Francesco Petrarca

1304 – 1374           Italien

 

 

In Übertragungen von

A.     F. Karl Streckfuß

 

 

Die Nummern in Klammern beziehn sich

auf die Numerierung bei Karl Förster

 

 

Sonett 1 (Vorwort)

 

Ihr, die in manchem Lied mich höret klagen,

Die Seufzer hört, die einst mein Herz genähet,

Als ich den Kelch des Jugendwahns geleeret,

Wo noch in mir ein andres Herz geschlagen;

 

Dem Unbestand der Reden und der Klagen.

Wie eitles Leid und Hoffen mich bethöret,

Wird der, dem Amor seine Macht bewähret,

Verzeihung, ja auch Mitleid nicht versagen.

 

Der Wahn entfloh – wie ich des Volkes Schwarme

Für lange Zeit zur Fabel ward, so brenne

Ich jetzt vor Schaam, wend’ ich den Blick zurücke.

 

Mein Wahnsinn lohnt sich nun mit Schaam und Harme

Und Reu’, und daß ich deutlich nun erkenne,

Ein kurzer Traum sey, was die Welt entzücke.

 

 

 

Sonett 12 (11)

 

Wenn sie erscheinet unter andern Schönen,

Und Amors Huld im schönen Antlitz zeiget,

Dann, wie vor ihr sich jede Schönheit beuget,

So wächst in mir das liebevolle sehnen.

 

Den Ort, die Stunde segn’ ich dann mit Thränen,

Wo meinem Blick dieß Wunder sich gezeiget.

Ich sage mir, zum Dank das Herz geneiget,

Geehrt bin ich vor allen Erdensöhnen.

 

Von ihr hab’ ich die liebenden Gedanken,

Die zu dem höchsten Gute mich erheben,

Und wenig achten, was der Mensch begehret.

 

Von ihr kommt’s, daß, kein Opfer ird’scher Schranken,

Zur Sonn’ empor des Geistes Flügel schweben,

Daß stolze Hoffnung meine Seele nähret.

 

 

 

Sonett 15 (14)

 

Ein Thränenstrom floß von den Augenlieden,

Und Seufzer schwellten meine Brust empor,

So oft auf dir mein Auge sich verlor,

Für die ich von der Welt mich abgeschieden.

 

Wahr ist’s, daß deines Lächelns süßer Frieden

Schon oft der heißen Wünsche Sturm beschwor,

Oft zieht michs aus der Quaalen Gluth hervor,

Wenn dich zu sehn nie meine Blick’ ermüden.

 

Doch Todeskälte fühlt mein Geist darauf,

seh’ ich dich nicht; denn bist du, Holde, ferne,

Dann leuchten mir nicht meines Lebens Sterne.

 

Dann schließt die Liebe meinen Busen auf;

Die seel’ enteilt der Brust im mächt’gen Streben,

Um sinnend deine Pfade zu umschweben.

 

 

 

Sonett 17 (16)

 

Viel Thiere, die dem starken Auge trauen,

Sind nur zu beugen von der Sonne Blicke,

Doch andre treibt ihr goldner Strahl zurücke,

Die erst sich zeigen bey des Abends Grauen,

 

Noch andre zieht ein thörichtes Vertrauen

Ins Feuer, wähnend, daß sein Glanz beglücke,

Und erst versengt sehn sie, wie er berücke –

Ach! in der letzten Schaar bin ich zu schauen.

 

Nicht trotzen kann ich ihrer Augen Schimmer,

Und keinen Schutz in späten Stunden findet

Mein Auge, keinen in der Klüfte Schatten;

 

Doch treibet mich, den Schwachen, Thränenmatten,

Mein hart Verhängnis weiter, daß ich immer

Ihr folge, deren Anblick mich entzündet.

 

 

 

Sonett 19 (18)

 

Mich zu erlösen aus des Krieges Grauen,

Den ich geführt mit deiner Augen Pracht,

Hab ich schon oft mein Herz dir dargebracht,

Doch du willst nicht so tief herniederschauen.

 

Und hoffen auf dieß Herz noch andre Frauen,

So ist ihr Hoffen schwach, getäuscht, verlacht;

Ich will es nicht – was Unlust dir gemacht,

Wie soll’ ich dem in meinem Busen trauen.

 

Wenn ich’s verstoße, und wenn Hilfe nicht

In deiner Brust der arme Flüchtling findet,

Wenn jeder Weg dem Irrenden verschwindet,

 

Wenn es die Schranken der Natur durchbricht,

Dann wird uns beyde harte Schuld beschweren,

Doch deine Schuld wird seine Liebe mehren.

