1564 – 1616 England
In Übersetzungen von:
Karl Lachmann
7.
Sieh, wann im Ost
erhebt glanzholdes Licht
sein brennend
Haupt, welch irdisch Auge weiht
Dem neuen Strahl
nicht Huldigung und Pflicht,
Verehrt mit Schaun
hochheilge Herrlichkeit?
Und wann’s den
Himmelsberg steilauf erklomm,
Recht wie in
mittlern Jahren junge Kraft,
Noch dann mit
Anbetung begleitet fromm
Sterblicher Blick
die goldne Wanderschaft.
Doch wie’s, von
höchster Höh’ mit müdem Rad
Vom Tag
abtaumelnd, schwachem Alter gleicht, -
Das Aug’, in
Ehrfurcht sonst, vom niedern Pfad
Verwendet sich’s,
indem’s zu andrem streicht.
So, wann du dich
im Mittag überflohn,
Stirbst unbeschaut
du, zeugst du keinen Sohn.
11.
So schnell du
welken wirst, so schnell ersprießest
Im Kinde du, aus
dem, was du entsendest.
Das frische Blut,
das itzt du jung ergießest,
Ist dein, wann du
der Jugend dich entwendest.
Darin ist Schöne,
Weisheit und Vermehrung;
Fehlt das, nur
Alter, Torheit, kalt Verderben.
Denkt jeder so,
das wird der Zeit Zerstörung;
In sechzig Jahren
muß die Welt versterben.
Mag, wen Natur
nicht Hort zu sammeln machte,
Hart, mißgestalt
und roh, unfruchtbar enden:
Weil dich vor
Reichstbegabten sie bedachte,
Mußt du die milde
Gab’ in Milde spenden.
Dich schnitt sie
als ihr Siegel, mit der Lehre,
Daß mehr du
abdruckst und ihr Bildnis währe.
18.
Vergleichen sollt
ich dich dem Sommertag;
Da du weit
lieblicher, weit milder bist?
Den Lieblingsflor
des Mais zaust Windesschlag,
Und Sommers Pacht
steht auf zu kurze Frist.
Bald ist zu heiß
des Himmelsauges Schein,
Und dunkelnd seine
Goldfarb’ oft verliert es.
Oft muß der
Schönheit schönes sich verzeihn;
Zufall und Wechsel
der Natur entziert es.
Dir aber welkt nie
ewges Sommers Pracht;
Die Schöne, die du
hast, verbleibt dir eigen.
Nie rühmt sich
Tod, du gehst in seiner Nacht;
In ewger Schrift zum
Alter wirst du steigen.
So lang’ ein Athem
weht, ein Auge sieht
So lange lebt,
giebt Leben dir, mein Lied.
29.
Wann, von der Welt
Aug’ und vom Glück verschmäht,
Einsam ich jammr’
um mein verworfen Teil,
Zum tauben Himmel
schrei unnütz Gebet,
Und mich betracht
und fluche meinem Heil,
Wünsch andern
gleich mich, so im Hoffen keck,
So wohlgestalt,
umringt von Freunden so,
Begehre dieses
Kunst und jenes Zweck;
Des ich zumeist
genieß, am mindsten froh:
In den Gedanken,
mich verachtend ganz,
Sieh, denk ich
dein: mein Leben, wie empor
Die Lerche steigt
beim ersten Tagesglanz
Vom düstern Grund,
jauchzt laut am Himmelstor.
Der Lieb’
Erinnrung macht mich reich und groß,
Dann zu verschmähn
den Tausch mit Königslos.
43.
Geschlossen kann mein
Aug’ am besten sehn,
Das Tages nur auf
Unbemerktes blickt.
Denn schlaf ich,
kann’s im Traume dich erspähn;
Umnachtet hell,
ist’s Hell’ in Nacht geschickt.
Wenn Schatten so
dein Schatten hellen mag,
Welch edle Bildung
gibt dein Schattenbild
Durch deinen
klarern Schein dem klaren Tag,
Da blindes Aug’
ein Glanz vom Schatten füllt!
Wie, mein ich,
mir’s das Aug’ erst selig macht,
Wenn’s am
lebend’gen Tag nun dich erblickt,
Da halber
Schattenreiz bei toter Nacht
Unsehndes Aug’ in
schwerem Schlaf beglückt!
Der Tag scheint
Nacht, erscheinest du mir nicht,
Nacht heller Tag,
bist du mein Traumgesicht.
53.
Aus welchem Stoff,
von welcherlei Natur
Bist du, daß so
viel Tausend Schatten dein?
Sonst jeder hat je
einer einen nur,
Du einer kannst
wohl jedem Schatten leihn.
