Adam Mickiewicz

1798 – 1855           Polen/Litauen

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& Krim-Sonette

& aber echt ist

 

 

                                               In Nachdichtungen von

ZaunköniG

 

 

Krim-Sonette

 

I. Steppe Akermanskie

 

In kargen Raum gedrungen, ozeanisch weiten,

taucht mein Wagen ein, ein schwerer Kahn, gezogen

durch das Blütenmeer, rauschende Wiesenwogen,

weicht Inseln, Riffen aus, muß mit den Stürmen streiten.

 

Ein Dämmern senkt sich, doch kein Stern will mich geleiten

hab ich den Himmel nach Vertrautem überflogen.

Was glimmt dort? Zieht der Morgenstern schon seinen Bogen?

Als Morgengruß woll’n Lichter übern Dnjestr gleiten.

 

Sei still! Hoch ziehn die Kraniche in langen Ketten,

So hoch daß sie selbst wachem Falkenblick entgehen,

Ich hör, sich Schmetterlinge in die Winde betten.

 

Schlüpft hier `ne Schlange durch das Gras? ... Die Ähren wehen...

Ich horche weit, auf Stimmen aus vertrauten Stätten;

aus Litau’n...  Weiter! ... niemand ist zu hör’n, zu sehen.

 

II. Ruhige See

 

Von der Anhöhe bei Tarkankut

 

Die Fahne hängt vorm Werder, reglos,  ohne Kraft;

Ein lichter Wellenschlag wie’n leichter Atemzug,

der sanfter Bräute Liebesträume mit sich trug,

der in der Brust kurz aufseufzt und erneut erschlafft.

 

Die Segel, kampferfahren hängen schwer am Schaft,

gerafft. Beinahe unbemerkt wiegt sich der Bug,

der rhythmisch an die schwere Ankerkette schlug,

und die Matrosen atmen auf; Es ist geschafft!

 

Die See: Dicht unter ihrer blanken Spiegelfläche

hausen Ungeheuer, grause Riesenkraken,

die kein Gewittersturm aus ihren Träumen reißt!

 

Die Hydra der Gedanken zeigt dir deine Schwäche.

Und glättet heut die See ihr reines, weites Laken;

Du weißt, das dieses Tier um jede Wunde weiß.

 

III. Die Überfahrt

 

Geheul; die Sturmgespenster singen sich in Rage

Und ein Matrose ruft „Macht euch bereit“ und läuft

hoch in die Wanten, von der salzgen Gischt durchträuft.

Wie eine Spinne hängt er in der Takelage.

 

Sturm! -  Sturm! –

 Das Schiff: Es keucht schwer in der Sturmpassage.

Es wälzt sich auf und ab, wie sich das Wasser häuft,

Springt auf, taucht ab, daß jede Planke Meersalz säuft,

und luftzerteilend Flügel leiht der Equipage.

 

Mein Mut schwillt rasend an vor diesen Wassermassen,

Wird Übermut und gipfelt sich in wildem Schrei!

Ich stürz’, die Arme ausgebreitet und bereit...

 

Mein Atemzug soll alle Segel schwellen lassen!

So glücklich, wie schon lang nicht, fühl ich mich dabei,

So wie ein Vogel! leicht! lebendig! und befreit!

 

IV. Sturm

 

Das Segel riß, in schweren Wassern brach das Steuer.

Ein Schrein und Fluchen, schuften, daß die Pumpen liefen,

Und mit der Sonne stürzt die Hoffnung in die Tiefen.

Die Wanten reißen und der Schreck wird dein Getreuer.

 

Der Sturmwind thront stolz über seinem Gischtgemäuer,

das turmhoch wuchs, und wieder drohten die massiven

Wellenwände uns mit tödlich aggressivem

Schwall. Der Tod ein kaltes, stolzes Ungeheuer.

 

Dort liegt ein Mann, halb tot, ein andrer schlingt die Hände

um seinen Freund, im Tode nicht allein zu sein

und ein Gebet scheint über diesen Sturm zu wehen.

 

Ein Mann sinnt stumm, daß er die rechten Worte fände,

denkt: „Glücklich, fiel’n mir heute die Gebete ein“

Und „Wohl den Liebenden, die nicht alleine gehen.“

 

V. Blick auf die Berge aus der Steppe von Koslow

Pilger und Mirza

 

     Pilger:

 

Sieh dort! Hat Allah hier ein Eismeer aufgerichtet?

Ein weißer Wolkenthron, den Engeln zugedacht?

Ist’s ein Werk der Diven, Zeichen ihrer Macht,

die wider freiem Sternenlauf die Wand geschichtet?

 

Als ob Byzanz verbrennt, scheint glühend rot belichtet

der Firn, bereitet Allah den Chylat zur Nacht.

Ist dieser Brand als Richtungsfeuer angefacht,

den hohen Sternen auf den rechten Weg gerichtet?

 

     Mirza:

 

Dort haust der Winter, ich war einmal aufgestiegen

und sah die Bäche trinken aus des Felsens Schoß.

