William Shakespeare

1564 – 1616           England

 

In Übersetzungen von:

Olga von Gerstfeld & Ernst Steinmann

 

 

 

66.

 

Müd’ von dem allen, wünsch’ ich mir den Tod!

Seh ich die Niedertracht so hoch geboren

Und das Verdienst in bettelhafter Not

Und Treu und Glauben rettungslos verschworen.

 

Seh’ ich die Ehre, wo die Schande waltet,

Der Keuschheit Zier dem Laster dargebracht,

Seh’ ich, wie Recht und Sitte schnell veraltet,

Wie Üppigkeit Entsagung überwacht.

 

Ja, selbst die wahrheit muß der Täuschung weichen,

Die Torheit löscht der weisheit helles Licht,

Die Herzensreinheit sol der Einfalt gleichen.

Das Gute schweigt, damit das Böse spricht:

 

Müd’ von dem Allen würd’ ich gern erblassen

Müßt’ ich nicht sterbend meinen Freund verlassen.