Beschreib Adonis;
und in kleinem Maß
Ist ärmlich dir
das Abbild nachgemacht.
Gib Zauberreiz den
Wangen Helenas;
du bist gemalt in
einer Griechin Tracht.
Vom Lenze red und
von des Jahres Fülle;
Er zeigt von
deinem reiz ein Schatten sich,
Die andr’
erscheint wie dein mildreicher Wille:
In jedem edeln
Bild erkennt man dich.
Teil hast du an
jedweder äußern Zier:
An Treu’ gleichst
keinem du, und keines dir.
56.
O Lieb’, erneu die
Kräfte! Heiß’ es nicht,
Mehr stumpf sei
dir Schneid’ als Essenslust,
Die, ob sie heut
sich an der Speise bricht,
Sich morgen scharf
wird alter Kraft bewußt.
So, Liebe, sei
auch du: wenn heut du pflegst
Dein hungrig Auge,
bis sich’s schließt vor Sattheit,
Schau morgen
wieder, daß du nicht erschlägst
Der Liebe Geist in
seiner steten Mattheit.
Die leide
Zwischenzeit sei Ozean,
Der trennt den
Strand, wo neuverbundne Zwei
Zum Ufer täglich
gehn, daß, sehn sie dann
Rückkehr der
Lieb’, ihr Schaun beglückter sei.
Ach, Winter heiße
sie, der, sorgenschwer
Macht Sommrs Nahn dreifach
erwünscht und hehr.
66.
Müd’ alles des,
ersehn ich Todesrast:
Zu ehn Verdienst
zum Bettelstab geweiht,
Und dürftig nichts
in heitern Prunk gefaßt,
Und reinste Treu
unselig falsch dem Eid,
Und goldne Ehr’
höchst schändlich mißverschenkt,
Und keusche Tugend
roh erniedriget,
Und edle
Trefflichkeit schmachvoll gekränkt,
Und Kraft von
lahmer Macht bewältiget,
Und Kenntnis durch
Gewalttat stumm gemacht,
Und Dummheit
zwingend hochgelahrt den Sinn,
Und Einfachwahres
als Einfalt verlacht,
Und Güt’ im Band,
Schlechtheit ihr Bannherrin.
Müd’ alles des,
los möcht ich dessen sein;
Nur, stürb’ ich,
mein Geliebter blieb allein.
70.
Daß man dich
tadelt, ist nicht schimpflich dir:
Der Schande Ziel
war immer ja, was schön;
Und eben Argwohn
ist der Schöne Zier,
Ein Rabe, fliegend
in den klarsten Höhn.
Sei gut, und
deinen Wert beweist die Schmach
Nur größer; denn
die Welt begehrt ja dein.
Der Wurmfraß geht
den zärtsten Knospen nach:
Du beust ein Blühn
dar, unbefleckt und rein.
Du gingst vorbei
der Kindheit Hinterhalt,
Sei’s ohne Sturm,
sei’s siegend, griff sie an:
Der Ruhm hat nicht
doch solches Ruhms Gewalt,
Der Neid, so stets
sich breitet, engen kann.
Umhüllte nicht
noch Argwohn deinen Glanz, -
Der Herzen
Königtum, dein wär es ganz.
112.
Mir füllt den
Eindruck Eure Mild’ und Huld,
Den Schimpf der
Welt auf meine Stirn geprägt.
Frag ich, wer mir
Verdienst zusprech’ und Schuld,
Wenn Böses Ihr
begrünt, und Gutes hegt?
Ihr seid mir alle
Welt; ich bin bestrebt,
Daß Euer Mund mir
Lob und Tadel künde,
Da keinem ich und
mir kein andrer lebt,
Der beugt mein
stählern Herz zu Recht und Sünde.
In tiefen Abgrund
werf ich all mein Sorgen
Um andrer Reden,
daß mein Natternohr
Vor Krittlern wie
vor Schmeichlern bleibt geborgen.
Hört, was mich
frei hebt über sie empor:
Ihr seid so fest
mit meinem Sinn vereint,
daß sonst mir alle
Welt wie tot erscheint.
119.
Wie schlürft’ ich
Tränke von Sirenentränen,
Mit Höllengraus
gefülltes Kolbens Laugen;
Mußt’ immer Hoffen
Furcht, Furcht Hoffen wähnen;
Verlor stets, sah
ich schon Gewinn vor Augen!
Welch schnöder
Irrtum hat mein Herz umlauert,
Weil’s dachte, Höhers
würd’ ihm nichts, noch Liebers!
Wie seiner Sphäre
ward mein Aug’ entschauert,
In der Verrückung
tollzerstreunden Fiebers!
