William Shakespeare

 

 

in Übertragungen von

Stefan George

 

 

 

I

 

Von schönsten Wesen wünscht man einen Spross

Dass dadurch nie der Schönheit Rose sterbe:

Und wenn die reifere mit der Zeit verschoss

Ihr Angedenken trag ein zarter Erbe.

 

Doch der sein eignes helles Auge freit

Du nährst dein Licht mit eignen Wesens Loh,

Machst aus dem Überfluss die Teure-Zeit,

Dir feind und für dein süsses Selbst zu roh.

 

Du für die Welt jezt eine frische Zier

Und erst der Herold vor des Frühlings Reiz:

In eigner Knospe gräbst ein Grab du dir

Und, zarter Neider, schleuderst weg im Geiz.

 

Gönn dich der Welt!  Nicht wie ein Schlemmer tu:

Esst nicht der Welt Behör, das Grab und du!

 

 

 

II

 

Belagern vierzig Winter deine Braun,

Ziehn Gräben tief in deiner Schönheit Flur:

Ist deiner Jugend Putz, heut ein Gestaun,

Dann eine wertlos rissige Hülle nur.

 

Fragt wer nach deiner Schönheiten Geschick

Und allen Schätzen deiner rüstigen Zeit:

Dann zeigen eignen eingesunknen Blick

Wär Scham die Frisst und Lob das missgedeiht.

 

Mehr Lob erwürbe deiner Schönheit Huld,

Könntst du erwidern:  "Dies mein schönes Kind

Zahlt meine Rechnung, löst des Alters Schuld."

Da seine Reize dein durch Erbrecht sind.

 

Dies wär ein neues Wirken wenn du alt,

Du sähest warm dein Blut, fühlt es sich kalt.

 

 

 

III

 

Dein Antlitz dem im Spiegel du begegnest

Verlangt dass du ein neues bald gestaltest,

Die Welt nicht täuschst und deine Mutter segnest.

Nun ist es Zeit dass du Ersatz erhaltest.

 

Wo ist die Schöne deren bracher Schoss

Vor deines Anbaus Furchenzug erschrickt?

Wess törige Eigenliebe ist so gross

Dass er - ein Grab - die Nachkommen erstickt?

 

Du bist der Mutter Spiegel und er stellt

Ihr lieblichen April der Jugend dar.

So wird durch Alters Fenster einst erhellt

Dir trotz der Runzeln dies dein golden Jahr.

 

Doch lebst du zum Vergessenwerden hier:

Stirb einzeln und dein Bild erstirbt mit dir.

 

 

 

IV

 

Was zehrst, verschwenderische Lieblichkeit,

Du für dich selber deiner Schönheit Pfand?

Natur macht nicht Geschenke sondern leiht

Und sie die frank ist leiht der freien Hand.

 

Weshalb du, schöner Geizhals, nur missbrauchst

Die Fülle, dir gegeben dass du gebest!

Weshalb du, ungelohnter Wuchrer, brauchst

So grosser Summen Summe, doch nicht lebest!

 

Da du Verkehr hast mit dir selber nur

Und selbst dich um dein süsses Selbst betrügst,

Was stellt, ruft dich von hinnen die Natur,

Als Rechnungsschluss sich dar dem du genügst?

 

Die Schönheit, ungenüzt, geht mit zu Grab,

Genüzt wird sie Vollstrecker deiner Hab.

 

 

 

V

 

Die Stunden die mit holdem Werk umziehn

Liebliche Schau drauf jedes Auge ruht

Entzieren was am zierlichsten gediehn

Und treffen ganz das gleiche Ding mit Wut.

 

Den Sommer treibt die Zeit die nimmer steht

Greulichem Winter zu und tilgt ihn dort:

Saft dürr im Frost und üppig Laub verweht!

Schönheit vereist!  Kahlheit an jedem Ort!

 

Doch bliebe flüssig nicht in Glases Haft

Als Geist zurück des Sommers Filterung,

So wär mit Schönheit auch der Schönheit Kraft

Geraubt - es schwände selbst Erinnerung.

 

Doch Geist der Blumen, ob auch Winter grüsse,

Entbehrt nur Form:  Es lebt die innre Süsse.