Ich spie dort Schnee und sah wo meine Grenzen liegen.

 

Des Adlers Wege enden dort und Wolken blos

sah ich in denen sich wohl Blitz und Donner wiegen.

Darüber nur die Sterne leuchten, grandios.

 

Das ist der Tschatyr Dagh!

 

     Pilger:

 

                     Ah!

 

VI. Baktschi Sarai

 

Öd liegt das Schloß, wo ehedem die Khane prangen.

Kein Pascha wandelt heute durch den langen Flur.

Aus seidnem Sofathron flieht scheu die Kreatur;

Drin nisten Ungeziefer und ein Knäuel von Schlangen.

 

Schon Efeuranken durch die Fensternischen langen,;

durch feuchte Mauern und Gewölbe führt die Spur

und zeichnet, was ein jeden Menschenwerks Natur,

graviert Belsazars Menetekel ein: „Vergangen“

 

Dort in der Mitte rinnt noch aus den Marmorschalen

des Harems letzter Glanz und muß erblassen,

Weil Tränen eine Botschaft in die Wüste malen:

 

„Wo ist nun Liebe, Macht und Ehre, stolzes Prassen?

Muß man die Freude mit Vergänglichkeit bezahlen?

Warum bin ich allein, der Tränenquell, belassen?“

 

VII. Baktschi Sarai bei Nacht

 

Die Gläubigen zersteun sich wieder übers Land

zum Abend.Es verhallt der Ruf des Muezzin.

Und schüchtern setzt sich, seine Wangen sind rubin,

der Fürst der Nacht an seiner Liebsten Bettenrand.

 

Es glänzt des Himmels Harem stets als Sternenband,

darin, auf blauem Grund, zieht eine Wolke hin,

so wie die Schwäne über tiefes Wasser ziehn,

mit weißer Brust und goldumrandeten Gewand.

 

Der Schatten fällt von Minaretten und Zypressen,

Dahinter hebt sich schwarz der riesige Granit;

der hockt auf Iblis’ Divan, wie von ihm besessen

 

im Zelt der Finsternis; mitunter aber sieht

man grelle Blitze, pfeilschnell zu durchmessen

die stille blaue Wüste über dem Zenit.

 

VIII. Das Grab der Gräfin Potocka

 

Im Frühlingsland, inmitten reicher Gärten Flor,

bist du verwelkt. Man riß dir Wurzeln aus; abrupt

entfloh dir Heimat wie ein Schmetterling, verpuppt

sich der Gedanke, der im Herz sich tief verlor.

 

Im Norden, über Polen, glänzt der Sternenchor.

Warum ist grade dort der Himmel überschnuppt?

Als ob dein Blick vom Grab aus sich des Nachts entpuppt

und deine Spur weist, in die Ewigkeit empor.

 

Auch mich hat’s, Polin, auf den gleichen Weg gelenkt;

So soll mir jemand einst 'ne Hand voll Erde bringen.

Ich sehe, wie dir oft ein Reisender gedenkt

 

und mich erweckt, hör ich die Heimatstimmen klingen,

Ein Dichter, einsam dir gedenkend Lieder schenkt

und angesichts des nahen Grabs beginnt zu singen.

 

IX. Die Haremsgräber

 

Mirza zum Pilger

 

Sieh hier: Vom Weinberg Allahs ungereifte Trauben;

Sie schmückten seinen Tisch nur kurz. Ihr dunkles Los:

vergnügt und glücklich, jung entriß man sie dem Schoß

der Jugend, trank die Muscheln, um die Perl’n zu rauben.

 

Ein Schleier des Vergessens wird sie überstauben,

und zeigt der Turban ihren Herrn auch heldhaft groß,

von ihnen bleibt nur eine schwache Ahnung, blos

ein Name, eingehaun von Männern ohne Glauben.

 

Ihr Rosen, früh verblüht auf Edens Blumenbeet,

zu früh hat man euch von der Unschuld Scham entlaubt

und euch verschleiert, daß der Augenglanz vergeht.

 

Doch diesem Fremden sei an ihrem Grab erlaubt,

gewähr es bitte, allerhabener Prophet,

um sie zu weinen, wenn er auch nicht an dich glaubt.

 

X. Bajdar

 

Mit heißen Sporen angetrieben prescht mein Pferd

voran durch Fels und Tal. Wie sich die Bilder drängen...

Es muß voran, durch Wald und wilde Wasser sprengen,

bis daß betäubend mich der Bilderstrom durchfährt.

 

Und als erschöpft mein Roß sich meinem Sporn verwehrt

will sich die Welt mit fahlem Leichentuch verhängen.

Wie ein verzerrtes Spiegelbild von Wald und Hängen,

Felsen, scheint die Welt, als ob ein Nebel gärt.

 

Die Erde schläft. Und aus dem Meeresschoß geweht

aufsteigen Wogen schwarz, die rauhe Brandung dringt

an Land, kippt an die Klippen, daß sie stumm vergeht.

