Vincenzo Monti

1754 – 1825

 

In Übersetzungen von:

Paul Heyse

 

 

 

Auf den Tod des Judas

 

     I.  

 

Das Blutgeld warf er hin, erklomm in Hast

Den Baum und ließ sich in die Schlinge fallen,

Er, der den Herrn verrieth. Mit Fäusteballen

Schwankt der erwürgte Leib am starren Ast.

 

Es röchelte, vom harten Strang umfaßt,

der Athem noch – ein dumpf und grimmig Lallen;

Jesus verwünscht’ er und die Schuld vor allen,

Die in die Hölle liefert solchen Gast.

 

Jetzt macht der Geist sich heulend auf die Flucht.

Gerechtigkeit ergreift ihn, taucht den Finger

Ins Blut am Kreuz, hoch ob der Bergesschlucht,

 

Schreibt dann das Urtheil an die Stirn dem Jünger,

Das ihn zu ew’ger Thränen Qualen verflucht,

Und schleudert ihn hinab zum Höllenzwinger.

 

 

     II.

 

Hinab fuhr seine Seele zu den Auen

Des Acheron. Die Erde, die ihn trug,

Erbebt mit Berg und Thal, und Windeszug

Spielt mit dem schwarzen Leichnam hoch im Blauen.

 

Die Engel, die sich stumm beim Abendthauen

Von Golgatha getrennt in stillem Flug,

Sahn ihn von fern, und um die Augen schlug

Ein jeder seine Fittige vor Grauen.

 

Dämonen ziehn indeß den Leib hernieder

Und laden Nächtens auf die flammenrothen

Schultern die Bürde der verruchten Glieder.

 

Dann heulend, schnatternd stürmen fort die Boten

Des Styx und bringen seinen Körper wieder

Dem irrenden Gespenst im Thal der Todten.

 

 

     III.

 

Als nun das leere, leichte Seelenwesen

Neu angethan die Last von Fleisch und Bein,

Stand auf der braunen Stirn mit blut’gem Schein

Das Urtheil der Verdammniß klar lesen.

 

Das Volk ringsum, zur ew’gen Qual erlesen,

Schrickt jäh zusammen, flieht ins Schilf hinein

Längs dem Cocytus, oder taucht sich ein

Tief in die Flut, die niemals rein gewesen.

 

Er selber floh vor sich, da er’s empfand,

Und zähneknirschend, wild von Scham getrieben,

Will er die Schrift forttragen mit der Hand.

 

Doch nur noch heller ist sie stehn geblieben,

Denn Gottes Finger hat sie eingebrannt,

Und nie vergeht ein Wort, das Gott geschrieben.

 

 

     IV.

 

Ein dröhnendes Getöse ward vernommen,

Das selbst an Satan’s Ohr betäubend schallt:

Der Heiland war’s, mit himmlischer Gewalt

Zu Trutz dem Höllenreich herabgekommen.

 

Am Wege stand, scheelblickend, angstbeklommen,

Der ihn verrieth, reglos die Schmachgestalt.

Und jetzt, wie Lavaglut dem Berg entwallt,

Sind Thränen seinem hohlen Aug’ entschwommen.

 

Es blitzt auf den beschimpften Leib hernieder

Aetherisch Licht; und sieh! als ob sie bade

Ein Höllenthau, so rauschen ihm die Glieder.

 

Da theilt mit Schwertesschärfe sonder Gnade

Gerechtigkeit den Rauch; - der Herr kehrt wieder

Die Augen ab und wandelt seine Pfade.