1304 – 1374 Italien
25.tes Sonett
Je mehr dem Tag ich nahe, der
beschieden
Zum letzten Ziele ward der
irdschen Plagen,
Je rascher, flüchtger scheint
die Zeit zu jagen,
Je eitler was von ihr ich
hofft’ hienieden.
Ich sage meinem Sinn: Bald
ists entschieden;
Nicht viel mehr werden wir von
Liebe sagen.
Die Erdenlast, so hart und
schwer zu tragen,
Zergeht wie frischer Schnee;
dann gibt es Frieden.
Denn auch mit ihr wird jene
Hoffnung weichen,
Die zu so langem Wahn verführt
die Seele,
Und Lachen, Weinen, Furcht und
Zorn des Lebens.
Dann sehn wir klar, wie man so
oft sich quäle,
Um unheilsame Dinge zu
erreichen,
Und wie so oft man seufze ganz
vergebens.
Die süßen Hügel, wo ich mich
gelassen,
Entfliehend, dem ich immer
kann entfliehen,
Ziehn vor mir her: die Liebe
mir verliehen,
Die teure Bürde kann ich
nimmer lassen.
Oft kann ich selbst mich nicht
verstehn noch fassen;
Denn ob ich flieh, umsonst ist
mein Bemühen,
Ich kann mich nicht dem
schönen Joch entziehen
Und komm ihm näher, statt es
zu verlassen.
Und wie ein Hirsch, durchbohrt
vom gift’gen Pfeile,
Obwohl der Stahl ihm an dem
Herzen nage,
Flieht und je mehr sich quält,
je mehr er eile:
So mit dem Pfeil, den ich im
Busen trage,
Der mich verzehrt und mich
ergötzt zum Teile,
Ermatt ich mich durch Flucht,
vergeh in Plage.
Einsam, gedankenvoll, die
öd’sten Lande
Geh’ ich durchmessend, langsam
und verdrossen,
Und wend’ umher den Blick, zur
Flucht entschlossen,
Wo Menschenspur sich
eingedrückt dem Sande.
Sonst find’ ich keine Wehr zum
Widerstande,
Bei’m scharfen Spähn
zudringlicher Genossen;
Weil Gang und Blick, der
Fröhlichkeit verschlossen,
Von außen zeugt von meinem
innern Brande.
So daß ich glaub’, es haben schon
vernommen
Berg, Wald, Gefild und Fluß,
von welcher Weise
Mein Leben sey, das Andern ich
verhehle.
Doch weiß ich nicht auf einen
Pfad zu kommen,
So rauh und wild, das Amor
nicht sich weise,
Und er nicht mir, und ich
nicht ihm erzähle.
Geht, heiße Seufzer, um das
Eis zu dehnen,
das, feind der Milde, hält ihr
Herz umzogen;
und dringt ein sterblich Flehn
zum Himmelsbogen,
sei Tod, sei Lohn das Ende
meiner Tränen.
Geht, schmeichelnde Gedanken,
malt dies Sehnen,
das innen sich dem schönen Blick
entzogen;
bleibt doch ihr Stolz, mein
Stern mir ungewogen,
so ist vorbei mein Hoffen und
mein Wähnen.
Wohl könnt ihr sagen, wenn
auch nicht genüglich,
daß unser Zustand dunkel ist,
beklommen,
so wie der ihre friedsam und
vergnüglich:
Geht sicher jetzt, mit euch
wird Amor kommen;
und sind nicht meiner Sonne
Zeichen trüglich,
so kann des Unglücks Milderung
mir frommen.
Gestirn’ und Element’ und
Himmel gaben
sich jede Müh im Wettkampf, um
zu bauen
ein lebend Licht, in welchem
sich beschauen
Sonn und Natur, die sonst
nichts Gleiches haben.
So neu, so reizend ist es, so
erhaben,
daß ird’sche Blicke sich zu
ihm nicht trauen;
so scheinet Amor mild und Huld
zu tauen
aus ihrem Aug in unermeßnen
Gaben.