 

Von Wellenbrechern über mir und wild umringt

vom Chaos wart’ ich bis sich Sinn und Denken dreht,

bis beides, kurze Zeit, in ein Vergessen sinkt.

 

XI. Aluschta bei Tag

 

Blaß Nebelschwaden morgens von den Hängen ziehn;

Ein Rauschen goldner Ähren überweht die Flur,

aus ihren Maienhaaren schüttelt die Natur

Wie Blütenkränze hell Granate und Rubin.

 

Der Himmel ist ein reich geschmückter Baldachin

und bunte Schmetterlinge folgen ihrer Spur,

als Regenbogensichel unterm hoh’n Azur,

Bis dann Heuschrecken schwarz die Felder überziehn.

 

Und wo die nackten Felsen aus den Fluten stiegen

zerbricht das Meer, doch wird sich neu entgegenlehnen

und Funken weißer Gischt wie Tigeraugen fliegen.

 

Und zornig sprühen die Gezeiten steil Fontänen

an die Wand, doch in den Wellentälern wiegen

sich die Schiffe, dümpeln fliedlich neben Schwänen.

 

XII. Aluschta bei Nacht

 

Der Wind frischt auf, nachdem die Tageshitze flirrte,

und auf dem Tschatyr Dagh das Licht der Erde liegt,

daß Purpurbäche fließen, bis der Glanz versiegt.

Ein Pilger schaut, er horcht, der sich hierher verirrte.

 

Die Berge dunkeln schon und in die Stille führte

das Quellenmurmeln. Leicht und seiden überfliegt

ein Duft das Land, der Blumen atmende Musik,

die stumm für’s Ohr, doch alle off’nen Herzen rührte.

 

Die Finsternis hat ihre Flügel ausgestreckt,

doch jäher Blitzschlag taucht die Welt in heißes Gold.

Ein Meteor hat Himmel, Erde, Berg geweckt.

 

Du Nacht des Ostens, die mir stets Liebkosung zollt,

wie eine Haremsdame mich mit Küssen deckt,

wenn beinah mich die Träume wieder eingeholt.

 

XIII. Tschatyr Dagh

 

     Mirza

 

Der Moslem zollt dem Felsen füßeküssend acht,

Der Berge Herr und Hüter, Minarett der Welt,

so hoch, wo nur die Wolken ziehen aufgestellt,

Du höchster Mast des Krimschiffs, großer Tschatyr Dagh

 

Hälst selber vor der Tür des Himmels eisern wacht,

wie Gabriel, und hart dein Blick herniederfällt,

Wie der  Janitscharen wenn die Klage gellt.

Von Wolken weiß bestickt dein Haupt und goldentfacht.

 

Ob Nebel uns umhüllt, ob uns die Sonne dörrt,

Macht eine Schreckenplage unser Korn zunicht,

Du, Tschatyr Dagh, stehst fest und taub und ungestört,

 

und ob um Gnade irgendwer zum Himmel spricht,

nach oben zeigst du nur, wem diese Welt gehört

und weist nur auf des Schöpfers heiliges Gericht.

 

XIV. Tschatyr Dagh

 

     Pilger:

 

Vor meinen Augen blühn die vollen Blumenlagen,

So zartes Lächeln und das schönste Strahl’n von allen

Himmeln, doch wolln die Gedanken heimwärts fallen.

In die Ferne. Warum, Herz, noch weiter klagen?

 

Das Wälderrauschen Litauns will ich mit mir tragen,

lieber als die Lieder Bajdars Nachtigallen;

Ein Schritt durch deine Sümpfe würde mir gefallen,

Ich hätte dafür manche Südfrucht ausgeschlagen.

 

So fern. So hoch ist, was mich anlockt, aufgehängt.

Warum schmerzt mich die Trennung immer noch aufs neue?

Die lieben Qualen, die ich suche, die ich scheue.

 

Am Lindenhof hat sie den Abschiedskuß verschenkt

und wir beschworen unsre Liebe und die Treue.

Ob sie bei frischen Vogelspuren an mich denkt?

 

XV. Über den Abgrund von Tschufut-Kale

 

Mirza und Pilger

 

     Mirza

 

Sieh weg, sprich ein Gebet und laß die Zügel schleifen.

Ab hier kannst du nur deinem Pferd vertraun. „Du bist“

ein gutes Pferd!“ Es zögert, wie’s die Tiefe mißt,

geht in die Knie am Rand, und fest die Hufe greifen,

 

kralln sich in den Fels. Läßt du die Blicke schweifen

fällt dein Blick steil, wie in Kairos Brunnen, frißt

sich ein ins Nichts, weil dort kein Grund zu sehen ist.

Dein Denken stürzt ihm nach und wird es nicht begreifen,

 

Wirst, wie ein Schiff sinkt, in das Nichts hinabgerissen,

weil der Anker keinen festen Grund erreicht

und fällt, und ins Verderben mitzieht auch das Boot.

