Dante Alighieri

1265 – 1336           Italien

 

 

In Übersetzungen von

Max Josef Wolff

 

Sonette aus: Das Neue Leben

 

 

Erstes Sonett

 

Den edlen Herzen sei, die Lieb’ empfunden,

In Amor ihrem Herrn mein Gruß gesandt,

Damit, wird ihnen dies Gedicht bekannt,

Sie ihre Meinung mir darob bekunden.

 

Vorüber war ein Drittel schon der Stunden,

In denen heller jeder Stern entbrannt,

Als Amor unvermutet vor mir stand –

Denk’ ich daran, hält Schaudern mich gebunden.

 

Er trug mein Herz und blickte froh und mild;

In seinen Armen ruhte schlafbefangen

Madonna, leicht von einem Tuch umhüllt.

 

Als sie erwacht, aß sie auf sein Verlangen

Mein brennend Herz, von Scham und Furcht erfüllt:

Drauf sah ich, wie er weinend fortgegangen.

 

 

Drittes Sonett

 

O weinet, Liebende, denn Amor weint,

Und laßt euch seiner Tränen Grund vertrauen:

Er hörte, Mitleid heischend, edle Frauen,

Aus deren Augen bittrer Kummer scheint,

 

Weil einem zarten Herzen hier als Feind

Der Tod begegnet und mit seinen Klauen

Zerstörte, was auf Erden, hold zu schauen,

Bis auf die Ehre, die er nicht verneint.

 

Nun sag’ ich euch, wie Amor sie geehrt:

Auf jenes holde Bild so bleich und kalt

Sah ich ihn klagend sich herniederbücken.

 

Dann sah ich oftmals ihn gen Himmel blicken,

Wo jene Maid so lieblich von Gestalt

Als reiner Geist nun friedlich eingekehrt.

 

 

Fünftes Sonett

 

Als ich zu Pferde jüngst Gedanken spann

Ob meiner Fahrt auf unerwünschten Wegen,

Kam Amor mir von ungefähr entgegen

In leichtem Kleide wie ein Pilgersmann.

 

Er kam so ärmlich, so betrübt heran,

Wie ihres Reichs beraubte Fürsten pflegen;

Als machte andrer Anblick ihn verlegen,

Schritt er gesenkten Hauptes, seufzt und sann.

 

Mit Namen rief er mich, als er mich sah,

Und sprach: Ich bin von fernem Ort gekommen,

Wohin mein Wille jüngst dein Herz gebannt:

 

Hier bring ich’s nun zu neuer Liebe Pfand. –

Durch diese Kunde ward ich so benommen,

Daß er verschwand, ich weiß nicht, wie’s geschah. –

 

 

 

Sechstes Sonett

 

Von Liebe reden alle die Gedanken

In mir, und in den mannigfachsten Weisen:

der eine sucht mir ihre Macht zu preisen,

Der andre schmäht als Torheit ihre Schranken,

 

Ein dritter läßt mich oft in Tränen schwanken,

Will mich der vierte süß mit Hoffnung speisen:

Nur Flehn um Mitleid eint dies wirre Kreisen,

Weil sie an gleicher Angst im Herzen kranken.

 

Nun weiß ich nicht, auf wessen Rat ich höre,

Und Worte suchend find’ ich nichts zu sagen;

So seh ich mich in Liebesirrtum ringen

 

Und muß, will ich’s in Einklang wieder bringen,

Zu Frau Barmherzigkeit mich bittend wagen,

Daß meine Feindin noch mir Schutz gewähre. –

 

 

 

Siebentes Sonett

 

Mein Antlitz mag euch Fraun zum Spotte dienen,

Doch solltet Ihr, o edle Frau, erwägen,

Warum ich so verwandelt und verlegen,

Als Eure Schönheit meinem Blick erschienen.