 

 

 

VI

 

Sei nicht durch Winters knorrige Hand verdorrt

Dein Lenz eh deinen Duft ein Filter fasst!

Mach eine Phiole süss!  Schmück einen Ort

Mit Schmuck der Schönheit eh sie in sich blasst!

 

Der Nutz ist nicht verpönt als wucherlich

Der den beglückt der zahlt für williges Lehn.

Erzeuge für dich selbst ein andres Ich -

Und zehnmal mehr Glück, sinds statt einem zehn!

 

Du wärst zehnmal beglückter als du bist

Wenn zehn von dir dich zehnmal dargestellt.

Was nimmt der Tod wenn deine Zeit um ist

Da er dich lebend lässt für spätre Welt?

 

Sei nicht selbstwillig; du bist viel zu hold

Für Todesbeute und der Würmer Sold.

 

 

 

VII

 

Schau in den Osten wie das gnädige Licht

Sein brennend Haupt erhebt:  Jed Auge späht

In Ehrfurcht zu der neu erschienenen Sicht,

Dient mit dem Blick der heiligen Majestät.

 

Und wenn es Himmels steilen Berg erklomm,

Der Jugend gleich in ihrer Mittelkraft,

So sehn die Menschen seine Schönheit fromm

Und warten seiner goldnen Pilgerschaft.

 

Doch rollt von höchster Höh mit müdem Rad

Wie schwaches Alter es vom Tage fort,

Wenden wir uns von seinem niedren Pfad,

Wir, vorher dienstbar, schaun zu andrem Ort.

 

So stirbst du, wenn dein Mittag dir entflohn,

Unangesehen - zeugst du keinen Sohn.

 

 

 

VIII

 

Musik dem Ohr, was hörst du Musik traurig?

Süss kämpft mit Süss nicht, Lust ist froh mit Lust.

Warum du liebst was du empfängst als schaurig

Und gern empfängst woran du leiden musst!

 

Schlägt wohlgestimmter Töne treue Einheit,

Verknüpft zum Bunde, quälend an dein Ohr:

Sie schelten sanft dich der du in Alleinheit

Sie störst weil deine Stimme fehlt im Chor.

 

Merk wie sich eine Saite süss verbinde

Der andern, auf sie treff im Wechselgang,

Beglückten Eltern gleichend mit dem Kinde,

Versammelt all zu einem holden Klang.

 

Wortloser Sang, aus vielen, scheint nur einer.

Er singt dir zu:  "Einzeln wirkst du als keiner."

 

 

 

IX

 

Ist es die Angst um einer Witwe Not

Wenn einzeln du verzehrest deinen Leib?

Ach dich wird, wenn du ohne Nachwuchs tot,

Die Welt beweinen wie ein ehlos Weib.

 

Die Welt ist deine Witwe und sie weint

Dass nach dir keine Form mehr auf dich weist,

Wenn jeder einzlen Witwe auch erscheint

Durch Kinder-Aug des Gatten Form im Geist.

 

Sieh welche Summ ein Taugnichts auch verschwende -

Sie tauscht den Platz nur:  Stets der Welt gehört sie.

Doch hat der Schönheit Nutzung hier ein Ende:

Der Braucher der sie falsch gebraucht zerstört sie.

 

Dess Brust nicht Liebe für die andern nährt

Der mit sich selbst so mörderisch verfährt.

 

 

 

X

 

Der Schande!  Leugn es:  Liebe gibst du keinem,

Du für dich selber aller Sorge bar.

Gesteh das du geliebt bist von manch einem.

Doch dass du niemand lieb hast ist ganz klar.

 

Du bist dir selbst so mörderisch verhasst

Dass du dich selbst anstiftest ohne Graun:

Zerstören willst den herrlichen Palast,

Wo deine Pflicht es wär an ihm zu baun.

 

Tausch deinen Sinn, so tausch ich meinen Mut.

Soll schöner wohnen Hass als edle Lieb?

Sei so wie deine Nähe, hold und gut,

 

Und gütig mindestens dir selber gib!

Mach dir ein andres Selbst aus Lieb zu mir

Dass Schönheit lebt im Deinen oder dir.

 

 

 

XI

 

So schnell als du verwelkst so schnell gedeihst

Im Deinen du durch das was du entsendest.

