1526 – 1566 Frankreich
Übertragung
von Rainer Maria
Rilke
Hat keiner je, Odysseus oder
wer
sonst findig war, von diesem
anmutvollen
und hohen Gott so drängende
Beschwer,
wie ich sie leiden muß,
vermuten wollen.
Denn du hast, Liebe, mit dem
Blick mir fast
die Brust durchbohrt. Und mein
von Glut und Speise
berstendes Herz ist jetzt auf
keine Weise
zu retten, wenn du selbst kein
Mittel hast.
O wunderliches Schicksal über
mir.
Als wär ich von dem Skorpion
gestochen
und hoffte Heilung durch
dasselbe Tier.
Ich wünschte frei zu sein von
meinen Nöten
und doch mich ihrem Grund zu
unterjochen.
So bleibt kein Ausweg mehr. Es
wird mich töten.
O braune Augen, Blicke
weggekehrt,
verseufzte Luft, o Tränen
hingegossen,
Nächte, ersehnt und dann umsonst
verflossen,
und Tage strahlend, aber ohne
Wert.
O Klagen, Sehnsucht, sie nicht
nachgibt, Zeit
mit Qual vertan und nie mehr
zu ersetzen,
und tausend Tode rings in
tausend Netzen
und alle Übel wider mich
bereit.
Stirn, Haar und Lächeln, Arme,
Hände, Finger,
Geige, die aufklagt, Bogen,
Stimme, - ach:
ein brennlich Weib und lauter
Flammen-Schwinger.
Der diese Feuer hat, dir trag
ichs nach,
daß du mir so ans Herz gewollt
mit allen,
und ist kein Funken auf dich
selbst gefallen.
Langes Verlangen, Hoffnung
ohne Sinn,
Geseufz und Tränen so gewohnt
zu fließen,
daß ich fast ganz in den zwei
Strömen bin,
in welche meine Augen sich
ergießen.
O Härten von entmenschter
Grausamkeit,
himmlisches Licht, das karg zu
schaun geruhte;
und immer noch im abgelehnten
Blute
zunehmend das Gefühl der
frühsten Zeit.
Als litt ich nicht genug. So
mag noch schlimmer
der Gott an mir den Bogen
proben. Pfeil
und Feuer verschwendet er sich
selber zum Verdruß:
Denn ich bin so versehrt und
nirgens heil,
daß keine neue wunde an mir
nimmer
die Stelle fände, wo sie
schmerzen muß.
Seitdem der Gott zuerst das
ungeheuer
glühende Gift in meine Brust
mir sandte,
verging kein Tag, da ich davon
nicht brannte
und dastand, innen voll von seinem
Feuer.
Ob er mit Drohungen nach mir
gehascht,
mir Mühsal auflud, mehr als
nötig, oder
mir zeigte, wie es endet: Tod
und Moder –,
mein Herz in Glut war niemals
überrascht.
Je mehr der Gott uns zusetzt,
desto mehr
sind unsre Kräfte unser. Wir
verdingen
nach jedem Kampf uns besser
als vorher.
Der uns und Göttern übermag,
ist denen
Geprüften nicht ganz schlecht:
er will sie zwingen,
sich an den Starken stärker
aufzulehnen.
O Venus in den Himmeln, klare
du,
hör meine Stimme; denn solang
du dort
erscheinst, wird sie, ganz
voll, dir immerfort
die lange Arbeit singen, die
ich tu.
Mein Aug bleibt sanfter wach,
wenn du es siehst,
und seine Flut wird strömender
und fließt
viel leichter hin in meine
Lagerstatt,
wenn seine Mühsal dich zum
Zeugen hat
zur Zeit, da Schlaf und
Ausruhn wohlgemeint
die Menschen hinnimmt, die
sich müd gedacht.
Ich, ich ertrag, solang die
Sonne scheint,
daß, was mir weh tut, und wenn
ich zum Schluß
zu Bette geh, fast wie
entzwei: ich muß
das, was mir weh tut, schrein
die ganze Nacht.
Zwei-dreimal selig jenes
Wiederkehren
das starken Sterns. Und
seliger noch das,
worauf er weilt. Du, die er
anstrahlt, laß
dir einen Tag der Herrlichkeit
bescheren.
Mit einer Wendung möge
Morgenluft
sich zu den offnen Blumen
Florens senken,
ihr ganzes Atmen dir
herüberschwenken
und deinen Lippen lassen ihren
Duft.
Keine verdient dies Glück, wie
ichs verdiene
für viel verweinte und
verlorne Zeit.