 

     Pilger:

 

Doch ich sah, Mirza, runter zu dem ungewissen

Abgrund und ich sah... Wie sagt man es... vielleicht

begreif ich das Gesehne selber erst im Tod.

 

XVI.  Am Kap Kikineis

 

     Mirza:

 

Sieh hier herab! Hat sich der Himmel ausgegossen?

Es ist die See! Die Wellen roll’n, ein Vogelheer

bereitet sich im Halbkreis überm offnen Meer,

und ist, den Hals gestreckt, wild kreischend abgeschossen.

 

Und Inseln, wie von Schnee bedeckt, vom Meer umflossen,

treiben Schiffe unterm Steilhang stlill umher

und auf die Welt legt sich die Nacht tief schwarz und schwer.

Ein Feuerband ist ihr um ihre Stirn gegossen.

 

Es blitzt! Der Pfad stürzt in die Schlucht, von diesem Horn

treib ich mein Pferd an, über diese Kluft zu springen.

Wenns springt, so halt auch du bereit dein Zaum und Sporn.

 

Ein guter Sprung wird mich auf diese Kante bringen.

Blitzt dort mein Kalpak, kann der Sprung auch dir gelingen,

Falls nicht, so endet unsre Menschenmacht hier vorn.

 

XVII.  Die Ruinen von Balaklawie

 

Nur Trümmer sieht man noch, so viele, weit verstreute.

Die Ruhmvoll dich bewacht, du undankbare Krim,

die ragen hohl wie Totenschädel auf, wo schlimmes

Ungetier haust, Räuber lauern hier auf Beute.

 

Ich steig zum Turm auf, such, daß ich das Wappen deute,

und ich die Schrift, vielleicht von manchem Held bestimme,

die lange schlafvergessen leicht in Träumen schwimmen,

wie sich im Weinblatt seiden manches Tier vertäute.

 

Der Griechen Ornamente kann man noch erahnen,

hier wo der Römer das Mongolenheer bezwang

und mancher Mekkapilger seine Suren sang.

 

Heut kreisen Geier drüber, wollen uns gemahnen,

daß ein jeder sinkt, wie sie in Trümmer sank,

und ewig wehn auf der Bastei die Trauerfahnen.

 

XVIII.  Ajudah

 

Gelehnt am Judah-Felsen, laß ich mir gefallen,

das Spiel der Wellen, die erst tintig schwarz sich malen,

um schäumend silber um so heller gleich zu prahlen;

millionenfarbig drängen sie heran, kristallen,

 

die bäumend auf die Bänke laufen und zerfallen,

die Strände nehmen, wie ein Schwarm von Buckelwalen.

Sie beuten siegreich Perlen, Tang und Muschelschalen

und ziehen sie zurück ins Meer, samt der Korallen.

 

Ganz ähnlich fühlt wohl auch dein Herz, junger Poet,

das schwerem Wetter ausgesetzt vor Furcht zergeht.

Doch höher steht der Dichter der sein Los versteht,

 

der selbstvergessend in sein Schicksal sich versenkt.

Unsterblich werden seine Lieder dann, bedenkt

er nicht, wer ihm den Kranz für seine Stirne schenkt.

 

Odessa Sonette

 

Quand'era in parte altr'uom da quel, ch'io sono.
PETRARCA

 

I. - An Laura

 

Ach, du beschämst mich; kaum daß dich mein Blick gestreift,

errötest du. Als ich mich vorgestellt versüßt

dein Wangenrot, mit dem du wie der Morgen blühst,

dein Antlitz, das vor mir in schwache Flüchte schweift.

 

Und als du sangst, schon meine erste Träne reift...

Wie du mit deiner Stimme leicht mein Herz durchglühst!

Als ob von fern ein Engel mich mit Namen grüßt

und, mich erlösend, mir nach meiner Seele greift.

 

Ach Liebste, keine Angst, kein Grund, daß du dich wehrst,

denn unsre Blicke haben sich, du spürst’s, gefunden.

Uns trennt kein Schicksal, nicht des Mobs Geschwätz; Auch kehrst

 

du anderen dein Herz zu, und muß ich geschunden

dich glücklos lieben; bleibt, daß du Gewißheit mehrst:

Gott selbst hält unsrer beider Seelen fest verbunden.

 

II.

 

Es ist so schwer, was aus dem Inner’n zu mir spricht,

Das Herz schlägt hart, Der Atem dünn und aufgerauht,

Aus meinen Augen Funken sprüh’n, blass aber, schaut

mir wer entgegen, sorgt die Leute mein Gesicht.

 

Auch wenn mir Anvertrautes in den Ohren sticht

und sich der Schmerz in meinen Nachtgedanken staut.

So hoff ich auf den Tag, da er einst abgeflaut,

und Feuer wandelt unser beider Leid in Licht.

 

Es bricht sich Bahn, doch muß sich wieder niederlegen,

durchlebst du auch die unmenschlichsten Grausamkeiten,

so stirbt auch die Erinnerung von tausend Schlägen.