Das frische Blut dann was du jung verleihst

Heisst dein wenn du dich von der Jugend wendest.

 

Darin liegt Wissen Schönheit Fruchtbarkeit

Daraussen Torheit Alter kaltes Ende . . .

Wenn all so dächten wäre Schluss der Zeit,

Nur ein Schock Jahre bis die Welt verende.

 

Wen nicht Natur bestellt zur Schaffnerei,

Hart, formlos, roh - dass der unfruchtbar sterbe!

Sieh!  Wem sie viel gab schenkt sie noch dabei,

Bewahre gütig du ihr gütiges Erbe.

 

Sie dich als Siegel schneidend sprach damit:

"Brauch es zum Druck, zerstöre nicht den Schnitt!"

 

 

 

XII

 

Zähl ich im Glockenschlag den Schritt der Zeit,

Seh ich in grausige Nacht den heitren Tag

Versenkt, und Veilchen wenn der Frühling weit,

Und silbrig weiss wo dunkle Locke lag . . .

 

Seh ich den stolzen Baum dess Blätter starben,

Der Herden jüngst vor Sonnenglut bewahrt,

Des Sommers ganzes Grün gehäuft in Garben

Hinausgeführt in weissem struppigem Bart:

 

Dann denk ich wie's mit deiner Schönheit ist,

Dass sie im Trümmerwerk der Zeit vergeht,

Da Süss- und Schönes selber sich vergisst

 

Und stirbt so schnell als andres vor ihm steht.

Vor Zeit mit ihrer Sense ist kein Schutz

Als Same - ihr wenn sie dich holt zum Trutz.

 

 

 

XIII

 

O wärest du dir selbst!  Doch lieb du bist

So lange nur dir selber als hier lebend.

Du musst dich rüsten zum Verlauf der Frist,

Dein süsses Äussre einem andren gebend.

 

So würde Schönheit die du hältst als Lehn

Niemals verfallen und du wärst nicht minder

Du selbst nach deinem Tode wenn entstehn

In deinen süssen Formen süsse Kinder.

 

So schönes Haus - wer lässt es dem Verfall,

Wo Ordnung gäbe ehrenvollen Halt

Wider der Wintertage stürmischen Prall

 

Und dürre Wut und Todes ewiges Kalt?

O nur Verschwender . . .  Teurer, weisst du nicht:

Dir war ein Vater?  Dass dein Sohn so spricht!

 

 

 

XIV

 

Nicht von den Sternen nahm ich Wissenschaft,

Besitz ich auch - so scheint mir - Deutekunst.

Nur red ich nicht von Glücks und Unheils Kraft

Von Pest von Teurung oder Jahres Gunst,

 

Noch kann ich wahrsagen für kurze Frist

Ob Donner droht ob Regen oder Winde,

Noch Fürsten künden wie die Zukunft ist

Durch häufigen Spruch den ich im Himmel finde.

 

Von deinen Augen kommt mir Wissenheit.

Dort, ständige Sterne, les ich solchen Satz:

Dass Treu und Schönheit im Verein gedeiht,

 

Besinnst du dich und mehrst den Vorratschatz.

Tu dies da ich sonst prophezeien muss:

Dein Tod ist treu und Schönheits Fall und Schluss.

 

 

 

XV

 

Denk ich wie alle Dinge die dastehn

Vollkommen dies nur eine kurze Stund tun

Und dieser riesige Schauplatz nur lässt sehn

Was Sterne im geheimen Einfluss kundtun,

 

Merk ich dass wie ein Baum der Mensch ansteigt,

Erquickt, erstickt von ganz derselben Luft,

In Jugendsaft sich  rühmt, sich abwärts neigt,

Sein rüstig Dasein hinbringt für die Gruft:

 

In Bildern solcher Unbeständigkeit

Schwebst du dann vor mir ganz in Jugendpracht

Und der Verfall hält Rat mit wüster Zeit,

Zieht deinen Jugendtag in garstige Nacht.

 

Ich, mit der Zeit im Kampfe dir zu Lieb,

Geb dir wenn sie dir wegnimmt neuen Trieb.

 

 

 

XVI

 

Was zahlst du nicht mit mächtigerem Schlage

Der Zeit, dem blutigen Tyrannen, heim?

Was stärkst du dich nicht für die Niederlage

Heilsamer als durch meinen dürren Reim?

