1265 – 1336
I. Zum neuen Leben gehörige Dichtungen.
1. Sonett
Guido, mit dir und Lapo möchte
ich,
Daß wir entführt durch einen
Zauber wären
In einer Barke, die auf fernen
Meeren
Nach Wunsch uns trüge, wie der
Wind auch strich’.
Nicht Sturm und böses Wetter
dürfte sich
Erheben, um die Fahrt uns zu
erschweren,
So daß uns immer wüchse das
Begehren,
Zusammen so zu sein
einmüthiglich.
Doch müßt’ der güt’ge Zaubrer
uns bescheeren,
Daß Vanna, Bice und das
Jungfräulein,
Das Nummer dreißig hat, auch
bei uns blieben.
Dann sprächen immer wir von
süßem Lieben;
Und so zufrieden müßte Jede
sein,
Wie ich wol glaube, daß wir
Drei es wären.
2. Sonett
Mir ist von Frauen eine holde
Schaar
Am Allerheil’gentag
vorbeigewallt,
Sie sah ich, die der Ersten
Eine war,
Und ihr zur Rechten kam die
Liebe bald.
Es brach aus ihren Augen rein
und klar
Ein Licht, ein Feuergeist voll
Allgewalt,
Dem kühnen Blicke stellte sie
sich dar
Als eines Engels liebliche
Gestalt.
Wem sie ein huldvoll Grüßen
hat beschieden
Mit ihrem Angesicht, dem milden,
frommen,
Dem füllt das Herz mit Tugend
sich und Frieden.
Vom Himmel, glaube ich, ist
sie gekommen,
Und uns zum Heile wandelt sie
hienieden,
Drum wer ihr naht ist aller
Pein entnommen.
3. Sonett
Woher kommt ihr in also trübem
Sinnen?
Ich bitte euch, es freundlich
mir zu sagen,
Um meine Herrin muß ich immer
zagen;
Sagt, ob um sie jetzt eure
Thränen rinnen?
Ach, edle Frauen, gehet nicht
von hinnen,
Hört einen Augenblick erst auf
die Klagen
Des Leiderfüllten, der euch
möchte fragen,
Um Kunde von der Herrin zu
gewinnen.
Mag es auch schmerzlich mir zu
hören sein,
mich quäalt die Liebe mit so
grimmer Macht,
Daß bald sie enden wird das
Leben mein.
seht, wie sie krank und elend
mich gemacht,
All’ meine Sinne schwinden mir
vor Pein,
Wird mir durch euch ein
Trostwort nicht gebracht.
4. Sonett
Ihr Frauen, deren Blick von
Mitleid spricht,
Wer ist sie, die von Schmerz
liegt überwunden?
Ist sie es, deren Bild zu
allen Stunden
Mein Herz erfüllt, o so
verhehlt mir’s nicht.
So sehr verändert ist ihr
Angesicht,
Die holde Jugendfülle ist
verschwunden,
So daß in ihr kaum wieder ich
gefunden
Die Alles einst belebt mit
frohem Licht.
„Wenn unsre Freundin mit den
bleichen Wangen
Du nicht erkannt, muß mir’s
natürlich scheinen,
Weil es uns selber also ist
ergangen.
Doch unverändert müßte dir
erscheinen
Ihr Auge, könnt’st du seinen
Blick erlangen.
Nun, Gramverzehrter, höre auf
zu weinen.“
5. Sonett
Ihr süßen Reime, die ihr
pflegt zu gehen,
Nur sie besingend, die der
Peis der Frauen,
Bald sollt ihr unter euch nun
einen schauen,
Dem Bruderrechte ihr müßt
zugestehen.
Bei edler Frauenlieb’
beschwörend flehen
Laßt mich zu euch, daß ihr ihm
nicht mögt trauen,
Auf seine Worte dürftet ihr
nicht bauen,
Weil sie aus lautrer Wahrheit
nicht bestehen.
Doch überredet er euch nun
gewandt,
Zu fliegen hin zu eurer Herrin
Herzen,
So zögert nicht, ach, eilt zu
ihr und sagt:
„Vieledle Herrin, wir sind
hergesandt,
Für den zu bitten, der in
Sehnsuchtsschmerzen
Nach seiner Augen süßer Wonne
fragt.“
6. Sonett
Die Liebe kenn’ ich seit den
Kindertagen,
Im neunten Jahr ward ich in
sie versenkt,
Ich weiß, wie sie mit Sporn
und Zügel lenkt,
Und weiß auch, wie sie lachen
macht und klagen.