 

Warum bin ich sofort, hab ich sie mir zur Seiten,

gleich ruhig? Sonst friert es mich, dann brennt es mich deswegen

heißer, doch ich schweig mich aus seit ewgen Zeiten.

 

 

III.

 

So grob ist die Gestalt, Ihr Wort ist ungeschliffen

und nie ein Funken je aus ihrem Antlitz blitzt,

doch jeder sieht es gern, wenn sie vorbeikommt, sitzt

ihr Hirtenkleid auch schlecht, ist alt und abgegriffen.

 

Man unterhielt sich gestern, mancher hat gepfiffen,

doch als ihr Name viel hat man sein Ohr gespitzt.

Die eine lobt den Schlaf, der andre scherzt verschmitzt

von Läusen... – und jeder hatte hinter sich gegriffen.

 

Die Sänger warn beim Festschmaus und ich sang mit ihnen,

da kam sie, andre wollten sich im Tanze drehen,

da schwiegen alle, selbst die Lieder gleich verwehen,

 

Und keiner wußt, was in dem Augenblick geschehen.

„Ich sags mit Dichterwort: Ein Engel ist erschienen.“

sprach einer.  - Nicken, - aber keiner konnt’s verstehen.

 

IV. – Begegnung im Wald

 

„Bist du es? Und so spät? – Auf deinem Weg gelangst

du tiefer in den Wald, bei fahlem Mondenschein; -

Gedenkst du meiner? Übst du Eifersüchtelein,

daß du so sehr vor meinem Angedenken bangst?

 

Es war nicht nötig, daß du mir zu Füßen sankst. –

Du zitterst ja? Warum?“ – „Ich weiß nicht, hier im Hain

sind überall Geräusche, Rascheln, Vogelschrein... –

Ach nein, alleine meine Schuld macht mir so Angst.

 

Ich schau dir in die Augen, in die tiefsten Gründe;

Ägidius selbst war niemals solcher Blicke Ziel.

Oh Gott, ist denn Beisammensein allein schon Sünde?

 

Ich sitze hier nur abseits, rede nicht zu viel,

schau nur nach meinem Engel, der vom Himmel fiel,

ob er auf Erden mir ein Himmelslicht entzünde.

 

V.

 

Der Heuchler schmäht michund der Lüstling hat gelacht,

wenn’s auch nur Plappern gegen meine Einsamkeit.

Sie ist so jung, und ich verliebt. – Ich ging zu weit.

Sie weint; ich hab’ sie in Verlegenheit gebracht.

 

Ich wehr’ mich gegen viel Vertraulichkeiten, sacht

legt mir ihr Blick die Fesseln an. Befangenheit

lähmt meine Hand, nicht achtend mehr das eig’ne Leid

und spottet meinem eignen Herzen ungeschlacht.

 

Ist’s Glück? Ist’s Schmerz, wenn ich dir deine Hand umfasse?

Ich dich durch Ungeschicklichkeit erröten lasse,

wenn ich dir vogelleicht mit zarten Worten prasse?

 

Wenn wir einander aber Tränen so vergeuden,

In unsern Seufzern Leben aufsteigt aus den Leiden,

Liebste! sind das nicht auch unsre größten Freuden?

 

VI. – Morgen und Abend

 

Der Sonnenaufgang schimmert durch die Wolkendecken,

und gegenüber sinkt der Mond, löscht sein Gesicht.

Die Rose öffnet ihre Knospen, Schicht um Schicht,

und taugebeugte Veilchen woll’n sich lichtwärts strecken.

 

Das Bildnis Lauras will mich aus den Träumen wecken.

Ich knie vorm Fenster, als sie ihre Zöpfe flicht

und fragt: Warum, ach, leuchten eure Augen nicht,

woll’n sich mein Liebster, Veilchen und der Mond verstecken?

 

Zum Abend zeige ich ihr wieder meine Treue,

Der Mond kehrt wieder und die Veilchen blühn verborgen,

süß duftend, auch der Himmel rötet sich aufs Neue.

 

Doch ich steh dort vom Fenster mit den alten Sorgen,

seh’ wie sie sich herausputzt, und sich d’ran erfreue.

Nur ich knie ihr zu Füßen, traurig wie am Morgen.

 

VII. – Nach Petrarca

     (an Senuccio)

 

Willst du es wissen, was ich leide für die Teure?

Ich will sie dir mit allem Schmuck und Reizen schildern.

Mit Gebeten such ich meinen Schmerz zu mildern,

doch steigert sich ihr Bild mir steil ins Ungeheure.

 

Hier scherzten wir, hier blieb sie mir verschlossen, steure

ich dahin, ihr Angedenken zu verwildern.

Ich seh’ sie hier in Trauer-, Zorn- und Freudenbildern

und trachte, daß ich mir ihr Wangenrot erneure.

 

Hier sangen wir, hier hat sie meine Hand gehalten.

Hier sitz ich nun, wo die Geschichte einst begann

und unsre Namenszüge mit dem Sand verschmelzen.

