William Shakespeare

1564 – 1616           England

 

In Übersetzungen von:

Karl F. Ludwig Kannegießer

 

 

 

1.

 

Vom schönen Wesen wünschen wir Vermehrung,

Auf daß der Schönheit Rose nimmer sterbe;

Und welkt die reifre durch der Zeit Verheerung,

Ihr Angedenken trag’ ein zarter Erbe.

 

Doch du, beschränkt auf deiner Augen Feuer,

Nährst deines Lichtes Strahl mit eignem Schwefel

Und wo ein Überfluß ist, machst du’s teuer,

Feind deinem süßen Selbst mit hartem Frevel.

 

Du, der du jetzt der Welt zum frischen Ruhme,

Allein Herold des Frühlings holden Reizen,

Birgst in der eignen Knospe deine Blume;

Verödest, holder Karger, durch dein Geizen,

 

Hab Mitleid mit der Welt, sonst sei Begierde,

Schling in das Grab und dich der Schöpfung Zierde.

 

 

14.

 

Wenn ich von Sternen nicht mein Urteil pflück,

So hab ich doch, deucht mir, Astronomie.

Zwar künd ich gutes und nicht gutes Glück

Und Pest und Hungersnot und Wetter nie.

 

Auch kann ich für Minuten nichts erspähn,

Für jeden seinen Regen, Donner, Wind,

Noch sagen, ob’s mit Prinzen gut wird gehn,

Durch öftre Kund’, die ich am Himmel find;

 

Jedoch kann ich’s aus deinen Augen reihen,

Und (feste Stern’) durch sie werd’ ich belehrt,

Daß Wahrheit, Schönheit wird zusamt gedeihen.

Wenn du, von dir zu sammeln, dich bekehrt.

 

Sonst kann ich nur von dir die Kunde lesen:

Mit dir wird Wahrheit, Schönheit auch verwesen.

 

 

16.

 

Warum willst du nicht stärkre Waffen ziehen

Auf diesen blutigen Tyrannen, Zeit,

Warum nicht dich befest’gen im Verblühen

Mit schönern Mitteln als mein Vers sie beut.

 

Du stehst, wo Glückesstunden dich umschlingen,

Und vieler Jungfraun Gärten sind noch leer,

Ihr Wunsch wird dir lebend’ge Blumen bringen,

Gemalte Bilder gleichen nicht so sehr.

 

So sollen Lebenslinien Leben geben,

Der Zeitengriffel und mein schwacher Kiel

Kann schirmen nicht im Menschenaug’ dein Leben

Nicht innern Wert, nicht äußrer Farben Spiel.

 

Du gibst dich weg, und wirst dich doch erhalten,

Durch eigne süße Kunst dich selbst gestalten.

 

 

18.

 

Soll ich dich gleichen einem Sommertag?

Doch muß ich dich ja lieber, holder finden:

Mai’s Lieblingsblüthen trifft der Stürme Schlag,

Und Sommers Zeitraum muß zu bald verschwinden.

 

Zu heiß ist ost des Himmels-Auges Glühen,

Und oft ist seine goldne Farb getrübt,

So muß von Schönheit einst die Schönheit fliehen,

Durch Glückslauf, durch Naturlauf auch zerstiebt.

 

Dein ewger Sommer aber soll nicht matten,

Verlieren nicht die Schönheit die dir eigen,

Prahlen der Tod, du gingst in seinem Schatten;

 

Wann du im ewgen Lied wirst höher steigen,

So lang die Menschen Hauch und Licht erfreut,

So lang lebt dies, das Leben dir verleiht.

 

 

96.

 

Der sagt, dein Fehl sei Jugend, der Lusttrieb,

Der sagt, dein Reiz sei Jugend, holder scherz,

Beid’, Reiz und Fehl sind mehr und wen’gern lieb,

Zum Reiz wird Fehl, geflohn zu dir hinwärts.

 

Wie an den Fingern einer Königin

Der schlechteste Juwel doch wohlgefäält,

So man den Irrtum, der an dir erschien,

In Wahrheit wandelt, für was Wahres hält.

 

Wie manch Lamm hätt’ der starke Wolf entführt,

Könnt’ er dem Lamm gleich seinen Blick gestalten!

Wieviel Anbeter hättest du verführt,

Wollt’st du mit allen deinen Kräften walten!

 

Tu’s nicht: also soll meine Liebe sein,

Daß da du mein, dein guter Ruf auch mein.

 

 

98.

 

Von dir war ich entfernet im Frühling

Als stolz April all Flittern um sich schlang,

Und Jugendhauch geweht in jedes Ding,

Daß plump Saturnus lacht’ und mit ihm sprang.

 

Doch Vögelweisen nicht, nicht Blümlein bunt,

An Ruch und Farbe mannigfalt geschmückt,

Macht’, daß ich tät’ ein Sommermärchen kund,

Aus stolzem Schoß, wo sie geborn, sie pflückt’.

 

Noch tät’ ich wundern ob der Lilien Bleich,

Noch pries ich Rosen purpurrot vergüldet,

Sie war’n nur süß, nur Formen freudenreich,

Nach dir, du Muster ihnen all’n, gebildet:

 

Doch schien es Winter noch, und du noch fern,

Spielt’ ich mit ihnen, deinem Schatten, gern.

 

 

104.

 

Für mich kannst, schöner Freund, du nie sein alt!

Wie du, als deinen Blick ich erst erblickt’,

So scheint dein Liebreiz noch. Drei Winter kalt

Entrissen Wäldern, was drei Sommer schmückt’;

 

Drei schöne Lenz’ in gelben Herbst gewandt,

Sah ich im Jahreszeitenfortschritt ziehn;

Dreier Mai’n Düft in drei Junien verbrannt,

Seit ich dich erst frisch sah, der du noch grün.

 

Ach, Schönheit doch gleich Sonnenzeigers Hand,

Entstiehlt sich der Figur, wie langsam auch,

So deine süße Farb’, die noch hält stand,

Bewegt sich und getäuscht mag sein mein Aug’,

 

Aus Furcht davor hör dies, du Alter roh,

Eh’ du geborn, des Sommers Reiz entfloh.