Die Luft, berührt von diesem
holden Schimmer,
wird so entflammt von
Ehrfurcht und durchdrungen,
daß ich’s nicht sagen kann und
denken nimmer.
Da fühlt man nicht der Sinne
Forderungen,
nur die der Ehr und Tugend;
wann nun immer
hat höchste Schönheit niedre
Gier bezwungen?
In welchem Himmel, welchen
Idealen,
Hat die Natur das Urbild
ausgehoben
Des holden Angesichts, das
uns, was droben
Sie leisten kann, hienieden
sollte malen?
Hatt’ eine Nymph’ im Hain, in
Quellenthalen,
Die Locken so aus feinem Gold
gewoben?
Wies je ein Herz so aller
Tugend Proben?
Schafft gleich das Ganze mir
des Todes Qualen.
Der kennet nie der Schönheit
höchste Preise,
Dem ihrer Augen Anblick muß
gebrechen,
Wenn sie so lieblich sie
bewegt im Kreise.
Nicht kennt, wie Amor heilen
kann und stechen,
Wer nimmer kennt der Seufzer
holde Weise,
Das holde Lächeln und das
holde Sprechen.
Nunmehr, da Himmel, Erd und
Winde schweigen,
Gefieder, Wild, des Schlummers
Bande tragen,
die Nacht im Kreise führt den
Sternenwagen,
des Meeres Wellen sich zur
Ruhe neigen:
Nun wach’ ich, sinne, glüh’
und wein’, alleigen
dem, der mich stets verfolgt
mit süßen Plagen.
Krieg ist mein Zustand, Zorn
und Mißbehagen;
nur, denk’ ich sie, will
Friede mir sich zeigen.
So strömt, was mich ernärt,
das Süß und Herbe
aus eines einz’gen Quells
lebend’gem Strahle;
dieselbe Hand gibt Heilung mir
und Wunden.
Und daß mein Leiden nie ein
Ziel erwerbe,
sterb’ und ersteh’ ich täglich
tausend Male;
so weit entfernt noch bin ich,
zu gesunden.
Wär’ ich aus jener Grotte
nicht entronnen,
wo einst Apoll geworden zum Propheten,
so fehlt’ es auch Florenz
nicht an Poeten,
gleich Mantuas und Veronas
edlen Sonnen.
Doch da mein Land durch jenen
Felsenbronnen
nicht mehr sich feuchtet:
Andern Leitplaneten
muß ich nun folgen, und von
dürren Stätten
wird Dorn und Klette mühsam
nur gewonnen.
Der Ölbaum ist verdorrt, zu
fremdem Pfade
die Flut, die vom Parnaß
entspringt, gewendet,
die eine Zeitlang Blüten ihm
gespendet.
So wird durch Schicksal oder
Schuld entwendet
mir alle Furcht; es sei denn,
daß die Gnade
des ew’gen Jovis sich auf mich
entlade.
Durch unwirtbarer, rauher
Wälder Dichte,
der kaum bewaffnet Volk sich
mag vertrauen,
geh’ ich getrost; denn nichts
erregt mir Grauen
als jene Sonn, entflammt von
Amors Lichte;
und sing’ im Gehn – o törichte
Gedichte! –
sie, die kein Gott mir wehren
kann zu schauen.
Sie seh’ ich stets und glaube
Mädchen, Frauen
bei ihr zu sehn, und es ist
Buch’ und Fichte.
Zu hören wähn’ ich sie, wann
in den Zweigen
die Lüfte seufzen, Laub und
Vögel klagen,
die Bäche murmelnd grünes Gras
befeuchten.
Nie schuf ein einsam Graun,
ein tiefes Schweigen
des Schattenhaines mir ein
solch Behagen;
zu sehr nur birgt sich meiner
Sonne Leuchten.
Einst, an Achills glorreichen
Grabeshallen,
rief Alexander aus in tiefem
Staunen:
O Vielbeglückter, dem das
laute Schallen
erklang so prachtvoll tönender
Posaunen!