 

Hier hab’ ich’s ihr gesagt, fast stumm verseufzt, verhalten.

Ihr stieg die Röte auf... – Wie heiß ich mich besann:

Ich muß sie weinend nun durch die Gedanken wälzen.

 

VIII. – An den Niemen

 

Dich, Niemen, Heimatfluß, möcht ich nochmal erblicken,

wo ich als Kind dein Wasser schöpfte mit der Hand.

Dir folgte ich ins wildvergessne Hinterland,

an dir mein frischentbranntes Herz dort zu erquicken.

 

Hier ließ ich mich von Lauras Anblick einst bestricken,

wo sie sich schmückte, Blumen in die Haare wand.

Ich sah sie immer neu in deinem Silberband,

doch bleibt mir nur, euch beiden Tränen nachzuschicken.

 

Wo sind die Wellen, wo gespiegelt sich das Licht,

und die mein Glück flußabwärts trugen, die so sehr

mit meiner Jugend war’n verbunden. Ach, nie mehr

 

seh ich dich wieder. Meiner Jugend Hoffnung bricht,

und am Verlust von Lieb und Freundschaft trag ich schwer.

Wenn alles endet, warum dann die Tränen nicht?

 

IX. – Der Jäger

 

Wie er den ganzen Tag durch Sommerfluren streift

sah ich, und wie er stumm ins Wasser sah am Bach,

lang schaut, und alles um ihn seufzt sein weh und ach,

wie er sich auf den Wunsch sie mal zu seh’n versteift,

 

selbst nicht gesehen werden will. Diana schweift

fast schattenhaft gebeugt am Pferderücken flach

vorbei, sie zügelt’s, sieht zuruck zu ihm. - Er wacht,

zieht zitternd sich zurück, flieht ihren Blick und greift

 

schon zum Gewehr, als er den Kain in sich erwischt,

wie er die Waffe sorgsam lädt und bitter lacht,

Er stutzt, - hat den Gedanken wieder fortgewischt.

 

Er wand sich um, - er zielt, - und seine Waffe kracht.

Ein Nebel steigt und in die Waldgeräusche mischt

sich noch ein Schuß, doch Dunst hat ihn zunicht gemacht.

 

X. -  Segnung       nach Petrarca

 

Dem Jahr, dem Monat, diesem Tag geb’ ich den Segen.

Ich segne die Minute, segne diese Stunde,

Sekunde, die von ihr zuerst gab mir die Kunde,

mein Herz erhob, fühlt sie auch mir nicht so entgegen.

 

Dem Leuchten ihrer Augen geb ich meinen Segen,

aus denen Amor aussah, ziele in die Runde.

Gesegnet sei sein Pfeil, der richtet mich zu Grunde,

der damals traf und heute trifft. Um ihretwegen

 

sang ich unbeholfen meine ersten Lieder,

die über heimatlichen Fluß und Wald geschwebt,

und kamen mir als Muttersprache später wieder.

 

Gesegnet meine Feder, die ins Weite strebt,

Gesegnet, läßt sie sich in meinem Herzen nieder,

in welchem Laura ewig wohnt und weiterlebt.

 

XI. – Resignation

 

Traurig, wer umsonst um eine Antwort wirbt,

und traurig, wer das Echo leere Herzen hört,

doch mehr, der seinen Fluch tagtäglich neu beschwört,

der nicht mehr liebt, weil die Erinnerung nicht stirbt,

 

vor dessen Blick der hellste Augenglanz verdirbt,

dem Freude durch sein Angedenken stetz zerstört,

den weder Anmut, Tugend, noch Gefühl betört,

und dessen welkes Herz kein Glück von ihr erwirbt,

 

der nur nach Schuld sucht, und der jederman verachtet,

der manche Landfrau, manche Göttin still betrachtet,

doch sein Blick gleich senkt, und still begräbt sein Hoffen.

 

Sein Herz gleicht einem Tempel der schwarz sturmumnachtet

verwüstet liegt von seinem Schicksal schwer getroffen,

der gottverlassen, und für keinen Menschen offen.

 

XII. – An * * *

 

Du siehst mich an und seufzt, schlicht, daß es mich verdirbt.

Ich fürcht’, daß mich die Wut aus deinen Augen trifft.

Ich flieh’ vor deinem Atem, trägt er mir doch Gift

entgegen, Flüche derenhalb man qualvoll stirbt.

 

Nur eine Tugend; Ehrlichkeit, die für mich wirbt.

Du branntest mir unwürdigem die Feuerschrift

ins Herz, doch bleib ich gern allein, was dich betrifft,

wenn es verhütet, daß du meine Schuld erwirbst.

 

Ja, ich begehr’ dich; bin doch zum Verführ’n zu stolz,

mein Kind, muß ich auch heiße Leidenschaft empfinden.

Dein Platz ist bei den Zechern, laß dich noch nicht binden.

 

Doch mein Platz, wo schon das vergangne Leben schmolz.