 

Ach wüßtet Ihr’s, so müßte Mitleid sühnen

Den alten Groll, und sich mir günstig regen,

Denn Amor wird so sicher und verwegen,

Trifft er mich nah bei Euch, daß von dem Kühnen

 

Verwundet, alle meine Geister bangen:

Die tötet er, die eilt er zu verjagen,

Bis er Euch anzuschaun allein geblieben. –

 

So ist es mir Verwandeltem ergangen,

Doch trifft von jenen Armen, die vertrieben,

Mein Ohr auch jetzt noch wehevolles Klagen. -

 

 

 

Achtes Sonett

 

Im Wunsch, daß ich, o mein Juwel, Euch sähe,

Geht jeglicher Gedanke mir verloren,

Doch Amor ruft, bin ich in Eurer Nähe:

- Entfliehe, sonst ist dir der Tod erkoren! –

 

Furcht zeigt das Antlitz, die das Herz geboren,

Das Stütze sucht in seiner Ohnmacht Wehe:

Stirb, stirb! – schreit jeder Stein mir in die Ohren,

Wo ich in trunknem Schwanken zitternd stehe! –

 

Hartherzig ist, wer solchen Anblick richtet,

Ohn’ die verirrte Seele zu erquicken,

Und Mitleid nicht gewährt durch milde Tränen.

 

Das Mitleid, das, durch Euren Spott vernichtet,

Sich neu erzeugt in den erloschnen Blicken

Der Augen, die sich nach dem Tode sehnen.

 

 

 

Neuntes Sonett

 

Dem düstern Hang hab’ oft ich nachgedacht,

Den Amor tief in meiner Brust begründet.

„Ich Ärmster! Wer hat gleiches durchgemacht?“

So frag’ ich, wenn mich Mitleid überwindet.

 

Amor bestürmt mich mit so jäher Macht,

Daß mir beinah das Leben selbst entschwindet;

Ein einz’ger Geist nur überlebt die Schlacht,

Und dieser bleibt, weil er dein Lob verkündet.

 

Dann zwing’ ich mich, mir neue Kraft zu geben,

Und mutlos und im Angesicht Erblassen

Eil’ ich zu Euch und hoffe zu genesen:

 

Doch schau ich auf und schaue Euer Wesen,

Beginnt mein Herz der Erde gleich zu beben,

Und will mein Leib die Seele von sich lassen.

 

 

 

Zehntes Sonett

 

So innig ist ein edles Herz verbündet,

Mit Liebe, wie der Dichter uns belehrt,

Daß eines zu dem anderen gehört,

Wie auf Vernunft sich der Verstand begründet.

 

Wenn liebeglühend die Natur empfindet,

Wird Amor ihr Gebieter und er kehrt

Im Herzen ein, das Schlummer ihm gewährt,

Den er bald kürzer und bald länger findet.

 

Dann zeigt die Schönheit sich in der Gestalt

Von klugen, holden Frauen und entfaht

Den tiefen Wunsch, so Liebliches zu schauen.

 

Er wächst empor mit dauernder Gewalt,

Bis daß durch ihn der Liebe Geist erwacht.

Und gleiches wirkt ein edler Mann bei Frauen.

 

 

Elftes Sonett

 

Durch Liebe, die der Liebsten Blicke tragen,

Wird das geadelt, was ihr Auge sieht,

Und jeder schaut, wenn sie vorüberzieht,

Und fühlt sein Herz bei ihrem Gruße schlagen.

 

Erbleichend sinkt das Haupt und seufzend Klagen

Um eignen Fehl entringt sich dem Gemüt;

Wie aller Zorn und Hochmut vor ihr flieht:

Das helft mir, Frauen, ihrer wert zu sagen!

 

Ein Frohgefühl erwacht und bange Scheu

In dessen Brust, dem ihre Worte galten,

Und selig ist, der sie zuerst erblickt.

 

Wie sie im sanften Lächeln dann entzückt,

Läßt sich nicht sagen, nicht im Geist behalten,

Weil es ein Wunder ist, so hold und neu.

 

 

 

Zwölftes Sonett

 

Ihr, die ihr so in Demut und Erbangen

Mit thränenschwerem Blick zu Boden seht,

O sprecht, von wannen ihr so trauernd geht,

Daß ihr des Mitleids Farbe habt empfangen?

 

Saht ihr die edle Frau, wie ihre Wangen

Die Träne überströmt? O, so gesteht,

Ihr Frauen mir, was schon mein Herz errät,

Ihr, deren Gang so lichter Schein umfangen.

