Ein jeder spricht zu mir, dein Lieb ist nicht
dergleichen
Wie du sie zwar beschreibst: ich weiß es wahrlich nicht.
Ich bin fast nicht mehr klug; der scharfen Sinnen Licht
Vermag gar kaum was weiß und schwarz ist zu erreichen.
Der so im Lieben noch was weiß
heraus zustreichen,
Durch Urteil und Verstand, und kennt auch was gebricht,
Der liebet noch nicht recht. Wo war ist was man spricht,
So hat der welcher liebt der Sinnen gar kein Zeichen.
Und ist ein lauter Kind. Wer Schönheit wählen kann,
Und redet recht davon der ist ein weiser Mann.
Ich weiß nicht, wie ich doch die Fantasie gelose,
Und was die süße Sucht noch endlich aus mir macht:
Mein Wissen ist dahin, der Tag der ist mir Nacht,
Und eine Distelblüt' ist eine schöne Rose.
Du güldne Freiheit du, mein Wünschen
und Begehren,
Wie wol doch wäre mir, im Fall
ich jederzeit
Mein selber möchte sein. Und
wäre ganz befreit
Der Liebe die noch nie sich
wollen von mir kehren,
Wiewol ich offte mich bedacht
bin zue erweren.
Doch lieb ich gleichwohl
nicht, so bin ich wie ein scheit,
Ein Stock und rauhes Blei. Die
freie Dienstbarkeit,
Die sichere Gefahr, Das
tröstliche Beschwere,
Ermuntert meinen Geist, das er
sich höher schwingt
Als wo der Pöbel kreucht, und
durch die Wolken dringt,
Geflügelt mit Vernunft, und
mutigen Gedancken,
Drum geh’ es wie es will, und
muß ich schon davon,
So überschreit ich doch des
Lebens enge Schranken:
Der Name der mir folgt ist
meiner Sorgen Lohn.
Liebesgedichte für Cassandra
Ihr: Himmel, Lüft und Wind, ihr Hügel voll von Schatten,
Ihr Hainen, Ihr Gebüsch' und du, du edler Wein,
Ihr frischen Brunnen, ihr so reich am Wasser sein,
Ihr Wüsten, die ihr stets müßt an der Sonnen braten,
Ihr durch den Weißen Tau bereiften schönen Saaten,
Ihr Höhlen voller Moos, ihr aufgeritzten Stein',
Ihr Felder welche ziert der zarten Blumen Schein,
Ihr Felsen wo die Reim' am besten mir geraten,
Weil ich ja Flavien, daß ich noch nie tun können,
Muß geben gute Nacht und gleichwohl Mut und Sinnen,
Sich fürchten allezeit und weichen hinter sich.
So bitt' ich Himmel, Lüft, Wind, Hügel, Hainen, Wälder,
Wein, Brunnen, Wüstenei, Saat, Höhlen, Steine, Felder
Und Felsen: sagt es ihr, sagt, sagt es ihr für mich.
LXXIX.
Wann ich mit Frieden kann in
deinen Armen liegen,
So hab ich schon genug: mehr
Ehre wünsch ich nicht
Auf dieser weiten Welt, als
dir, mein Trost und Licht,
In deiner weißen Schoß zu
ruhen nach Genügen.
Dies ist mein bester Zweck; es
mag ein andrer kriegen,
Dem Mars im Herzen steckt, das
aus ihm selber bricht,
Nach Helm und Waffen greift,
den kühnen Feind bespricht,
Und wankt nicht um ein Haar:
will sterben oder siegen.
So wilde bin ich nicht:
Clorinde, wann du dich
Um meine Schultern wirfst, das
ist ein Krieg für mich!
Hiervon soll meinen Sinn kein
Ruhm und Gut bewegen.
Das Glücke deiner Gunst hat
bei mir größern Schein
Als etwan Caesar selbst und
Alexander sein,
Und diese ganze Welt zun Füßen
können legen.
I, lxiii
Ich machte diese Vers in meiner Pierinnen
Begrünten Wüstenei, wie Deutschland emsig war,
Sein Mörder selbst zu sein, da Herd und auch Altar
In Asche ward gelegt durch trauriges Beginnen,
Der blutigen Begier, da ganzer Völker Sinnen
Und dichten ward verkehrt, da aller Laster Schar:
Mord, Unzucht, Schwelgerei und Trügen ganz und gar
Den Platz der alten Ehr' und Tugend hielten innen.
Damit die böse Zeit nun würde hingebracht,
Hab' ich sie wollen hier an leichte Reime wenden.
Mars tut’s der Liebe nach, daß er der Tränen lacht:
Mein Krieg ist Lobens wert,
und seiner ist zu schänden;
Dann meiner wird gestillt durch zweier Leute Schlacht,
Den andern können auch viel tausend noch nicht enden.
II, xxvi
In mitten Weh und Angst, in solchen schweren Zügen,
Dergleichen nie gehört, in einer solchen Zeit,
Da Treu und Glauben stirbt, da Zwietracht Grimm und Neid
Voll blutiger Begier gehäuft zu Felde liegen,
Da unverfänglich ist, Gericht und Recht zu biegen
Da Laster Tugend sind, wie bin ich doch so weit
In Torheit eingesenkt? der Liebsten Freundlichkeit,
Ihr blühendes Gesicht, ihr angenehmes Kriegen,
Ihr Wesen, Tun und Art, das ist es was ich mir
Bloß eingebildet hab' und rühme für und für.
Dies Leid, dies Jammer sehn, und dennoch nichts als lieben?
Die klüger sind als ich, schleust man in Klausen ein.
Ihr Musen last mich gehn: es muß doch endlich sein
Was anders oder ja gar nichts nicht mehr geschrieben.