 

Du blickst herab von seliger Stunden Hang:

Und manch jungfräulich unbebaut Gefild

Trüge dein lebend Grün mit keuschem Drang

Das mehr dir gleicht als dein gemaltes Bild.

 

Dem Leben bringe Lebens Zug Gewinn

Das Schrift der Zeit nicht noch mein Schülerstift -

Um zu erhalten dich im Menschensinn –

An innrem Wert und äussrer Schöne trifft.

 

Gibst du dich weg, erhältst du dich zurück:

Leb durch dein eignes süsses Meisterstück.

 

 

 

XVII

 

Wer glaubt mir später, auch wenn du erschienst

In meinem Vers mit deiner reichsten Gabe?

Er zeigt - weiss Himmel - kaum dein halb Verdienst

Und hüllt dein Leben wie in einem Grabe.

 

Hätt ich dem Reize deines Augs genügt,

Mäss ich in neuem Maass all deine Schöne,

So spräche künftige Zeit:  "Der Dichter lügt.

Kein Erdgesicht birgt solche Himmelstöne."

 

Wer dann die altersgelben Blätter las

Lacht - wie auf Greise minder wahr als lang,

Nennt dein gut Recht ein dichterlich Geras,

Gedehnten Ton von einem alten Sang.

 

Doch lebt dann noch von deinem Stamm ein Glied,

So lebst du zwier:  in ihm und meinem Lied.

 

 

 

XVIII

 

Soll ich vergleichen einem Sommertage

Dich der du lieblicher und milder bist?

Des Maien teure Knospen drehn im Schlage

Des Sturms und allzukurz ist Sommers Frist.

 

Des Himmels Aug scheint manchmal bis zum Brennen,

Trägt goldne Farbe die sich oft verliert,

Jed Schön will sich vom Schönen manchmal trennen

Durch Zufall oder Wechsels Lauf entziert.

 

Doch soll dein ewiger Sommer nie ermatten:

Dein Schönes sei vor dem Verlust gefeit.

Nie prahle Tod, du gingst in seinem Schatten . . .

In ewigen Reimen ragst du in die Zeit.

 

Solang als Menschen atmen, Augen sehn

Wird dies und du der darin lebt bestehn.

 

 

 

XIX

 

Verschlingerin Zeit, stumpf ab des Löwen Klau,

Heiss Erde schlingen eigne süsse Brut!

Den spitzen Zahn aus Tigers Rachen hau,

Langlebigen Phönix brenn in seinem Blut!

 

Frohe und trübe Zeiten lass zurück,

Behandle wie du willst, schnellflüssige Zeit,

Die weite Welt und all ihr welkend Glück!

Nur ein ganz furchtbar Unding lass beiseit:

 

O schneid nicht in des Liebsten schöne Braun,

Zieh keinen Strich mit deinem alten Stift,

Auf deinem Gang lass unbefleckt ihn schaun

Den Künftigen als der Schönheit Meisterschrift!

 

Bring, alte Zeit, die schwerste Schädigung!

In meinem Lied bleibt meine Liebe jung.

 

 

 

XX

 

Ein Frauenantlitz das Natur selbsthändig

Gemalt - hast du, Herr-Herrin meiner Minne,

Ein zartes Frauenherz, doch das nicht ständig

Den Wechsel sucht nach falscher Frauen Sinne.

 

Ein Aug so hell wie ihrs doch nicht so hehlend,

Jed Ding vergoldend worauf es sich wendet,

Ein Mann in Form, den Formen all befehlend,

Der Mannes Aug und Weibes Seele blendet.

 

Du warst als Frau gedacht als erst dich schaffte

Natur, doch sie verliebte sich beim Werke,

Indem durch Zutat sie dich mir entraffte

Tat sie ein Ding bei - nicht für meine Zwecke.

 

Doch da sie dich erlas zu Weibes Labe,

Sei mein dein Lieben, ihnen Liebes-Gabe.

 

 

 

XXI

 

So ist das meine nicht wie jenes Lied

Das angemalte Schönheit treibt zum Klang,

Das gar zur Zier den Himmel herbeschied

Und jedes Schön als eignes Schön besang.