 

 

 

Sonett 28 (27)

 

Oft wandl’ ich einsam am verlaßnen Strande

Mit düsterm Grübeln, trägen Schritt’s einher.

Zum Fliehn bereit, werf’ ich den Blick umher,

Ob eines Menschen Spur sich zeigt im Sande.

 

Nur wenn ich fern bin vom bewohnten Lande,

Find’ ich noch Rettung vor der Lauscher Heer.

Vergebens heuchl’ ich Fröhlichkeit – nicht mehr

Kann ich verbergen, wie mein Herz entbrannte.

 

So glaub’ ich nun, der Hügel, das Gestade,

Der Fluß, der Baum, die ganze Flur errathe,

Was im Verborgnen meine Kraft verzehrt.

 

Und flöh’ ich zu der Erde tiefsten Gründen,

Stets wird mich Amor, der Allsehn’de finden,

Wird zu mir sprechen, wie er stets mich hört.

 

 

 

Sonett 56 (55)

 

Zum alten Kerker hat mich neu geführet

Amor, mit der Verheißung Schmeichellaut,

Den Schlüssel hat der Feindin er vertraut;

Ob deren noch mein Herz sich selbst verliehret.

 

Gefangen war ich schon, eh’ ich’s gespüret,

Doch floh ich aus der Haft, die mich umgraut –

Und wer ist wohl, der meinen Schwüren traut,

Daß Seufzer nur die Freiheit mir gebieret.

 

Gleich dem Gefangnen, den die Haft noch drückt,

Ist mir der Fesseln größter Theil geblieben,

In Aug’ und Stirne steht mein Herz geschrieben.

 

und wer mir nur ins bleiche Antlitz blickt,

Der spricht: Wenn Blick und Urtheil mich nicht trügen,

So war er nah, dem Tode zu erliegen.

 

 

 

Sonett 69 (68)

 

Das goldne Haar, gelöst den sanften Winden,

Ward neu gelockt in tausend süße Wogen,

Aus ihrer Augen Doppelsternen flogen

Die Zauberstrahlen, die mir nun verschwinden.

 

Auf ihem Antlitz Mitleid aufzufinden

Wähnt’ ich – vielleicht daß mich der Schein betrogen.

Mit Liebeszunder war mein Herz umzogen,

Wiekonnt’ ich anders, als mich schnell entzünden.

 

Gleich einem Engel schien sie hinzuschweben,

Und Wohllaut aus der Seraphinen Sphäre

Schien aus dem Rosenmund sich zu ergießen.

 

Ein sel’ger Geist, von Sonnenglanz umgeben,

War die ich sah – und wenn sie sterblich wäre,

Doch würde nie sich meine Wunde schließen.

 

 

 

Sonett 81 (80)

 

Als Cäsar einst aus des Verräthers Hand

Des großen Feind’s geehrtes Haupt empfangen,

Fühlt’ er von Freud und Jubel sich befangen,

Ob heuchelnd gleich sein Blick voll Thränen stand.

 

Und Hannibal, als nun sein Vaterland

Das grause Schicksal traf, das ihm verhangen,

Lacht’ er im Kreis der Thränenvollen, Bangen,

Und barg den Grimm, in dem sein Herz entbrannt.

 

Und so verhüllt sich stets im Trauerkleide

Die Lust – das Herz, vom grimmen Schmerz entglüht,

Leiht, sich verbergend das Gewand der Freude.

 

So berg’ ich durch mein Lachen, durch mein Lied

Zuweilen, was ich tief im Busen leide,

Weil jeder andre Weg sich mir entzieht.

 

 

 

Sonett 86 (85)

 

Weh mir, den Amors harter Angriff findet.

Bey Tag und Nacht zu mehr als tausend Mahlen –

Hin kehr’ ich, wo ich sah die Funken strahlen,

Die ew’ge Gluth im Herzen mir entzündet.

 

Dort find’ ich Ruhe – Wenn die Nacht verschwindet,

Wie wenn den Aether Abendgluthen mahlen,

Erfüllen mich so ruhig jene Strahlen,

Daß alles andre meiner Seele schwindet.

 

Der linde Hauch, der mit den klugen Worten,

Von ihrem klaren Antlitz sich ergießet,

Der jede Wolke scheuchet, wo er fächelt,

 

Es scheint, daß er ein seel’ger Geist von dorten,

Neustärkend mich in jener Luft umfließet,

So daß nur dort dem Müden Ruhe lächelt.

 

 

 

Sonett 87 (86)

 

Von Amorn zum gewohnten Ort gekehret,

Stand ich wie einer, der gefaßt zum Streiten,

Sich vorsieht, sich verschanzt von allen Seiten,

Mit der Entschlüsse schwachem Schild bewehret.

