1564 – 1616 England
In Übersetzungen von:
Dorothea Tieck
18
Vergleich' ich Dich dem Tag im holden Lenze?
Du bist weit süßer, bist Dir immer gleich:
Der Sturm zerreißt des Mayen Blüthen‑Kränze,
Und kurze Zeit nur steht des Frühlings Reich.
Bald scheint zu heiß herab des Himmels Licht,
Bald hüllt in Wolken sich die goldne Spur.
Kein Schönes, dem nicht Schönheit oft gebricht,
Des Schmuck's beraubt durch Zufall und Natur.
Jedoch Dein ew'ger Lenz soll nie verblühn;
Nichts diese Zierde, die Dir eigen, kränken;
Der Tod nie prahlend in sein Reich dich ziehn,
Da ew'ge Zeilen ew'ge Dauer schenken.
So lang',
als Augen sehn und Menschen leben,
Lebt dies,
um ew'ge Jugend Dir zu geben.
23
Wie auf der Bühn' ein schlechter Spieler thut,
Der in der Rede stockt, von Angst beklommen
Und wie ein wild Geschöpf, erfüllt von Wuth,
Dem Uebermas an Kraft die Kraft genommen
So, furchtgedrückt, wag' ich nicht auszusprechen,
Den heil'gen, Dir geweihten Liebesschwur,
Die Liebe scheint der Liebe Macht zu schwächen,
Und Wonn' erschöpft die irdische Natur.
So laß denn Redner meine Bücher seyn
Sie thun des Herzens Sprache schweigend kund,
Sie flehn um Liebe, klagen Liebespein,
Mehr als des Redners sprucherfüllter Mund.
Was
schweigend Liebe schrieb, o nimm es hin!
Mit Augen
hört der Liebe zarter Sinn.
Alternativübersetzung:
Laß redend meine Bücher vor Dir stehn,
Da Liebe athmend sie um Liebe flehn.
55
Nicht Marmor, noch der Kön'ge Ehrensäule,
Wird diese mächt'ge Dichtung überdauern;
Denn heller strahlest Du in jeder Zeile,
Als die, vom Wust der Zeit beschmutzten Mauern.
Wenn Statuen stürzen durch des Krieges Wuth,
Empörungen Palläst' in Staub versenken,
Zerstört' nicht Mars, noch wilden Feuers Gluth,
Den ew'gen Glanz von Deinem Angedenken.
Dem Tod zum Trotz, dem feindlichen Vergehn,
Schreit'st Du voran, Dein Ruhm die Zeit durchbringt.
Der Nachwelt Augen werden stets Dich sehn,
Selbst bis des letzten Tag's Posaun' erklingt.
Bis Du Dich
selbst wirst aus dem Grab' erheben,
Sollst Du im
Reim, im Blick der Liebe, leben.
60
Wie an des Ufers Kies die Welle zieht,
So eilt auch unsre Zeit dem Ende zu.
Ein Augenblick dem andern rasch entflieht,
So vorwärts strebend ohne Rast und Ruh'.
Ist die Geburt an's Licht der Welt getreten,
Kriecht sie zur Reif', und kaum ward ihr dies Glück,
So kämpft die Finsterniß, den Glanz zu tödten,
Und Zeit, die gab, nimmt ihr Geschenk zurück.
Die Zeit zerreißt den Kranz der Jugendblüthe,
Zieht strenge Furchen in der Schönheit Wangen,
Verschlingt, was die Natur erzog mit Güte;
Der Sense Schwung kann jede Blum' erlangen.
Doch wird
mein Vers sich künft'ger Zeiten freuen,
Zu Deinem
Preis, trotz ihrem zorn'gen Dräuen
66
Satt alles dies, ruf’ ich des
Todes Nacht –
Als: das Verdienst als Bettler
sehn geboren,
Und ärmstes Nichts geschmückt
in Glanz und Pracht.
Und reinste Treue unglücklich
verschworen.
Vergold’te Ehre schandbar
mißgestellt,
Und jungfräuliche Tugend rauh
geschändet,
Und das Vollendete gekränkt,
entstellt,
Und Kraft durch hinkenden
Befehl entwendet.
Und Kunst verstummt vor
Eitelkeit und Neid,
Torheit, die altklug weist den
Witz zurecht,
Einfält’ge Treu, geschimpft
Einfältigkeit,
Gut, kriegsgefangen, dienen
Kriegsherr’n schlecht.
Satt alles dies, möcht ich von hinnen scheiden,
Nur daß ich, sterbend, muß den Liebsten meiden.
73
In jener Jahreszeit steht jetzt mein Leben,
Wo gelbe Blätter, einzeln, wen'ge hangen,
An dürren Aesten, die im Froste beben,
Entschmücktes Chor, wo jüngst süß Vöglein sangen.
Du siehst in mir der Abenddämmrung Bild,
Wie's glimmt im Westen, wenn das Licht geschieden,
Das plötzlich dann die schwarze Nacht umhüllt,
Die, gleich dem Tod', herabsenkt stillen Frieden.
Du siehst in mir ein sterbend Feuer glühen,
Das noch die Asche seiner Jugend röthet,
Das Sterbebett, worauf es muß verblühen,
Durch das, was es ernährt, nun bald getödtet.
Es stärkt
dein Lieben, was dein Auge sieht,
Den mehr zu
lieben, der dir bald entflieht.