Der junge Efeu soll die Pappeln zarz umwinden,

Doch soll’n sich Dornen schlingen um des Kreuzes Holz.

 

XIII.

 

Auf Anhieb war ich Sklave, hat sie mich gefangen.

Von Ihrer Heiterkeit ließ ich mich überraschen,

und nichts vermag den Anblick wieder fortzuwaschen.

Ist’s Liebe? Doch ich habe keinen Schmerz empfangen.

 

Ich such’ nicht, sie durch festen Zugriff zu erlangen,

will nicht die Illusionen schnür’n in engen Maschen

und falschverstand’nes Wort von deinen Lippen naschen.

Mein Glück ist ein naives, stilles Unterfangen.

 

Selbst dort, wo Engel blaues Firmament durchstieben

fallen Freudentränen, Furcht und Liebeswahn

sind, meine Klage, ihrem Namen eingeschrieben,

 

doch macht es mich so glücklich; Dies ist meine Bahn:

Ehre sei den Göttern! Wer erlebt zu lieben

und geliebt zu werden, dankt dafür Gott Pan!

 

XIV.

 

Geliebte, ach, wie die Erinnerung mich plagt

an alte Liebe, daß mir heutige verderben.

So nimm dir nicht zu viel, Geliebte, von dem herben

Traum. Vielleicht, ich fürcht’s, hat er dich längst zernagt.

 

Du bist nicht schuld an diesem Bild, das dich durchjagt,

und das dich lächeln macht, sich deine Wangen färben.

Für unsre Kraft und Tugend wirst du nichts erwerben.

Ein Gott hat uns so viel versprochen, viel versagt.

 

Wie viele Tage, Wochen haben wir gewälzt.

Wir hatten doch nur uns und gaben uns als Schenkung,

war’n einander Schuld, - und Sühne die sie schmelzt.

 

Dafür bewein’ ich dich in inniger Versenkung

am Altar, nicht daß du bess’res von mir hältst,

doch bitt’ ich Gott um eine Lind’rung deiner Kränkung.

 

XV. – Guten Morgen

 

„Guten Morgen!“ Noch scheu’ ich mich, dich zu wecken,

wäh’n ich dich im Anflug auf das Paradies.

Sowie die Sonne halb sich hüllt in blaues Vliess  

und sich die ersten Strahlen aus den Wolken strecken,

 

„Guten Morgen!” schon will dich die Sonne necken,

die frech ihr Licht in dein verschlaf’nes Auge stieß.

Lästig, wie sie ihren guten Morgen pries,

und sie von allen Seiten sucht, dich zu entdecken.

 

Nun wache sanft, gemessen deinem stillen Adel,

der sich schlafend offenbarte, doch difus

mein Plan, ach, wie entgeh’ ich Liebste, deinem Tadel?

 

Der junge Tag begrüßt dich, küßt dich, doch nimmst du’s

nicht an. Dies feuerfarb’ne Tuch; mit flinker Nadel

wird’s gewebt, doch bald zerfällt’s. Nimm an den Gruß!

 

XVI. – Gute Nacht

 

Ich wünsch’ dir „Gute Nacht!” Laß uns zur Ruhe kommen.

Die Nacht soll dich umhüll’n mit blauen Engels-Schwingen.

Gute Nacht, und nach den Tränen Frieden bringen,

auf daß dein Herz die neue Stärkung angenommen.

 

So sei mein Gruß dir sacht in deinem Traum verschwommen;

Er soll dir ruhig durch die Nächte weiterklingen.

Und will die Dunkelheit in deine Sinne dringen,

so mache mein Bild deine Träumerei’n vollkommen.

 

Nun „Gute Nacht!” wend nocheinmal den Blick zu mir!

Komm, laß dich nochmal küssen, - gib mir deine Wange,

deine Brust, so hab’ ich gute Nacht von dir.

 

Dann „Gute Nacht!” Mir wird bei deinen Worten bange.

Du gingst! Ein „Gute Nacht!” durch die verschloßne Tür.

Mein „Gute Nacht!”: Dir wär’s zum Schlaf zu oft und lange.

 

XVII. – Guten Abend!

 

„Guten Abend!” Schnell hat sie den Wunsch geschürt.

Ob nicht ein Riegel heute Nacht den Traum verhöhnt?

Ob mir ihr Ruf zur rechten Zeit den Abend krönt?

Kein Abschied, aber auch kein Gruß der mich berührt.

 

„Hab ich an dich vorhin zu loses Wort geführt?”

Du schwiegst, doch hat sich rötlich deine Haut getönt.

Mein Wunsch sprach laut zu dir, als ich kurz aufgestöhnt,

als ich uns „Guten Abend!” diese Nacht gekürt.

 

Als wäre uns ein neuer Tag schon aufgegangen,

dessen Licht uns reinwäscht. Wir vereinigen

zunächst die Hände. Als die Nacht uns umgehangen,

 

Glückskind!, soll uns unsre Liebe reinigen.