 

Ich wandte mich, und staunte süß bethöret,

Sah einen Schatten durch die Wiese gleiten –

Sie, würdiger der Himmelsseeligkeiten,

Erkannt’ ich, und die Flur schien rings verkläret.

 

Ich fragte mich: was bist du so beklommen?

Doch kaum dacht’ ich#s, so war der Quell der Quaalen

In ihren schönen Augen schon mir offen.

 

Und wie mit Blitzen gleich die Donner kommen,

So ward’ auch ich von ihrer Blicke Strahlen,

Und einem holden Gruß zugleich getroffen.

 

 

 

Sonett 104 (103)

 

Zum Krieg zu schwach, kann ich nicht Frieden Finden,

Ich fürcht’ und hoffe, frier’ und glüh’ im Brande,

Zum Himmel flieg’ ich, schmacht’ im Erdenlande,

Nichts haltend, möcht’ ich doch die Welt umwinden.

 

Sie, die mich fesselt, will mich weder binden

Noch halten, noch auch lösen meine Bande –

Mich flieht der Tod – des Lebens Hoffnung wandte

Sich von mir, seit sie Amor hieß verschwinden.

 

Ohn’ Augen seh ich, weg sind Sprach’ und Töne,

Um Hülfe rufend, wünsch’ ich zu verderben,

Mir selber untreu, bin ich dir ergeben;

 

Vom Schmerze leb’ ich, lache bey der Thräne,

Gleich schrecklich ist mir Leben, ist mir Sterben,

So ist durch dich, o Laura, jetzt mein Leben.

 

 

 

Sonett 113 (112)

 

Wär’ ich, wo Phöbus Blum’ und Gras verzehret,

Wär ich, wo vor ihm Eis und Schnee zerfließen,

Da, wo sich seine Strahlen mild ergießen,

Da, wo er herkommt, dort, wohin er kehret;

 

Wär’ ich vom Glück begünstiget, beschweret,

Mag mir der Himmel lachen, sich verschließen.

Mag Tag, mag Nacht, mag Dämmrung mich umfließen,

Sey’s Winter, sey mir Lenzes Lust gewähret;

 

Wär’ ich im Himmel, in den tiefsten Grotten,

Auf Bergeshöhn, von Sumpf und Schlucht umgeben,

Wär’ frey mein Geist – den Gliedern angeschlossen;

 

Mag mich der Ruf erheben, meiner spotten,

Wie ich gelebt, so werd’ ich immer leben

In Thränen, die drey Lustra sich ergossen.

 

 

 

Sonett 115 (114)

 

Wenn mit zwey glüh’nden Sporen mich der Wille,

Und streng mit einem harten Zaum regieret,

Wenn Angst ihn fort aus seinen Schranken führet,

Daß sich zum Theil mein heißes Sehnen stille;

 

Wenn er sie trifft, die durch des Busens Hülle

Mein Herz sieht, wo sich Furcht und Muth gebieret,

Wenn Amorn er im trüben Auge spüret,

Der daraus blitzt, daß er sein Werk erfülle;

 

Dann flieht er ohne Muth und Scheu zurücke,

Wie der, dem nah des Blitzes Strahl getroffen,

Weil große Furcht den großen Wunsch bezügelt.

 

Doch kaltes Feuer und verzagtes Hoffen

Der Seele, die im Antlitz sich mir spiegelt,

Erheitert oft der Holden trübe Blicke.

 

 

 

Sonett 125 (124)

 

Wohin sich nur mein müdes Auge kehret,

Getrieben von der Sehnsucht Allgewalt,

Zeigt Amor mir die liebliche Gestalt,

Die ewig neu in mir die Wünsche nähret.

 

Von edlem Schmerz scheint ihre Brust beschweret.

Von frommem Mitleid scheint ihr Herz durchwallt,

Und nicht, bloß seh ich sie, ihr Ton erschallt,

Ihr Seufzer, den ein Engel sie gelehret.

 

Und Lieb’ und Wahrheit sagen mir es, nie

Ward noch hienieden solcher Reiz gesehen,

Seitdem die Stern’ in ihren Kreisen gehen.

 

So frommer Worte süße Harmonie

Ward nie gehört – nie sah man noch verklären

Die Sonn’ in solchem Auge solche Zähren.

 

 

 

Sonett 127 (126)

 

Amor und ich, wir sehn mit süßem grauen

Nach ihr, als solche, die ein Wunder sehen;

Sie lächelt, ihre Silberlaute wehen,

Und sich nur gleicht sie, und nicht andern Frauen.

