1564 – 1616 England
In Übersetzungen von:
18.
Soll ich dich einem
Frühlingstag vergleichen,
Der du weit
lieblicher und milder bist,
Da rauhe Winde
durch die Blüthen streichen
Und bald des
Lenzes Grün die Frische mißt.
Jetzt flammt zu
heiß des Himmelsauges Gluth,
Und bald
verdunkelt sich sein goldner Schein:
Wie alles Irdische
Ebbe hat und Flut
Kann auch die
Schönheit nicht beständig sein.
Doch soll dein
Lenz sich immer neu beblümen,
Dein ewger
Frühling weiche keinem Zwange,
Nie sich der Tod
dich zu beschatten rühmen:
Durch alle Zeiten
lebst du im Gesange.
So lang ein Puls
noch schlägt, ein Auge sieht,
So lang’ lebt
Dies, lebst du in meinem Lied.
24.
Mein Auge wird zum
Maler, und geschickt
Malt es dein Bild
in meines Herzens Tiefe.
Der Rahmen ist
mein Leib, durch den man blickt;
Des Malers beste
Kunst ist Perspektive.
Nur durch den
Künstler schaut dein Herz hinein
Und sieht dein
wohlgetroffen Angesicht:
Es hängt in meines
Herzens Kämmerlein
Und dies empfängt
von deinen Augen Licht.
So schafft ein Aug
dem andern Auge Wonne:
Meins malt dein
Bild, und deins in meiner Brust
Dient mir als
Fenster, wo hindurch die Sonne
Zu blicken liebt
und dich beschaut mit Lust.
Ach, daß den Augen
eine Kunst gebricht:
Sie malen was sie
schaun, die Liebe nicht.
66.
Den Tod ersehn
ich, wenn ichs schauen muß,
Wie das Verdienst
zum Bettler scheint geboren,
Wie hohles Nichts
sich spreizt im Überfluß,
Die Treue seufzt
verraten und verloren.
Der goldnen Ehre
Schmuck auf schmähem Haupt,
Und jungfräuliche
Tugend frech geschändet,
Die Hoheit ihres
Herrscherthrons beraubt,
Und Kraft an
lahmes Regiment verschwendet.
Die Wissenschaft
am Zügel der Gewalt,
Unsinn, der
Weisheit goldnen Rat verachtend,
Einfache Wahrheit,
die man Torheit schalt,
Das Gute in des
Bösen Kerker schmachtend.
Dies nicht zu
schaun mehr, stürb ich gerne, bliebe
Nur nicht verwaist
auf Erden meine Liebe.
103.
Wie schwach ist,
was mein Lied zutage bringt!
Es soll die Kraft
an deinem Stoff erweisen,
Der würd’ger
scheint, wenn man ihn nicht besingt,
Als wenn ich ihn
versuchen will zu preisen.
O schilt mich
nicht, daß ich nicht schreiben kann!
Zum Spiegel tritt,
da wird ein Bild sich zeigen,
Das meinem blöden
Singen weit voran
Den Stab ihm
bricht und mir befiehlt zu schweigen.
Wär’ es nicht
sündlich, in des Besserns Wahn
Zu schädigen, was
lieblich war und schön?
denn mein Gesang
weiß sich nicht andre Bahn
Als deine Güt’ und
Schönheit zu erhöhn.
Und mehr, weit
mehr als je mein Lied erschließt,
Zeigt dir der
Spiegel, wenn du in ihn siehst.
122.
Die Blätter, die
du schenktest, sind beschrieben
In meinem Hirn dir
dankbar aufbewahrt,
Wo sie beschützt
vor Wechselfällen blieben,
Der Zeit zum Trotz
der Ewigkeit gespart.
So lange
mindestens als Herz und Haupt
Natur mir
unverkümmert läßt bestehn,
Nicht löschendes
Vergessen beidem raubt
Sein Teil an dir,
kann nie dein Bild vergehn.
Solch ein
Behältnis mochte dich nicht fassen,
Ein Kerbholz
schien für deine Liebe Tand:
So konnt’ ich wohl
die schlechten Blätter lassen,
Da mehr von dir in
meinem Herzen stand.
Bedürft’ ich sie,
dein ferner zu gedenken,
Das hieße mich als
sehr vergeßlich kränken.