 

Mit stolzem Gleichnis macht es kein Geschling,

Mit Sonn und Mond, Kleinod aus Flut und Grund,

Mir erstem Maiflor, jedem seltnen Ding

Womit der Himmel säumt sein mächtig Rund.

 

Wahr wie mein Lieben sei mein Schreiben wahr.

Und glaubt dann:  Meine Liebe ist so schön

Wie jeder Mutter Kind, nur nicht so klar

Wie jene Goldkerzen auf Himmelshöhn.

 

Rede wer Redereien liebt sein Teil!

Ich rühme nicht dass mir ein Ding nicht feil.

 

 

 

XXII

 

Nicht glaub ich meinem Spiegel, ich sei alt

Solang ihr, du und Jugend, euch noch gleicht.

Doch seh ich:  Zeit reisst in dich ihren Spalt,

So weiss ich dass mein Tag sein End erreicht.

 

Denn all die Schönheit hingestreut auf dir

Deckt als ein schicklich Kleid mein Herz nur zu:

Das lebt in deiner Brust wie deins in mir:

Wie könnt ich also älter sein als du?

 

O Liebe, drum nimm auf dich selbst Bedacht

Wie ich der es für dich - für sich nicht - tut.

Ich trag dein Herz und nehm es so in acht

Wie zarte Amme hält ihr Kind in hut.

 

Beanspruch nicht dein Herz, geht meins zu Grabe:

Du gabst mir deins auf Nimmerwiedergabe.

 

 

 

XXIII

 

So wie ein unvollkommner Spieler tut

Der seine Rolle in der Angst vergass

Und wie ein wild Geschöpf mit zuviel Wut

Das selbst sich schwächt durch Stärke-Übermass:

 

So entfiel mir weil ich mir nicht vertrau

Des Liebe-Gottesdienstes richtiger Gang.

Durch eigne Wucht scheint meine Liebe flau,

Bedrückt durch eigner Stärke Überschwang.

 

O sei mein Buch drum meine Redekunst

Und stummer Künder meiner Brust die fragt!

Es fleht um Liebe und schaut aus nach Gunst

Mehr als der Mund der mehr schon mehr gesagt.

 

O lern verstehn was stille Liebe schrieb!

Mit Augen hören - das kann kluge Lieb.

 

 

 

XXIV

 

Mein Auge ward zum Maler und es fasst

Auf meines Herzens Grund dein Konterfei.

Mein Körper ist der Rahmen drin es passt:

Als Täuschung ist es beste Malerei.

 

Denn um dein wahres Bild zu finden musst

Du durch den Maler sehn ders hergestellt.

Stets hängt es in der Werkstatt meiner Brust:

Ihr Fenster ist dein Aug das sie erhellt.

 

Sieh:  Aug und Aug wie dienen die sich fein!

Mein Aug schuf deine Form, deins ist für mich

Das Fenster meiner Brust wo Sonnenschein

Froh durchschaut, denn er schaut darin auf dich.

 

Jedoch ein Kunstgriff bleibt dem Auge fern:

Es malt nur was es sieht, kennt nicht den Kern.

 

 

 

XXV

 

Lass die begünstigt sind von ihrem Stern

Von äussrer Ehre prahlen, Rang und Pracht:

Ich, durchs Geschick von solcher Glorie fern,

Geniesse still was meine Ehre macht.

 

Der Fürsten Günstlinge tun schön sich auf

Wie vor dem Sonnenblick die Ringelblum . . .

Doch oft nimmt ihre Hoffart jähen Lauf:

Ein Stirnerunzeln und es stirbt ihr Ruhm.

 

Der mühevolle Krieger kampfbegabt

Wenn er nach tausend Siegen Schmach erlitt

Ist aus dem Buch der Ehre weggeschabt,

Vergessen ist was vormals er erstritt.

 

Welch Glück für mich:  Ich lieb und bin geliebt

Wo ich nicht schiebe und mich keiner schiebt.

 

 

 

XXVI

 

Herr meiner Liebe der in Lehenspflicht

Hält meine Schuld geknüpft an seine Gunst!

Dir send ich diesen schriftlichen Bericht,

Nur Zeichen meiner Schuld nicht meiner Kunst.

 

So grosse Schuld die eine Kunst so klein

Bar scheinen lässt - denn redend bleibt sie stecken -

Doch hoff ich, eine gute Meinung dein

In deiner Seele wird die Nackte decken.