 

Aus stiller Ruh der schönen Augenbrauen

Quillt Licht und Gluth, wie aus des Himmels Höhen,

Und wer sich will zur reinen Lieb’ erhöhen,

Wünscht dieß nur und kein andres Licht zu schauen.

 

Wie herrlich ist’s, wenn sie gleich einer Blume

Im Grase sitzt – wenn sie in grünen Matten

Des weißen Busens warme Lilien kühlet?

 

Wie lieblich, wenn in Lenzes Heiligthume

Sie einsam sinnend wallt in holden Schatten,

Und kräuselnd mit dem Gold der Locken spielet.

 

 

 

Sonett 131 (130)

 

Es schweigen Erd’ und Himmel und die Winde,

Das Wild, die Vögel sind vom Schlaf gebunden,

Mit goldnen Sternen ist die Nacht durchwunden,

Und schlummernd füllt das Meer des Bettes Gründe.

 

Ich sehe, denke, glühe, klag’ und finde

Vor mir den süßen Feind zu allen Stunden.

Krieg ist mein Zustand, und des Herzens Wunden

Macht der Gedank’ an sie mir nur gelinde.

 

So fließt aus einer klaren Quelle Schooße

Das Süß’ und Bittre, davon ich mich weide,

So schlägt und heilet mich dasselbe Wesen.

 

Und nimmer zu entfliehn dem bangen Loose,

Sterb’ ich, erwache neu zu Lieb’ und Leide,

Und keine Hoffnung blüht mir, zu genesen.

 

 

 

Sonett 132 (131)

 

Wenn sie so sittig und mit sanftem Schritte

Den zarten Fuß bewegt durch frische Wiesen,

Dann öffnet sich der Blumen Kelch – sie sprießen

Neuglänzend um der weißen Sohlen Tritte.

 

Amor, der nur aus schöner Seelen Mitte

Sich seines Reiches Bürger will erkiesen,

Läßt solche Lust aus ihren Augen fließen,

Daß um nichts Seel’ger’s ich den Himmel bitte.

 

Und mit dem Blick, der in die Herzen dringet,

dem Gang, und ihrer Worte Reiz verbindet

Sich der Geberden liebliches Verschweben.

 

Aus solcher Funken Zauberglanz entspringet

Die große Gluth, die meine Brust entzündet,

Die aufreibt und erhält mein irres Leben.

 

 

 

Sonett 134 (133)

 

Wenn ihre Augen sich zur erde neigen,

Wenn ihrer Sehnsucht Füll’ in Amors Händen

Zum Seufzer wird, im Ton sich zu vollenden,

Und klar und himmlisch meinen Schmerz zu beugen;

 

Dann, fühl’ ich, ist nicht mehr mein Herz mir eigen,

Und fühl’ in mir Gedank und Willen wenden –

Dann ruf ich: Möcht’ ich jetzt mein Leben enden,

Und süß betäubt empor zum Himmel steigen.

 

Doch durch den Wunsch, ihn mehr zu hören, bindet

Der Zauberton von neuem mich ans Leben,

wenn ich mich heiß, es zu verlassen, sehne.

 

So leb’ ich denn – des Lebens Faden windet,

Den des Geschickes Mächte mir gegeben,

So auf und ab die himmlische Sirene.

 

 

 

Sonett 137 (136)

 

Mich faßten heftig Amors schöne Arme

Zu grauser Qual – und wenn ich mich beschwere,

Dann wird verdoppelt meiner Leiden Schwere,

Drum sterb’ ich schweigend hin vor Lieb und Harme.

 

Wohl glaub’ ich, daß des Nordens Eis erwarme

Vor ihrem Blick – daß er den Fels zerstöre;

Doch gleicher Stolz ist ihrer Schönheit Wehre,

Daß sie nicht fragt nach der Bewundrer Schwarme.

 

Ihr Herz, von hartem Diamant gestaltet,

Vermag mein Genius nicht zu erweichen –

Von regem Marmor sind die andern Glieder;

 

Doch wenn die Stirn sie noch so düster faltet,

Soll sie doch meine Hoffnung nie verscheuchen,

Nie nehmen meine süßen Seufzer wieder.

 

 

 

Sonett 146 (145)

 

Ist manchmal, um mir ihren Zorn zu zeigen,

So stolz und kalt der holden Feindin Blick,

Dann hält nur eins vom Abgrund mich zurück,

Nur eins kann neue Kraft der Seel’ erzeugen.

 

Wohin sie blickt mit unmuthsvollem Schweigen,

Zu tilgen meines Lebens Licht und Glück,

Begegnet ihr so demuthsvoll mein Blick,

Daß schnell sich muß ihr düstres Zürnen beugen.

