1265 – 1336
J. Grosse
15.
Ehrfurchtsvoll muß sich der
Jüngling beugen,
Den das Mädchen meines Herzens
grüßt!
Sie, die sittsam, sanft,
bescheiden ist,
Macht die kühnste Zunge
schweigen.
Schwebt sie hochgepriesen in
dem Reigen,
Wie dann Demuth ihr im Antlitz
blüht!
Und, auf wessen Mund ihr Kuß
entglüht,
Scheint zum Himmel selbst
emporzusteigen.
Oft, ach! oft sieht mir die
Engelreine
In das trunkne Auge
schwermuthsvoll;
O, wer’s nie gefühlt, begreift
es nicht!
ihrer Lipp’ entschwebt ein
Hauch und spricht,
Unaussprechlich süßer Anmuth
voll –
Spricht zur Seele sanft und
schmeichelnd: Weine!