Der Freudenkelch bleibt unerschöpflich; mein Verlangen

zeigt sich leis und fände bald die deinigen.

 

XVIII. – An D. D. – Besuch

 

Ich hatte kaum ein Wort an dich gerichtet, doch

da klingelts, ein Besucher, der dich schnell umgarnt,

nur kurz, doch, ach, als hätte ich es schon geahnt:

Als er zur Tür hinausgeht, kommt ein zweiter noch.

 

Ich wünsch, ich grüb ihm vor der Tür ein tiefes Loch,

ich stellte Fallen auf, waidmännisch gut getarnt,

und wenn auch das nichts hilft, ich bin ja schon gewarnt;

ich flöhe sofort unter jedes andre Joch.

 

Ich zähl die Zeit, doch hinderts ihn nicht fortzuschwätzen.

Wie ein Verbrecher harr’ ich, was der Henker tut

und hör banalste Festberichte zum Entsetzen.

 

Da nimmt er seine Handschuhe! Er sucht den Hut!

Ich atme auf. – Vergeblich aber faßt’ ich Mut:

Wie angeschmiedet scheint er sich hier festzusetzen.

 

XIX. – An die Gäste

 

Willst du ein gern geseh’ner Gast sein, hör mir zu,

So flechte hier und dort zwei Neuigkeiten ein.

Wo heut ein Ball ist, ein Gelage, - sprich vom Wein!

Getreidepreisen, sprich vom Wetter, doch partout

 

tritt keinem andern Gast zu nah. Versuche Du

zuvorkommend ein Teil nur des gesprächs zu sein.

Und sind sie fern, so wahre still den schönen Schein.

Dann schätz der anderen Garderobe, doch tabu

 

sei dir die Frau des Hauses; zeig ihr gute Miene,

daß sie kein Anlaß hat, sich zu beklagen.

Und spielt der Herr an seiner Uhr, nimm mit Routine

 

deinen Abschied: Laß dem Fräulein Grüße sagen,

„Es tut mir leid, sie wissens ja, wie ich: Termine!

Versprich dein Wiederkommen – zu den Feiertagen.

 

XX. - Abschied. – An D. D.

 

Du stößt mich fort? Wodurch hab ich dein Herz verloren?

Die Liebe war nie seicht. – Ob dich die Tugend schützt?

Du küßt doch einen andern!  - Was dein Urteil stützt?

Wir war’n uns doch so nah, und war’n uns wert erkoren.

 

Dein Antlitz war mir alle Wege neugeboren,

doch muß ich fragen, was mir die Erinn’rung nützt,

wenn ihr Gewicht mich nur beschwert, statt unterstützt.

Warum stießt du mich fort, gabst uns so schnell verloren?

 

Die Gier verrät das Herz; Ich seh’ es doch in deinem.

Mein Kompliment sollt’ dich berühren; Schall und Rauch

war’s dir; dein Glück sahst, suchtest du in keinem.

 

Ich mochte nicht um deine Liebe feilschen, auch

wenn mich die andren feiern für den Vers. In meinem

Reim verhärtet sich mein Wort, wie deins im Bauch.

 

XXI. – Den Danaiden

Längst vergangen sind die goldenen Epochen,

als man mit Blüten, wie sie bunt der Mai gestickt,

der jungen Mädchen Herz gewann und sie bestrickt,

ein Gruß, von Tauben überbracht ein Herz schnell pochen

 

macht. Doch heut: Die Zeit ist billig, ungebrochen

teuer ist der Preis; hab ich mich angeschickt

ein Lied zu singen will sie meine Hand. Es blickt

die andre nur aufs Geld, hab ich mich ihr versprochen...

 

Ihr Danaiden, eurer Lust galt meine Kunst.

Ich sang euch, daß die Lieder jede Seele rühren,

Aber meine Tugend wurde Geiz, mein Hoffen

 

Spott. Und zeigt mit heute eine ihre Gunst,

so sing’ ich sie für euch, weil sie nur euch gebühren.

Ich geb ihr alles, nur: Mein Herz ist nicht mehr offen.

 

XXII. – Rechtfertigung

 

Ich sang von Liebe zu der Menge, der’s gefiel.

Ich hörte Lob, doch manche übten leis’ Kritik:

„Ach, der Poet, um Liebe mit sich selbst im Krieg:

nichts andres fühlt er, sah’ noch nie ein andres Ziel.

 

Schon in den Jahren, spitzt er immernoch den Kiel

nur um sein kindlich, immer liebendes Geschick.

Die Götter gaben ihm die Stimme, doch sein Blick

ist eng verstellt, - und stolz zeigt er sich im Profil!”

 

Die eitle Warnung! Von dem stolzen Geist getrieben

spielt’ ich des Alcäus Lyra, und Ursinos

Mantel umgehangen sang’ ich bis die Mengen

 

auseinanderliefen. Schaut, wer mir geblieben!

Ich warf die Leier wieder fort. Und was ich daraus schloß?

Daß sich nur Gleichgesinnte um den Dichter drängen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sonette