Doch diese Taube, rein und
weiß vor allen,
die alle Welt als einzig muß
bestaunen,
läßt mein Gesang nur dürftig
wiederhallen;
so werfen unser Los des
Schicksals Launen.
Denn sie, Homers und Orpheus’
wertzuachten,
und jenes Hirten, den noch
Mantua ehret,
daß singend sie in die Eine
nur erhüben,
hat des Geschicks nur hier
unbill’ges Trachten
dem anvertraut, der göttlich
sie verehret,
doch ihren Ruhm wohl mag durch
Worte trüben.
Du wilder Strom, der aus der
Alpenquelle
hervor sich wühlt, woher dein
Nam entsprossen,
und Tag und Nacht eilt mit
mir, unverdrossen,
wohin mich Liebe führt, dich
eigne Schnelle:
Geh du voraus; nicht Schlaf
hemmt deine Welle,
Ermattung nicht. Doch, eh du
dich ergossen
ins Meer, verweile, wo die
Auen sprossen
von frischerm Grün, bestrahlt
von schönrer Helle.
Dort siehst du die lebend’ge
Sonne prangen,
wovon dein linkes Ufer glänzt
so prächtig;
vielleicht (o Hoffnung) harrt
mein ihr Verlangen.
Küß ihr den Fuß, die Hand, so
weiß und schmächtig,
und sprich: Der Kuß sei statt
des Worts empfangen;
der Geist ist willig, doch das
Fleisch ohnmächtig.
Die süßen Höhn, wo ich mich
selbst gelassen,
entfliehend, dem ich nimmer
kann entfliehen,
ziehn vor mir her; die Amor
mir verliehen,
die teure Bürde kann ich
nimmer lassen.
Oft kann ich selbst mich nicht
verstehn noch fassen;
denn ob ich flieh’, ist’s
nimmer mir gediehen,
dem schönen Joch den Nacken zu
entziehen,
und näher komm’ ich, statt es zu
verlassen.
Und wie der Hirsch, durchbohrt
vom gift’gen Pfeile,
obwohl der Stahl ihm an der
Seite nage,
flieht, und je mehr sich
quält, je mehr er eile:
So mit dem Pfeil, den ich im
Herzen trage,
der mich verzehrt und mich
ergötzt zum Teile,
ermatt’ ich fliehend und
vergeh’ in Plage.
Bei edlem Blut ein Leben,
still umschattet,
ein reines Herz bei hohen
Geistesproben,
des Alters Frucht von
Jugendblüt umwoben,
und ernsten Blick mit frohem
Sinn gegattet,
hat dieser Holden ihr Planet
gestattet,
vielmehr der Sterne Fürst, und
sie erhoben
zu solcher Ehr und Würde, die
zu loben
auch wohl der göttlichste Poet
ermattet.
Lieb ist in ihr mit
Züchtigkeit im Bunde,
mit feiner Sitte Reiz, ihr
angeboren,
und sprechende Gebärd auch mit
em Schweigen;
dazu im Aug ein Etwas, das zur
Stunde
die Nacht erhellen kann, den
Tag umfloren,
den Honig, herb und süß, den
Wermut zeigen.
Die Nachtigall, die wohl so
holde Klagen
Um ihren Gatten seufzt, um
ihre Söhne,
Füllt Himmel und Gefilde mit
Behagen,
Durch ihre zärtlichen und
sinn’gen Töne.
Es ist, als ob mein Schicksal
mir zu sagen,
Die ganze Nacht sie, mich
begleitend, stöhne.
Denn ich nur muß die Schuld
des Wahnes tragen,
Daß eine Göttin nicht dem Tode
fröhne.
O wie so leicht betrügt man
das Vertrauen!
Zwei Augen, dacht ich, heller
als die Sterne,
Verhüllen nie die erd in
dunkles Grauen.
Nun kann ich wohl mein grimmig
Los durchschauen;
Es will, daß lebend ich und
weinend lerne
Auf nichts, was und hienieden
freut, zu bauen.