 

Und wart ihr dort zu eines Toten Ehren,

So weilet noch, damit ihr mir vertraut

Wie ihr sie fandet; laßt mich alles hören!

 

Ach, eure Augen sind vom Schmerz betaut,

Und so entstellt seh ich euch wiederkehren,

Daß mir das Herz erbebt, wenn es euch schaut.

 

 

 

Dreizehntes Sonett

 

Bist du derselbe, der so manche Stunde

Uns pflegte von Madonna zu erzählen?

Die Stimme schien den gleichen Klang zu wählen

Und doch dringt sie aus eines Fremden Munde.

 

Sprich, warum weinst du so aus Herzensgrunde

Und weckst das Mitgefühl in andern Seelen,

Sahst du sie weinen, daß du zu verhehlen

Nicht mehr vermagst des eignen Herzens Wunde?

 

Laß weinen uns und laß uns traurig gehen;

Es wäre Sünde, Trost uns zuzusprechen,

Die wir in ihrem Jammer sie gesehen.

 

Ihr Auge sahen wir in Mitleid brechen.

Wer diesen Anblick glaubte zu bestehen,

Der würde tot vor ihr zusammenbrechen.

 

 

 

Vierzehntes Sonett

 

Ich fühlte einen Liebesgeist sich regen,

Der mir im Herzen schlummernd sich befand,

Da kam, so froh, daß ich ihn kaum erkannt,

Aus weiter Ferne Amor mir entgegen.

 

Er sprach: „Nun suche Ehre einzulegen!“

- Und Lächeln spielte um der Lippen Rand. –

Und kaum, daß der Gebieter bei mir stand,

Sah ich, daß auf den kaum verlassenen wegen

 

Zu uns gewandt, die beiden frauen kamen,

Giovanna und Beatrix, hold vereint;

Ein Schönheitswunder jede, unerreichbar.

 

Und Amor sprach, als hätt’ ich’s selbst gemeint:

„Die eine nenn’ ich „Frühling“ dir mit Namen,

Die andre „Liebe“, weil sie mir vergleichbar.“

 

 

 

Fünfzehntes Sonett

 

Von Anmut ist und Reinheit so umwoben

Die holde Frau, wenn sie im Gruß sich neigt,

Daß jede Lippe zittern muß und schweigt

Und daß kein Aug’ sich kühn zu ihr erhoben.

 

Sie wandelt still, wo sie die andern loben,

Im niedern Kleid, das ihr die Demut reicht,

Es ist, als ob ein Wunder niedersteigt

In ihr zur Erde von dem Himmel droben.

 

Das Auge schwelgt, das ihre Huld genießt,

Und spendet seinem Herzen süße Labe,

Die nur, wer sie empfunden hat, verstehet;

 

Von ihrem Angesicht herniederwehet

Ein milder Geist voll reicher Liebesgabe,

Der einen Seufzer in die Seele gießt.

 

 

Sechzehntes Sonett

 

Wer unter andern Frauen sie erblickt,

Die ich erkor, der sah des Heiles Freuden;

Die mit ihr wandeln, sagen froh bescheiden

Dem Herren Dank, von solcher Huld beglückt.

 

Von ihrer Schönheit stehen sie berückt,

Daß keine ihren Reiz wagt zu beneiden,

Ja alle weiß sie, wie sich selbst zu kleiden,

Die sie mit Treue, lieb’ und Anmut schmückt.

 

Ihr Anblick weckt in allen andern Demut;

Nicht nur sie selbst versteht es zu gefallen.

Nein, jede soll der Ehre teilhaft werden.

 

Und soviel Anmut zeigen die Gebärden,

Daß keiner je an sie gedacht von allen,

Der nicht erzeufzte in der Liebe Wehmut.

 

 

 

Fragment einer Kanzone

 

Lange Zeit hat Amor mich gebunden,

Mich gewöhnt an seine Herrscherhand.

Er, den früher oft ich hart genannt,

Will mir seine Güte jetzt bekunden.

 

Hat er mich so völlig überwunden,

Daß die Geister sich zur Flucht gewandt,

Bin ich so von Wonne übermannt,

Daß die Farbe dem Gesicht entschwunden.