Wer mit Vernunft und Kraft sie
will verjagen,
Der kommt mir vor wie Einer,
der da denkt,
Wenn beim Gewitter er die
Glocken schwenkt,
Könnt’ er zerstreun der
Wetterwolke Plagen.
In der Arena, in die sie uns
bringt,
Ist nie dem freien Willen Raum
gegeben,
Wie dort auch guter Rath
vergebens ringt.
Mit neuem Sporn stets macht
sie uns erbeben.
Welch holder Zauber uns auch
jetzt bezwingt,
Sobald er matt, wird andrer
sich erheben.
II.
1. Sonett
Aus meiner Herrin Augenpaar
entspringet
Solch’ holdes Licht, daß da,
wo es erscheinet,
Sich zeigt, was Höh’ und
Neuheit so vereinet,
Daß es mir zu beschreiben
nicht gelinget.
Ich fühle, wie sein Strahl
mein Herz durchdringet
Mit banger Furcht, so daß es
zitternd weinet,
Nie mehr dahin zurückzugehen
meinet,
Und doch umsonst mit dem
Entschlusse ringet.
Zum Orte kehr’ ich, wo ich
überwunden,
Die Augen tröstend, die so
bang verdrossen,
Sie konnten ja zuerst nicht
widerstehen.
Komm’ ich dahin, ach! gleich
sind sie geschlossen,
Der Wunsch auch, der mich
führte, ist entschwunden,
Das hat die Liebe klug
vorausgesehen.
2. Sonett
Wer kann wohl in die Augen je,
die klaren,
Des schönen Mägdleins schauen
ohne Bangen,
Die mich mit ihren Blicken so
gefangen,
Daß bald der Tod ein Ziel
setzt meinen Jahren?
Wie stark mein Schicksal
könnt’ ihr hier erfahren,
Da ich erwählt ward, dahin zu
gelangen,
Daß ich, wie ihres jungen
Leibes Prangen
Zu schaun gefährlich sei,
möcht’ offenbaren.
So werd’ ich durch bestimmung
hingerafft,
Weil doch ein Mensch es mußte
auf sich nehmen,
Daß andere aus der Gefahr
entkämen.
So bin gebrochen ich durch
bitt’res Grämen,
Weil ich anziehe, was
Verderben schafft,
Sowie die Perle lichter Sterne
Kraft.
3. Sonett
Auf jenen Wegen, die die
Schönheit kennt,
Hat Liebe zu bezähmen sie in
Sinnen,
Geht eine Frau, so kühn ist
ihr Beginnen,
Als ob sie mich schon ihr
ergeben fänd’.
Steht sie an jenes Thurmes
Postament,
Der aufspringt, wenn die Seele
hold dem Minnen,
Hört plötzlich eine Stimme sie
von innen:
„Fort, schöne Frau, hier hat
der weg ein End’.“
So mächtig ihrer Herrschaft
Scepter schwinget
Die Herrin, die dort oben
herrlich thronet,
Daß was sie will die Lieb’
sogleich vollbringet.
Sieht Jene, daß ihr Anlauf
nicht gelinget,
Weicht sie vom Orte wo die
Liebe wohnet,
Indeß ihr Scham das Blut ins
Antlitz bringet.
4. Sonett
So knotig festes Holz gibt es
mit nichten,
Von solchem harten Stein ward
nie gehöret,
Daß nicht die Grausame, die
mich zerstöret,
Drin Lieb’ entflammt’ mit
ihrem Blick, dem lichten.
Sieht eines Menschen Aug’ sie
auf sich richten,
Geht sie durchs Herz ihm; bleibt
sie drin, gehöret
Es bald dem Tod, da sie
Verderben schwöret
Und ohne Gnade pfleget zu
vernichten.
Ach, warum ward den Augen
solcher herben,
Gestrengen Frau so große Macht
gegeben,
Die ihren Treuen nie verschont
das Leben,
So stolz ist gegen die, die
ihr ergeben,
Daß sie ihr Antlitz, wenn sie
für sie sterben,
Abwendet und sie ruhig läßt
verderben?
