich die Gäste komm- und gehen seh,
verschiedenen Gemüts - und zahlenreich -
scheint mir ihr Leben einer Tafel gleich:
Der Seele ein lukullisches Buffet.

Wer grübelt schon: "Muß ich dereinstens sterben,
ob ich den Sohn an meiner Seite wüßte?" -
und wenn die Mutter ihm die Augen küsste:
"Hat sie es so gefühlt bei Vaters Werben?"

Kann dieser Raum dem einen mit der Zeit
zur Freude werden, anderen zum Leid?
Ein schlichter Kalkputz nur, wohin man sieht.

Im Himmel zeigt sich alles Glück des Lebens,
doch brennt sich die Erinnerung vergebens
als Höllenqual in Augen ohne Lid.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu "Ruggiero rettet Angelica" von Ingres

1.

 

Ein ferner Himmel mit der See verschwimmt;
Der Felsen steht allein in Gischt und Guss
mit einem eklen Tier zu seinem Fuß:
Gezücht von Geomant und Teraphim.

Ein Held vom Pferdegreif herangetragen
zielt auf den Fels: Ein Weib gefesselt war -
gelehnt ins Leere mit gelöstem Haar
und weichen Knien, nahe dem Verzagen.

Der Greif mit Schwanz und Flügeln heftig rüttelt,
von Wind und Wellentoben durchgeschüttelt,
bringt seinen Herrn in Position - und da
stemmt sich die Lanze in den bösen Rachen.
Vergeblich brüllt und windet sich der Drachen.
Sie hört und sieht nichts - weiß die Kämpfer nah.

 

 

2.

Schließ deine Augen, - Jetzt entscheidet's sich.
Reiß dich zusammen, stehe fest und nimm
noch einmal Luft, da sich dein Los bestimmt. -
Fall nicht in Ohnmach. War es diese Gischt,

die dich benetzt? Die auggeschäumte Flut,
die dir schon schmerzhaft an den Schläfen sitzt?
War es sein Heldenblut, das dich bespritzt?
War es am Ende gar das eigne Blut?

Nun Stille: - Wo die Wellen weiter toben
die Wellen weiter ineinanderstoben
wird sonst nun alles still. Der tote Leib

läßt von ihr ab. Ihr Ritter freit sie und,
gerad gerettet aus des Todes Schlund,
ist sie, gefesselt, ganz das nackte Weib.

 

 

 

 

Der Jugend Wechselsang

 

"ich liebe Dich: Wie könnte ich dich lehren,

wie sehr?" "Ich liebe mit der selben Glut;

so lerne ich." "Ach wüsstest Du wie gut

du bist." "Wenn gut genug, mich so zu ehren

durch Deine Liebe, will ich es begrüßen."

"Und jede Stunde hab ich mehr empfunden."

"Ich auch, und fühl' es schon so viele Stunden!"

So reden Liebende, bis sie sich küssen.

 

Wer solche Worte hörte, lebt im Glück,

wer solcherlei vernahm den ganzen Tag

in seiner Jugend, fern vom Alltags-Trubel,

von Arbeit, Wettstreit, Ruhm. - Der ist verzückt,

der seiner Liebe Seufzer atmen mag

und zweier Seelen gleichschwingenden Jubel.

 

 

 

 

Leidenschaft und Verehrung

 

Ein Flammen- und ein weißer Harfenengel

erschienen meiner Braut und mir allein:

"Gering scheint dieses Minnes Kunst zu sein",

um sich als neuer Minne aufzudrängen:

"Nur meine Saiten klingen lieb und wahr."

 

Da sagte ich: "Trotz deinen schönen Tönen,

bringt diese Harfe meine Braut zum Stöhnen,

hört sie doch die Kadenzen tief und klar."

 

Da sagte sie: "Du bist die Leidenschaft,

und dies ist die Verehrung; Er gibt beides.

Wie lichte See klingt deine Meisterschaft,

doch klagt ein fahler Teich im Hain sein Leide

und nur das Mondlicht streut so bleich und hohl,

spielt diese Harfe mein privates Solo.

 

 

 

Die Wahl

 

1.

 

Nun trinke; Du erlebst das Morgen nicht.

Die weise alte Erde: Ganz bestimmt

braucht sie uns nicht. Lass los, Geliebte, nimm

dein Flammenhaar mir nun aus dem Gesicht.

 

denn goldner Wein soll nun im Kelch erglühen,

dass deine Hand umspielen goldne Funken.

Und Singe! Singe diese Stunden trunken,

so wie Fontänen in den Himmel sprühen.

 

Und küss mich, meine Schöne, denn dort sind

auch solche, die nach falschem Reichtum jagen,

und die sich nun zu unserm Weg entschließen.

 

Sie sterben nicht einmal, dann eines Tages,

weil sie nicht lebten: Sie verenden blind,

wo Krumen ihre Lippen blos umschließen.

 

 

2.

 

Gib auf dich acht: Schon morgen bist du tot.

Kannst du dir sicher sein, du hättest Zeit?

Gibt es den Tag nicht, mit dem Gott uns droht,

den niemand weiß? Der Himmel ist so weit -

Die Sonne wandert weiter wenn wir reden:

Kennst du ihr Ziel? Kann ich den Lauf verstehen?

Vielleicht gefällt es Gott gerade jeden

geringen Lufthauch bald mit Feuer zu versehen,

daß sich die Geister auf der Erde zeigen.

Kann dein Plan seine Taten übersteigen?

Denkst du, das Paradies sei ausgemacht?

Hebt er dich auf ins Glück, nach den Gefahren

oder wirst du in die Hölle fahren?

Bewahre Haltung und gib auf dich acht.