Wie tät ich schön mit ihm,
wenn er erschiene;
ich müßte Größres über ihn
vermögen
und hielte meine Augen so
bereit,
daß sie ihn schnell und
sieghaft niederbögen.
Man sieht vergehen die
belebten Dinge,
sowie die Seele nicht mehr
bleiben mag.
Du bist das Feine, ich bin das
Geringe,
ich bin der Leib: wo bist du,
Seele, sag?
Laß mich so lang nicht in der
Ohnmacht Trage
Sorge für mich und rette nicht
zu spät.
Was bringt du deinen Leib in
diese Lage
und machst, daß ihm sein
Köstlichstes enträt?
Doch wirke so, daß dieses Sich-Begegnen
in Fühlbarkeit und neuem
Augenschein
gefahrlos sei: vollziehs nicht
in verwegnen
und herrischen
Erschütterungen: nein,
laß sanfter in mich deine
Schönheit gleiten,
die gnädig ist, um länger
nicht zu streiten.
Ich leb, ich sterb: ich brenn
und ich ertrinke,
ich dulde Glut und bin doch
wie im Eise;
mein Leben übertreibt die
harte Weise
und die verwöhnende und mischt
das Linke
mir mit dem Rechten, Fränen
und Gelächter
Ganz im Vergnügen find ich
Stellen Leides,
was ich besitz, geht hin und
wird doch ächter:
ich dörr in einem, und ich
grüne, beides.
So nimmt der Gott mich her und
hin. Und wenn
ich manchmal mein’, nun wird
der Schmerz am größten,
fühl ich mich plötzlich ganz
gestillt und leicht.
Und glaub ich dann, ein Dasein
sei erreicht,
reicht es mich nieder aus dem
schon Erlösten
in eine Trübsal, die ich
wiederkenn.
Gleich wenn ich endlich abends
so weit bin,
daß ich im weichen Bett des
Ruhns beginne,
zieht sich der arme Antrieb meiner
Sinne
aus mir zurück und mündet zu
dir hin.
Dann glaub ich an die Zartheit
meiner Brüste
das, was ich ganz begehre,
anzuhalten,
und so begehre, daß mir ist,
als müßte
mein Schrein danach, wo es
entsteht, mich spalten.
O Schlaf, der nachgibt, Nacht
für mich gemeinte,
innige Stillung, glückliche
Genüge,
halt vor für aller meiner
Nächte Traum.
Ist für das immer wieder mir
Verneinte
in dieser vollen Wirklichkeit
nicht Raum,
so laß es mir gehören in der
Lüge.
Seh ich dein Haupt, das
blonde, schöngekrönt,
und deiner Laute Klagen, so
beflissen,
daß Bäume ihr und Felsen,
hingerissen,
nachdrängen möchten, wo sie
tönt;
seh ich dich selbst inmitten
deiner Kraft
auf alle Art den größten Preis
erreichen
und immer aufglühn und die
andern bleichen,
so sagt sich meines Herzens
Leidenschaft:
Kann so viel Eignung, Tugend
und Talent,
die macht, daß jeder gleich
für dich entbrennt,
dich selber nicht am Ende
lieben machen?
Zu deinen tausend Titeln käme
dies:
daß deine Liebe sich erbitten
ließ,
sich an der meinen zärtlich zu
entfachen.
O Blicke, Augen aller
Schönheit voll,
wie kleine Gärten, die in
Liebe stehen:
was hab ich lange da hinein
gesehen,
obwohl ich eure Pfeile meiden
soll.
Zweideutiges Herz, du hältst
mich grausam fest
mit deinem Starrsein, deinem
fürchterlichen,
wie viele Tränen hast du mir
erpreßt,
wenn ich mein Herz, das
brennt, mit dir verglichen.
Ihr Augen, ja, je mehr ihr
dorthin schaut,
je mehr wird euch des Anblicks
Lust vertraut;
doch du mein Herz, wenn sie
sich ganz verlieren
in ihrem Schauen, hast davon
nur Qual.
Wie soll ich ruhig sein ein
einziges Mal:
dein Glück ist nicht vereinbar
mit dem ihren.
Laute, Genossin meiner
Kümmernis,
die du ihr beiwohnst innig und
bescheiden,
gewissenhafter Zeiger meiner
Leiden:
wie oft schon klagtest du mit
mir. Ich riß
dich so hinein in diesen Gang
der Klagen,
drin ich befangen bin, daß, wo
ich je
seligen Ton versuchend
angeschlagen,
da unterschlugst du ihn und
töntest weh.
Und will ich dennoch anders
dich verwenden,
entspannst du dich und machst
mich völlig stumm.