5. Sonett
Nichts Grausameres scheint es
mir zu geben
Als sie, in deren Dienst mein
Leben schwindet,
Wenn sich ihr Wunsch in kaltem
Eis befindet,
Muß meiner in der Liebe Feuer
schweben.
Die Schönheit stets zu schaun
ist mein Bestreben
Von ihr, die kalt und herzlos
überwindet;
Für jeden andern Reiz bin ich
erblindet,
Weil macht so süße Qual mein
Herz erbeben.
Mir scheint, daß die zur Sonne
stets sich wendet,
Verwandelt dient unwandelbarer
Liebe,
So rauh wie mich nicht das
Verhängniß trieb.
Ob auch von mir unüberwunden
blieb’
Die Stolze, meine Lieb’ doch
nimmer endet,
Die wie durch Mitleid mir ins
Herz gesendet.
6. Sonett
Ihr Worte, die zu Boten ich
erwählet,
Die ihr entstehend euch zuerst
gereget,
Als: „Die den dritten Himmel
ihr beweget“
Ich sang der Frau, an der ich
nun gefehlet.
Geht zu ihr hin, ihr kennt
sie, und erzählet
Ihr weinend von dem Weh, das
wir geheget,
Sagt: „Wir sind Euer, doch wie
wir gepfleget,
So wird Euch keins mehr nahen
leidgequälet.“
Bleibt nicht bei ihr, die
Liebe nicht versteht,
Wie eure ältern Schwestern
einst, die süßen,
Im dunklen Trauerkleide
wandern geht.
Und wenn ihr eine würd’ge Frau
dann seht,
So werfet euch demüthig ihr zu
Füßen,
Sagt, daß bereit ihr, sie zu
ehren, steht.
III.
1. Sonett
Siehst meine Augen schmachten
du nach Thränen,
So ist’s weil Mitleid neu mein
Herz beschleicht,
Bei ihm fleh’ ich, das nimmer
von dir weicht,
daß du, o Herr, mir lösest dieses
Sehnen,
Mit deinem kräft’gen Arme
lohne denen,
Die morden alles Recht und
fliehen leicht
Dann zum Tyrannen,*) der das
Gift ja reicht,
Das über alle Welt er möchte
dehnen.
Mit Furcht hat er erstarret
und gebannt
Die Herzen deiner Treuen, daß
sie schweigen.
O Licht des Himmels, heil’ger
Liebesbrand!
Die Tugend, die sich so
entblößt muß neigen,
Erhebe du, hüll’ sie in dein
Gewand,
Denn ohne sie ist uns kein
Frieden eigen.
*)
Philipp der Schöne von Frankreich
2. Sonett
Da ich allhier mit Niemand
sprechen kann
Von liebe, der wir beide treu
ergeben,
Will ich den Wunsch nun zu
erfüllen streben,
Der reden heißt, wenn Gutes
man ersann.
Daß mir in schweigen so viel
Zeit verrann,
Dafür kann’s die
Entschuldigung nur geben,
Daß an so schlechtem Orte ich
muß leben,
In dem das Gute Stätte nie
gewann.
Kein Weib wird hier mit Lieb’
im Antlitz schreiten,
Kein Mann ist, der sie
seufzend möcht’ verlangen,
und thäte er’s, würd’s ihm nur
Spott bereiten.
O Cino, wie verschlimmert sind
die Zeiten
Für uns und all die Lieder,
die wir sangen,
Da man das Gute höhnt von
allen Seiten!
3. Sonett
An denselben
Ich meinte, Messer Cino, mir
entschwand
Antheil an dem, das Eure
Lieder sangen,
Auf andern Weg ja muß mein
Boot gelangen,
So ziemt’s, da schon so ferne
es dem Strand.
Doch da von Euch mir jetzo
wird bekannt,
Ihr ließet Euch von jedem
Häkchen fangen,
Will ich noch einmal nach der
Feder langen,
Ein wenig führen sie mit müder
Hand.
Wer sich verliebt so leicht
wie Ihr es thut,
von jeder Lust wird alsogleich
gebunden,
Zeigt, daß ihn Liebe sättiget
sofort.
Wird Euer Herz so oft nun
überwunden,
So bessert es, bei Gott, ich
rath’ Euch gut,
Die That entspreche Eurem
süßen Wort.