1265 – 1336
C. Hape
97 – 108
„Am Strand des Meers, wo seine
Ruhe findet
Der Po, wenn auch es scheint
er sey verloren,
Indem er samt den Seinen drinn’
verschwindet, -
Da liegt die Stadt, in der Ich
ward geboren.
Amor, der rasch um Herzen
Bande windet,
Band diesen Edlen, als ihm
auserkoren,
An meine Schönheit, die noch
jetzt ihn bindet,
Ach wie zerstört! weil er bei
ihr geschworen.
Amor, der ernst die Liebe Dem
geboten,
Der sich geliebt sieht, hat
ihn mir gegeben:
Du siehst, wie selbst mein
Schatten ihn erhellet.
Amor hält festvereinigt auch
die Todten:
Der aber, der uns raubte jenes
Leben,
Der wird, dort unten, Cain
zugesellet.“
109 – 120
Ich stand, was ich vernommen überdenkend.
Vor Augen noch das Grausen der
Gesichter,
Obwohl gebeugt den Blick zur
Erde senkend,
Als zu mir sprach: „Was
sinnest du? – der Dichter.
„O Jammer! rief ich, welcher
Freudenlichter,
Welch süßen Sehnens Macht, zum
Himmel lenkend,
Hat abwärts hingeführt zum
strengen Richter
Dies schöne Paar, der Kindheit
Unschuld kränkend!“
Und dann, gefaßt, die Augen
aufzuheben:
„Dein Leid ist groß,
Franziska! deine Wunde
Unheilbar, siehe mich gleich
dir erblassen!
Doch möcht’ ich wissen, wie es
zugelassen
Amor, daß Ihr zur süßen
Seufzer-Stunde
Den ungewissen Wünschen Raum
gegeben!“
121 - 138
Ich schwieg. Sie sprach: „Es
giebt kein größ’res Leiden,
Als einst empfundne Seligkeit
vermissen;
Doch willst du unsrer Liebe
Wurzel wissen,
So sag’ ichs weinend dir und
wie im Scheiden.
Es lassen einsam still
vergnügt wir Beiden,
Im Sonnenschein ohn’ Arg auf
Ruhekissen,
Wie Amor Lanzilot hingerissen:
Der Blicke wechsel ließ sich
nicht vermeiden;
Doch war’s von allen Zeilen
nur die eine
Von dem „erküßten Lächeln“,
die, gelesen,
In Flammen setzte unser ganzes
Wesen.
Mit seinen Lippen küßt’ er,
zitternd, meine;
Ein Kuppler war das Buch, und
der’s geschrieben;
Bei jener Zeile sind wir stehn
geblieben.“