 

Stärker will ich seine Macht erheben,

Daß mir Seufzer aus der Seele dringen

Und zu ihr sich schwingen

 

Mit dem Wunsch, mir bessres Heil zu geben.

Mein Geschick ist’s, wo sie mich erblickt;

Niemand glaubt, wie sie die Demut schmückt.

 

 

 

Siebzehntes Sonett

 

Kommt, edle Herzen, kommt herbei, zu hören

Die Seufzer, tut es aus Barmherzigkeit;

Sie ziehen trostlos hin mit ihrem Leid,

Doch sterben müßte ich, wenn sie nicht wären.

 

Das Auge will den frommen Dienst verwehren,

Viel häufiger, als ihm mein Herz verzeiht.

Weh mir! Es sei die Träne ihr geweiht,

Mag sich das Herz erleichtern durch die Zähren!

 

Ihr hört mein Lied gar häufig um sie klagen,

Um jene süße Frau, die zu den Höhen,

Die ihrer würdig sind, nun ward erkoren.

 

Ihr hört es dann dies öde Leben schmähen,

Wie eine Seele, die vom Leid geschlagen,

Auf Erden hat ihr ganzes Heil verloren.

 

 

 

Achtzehntes Sonett

 

Erster Anfang

 

Mir war, als ob ich jüngst im Geiste sähe

Die edle Frau, die Gottes hoher Wille

Erhob ob ihres Werthes reicher Fülle

Zum Demuthhimmel in Marias Nähe.

 

Zweiter Anfang

 

Mir war, als ob ich jüngst im Geiste sähe

Die edle Frau, der Amor Tränen weiht,

Als ihre Macht euch trieb in meine Nähe

Zu schauen, was ich tat zu jener Zeit.

 

 

Im Herzen, das verzehrt von Gram und Leid,

Erwachend, fühlte Amor, was geschähe:

Ihr Seufzer, sprach er, seid zu gehn bereit. –

Da zogen sie hinaus mit Ach und Wehe.

 

Sie stiegen weinend aus der Brust herauf

Und ihre Stimmen, die so trübe klingen,

Entlockten oft den Augen heiße Zähren.

 

Doch diesmal sprachen sie nach härtrem Ringen:

- O edler Geist, heut schließt das Jahr den Lauf,

In dem du eingingst zu des Himmels Ehren! -

 

 

 

 

 

Neunzehntes Sonett

 

Ich sah, wie viel barmherziges Empfinden

In Eurem Angesichte aufgestiegen,

Als Ihr aus meiner Haltung, meinen Zügen

en Gram erkanntet, den sie oft verkünden.

 

Dann merkt ich wohl, Ihr suchet zu ergründen,

Wie düster meines Lebens Wege liegen,

Und ich erbangte, Feigheit möchte siegen

Und durch die Augen meine Schwäche künden.

 

Da schlich ich mich von Eurem Blick von hinnen,

Weil sonst zu weinen bald das Herz mich triebe,

Das Rührung faßte, als es Euch gesehn.

 

Und im bekümmerten Gemüt gestehn

Mußt ich: „Es wohnt in dieser Frau die Liebe,

Die es bewirkt, daß meine Tränen rinnen.“

 

 

 

Zwanzigstes Sonett

 

Ich sah noch nie so wunderbar, so schön

Der Liebe Farbe und des Mitleids Walten

In einer Frauen Antlitz sich gestalten,

Wenn edle Augen weinend sie gesehn,

 

Als in dem Euren, wenn Ihr vor Euch stehn

Mich saht mit meiner Lippen Kummerfalten;

Durch Euch hab’ einen Eindruck ich erhalten,

Dem – fürcht’ ich – wird mein Herz nicht widerstehn

 

Den Augen kann ich, die der Gram zerstörte,

In ihrem Wunsch nach Tränen nicht verweigern,

Oft hinzuschaun nach Eurem Angesicht,

 

Und Ihr vermögt den Wunsch so sehr zu steigern,

Daß sie beinah die Sehnsucht ganz verzehrte; -

- Doch vor Euch weinen, - das verstehn sie nicht! –

 

 

 

Einundzwanzigstes Sonett

 

Die bittern Tropfen, die so lange Zeit

Ihr meine Augen, treulich habt vergossen,

Sie machten, daß auch andrer Tränen flossen

- Ihr saht es wohl – um euer eignes Leid.