Erst wenn ich wieder stöhne
und mich härme,
kommst du zu Stimme, und ich
fühle Wärme
in deinem Inneren; so sei es
drum:
mag sanft als Leiden (was
stets Leid war) enden.
O wär ich doch entrückt an
ihn, gepreßt
an seine Brust, für den ich
mich verzehre.
Und daß der Neid mir länger
nicht mehr wehre,
mit ihm zu sein für meiner
Tage Rest.
Daß er mich nähme und mir
sagte: Liebe,
wir wollen, eins im anderen genug,
uns so versichern, daß uns
nichts verschiebe:
nicht Sturm, nicht Strömung
oder Vogelflug.
Wenn dann, entrüstet, weil ich
ihn umfasse,
wie sich um einen Stamm der
Efeu schweißt,
der Tod verlangte, daß ich von
ihm lasse:
Er küßte mich, es mündete mein
Geist
auf seine Lippen; und der Tod
wär sicher
noch süßer als das Dasein,
seliglicher.
Solange meine Augen Tränen
geben,
dem nachzuweinen, was mit dir
entschwand;
solang in meiner Stimme
Widerstand
gegen mein Stöhnen ist, so daß
sie eben
noch hörbar wird; solange
meine Hand
die schöne Laute von so lieben
Dingen
kann singen machen, und sich
unverwandt
mein Geist dir zukehrt, um
dich zu durchdringen:
so lang hat Sterben für mich
keinen Sinn.
Doch wenn ich trocken in den Augen
bin,
die Stimme brüchig wird, die
Hand nicht mag,
und wenn mein Geist mir hier
die Kraft entzieht,
durch die ich mich als
Liebende verriet:
so schwärze mir der Tod den
klarsten Tag.
Der Sonne, eh sie wiederkommt,
zu Ehren
erhebt sich leicht der reine
Morgenwind.
Wasser und Erde, siehe, sie
erwehren
sich schon des Schlafes, der
das eine lind
hinrinnen ließ und stärker,
lichterloher
die andre blühen machte. Im
Geäst
jubeln die Vögel, die’s nicht
ruhen läßt,
und wer vorübergeht, wird
davon froher.
Und Nymphen: in den kühlen
Wiesen, die
noch Mondschein haben, sind
sie schon am Spiele.
Günstiger Frühwind, wenn es
dir gefiele,
daß ich mich selbst auch neu
an dir belebe.
O tu nur, daß sich meine Sonne
hebe,
und du sollst sehn: ich werde
schön wie nie.
Wenn Wetter eine Zeit und
Hagelschauer
oben den hohen Kaukasus
umfing,
kommt langsam wieder schönes
Licht zur Dauer.
Und Phöbus, wenn er seinen
vollen Ring
vollendet hat, tritt rückwärts
in die Wogen
und läßt die schmale Schwester
an die Reih.
Sogar des Parthers kampfwut
geht vorbei,
er flieht zuletzt und schleppt
den schlaffen Bogen.
War eine Zeit, da schien dir
mein Gefühl
(ich tröstete dich manchmal)
unentschlossen;
doch jetzt, seit ich in deinen
Armen war
und dort, wo du mich wolltest,
ganz und gar:
hast du dein Feuer plötzlich
fortgegossen
und bist, wie ich es niemals
konnte, kühl.
Ich flieh die Stadt, die
Kirchen, jeden Ort,
wo ich dich sehe, wo du dich beklagst
und, wie du bist, gewaltsam,
immerfort
dem näher kommst, was du zu
fordern wagst.
Turniere, Spiele, Maskenzüge:
nichts
von alledem ist mit dir zu
vergleichen.
Ich suche meinen Wünschen
auszuweichen
und, von dir abgekehrten
Angesichts,
daß etwas dem Verliebtsein
mich entrisse,
verlier ich im Gehölz mich hin
und her;
doch alles ist gemacht, damit
ich wisse:
Ich müßte, um dich wirklich
aufzugeben,
aus mir hinaus und außer
meiner leben:
denn als Entfernter bist du
dort noch mehr
Küss mich noch einmal, küß
mich wieder, küsse
mich ohne Ende. Diesen will
ich schmecken,
in dem will ich an deiner Glut
erschrecken,
und vier für einen will ich,
Überflüsse
will ich dir wiedergeben.
Warte, zehn
noch glühendere; bist du nun zufrieden?
O daß wir also, kaum mehr
unterschieden,
glückströmend ineinander
übergehn.
In jedem wird das Leben
doppelt sein.
Im Freunde und in sich ist
einem jeden
jetzt Raum bereitet. Laß mich
Unsinn reden:
Ich halt mich ja so mühsam in
mir ein
und lebe nur und komme nur zu
Freude,
wenn ich, aus mir ausbrechend,
mich vergeude.