 

Und wär’ dieß nicht, ihr müßt’ ich zagend nahn,

Vor ihr müßt’ ich wie vor Medusen beben,

Die die versteint, die ihre Züge sahn.

 

Und diese Hüll’ ist einzig mir gegeben.

Was hälf’ auch fliehn, da zu des Aethers Bahn,

Zum Ziel unhaltbar Amors Schwingen streben.

 

 

 

Sonett 183 (182)

 

Des Morgens Lieder und der Vögel Klagen

Läßt Echo früh im Thale wiederhallen,

Der Murmelton von flüssigen Krystallen

Wird durch beblümte Ufer fortgetragen.

 

Den Arm zum Abschied um den Hals geschlagen

Dem greisen Gatten, der ihr nur gefallen,

Erweckt mich Sie, die goldne Haar’ umwallen,

Um neu zu lieben und um neu zu klagen.

 

So wach’ ich auf und grüß’ Aurorens Flammen,

Die Sonne, die ihr folgt, und mehr noch jene,

An der die ew’gen Gluthen sich entzünden.

 

Einst sah ich beyde Sonnen sich zusammen

Erheben – jene hieß der Sterne Schöne,

Doch diese hieß die andre selbst verschwinden.

 

 

 

Sonett 187 (186)

 

Wenn Phöbus taucht ins Meer den goldnen Wagen,

In Nacht die Luft und meinen Geist zu hüllen,

Dann treibt mich’s, um des Busens Angst zu stillen,

Des Himmels Sternen meinen Schmerz zu klagen.

 

Der Leiden Menge, die mein Herz ertragen,

Such’ ich dem Seelenlosen zu enthüllen,

Die welt und Amorn, und des Schicksals Willen,

Mich selbst und Lauren zürnend anzuklagen.

 

Die Ruhe flieht, des Schicksals Schwingen weichen,

Der Morgen trifft in Seufzern mich und Zähren,

Den Augen zugesandt vom wunden Herzen.

 

Aurora kommt dann, um die Welt zu scheuchen,

Doch nur die Sonne, die mir Lust und Schmerzen

Gebiert, kann Lindrung meiner Angst gewähren.

 

 

 

Sonett 193 (192)

 

Einst sang, jetzt klag’ ich – aber ich gewinne

In Klagen jetzt, wie einst in den Gesängen,

Nicht an der Wirkung, an der Ursach’ hängen,

Berauscht von Hoheit, alle meine Sinne.

 

Nicht daß mir je mein gleicher Muth zerrinne,

Bey Sanftmuth, Härte, süßen, rauhen Klängen,

Gern trag ich alles – keine Bürden drängen

Mich, daß ich je zu beugen mich beginne.

 

Und mögen mit mir, wie gewöhnlich schalten

Amor und Laura, Menschen und Geschicke –

Stets fröhlich sey mein Herz, mein Auge helle,

 

Und lebend, sterbend, schmachtend werd’ ich halten

mich für den Meistbegünstigten vom Glücke,

So süß ist meiner Bitternisse Quelle.

 

 

 

Sonett 198 (197)

 

O kleine Kammer, einst ein sichrer Hafen,

Wenn mir am Tag gestürmt des Lebens Welle,

Jetzt bist du Stille nächt’ger Thränen Quelle,

Die mir am Tag im Auge schüchtern schlafen.

 

O Bette, wo ich einst so sanft geschlafen

In so viel Kummer – ach! mit Thränen schwelle

Ich jetzt der Kissen liebe Ruhestelle,

Seit, mir nur hart, mich Amors Arme trafen.

 

Doch nicht die Stille, nicht des Schlafes Arme,

Mich selbst nur flieh’ ich jetzt, und die Gedanken,

Und rastlos triebt michs, ihnen zu enteilen.

 

Dem feindlichen, mir so verhaßten Schwarme

Der Menschen muß ich meine Freystatt danken,

So schrecklich ist mirs, bey mir selbst zu weilen.

 

 

 

Sonett 203 (202)

 

Der Herrscher, den nicht hemmt in seinen Siegen

Verbergen, wehren, oder eilig fliehen,

Ließ mir, weil ich bezaubert sollt’ entglühen,

Ins Herz den schärfsten Pfeil der Liebe fliegen.

 

Wohl mußt ich schon dem ersten Streich erliegen,

Doch weiter ging sein grausames Bemühen,

Denn auch des Mitleids Pfeil sah ich ihn ziehen,

Und doppelt muß ich Armer mit ihm kriegen.