 

Vergessen könntet ihr, so scheint es heut,

Wär ich in meiner Treue so verdrossen,

Daß ich nicht jeder Störung euch verschlossen,

Euch mahnend, wem ihr eure Tränen weiht.

 

Nachdenklich werd ich, wenn ihr so vermessen,

So eitel seid, daß Furcht mich bang beschleicht

Vor eines Weibes Antlitz, die euch schaut:

 

Nie solltet ihr, eh’ euch der Tod erreicht,

Madonna, die gestorben ist, vergessen! –

- So spricht das Herz zu mir und seufzet laut. –

 

 

 

Zweiundzwanzigstes Sonett

 

Ein freundlicher Gedanke, der mir bringt

Nachricht von Euch, will mir im Herzen weilen.

Er weiß gar süß von Liebe mitzuteilen,

Daß es im Herzen lieblich widerklingt.

 

Die Seele sagt zum Herzen: Sprich, wer dringt

Hier ein, und kommt, um unsern Sinn zu heilen?

Ist seine Kraft so mächtig, daß die Zeilen

Des Herzens auszulöschen ihm gelingt?

 

- O ernste Seele, spricht das Herz alsdann,

Dies ist ein Liebesgeist noch zart und klein,

Der drinnen seine Wünsche mir erzählt.

 

Und der sein Leben, seine Kraft allein

Von jener Schönen Augenlicht gewann,

Die Mitgefühl mit unsrer Qual beseelt! -

 

 

 

Dreiundzwanzigstes Sonett

 

Weh, durch die Macht der Seufzer, die entstehen

Aus den Gedanken, die im Herzen leben,

Sind meine Augen schwach und sie erbeben

Dem Schauenden ins Angesicht zu sehen.

 

Zwei Wünschen gleichen sie, die nur erflehen,

Zu weinen und dem Schmerz sich hinzugeben.

Bis daß zwei Marterkränze sie umschweben,

Sah Amor oft in Tränen sie zergehen.

 

Die Seufzer, die Gedanken, die mir blieben,

Erfüllen meine Brust mit solchem Zagen,

Daß Amor dort erstirbt in seiner Not,

 

Weil sie, die schmerzensreichen, in sich tragen

Der Herrin süßen Namen eingeschrieben

Und manches Wort dazu von ihrem Tod.

 

 

 

Vierundzwanzigstes Sonett

 

Ihr Pilger, die ihr in Betrachtung geht,

Vielleicht ob fremder Dinge, lenkt die Schritte

Ihr aus der Ferne her, wie eure Sitte

Wie euer Aussehn es dem Blick verrät?

 

O daß ihr ohne eine Träne seht

Die trauervolle Stadt, durch deren Mitte

Ihr zieht, wie einer mit gleichgült’gem Tritte,

Der ihre ernste Miene nicht versteht.

 

Doch wollt ihr rastend hören solche Kunde –

- In Seufzern sagt mir’s der betrübte Sinn –

Sie müßte bittre Tränen euch entlocken. –

 

Wißt: - Ihre Beatrice ist dahin,

Und wo ihr Lob erklingt aus Menschenmunde,

Bleibt nimmermehr das Hörers Auge trocken.

 

 

 

Fünfundzwanzigstes Sonett

 

Jenseit der weitesten der Sphären droben

Schwingt sich mein Seufzer, den das Herz entsendet,

Der neue Geist, den Amor ihm gespendet

In seinen Tränen, zieht ihn fort nach oben.

 

Und eine Frau, zum höchsten Rang erhoben,

Erblickt er dort, wo alles Wünschen endet.

Sie leuchtet, daß der Pilgergeist geblendet

Sie wahrnimmt von dem Strahlenkranz umwoben.

 

Wenn er berichtet, wie sie vor ihm stand –

Das fass’ ich nicht. Zu hoch ist das Erzählte

Für meine Brust, die ihn zu reden hieß.

 

Ich weiß, er rühmte jene Auserwählte;

Da Beatrice häufig ward genannt,

So weiß ich, holde Frauen, einzig dies.