O Übel Heil! Nun
hab ich recht geschaut,
Wie Gutes durch
das Böse wird noch besser,
Und Liebe, die
zerstört war, neu erbaut,
Wird schöner, als
zuvor, kraftvoller, größer.
Verstoßen kehr ich
heim zu meiner Lust,
Gewinn am Bösen
dreimal den Verlust.
132.
Dein’ Augen lieb
ich; sie, mitleiderfüllt,
Wohl wissend, daß
dein Herz mich hart verschmähe,
Stehn da in
schwarzem Kleid, und trauern mild,
Und sehn mit
zartem Mitgefühl mein Wehe.
Und wahrlich,
selbst des Himmels Morgenschein
Steht besser nicht
dem Ost zu grauen Wangen;
Der Stern voll
Glanz, der führt den Abend ein,
Gibt dem
bescheidnen West nicht halb das Prangen,
Wie dem Gesicht
zwei traurige Augen stehn.
O zieme des doch
fürder auch dein Herz,
Um mich zu
trauern, macht dich Trauern schön,
Und kleide dich
mitleidig allerwärts.
Dann schwör ich
gern: die Schöne selbst ist schwarz;
was andre Farb’
empfing, grundhäßlich ward’s.
137.
Was, Blindling
Amor, tatst du meinen Augen,
Die immer schaun,
und sehn nicht, was sie sehn,
Die Schöne kennen,
sie zu finden taugen,
Und nennen häßlich
das, was eben schön?
Wenn Augen, von
befangnem Blick umdämmert,
Grund faßten in der
Bucht für jedermann,
Aus Augentrug hast
Klammern du gehämmert,
Und bandest mir
des Herzens Sinn daran?
Was nimmt mein
Herz für abgehegt Gebiet,
Was, wie’s
erkennt, die Welt gemeinsam füllt?
Was muß mein Aug’
ableugnen, was es sieht,
Trägt schöne Tugend
auf ein häßlich bild?
Am Wahren hat mein
Aug’ und Herz geirrt;
Nun sind sie in
dies Lügenleid verwirrt.
140.
Ach sei so klug
als grausam; dränge nicht
durch allzu hart
Verschmähn mein stumm Ertragen.
Sonst leiht der
Schmerz mir Red’, und Rede spricht
Die Art aus der
erbarmungslosen Plagen.
Weit besser wär’s,
belehrte dich mein Rat,
Du liebtest nicht,
doch, Liebchen, sagtest du’s;
Wie eigne Kranke,
wann ihr Sterben naht,
Vom Arzt nur hören
der Genesung Gruß.
Denn müßt’ ich ganz
verzweifeln, würd’ ich toll,
Sagt’ in der
Tollheit manches dir zur Schmach.
Bös ist die Welt
jetzt, von Verdrehung voll;
Toll glaubt ihr
Ohr, was toll Verleumden sprach.
Daß ich nicht
rasend werd und du verkannt,
Wend her dein
Aug’, ist auch dein Herz entwandt.
148.
Weh! was für Augen
gab mir Lieb’ ins Haupt,
Frei aller
Kundschaft mit dem wahren Sehn!
Wie? oder ward mir
mein Verstand geraubt,
Der falsch
beurteilt, was sie recht erspähn?
Ist schön, wofür
im Wahn die Augen brennen,
Warum doch sagt die
Welt: Es kann nicht sein-?
Ist’s aber nicht,
gibt Liebe zu erkennen,
Mehr wahr sei als
der Lieb’ Aug’ aller Nein.
Wie kann’s auch?
Würd’ ein Liebesauge klar,
An dem das Wachen
so und Weinen zehrt?
Drum, irrt mein
Sehn, so ist’s nicht wunderbar;
Die Sonn’ auch
sieht nicht, bis die Luft sich klärt.
Schlau läßt du,
Lieb’, in Tränen mich erblinden,
Weil deine Fehl’
hellsehnde Augen finden.
150.
O welche Macht gab
dir die Machtgewalt,
Daß deine Schwäche
so mein Herz regiert,
Und oft mein wahrhaft
Aug’ ich Lügner schalt,
Und schwur, nicht
sei der Tag mit Licht geziert?
Wo kommt das
Wohlanstehn des Bösen her,
daß selbst im
Auswurf deines Tuns sich zeigt
Der
Trefflichkeiten Vollmacht und Gewähr,
Das Beste mir sich
deinem Schlechtesten neigt?
Wer lehrte dich
die Lieb’ in mir erneun,
Wenn neu ich hör
und sehe Grund zum Haß?
O, lieb ich
gleich, wovor sich andre scheun, -
Mich scheun, wie’s
andre tun, die Härte laß.
Je mehr dein
Unwert Lieb’ erweckt’ in mir,
Je werter ich,
geliebt zu sein von dir.