William Shakespeare

1564 – 1616           England

 

In Übersetzungen von:

Johann Gottlob Regis

 

 

 

aus: „Der verliebte Pilger“

 

 

I.

 

Wenn Liebchen spricht, daß nie ihr Herz erkalte,

So glaub ich ihr, wenn sie es schon erfand;

Damit sie mich für einen Neuling halte,

Mit Listen dieser Welt noch unbekannt.

 

So, irrig wähnend, daß sie jung mich wähne,

Wiewohl sie weiß, mein Frühling ist dahin,

Leugn’ ich’s ihr nicht in ihre falschen Zähne,

Und beidersetis verbirgt sich wahrer Sinn.

 

Doch warum sagt sie nicht, daß sie nicht treu?

Warum nicht ich, daß ich einst jung gewesen?

O, Amors Lieblingslust ist Heuchelei,

Und Lieb’ in Jahren mag nicht Jahreszahlen lesen.

 

Darum belüg’ ich, belügt sie mich,

Und unsre Lügensünden schmeicheln sich.

 

 

II.

 

Zwei Flammen hab ich, die im Doppelbann,

Wie Geister, zwischen Trost und Qual mich lassen darben:

Der beßre Engel ist ein schöner Mann,

Der schlimmre Geist ein ein Weib von bösen Farben.

 

Mein weiblich Unheil, bald dem Pfuhl nich zu gesellen,

Lockt meinen guten Engel von mir fort:

Zum Teufel möchte sie den Heiligen entstellen;

Dem Reinen kost ihr falsches Schmeichelwort.

 

Und, ob mein Engel nun schon eingefeindet,

Besorg’ ich; - zwar nicht völlig ist’s bekannt; -

Doch, da mich beide flieh’n und beide sich befreundet,

Fürcht ich, ein Engel ward des andern Höllenbrand.

 

Und wie es steh’, ich kann es nicht vermuten,

Als bis mein böser Geist verschlingt den Guten.

 

 

III.

 

Hat deiner Augen Himmelsredemacht,

Die keine Welt bestreiten wird mit Gründen,

Mein Herz zu diesem Meineid nicht gebracht?

Um dich gebrochne Schwüre sind nicht Sünden.

 

Ein Weib verschwur ich; aber daß ich nicht

Dich Göttin drum verschwur, will ich beschwören.

Mein Eid war irdisch, du mein himmlisch Licht.

Von aller Schuld befreit mich dein Erhören.

 

Mein Eid war Hauch; Hauch ist ein Dunst: so saugest

Du schöne Sonne meiner Erdenbahn

Dies dunstige gelübd’ in dich, verhauchest,

Zerreißest es; ich hab’ nicht Teil daran.

 

Und hätt ich’s auch gebrochen, welcher Tor

Zög einen Schwur dem Paradiese vor?

 

 

IV.

 

An einem Bache saß die reizende Cythere,

Von ihrem jungen Freund Adonis hoch entzückt.

Mit manchem süßen Blick liebäugelt ihm die Hehre,

Mit Blicken wie nur sie, der Schönheit Fürstin, blickt.

 

Dem Ohr zur Lust erzählt sie Märlein ihm,

Zeigt Liebliches, die Augen zu versuchen;

Berührt ihn hie und da, sein Herz an sich zu ziehn:

So schmeichelndes Getast wird oft das Grab der Tugend. –

 

Doch, ob den frühen Jahren Sinn gebricht,

Ob er verschmähet ihr verblümtes Deuten,

Der junge Gründling schluckt den Hamen nicht,

Und lacht und spottet aller Artigkeiten.

 

Da fiel die gnäd’ge Göttin rücklings hin:

Und er sprang auf und lief. O Eigensinn!

 

 

V.

 

Lehrt Liebe Meineid mich, wie soll ich Liebe schwören?

O Schönheit, sie allein hält Liebestreu im Flor!

Wie auch mir selber falsch, treu will ich dir gehören.

Dies Wort, mir eichenfest, scheint dir ein schwankes Rohr.

 

Betrachtung läßt ihr Buch und forscht in deinen Augen,

Wo alle Wonne lebt, die nur die Kunst erschleußt.

Ist Kenntnis Ziel, du kannst statt aller Kenntnis taugen:

Am weitesten der Mund, der dich am besten preist.

 

Wer ungerührt dich säh, die rohste Seele hätt’ er.

Daß du ein Wunder mir, kommt meinem Ruf zu gut.

Dein Aug ist Jovis Blitz, dein Laut sein drohend Wetter;

Doch, ohne Zorn, Musik und sanfte Lebensglut.

 

O himmlisch wie du bist, verleugne dich nicht so,

Und singe Himmels Lob so irdisch rauh und roh.

 

 

VI.

 

Kaum war der Tau vom Frühlicht aufgetrunken,

Kaum ruht die Herd’ umzäunt im Schattendach,

Als Cypria, in Liebe ganz versunken,

Voll Sehnsucht des Adonis harrt’ am Bach,

 

Bei einem Weidenbaum. Adonis war

Im Bach gewohnt sein Feuer abzukühlen.

Heiß schien die Sonne, heißer noch fürwahr

Die seiner harrt’; oft pflegt’ er dort zu spielen.

 

Und sieh! er kommt, und wirft den Mantel ab,

Steht mutternackt auf grünem Wiesenplan.

Mit Herrscheraugen  blickt die Sonn’ herab;

Noch brünstiger blickt ihn die Göttin an.

 

Kaum sah er sie, sprang er hinab. Sie sprach:

„O Jupiter! O wär’ ich doch der Bach!“

 

 

VIII.

 

Stehn sich Musik und holde Poesie

Wie Schwester und wie Bruder gern zur Seite;

Dann sind wir eins, dann trennen wir uns nie,

Weil du die eine liebst, und ich die zweite.

 

Dein Freund ist Dowland, der zu Hochgewinne

Mit Lautenspiel das Ohr in Zauber taucht;

Der meine Spenser, der mit tiefem Sinne

Den Sinn bemeisternd keinen Anwalt braucht.

 

Dich lockt der süße Klang, wenn Phöbus’ Laute,

Der Töne Königin, die Herzen zähmt;

Und mich entzückt vor andern, wenn der Traute

Mit eignem Mund zu singen sich bequemt.

 

Ein Gott ist beider Gott, wie Dichter zeugen:

Ein Mann liebt beid’ und beide sind dein eigen.

 

 

XI.

 

Die schöne Venus unter Myrthenzweigen

Saß kosend bei Adonis; sie erzählt,

Wie sich der wilde Mars tät zu ihr neigen,

Sie stellt ihm nach, wie er ihr nachgestellt.

 

„So“, sagte sie, „so pflegt’ er mich zu küssen“,

Und damit schlang sie ihre Arme um ihn.

„So hat er oft den Gürtel mir entrissen“,

Als sollt er gleichen Liebesdienst vollziehn.

 

„So drückt’ er seine Lippen mir auf meine“,

Denselben Druck gibt sie den seinigen.

Und wie sie Odem schöpft, entspringt der Kleine;

Vom ihren Wünschen will er nichts verstehn. –

 

O wenn doch Liebchen mich zu solcher Pein berief,

Daß sie mich herzt’ und küßte, bis ich lief!