1564 – 1616 England
In Übersetzungen von:
Karl F. Ludwig Kannegießer
1.
Vom schönen Wesen
wünschen wir Vermehrung,
Auf daß der
Schönheit Rose nimmer sterbe;
Und welkt die
reifre durch der Zeit Verheerung,
Ihr Angedenken
trag’ ein zarter Erbe.
Doch du,
beschränkt auf deiner Augen Feuer,
Nährst deines
Lichtes Strahl mit eignem Schwefel
Und wo ein
Überfluß ist, machst du’s teuer,
Feind deinem süßen
Selbst mit hartem Frevel.
Du, der du jetzt
der Welt zum frischen Ruhme,
Allein Herold des
Frühlings holden Reizen,
Birgst in der
eignen Knospe deine Blume;
Verödest, holder
Karger, durch dein Geizen,
Hab Mitleid mit
der Welt, sonst sei Begierde,
Schling in das
Grab und dich der Schöpfung Zierde.
14.
Wenn ich von
Sternen nicht mein Urteil pflück,
So hab ich doch,
deucht mir, Astronomie.
Zwar künd ich
gutes und nicht gutes Glück
Und Pest und
Hungersnot und Wetter nie.
Auch kann ich für
Minuten nichts erspähn,
Für jeden seinen
Regen, Donner, Wind,
Noch sagen, ob’s
mit Prinzen gut wird gehn,
Durch öftre Kund’,
die ich am Himmel find;
Jedoch kann ich’s
aus deinen Augen reihen,
Und (feste Stern’)
durch sie werd’ ich belehrt,
Daß Wahrheit,
Schönheit wird zusamt gedeihen.
Wenn du, von dir
zu sammeln, dich bekehrt.
Sonst kann ich nur
von dir die Kunde lesen:
Mit dir wird
Wahrheit, Schönheit auch verwesen.
16.
Warum willst du
nicht stärkre Waffen ziehen
Auf diesen
blutigen Tyrannen, Zeit,
Warum nicht dich
befest’gen im Verblühen
Mit schönern
Mitteln als mein Vers sie beut.
Du stehst, wo
Glückesstunden dich umschlingen,
Und vieler
Jungfraun Gärten sind noch leer,
Ihr Wunsch wird
dir lebend’ge Blumen bringen,
Gemalte Bilder
gleichen nicht so sehr.
So sollen
Lebenslinien Leben geben,
Der Zeitengriffel
und mein schwacher Kiel
Kann schirmen
nicht im Menschenaug’ dein Leben
Nicht innern Wert,
nicht äußrer Farben Spiel.
Du gibst dich weg,
und wirst dich doch erhalten,
Durch eigne süße
Kunst dich selbst gestalten.
18.
Soll ich dich
gleichen einem Sommertag?
Doch muß ich dich
ja lieber, holder finden:
Mai’s
Lieblingsblüthen trifft der Stürme Schlag,
Und Sommers
Zeitraum muß zu bald verschwinden.
Zu heiß ist ost
des Himmels-Auges Glühen,
Und oft ist seine
goldne Farb getrübt,
So muß von
Schönheit einst die Schönheit fliehen,
Durch Glückslauf,
durch Naturlauf auch zerstiebt.
Dein ewger Sommer
aber soll nicht matten,
Verlieren nicht
die Schönheit die dir eigen,
Prahlen der Tod,
du gingst in seinem Schatten;
Wann du im ewgen
Lied wirst höher steigen,
So lang die
Menschen Hauch und Licht erfreut,
So lang lebt dies,
das Leben dir verleiht.
96.
Der sagt, dein
Fehl sei Jugend, der Lusttrieb,
Der sagt, dein
Reiz sei Jugend, holder scherz,
Beid’, Reiz und
Fehl sind mehr und wen’gern lieb,
Zum Reiz wird
Fehl, geflohn zu dir hinwärts.
Wie an den Fingern
einer Königin
Der schlechteste
Juwel doch wohlgefäält,
So man den Irrtum,
der an dir erschien,
In Wahrheit
wandelt, für was Wahres hält.
Wie manch Lamm
hätt’ der starke Wolf entführt,
Könnt’ er dem Lamm
gleich seinen Blick gestalten!
Wieviel Anbeter
hättest du verführt,
Wollt’st du mit
allen deinen Kräften walten!
Tu’s nicht: also
soll meine Liebe sein,
Daß da du mein,
dein guter Ruf auch mein.
98.
Von dir war ich
entfernet im Frühling
Als stolz April
all Flittern um sich schlang,
Und Jugendhauch
geweht in jedes Ding,
Daß plump Saturnus
lacht’ und mit ihm sprang.
Doch Vögelweisen
nicht, nicht Blümlein bunt,
An Ruch und Farbe
mannigfalt geschmückt,
Macht’, daß ich
tät’ ein Sommermärchen kund,
Aus stolzem Schoß,
wo sie geborn, sie pflückt’.
Noch tät’ ich
wundern ob der Lilien Bleich,
Noch pries ich
Rosen purpurrot vergüldet,
Sie war’n nur süß,
nur Formen freudenreich,
Nach dir, du
Muster ihnen all’n, gebildet:
Doch schien es
Winter noch, und du noch fern,
Spielt’ ich mit
ihnen, deinem Schatten, gern.
104.
Für mich kannst,
schöner Freund, du nie sein alt!
Wie du, als deinen
Blick ich erst erblickt’,
So scheint dein
Liebreiz noch. Drei Winter kalt
Entrissen Wäldern,
was drei Sommer schmückt’;
Drei schöne Lenz’
in gelben Herbst gewandt,
Sah ich im
Jahreszeitenfortschritt ziehn;
Dreier Mai’n Düft
in drei Junien verbrannt,
Seit ich dich erst
frisch sah, der du noch grün.
Ach, Schönheit
doch gleich Sonnenzeigers Hand,
Entstiehlt sich
der Figur, wie langsam auch,
So deine süße
Farb’, die noch hält stand,
Bewegt sich und
getäuscht mag sein mein Aug’,
Aus Furcht davor
hör dies, du Alter roh,
Eh’ du geborn, des
Sommers Reiz entfloh.