87
Fahr' hin, Du Schatz, für mich zu reich, zu groß
Wohl hast Du Deinen Werth nun selbst empfunden
Die Höhe Deines Werthes spricht Dich los,
Sey jedes Anspruchs dann von mir entbunden,
Daß Du mein eigen, war ja nur Gewährung
Und <wo> was war mein Verdienst für <solch ein
Glück?> <1die Beglückung5>
Daß Du Dich gabest, ach` es war Bethörung
Und an den Eigner fällt mein Recht zurück.
Du gabst Dich <mir> 1hin5, vor Deines Werths
Erfindung.
Mir, den Du nicht gekannt, als reiche Schenkung
Es hatt' auf Mißverstand die Gabe Gründung,
Und fällt <Dir zu> 1zurück,5 nach reiferer
Bedenkung.
Mein war'st
Du, wie ein Traum uns schmeichelnd lacht
Im Schlaf
ein König, Nichts da ich erwacht.
Alternativübersetzung zu Zeile 6 und 8:
Und was war mein Verdienst für die Beglückung?
‑‑‑‑‑‑‑‑‑‑‑
Irrthum benutzend, wird Besitz Berückung.
97
Wie glich mein Fernseyn trüben Wintertagen
Als ich von Dir mich trennte, Bild des Mays.
Frost, Dunkelheit und Sturm hab' ich ertragen,
Ringsum war Nacktheit, Armuth, starrend Eis.
Doch war die Zeit der Sommer. Der verflossen
<Erschien> 1Folgt'5 ihm der Herbst, der reiche
Gaben both,
Im Schoos trug er des üpp'gen Frühlings Sprossen,
Der Wittwe gleich, nach ihres Gatten Tod.
Mir schien der reiche Seegen anzudeuten
Hoffnung auf Waisen, da der Vater schied,
Weil Lenz und seine Freuden Dich begleiten
Bist Du entfernt, verstummt der Vöglein Lied.
Und singen
sie, so ist's ein klagend Wehe,
Daß Blumen
welken, ahndend Winters nähe.
116
Fürwahr! nicht will ich die Vermählung hindern
Getreuer Seelen. Lieb' ist ja nicht Liebe
Wenn sie beim Wankelmuth sich kann vermindern,
Und nicht auch treu dem Ungetreuen bliebe.
O nein! Sie ist ein starker Felsenriff,
An dem sich Sturm und Brandung donnernd bricht,
Ein Stern ist sie, für manch bedrängtes Schiff,
Gemessen ist sein Stand, sein Einfluß nicht.
Lieb' ist kein Narr der Zeit: der Wangen Blüthe,
Sie fällt in ihrer Sense raschem Schwung,
Doch altert nie ein liebendes Gemüthe,
Am jüngsten Tag ist noch die Liebe jung.
Und ist dies
falsch, ward's nicht von mir geübt,
So schrieb
ich nie, so ward auch nie geliebt.
Alternativübersetzung:
O nein! sie ist am Strand ein fester Thurm.
An dem sich Wind und Woge krachend bricht
Ein Stern dem Schiffer, leuchtet sie im Sturm.
O nein! sie steht ein Leuchtthurm an dem Strand,
An dem sich Sturm und Brandung donnernd bricht,
Ein Stern, geleitet sie das Schiff an's Land.
O nein! sie ist ein Leuchtthurm in der Nacht.
Sie ist ein Stern, der ob dem Schiffer wacht.
Wogegen Wind und Welle donnernd kracht
Gemessen ist sein Stand nicht seine Macht.
129
Des Geistes Kraft in üpp'ger Schmach verloren,
<Ist> 1Fühlt5 Lust nur in der That, und bis zur
That
<Sie ist wild> 1Wild ist sie5, mörd'risch, blutig
und verschworen
Roh, grausam, mitleidlos und voll Verrath.
Verachtet wird sie, ob nur kaum errungen
Mit Wuth erjagt, und fast schon im erwerben
Mit Wuth gehaßt. Der Haken ist verschlungen,
Die Angel war gelegt, Dich zu verderben.
Toll der Genuß, und toll wird er gesucht
Ein Wahnsinn ist Vergangnes, Künft'ges Jetzt,
Gesegnet im Erwerb, gehabt verflucht,
Vorher ein süßes Glück, ein Traum zuletzt.
Dies weiß
die Welt, und weiß doch nicht zu meiden
Die zu der
Hölle führ'nden Himmelsfreuden.
130
Der Liebsten Blick ist nicht wie Lichtgefunkel,
Nicht sind die Lippen wie Korallen klar.
Ist weiß der Schnee, so ist ihr Busen dunkel.
Sind Haare Gold, ist schwarzes Gold ihr Haar.
Ich sah der Rosen weiß und rothen Schein,
Nicht solch ein Rosenglanz die Wang' ihr füllet;
Auch ist ein süßrer Duft in Specerei'n,
Als in dem Hauch, der ihrem Mund' entquillet.
Hold tönt ihr Wort; und doch muß ich gestehn:
Musik hat noch weit angenehmern Klang.
Fürwahr, nie sah' ich eine Göttin gehn.
Die Liebste tritt die Erd' in ihrem Gang.
Doch wird
der Liebsten kein Weib vorgezogen,
Sey sie
durch Gleichniß noch so sehr belogen.