William Shakespeare

1564 – 1616           England

 

In Übersetzungen von

Gustav Landauer

 

 

 

LXIII.

 

Geschloßnes Auge dient am besten mir,

da es sich tags an nichtige Dinge wendet,

doch wenn im Schlaf ich träume, ist’s nach dir

und nächtig hell, hell in die Nacht gesendet.

 

Denn du, deß Schatten Schatten leuchten macht,

was gäb’ dein leibhaft Bild für holde Scvhau

dem lichten Tag mit deiner lichtren Pracht,

des Schattenbild erstrahlt in Schlummers Grau!

 

Wie, sag’ ich, wär’ des Auges Glück erst groß,

wenn es dich sähe im lebendigen Tag,

da hell in toter Nacht dein Schatten bloß

durch schweren Schlaf vor blinde Augen trat.

 

Nachtgleich die Tage all’, wo du nicht hier,

und taghell nachts, führt dich der Traum zu mir.

 

 

LXVI.

 

Dies alles müd schrei’ ich nach Todesrast

Verdienst zu sehn als Bettelmann geboren,

Und dürftiges Nichts in Herrlichkeit gefaßt,

Und reinste Treu’ zum Jammer auserkoren,

 

Und goldne Ehre, die den Falschen krönt,

Und jungfräuliche Tugend roh geschändet,

Und echte Hoheit ungerecht verpönt,

Und Kraft von lahmer Tyrannei entwendet,

 

Und Kunst geknebelt von der Obrigkeit,

Und Geist vorm Doktor Narrheit ohne Recht,

Und dumm befunden schlichte Redlichkeit,

Und Sklave Gut im Dienst beim Herren Schlecht:

 

Dies alles müd möcht’ ich begraben sein,

Ließ ich nicht sterbend, Liebster, dich allein.