 

Die eine Wunde zeiget Feuersgluthen,

Die andre Thränen, wenn in Schmerz versunken

Ich dich erblicke, wie dein Auge trübe.

 

Doch kann der Doppelquell der Thränenfluthen

Von meinem Feu’r nicht löschen einen Funken,

Ja, höher durch das Mitleid wächst die Liebe.

 

 

 

Sonett 211 (210)

 

Wie bangt mein Geist, wenn er des Tages gedenket,

Wo Lauren ich verließ in ernstem Sinnen,

Mit ihr mein Herz – mein einziges Beginnen

Ist’s nun, daß dahin sich mein Auge lenket.

 

Bey schönen Fraun, das Antlitz sanft gesenket,

Stand sie und hieß dr andern Reiz zerrinnen.

Nicht froh, nicht trauervoll war ihr Beginnen,

Als fürhtend, und vom andern nicht gekränket.

 

Sie hatte jeden Schmuckes sich begeben,

Der Perlen, Bänder und der Blumenketten,

Die Rede schwieg, das Lächeln war verschwunden.

 

So ließ ich zweifelvoll mein theures Leben –

Vor Ahndung, Träumen kann ich mich nicht retten,

Gott geb’ es, daß sie mich umsonst verwunden.

 

 

 

Sonett 212 (211)

 

Entfernet pflegte sie mir Trost zu bringen,

Denn träumend sah ich himmlische Gesichte –

Jetzt schreckt sie mich, jetzt macht sie mich zu nichte,

Und stets muß ich mit Angst und Schmerzen ringen.

 

Mir scheints, daß Schmerz und Mitleid sie durchdringen,

Sie mischen sich auf ihrem Angesichte,

Ich hör’ ein Wort von mächtigem Gewichte,

Deß’ Töne Freud’ und Hoffnung mir verschlingen.

 

Denkst du nicht mehr der letzten Abendstunden,

Spricht sie, wo Thränen dir im Auge glühten,

Als nur die Zeit mich zwang, von dir zu gehen.

 

Dort konnt’ und wollt’ ich nicht dein Herz verwunden,

Jetzt aber sag’ ichs, denn es ist entschieden:

Nicht hoffe, je hinieden mich zu sehen.

 

 

 

Sonett 213 (212)

 

O unglücksvolles, schreckliches Gesicht!

So soll denn vor der Zeit das Licht verschwinden,

Das, Hoffnung mir im Busen zu entzünden,

Des Leidens Nacht mit goldnem Strahl durchbricht.

 

Doch sollte sich nicht solch ein groß Gerücht

Durch andre boten, durch sie selbst verkünden?

Auf wahrheit kann die Ahndung sich nicht gründen –

Gott und Natur, o duldet solches nicht!

 

So hoff’ ich denn – des Busens Zweifel schweigen –

Gewiß, daß noch das Antlitz zu mir kehrt,

Das mich belebt, und das Jahrhundert ehrt.

 

Und wenn, zum ew’gen Haus emporzusteigen,

Die Seel’ aus ihrer schönen Hüll’ entwich,

So mäh’ auch bald des Todes Sense mich.

 

 

 

Sonett 223 (222)

 

Ihr Frau’n, die ihr nach hohem Rufe ringet,

Den Sinn und Kraft und Herzensadel gründet,

Schaut nach der Feindin, die mein Herz entzündet,

Und die der Ruf mir zur Geliebten bringet.

 

Wie man empor zu Ehr’ und Gott sich schwinget,

Wie Liebreiz sich mit Ehrbarkeit verbindet,

Lernt dort – wie man den Weg zum Himmel findet,

Auf dem die Holde sehnend vorwärts dringet.

 

Dort lernt die Rede, der kein Wohllaut gleichet,

Das schöne Schweigen und die lieben Sitten,

Die nie erreicht der höchste Schwung der Lieder.

 

Der Himmelsreiz, vor dem die Sonn’ erbleichet,

Lernt dort sich nicht – nie hat ihn Kunst erstritten,

Denn frey kommt er von Himmelshöhen nieder.

 

 

 

Sonett 234 (233)

 

Ihr Augen, unsre Sonn’ ist nun verschwunden,

Doch nein, sie stieg, sie glänzt an Himmelshöhen,

Dann sehn wir Sie einst, dort will sie uns sehen,

Und klagt vielleicht, daß wir noch hier gwebunden.

 

Ihr Ohren, ihre Rede hat gefunden

Den Weg zu ihm, der ganz sie kann verstehen –

Ihr Füße, nie könnt ihr mehr zu ihr gehen,

Der ihr sonst nachgefolgt zu allen Stunden.