Diana, atemlos von manchem
Tier,
stand weit im Wald in einer
stillen Lichtung,
und ihre Nymphen kamen heiß zu
ihr.
Ich ging wie immer träumend,
ohne Richtung
und dachte nicht daran. Da
rief mir eine:
Nymphe! Was schaust du so?
Nimmst du nicht teil?
Diana wartet. Aber da sie
meine
Hände gewahrte, Bogen nicht
noch Pfeil
in ihnen, staunte sie: was ist
geschehen?
Hat man dir Bogen und Geschoß
genommen?
Ach sagte ich, das hat mich
überkommen:
ich folgte Einem, und im
Handumdrehn
warf ich die Pfeile. Und den
Bogen nach.
Er hob sie auf und traf mich
hundertfach.
Mir ward gewahrsagt, daß ich
einmal sicher
den lieben werde, den man mir
beschrieb.
und da er kam, erkannt ich
ihn: wie glich er
den vorgesagten Bild. Ich sah,
es trieb
ihn sein Verhängnis, und er
tat mir leid
in seiner Liebe blindem
Abenteuer:
so hielt ich denn auch mich
für ihn bereit
und gab mir Mühe zu dem
gleichen Feuer.
Wer hätte nicht gedacht, es
müßte gut
fortschreiten, was Geschick
und Himmel wollten?
Doch wenn ich denke, was für
Donner grollten
und wie es sich umzog von
allen Seiten:
mein’ ich, die Hölle hätte
nicht geruht,
mir diese Untergänge zu
bereiten.
Wie muß der Mann sein, Farbe,
Haar und Wuchs,
damit erganz gefalle? Welche
Blicke
begegnen nirgends eines
Widerspruchs?
Wer fügt die Wunden zu, die
die Geschicke
nicht heilen können? Welches
Lied allein
hat alle Macht der Welt? Wer
kommt am weitesten,
wenn er ihn singt, in seinen
Schmerz hinein?
Und was für Dinge sind es, die
und reizten?
Ich bin entscheidend nicht in
solchen Sachen,
die Liebe hat mein Urteil in
der Hand.
Ich weiß nur eins: der
schönste Gegenstand
und alle Kunst, die die Natur
erhöhte,
vermöchten nimmer, wenn man
sie mir böte,
mir meine Sehnsucht sehnender
zu machen
Was bist du glücklich,
Sonnengott, du hast
die liebste Freundin stets in
Sicht, und deine
leisere Schwester findet in
die Haine,
wo sie Endymion umfaßt.
Mars sieht die Venus oft. Der
Gott Merkur
schwärmt in den Himmeln und an
andern Orten,
und Jupiter gewahrt noch da
und dorten
die Jugend seiner hurtigen
Natur.
Im Himmel hat ein großer
Einklang recht,
in dem die Göttlichen getrost
sich rühren.
Doch wäre, was sie lieben,
plötzlich weit,
sie widersprächen ihrer
Herrlichkeit
und wüßten sich so groß nicht
aufzuführen
und mühten sich wie ich:
umsonst und schlecht.
Was hilft es mir, daß du so
meisterhaft
mein Haar besangst und sein
gesträhntes Gold,
und daß du diese meine Augen
hold
wie Sonnen nanntest, deren
reine Kraft
der Gott benützt, dich innig
zu verstören?
Wo sind die Tränen, die dir
schnell vergingen?
Wo ist der Tod? Ich höre dich
noch schwören,
er einzig könne deine Liebe
zwingen.
Das also war der Sinn von
deiner List,
mir, da du mir dies alles
zugetragen.
Eintrag zu tun. Laß auch dirs
heute sagen
und dich im Zorn schon um
Verzeihung bitten
für dieses Wort. Es bleibt mir
unbestritten:
Du quälst dich so wie ich, wo
du auch bist.
Ach, meine Liebe, werft sie
mir nicht vor,
ihr Damen: daß mich tausend
Brände brannten
und tausend Schmerzen mich ihr
eigen nannten
und daß ich weinend meine Zeit
verlor.
Hängt meinem Namen keinen
Tadel an.
Ich unterlag, doch der mich
überwunden,
der Gott, liegt in der Luft.
Seid still. er kann
mit einem Male, wenn er euch
gefunden,
ohne daß er Adonis und Vulkan
heraufbemühte, euch so so
heftig nahn,
daß ihr nicht anders könnt,
als mehr noch lieben.
Und vielleicht ruht er dann
nicht eher, bis
ihr rasend seid, und häuft das
Hindernis
und treibt euch ärger, als er
mich getrieben.