 

Was kann euch Recht, mich zu befeinden geben,

Durch mich ja habt ihr sie nicht eingebüßet,

Dieihr jetzt nicht mehr sehet, hört und findet.

 

Dem Tode zürnt – nein auf! ihn zu erheben,

Der löst und bindet, öffnet und verschließet,

Und nach der Klage neues Glück begründet.

 

 

Sonett 250 (249)

 

Dort wohnt sie, seufz’ ich, seh ich nun Auroren

Die Rosenstirne neigen zu den Fluthen,

Und Amor kommt, heißt neu die Wunden bluten,

Und neu wird dann in mir der Schmerz geboren.

 

Wohl Titon dir, es bringen stets die Horen

Die Gattin dir zurück in Rosengluthen.

Doch wohl weiß  ich’s, erst muß mein Herz verbluten,

Eh’ ich sie wiederseh, die ich verloren.

 

Ihr könnt scheiden ohne bange Klage,

Am Abend ja pflegt sie zurück zu kommen,

Den greisen Gatten liebend zu umfassen.

 

Dochtrüb macht meine nächte, meine Tage,

Sie, die mit sich mein ganzes Herz genommen,

Und mir von sich den Namen nur gelassen.

 

 

 

Sonett 251 (250)

 

Die Augen, die ich stets so heiß erhoben,

Der Fuß, das Angesicht, der Arm, die Hand,

Die zaubernd aus mir selber mich verbannt,

Und aus dem Kreis der Menschen mich gehoben;

 

Das Lockenhaar, aus lauterm Gold gewoben,

Das Engelslächeln, das wie Blitz verschwand,

Dieß schuf zum Eden einst dieß Erdenland,

Jetzt ist’s in wenig kalten Staub zerstoben.

 

Und dennoch leb’ ich – mir zum Zorn und Leid;

 mit schwachem Kahn, auf Wild empörten Wogen

Hat das geliebte Licht sich mir entzogen.

 

Nun sey kein Lied der Liebe mehr geweiht,

Vertrocknet ist die Ader süßer Lieder,

Von Klagen nur tönt meine Harfe wieder.

 

 

 

Sonett 272 (271)

 

Die Zeit entfloh, wo in der Flammen Nagen

Die Freud’ um mich den sanften Arm geschlungen;

Sie ist entflohn, die ich beweint, besungen,

Doch ließ sie mir die Schmerzen und die Klagen.

 

Der Heilgen Anblick muß ich nun entsagen,

Doch fliehend hat ihr Blick mein Herz durchdrungen –

Mein war’s einst – jetzt hat sich’s ihr nachgeschwungen,

Wie sie es hier in ihrer Brust getragen.

 

Sie trug’s mit sich zum Grab und in den Himmel,

Wo sie jetzt mit der Siegeskrone pranget,

Die sie erworben durch ihr heilig Leben,

 

Und mich quält nun der Leib, der ans Getümmel

Des Irdischen mich fesselt – mich verlanget,

Zum Wohnplatz seel’ger Seelen aufzuschweben.

 

 

 

Sonett 283 (282)

 

Den Duft, den Schatten und das kühle Wehen

Des holden Laurus, der dem müden Leben

Einst neue Ruh und neuen Glanz gegeben,

Hieß er, der Allverwüster, schnell vergehen,

 

Wie Mondesschatten durch die Sonne gehen,

So sah ich meiner Tage Licht verschweben;

Dem Tod zu trotzen, muß ich nach ihm streben,

Denn Leid nur ist’s, was hier die Blicke sehen.

 

Du hast, o Schöne, kurzen Traum geträumet,

Erwacht bist du nun bey den seel’gen Schaaren,

Die mit des Lebens Urquell sich vermählen.

 

Und wenn etwas vermag, was ich gereimet,

So lebt dein Nam’ auch in den fernsten Jahren

Auf Erden, heilig noch den edlen Seelen.

 

 

 

Sonett 284 (283)

 

Der letzte von den wen’gen frohen Tagen,

Die in dem kurzen Leben ich genossen,

Erschien – mein Herz, wie lauter Schnee zerflossen,

Schien mir der Zukunft Gram vorher zu sagen.

 

Wie, wen erwarten harten Fleisches Plagen

Sich kraftlos fühlt und traurig und verdrossen,

So fühlt’ ich mich; doch, daß das Glück verflossen,

Das ich kaum halb erreicht, wie konnt’ ichs sagen?

 

Die augen, die sich jetzt vor Wonne trunken

Dem Licht, des Heils und Lebens Quelle weihen,

Verlassend meine hier in Nacht und Grauen,

 

Sie sagten da mit sanften neuen Funken

Zu ihnen: Bleibt in Frieden dort, ihr Treuen,

Nicht hier, doch anderwärts sollt ihr uns schauen.

 

 

 

Sonett 285 (284)

 

O Tag, o Stund’, o letzter Augenblick!

Grausame Sterne, mir zum Leid verbündet!

O treuer Blick, was war’s, das du verkündet,

Als ich auf ewig schied von meinem Glück?

 

Jetzt fühl’ ich es, geöffnet ist mein Blick –

Dort sagt’ ich mir, am eiteln Wahn erblindet:

Du gehst von ihr, ein Theil des Glückes schwindet,

Doch sie bleibt dir, die Herrliche, zurück.

 

Ach! nicht wie ich geglaubt sollt’ es sich fügen,

Verlöschen sollte meines Lebens Licht,

Auch stand’s in ihren süßen bittern Zügen.

 

Doch ach! ein Schleyer deckte mein Gesicht,

Ich sah nicht, was ich sahe vor mir liegen,

Und elend ward ich, und versah mich’s nicht.

 

 

 

Sonett 299 (298)

 

Denk’ ich an ihn, der jetzt den Himmel ehret,

Den holden Blick, des goldnen Hauptes Neigen,

Die Engelsstimme, die die Sorgen schweigen

Einst ließ, jetzt mir den letzten Muth verzehret,

 

Dann wundr’ ich mich, daß noch mein Leben währet;

Auch lebt’ ich nicht mehr, wollte sie, der eigen

So Reiz als Tugend war, nicht niedersteigen

Zu meiner Rettung, wenn Aurora kehret,

 

O süßes, frommes, sittiges Empfangen!

Wie sorglich horcht sie, wenn ich ihr es sage,

Wie lang und hart mich Amors Bürde drücke;

 

Und scheut sie dann sich vor dem klaren Tage,

So kehret, feucht die Augen und die Wangen,

Zum Himmel sie auf sicherm Pfad zurücke.

 

 

 

Sonett 304 (303)

 

Die schönsten Augen und das himmlischhelle

Glanzvolle Antlitz, und der Haare Wogen,

die ihren Reiz dem Gold, der Sonn’ entzogen,

Der Mund, des Lächelns und desw Wohllauts Quelle;

 

Die Händ’ und Arme, die zu Amors Schwelle,

Sich zeigend, schon die Trotzigsten gezogen,

Die Füße, die so leicht dahin geflogen,

Und die Gestalt, gewebt aus Aethershelle;

 

In diesen lebt’ ich – jetzt des Todes Beute,

Ist sie allein des seel’gen Himmels Freude,

Und ich blieb arm und düster auf der Erde.

 

Nur eines kann ich meinem Leide hoffen,

Daß sie für mich – ihr ist mein Busen offen –

Bey ihr zu seyn die Gnad’ erflehen werde.

 

 

 

Sonett 306 (305)

 

So oft umweht des müden Schläfers Bette

Laura, der heil’ge Schatten, daß ichs wage,

Und was ich leid’ und was ich litt, ihr klage,

Was, weil sie lebt’, ich nie gewaget hätte.

 

Mit einem Blick begann des Leidens Kette,

Mit solchem Blick beginnt, was ich ihr sage.

Dann klag’ ich, wie mich Amors Quaal zernage,

Wienichts den Armen und Zufriednen rette.

 

Sie schweigt und heftet ihre frommen Blicke

Auf mich voll Mitleid, seufzt, und sanfte Zähren

Ergießen sich zum Schmucke ihrer Wangen.

 

Die Seele, mir vom Schmerze neu befangen,

Kann nicht der heft’gen Klage sich erwehren,

Und kehrt erwachend zu sich selbst zurücke.

 

 

 

Sonett 316 (315)

 

Auf, Amor! deine Hände mir zu reichen,

Laß neu den müden Geist zum Himmel schweben,

Um sie zu singen, die mit Glanz umgeben,

Jetzt lebet in des Himmels seel’gen Reichen.

 

Laß, Herr, mein Lied ihr hohes Lob erreichen,

Wozu nicht eigne Kraft es kann erheben,

Denn ihrer werth war nicht dieß Erdenleben,

Wo nichts ihr kann an Reiz und Tugend gleichen.

 

er spricht: Was nur des Himmels Macht und meine

Vermocht, was nur des Herzen kann besiegen,

Das war in ihr – sie nahm der Tod uns wieder.

 

Die Schönste war sie, seit des Tages Scheine

Sich Adams Aug’ entschloß; dieß mag genügen –

Ich sag’ es weinend – weinend schreib’ es nieder.