 

Bis jener Stern der mich zum Gang getrieben

Mit günstigem Stande gnädig auf mich lacht,

Gewänder legt um mein armselig Lieben,

Mich würdig zeigt für deine süsse Acht:

 

Dann wag ich mich zu rühmen erst "Dich lieb ich"

Bis dahin wär es gut, verborgen blieb ich.

 

 

 

XXVII

 

Wenn müd der Müh ich auf mein Lager eile,

Die teure Ruh für Glieder reise-matt,

Dann erst beginnt in meinem Kopf die Meile,

Gibt Werk dem Geist, hat es der Körper satt.

 

Denn dann will mein Gedanke aus den Weiten

Zu dir in frommem Pilgertume gehn,

Hält weit die Lider auf die niedergleiten

Und schaut ins Dunkel das die Blinden sehn.

 

Doch das erträumte Sehen meiner Seele

Beut deinen Schatten dar sichtloser Schau

Gleich dem im Fenster hängenden Juwele,

Macht schön die Nacht die vorher alt und grau.

 

Sieh wie bei Tag den Leib, bei Nacht den Geist

Nie unser beider Schuld zur Ruhe weist.

 

 

 

XXVIII

 

Wie kehr ich je zurück in heitren Stand

Wenn mir der Ruhe Wohltat wird entrückt?

Wenn Tages Druck bei Nacht nicht Lindrung fand

Und Nacht bei Tag und Tag bei Nacht bedrückt?

 

Sieht jedes auch als Feind des andren Heer,

Sie reichen sich die Hand, zur Folter mir:

Diese durch Mühe, jener durch Beschwer

Dass ich mich mühe - stets mehr weg von dir.

 

Ich sag dem Tag:  Hell seist du ihm zur Pracht

Und zierst ihn wenn Gewölk das Blau verdunkelt . . .

So schmeichl ich auch der schwärzlich schauenden Nacht:

Du färbest golden wenn kein Sternlicht funkelt . . .

 

Doch Tag mehrt Tages meine Sorgen immer

Und Nacht macht nachts des Grames Härte schlimmer.

 

 

 

XXIX

 

Wenn ich verbannt von Glück und Menschenblick

Bewein allein mein Ausgestossnen-Los,

Mich selber sehend fluche dem Geschick,

Zum tauben Himmel schreie aussichtslos:

 

Möcht ich wie einer sein mit Freunden viel,

Wie er geformt, wie er von Hoffnung voll

Und wünsche eines Kunst, des andren Ziel -

Dess mindest froh was meist mich freuen soll.

 

In solchem Sinnen fast mich selbst verachtend

Fällst du mir plötzlich ein:  Ich steig empor

Und, wie die Lerche mit dem Frührot trachtend

Aus trüber Erd, lobsing am Himmelstor.

 

Dein, süsse Liebe, denken bringt solch Glück . . .

Nun weis ich tausch mit Königen zurück.

 

 

 

XXX

 

Wenn ich zu süssen stillen Sinnens Tag

Aufruf' Erinnrung der Vergangenheit,

Beseufze manch ein Ding woran mir lag

Und altes Weh neu weint um Schwund der Zeit:

 

Dann fliesst mein Aug dem seltne Träne kam

Um teure Freunde fern in Todesnacht,

Rinnt um der lang getilgten Liebe Gram,

Klagt um den Ausfall viel verblichner Pracht.

 

Dann schmerzen mich die Schmerzen längst ertragen

Und schwer von Weh zu Wehe zähl ich her

Die trübe Liste schon beklagter Klagen

Und zahle sie wie nicht bezahlt vorher.

 

Doch denk ich, teurer Freund, an dich dieweil,

Sind Sorgen ferne und Verluste heil.

 

 

 

XXXI

 

Dein Busen ist mit allen Herzen reich

Die ich gestorben meinte beim Verlust -

Der Lieb und jeden Liebesdings Bereich

Und aller Freunde dich ich tot gewusst.

 

Wie hat viel heilige trauerhafte Zähren

Fromm-teure Lieb in meinem Aug erweckt

Als Recht der Toten - und nun scheint, die wären

Etwas Entrücktes nur, in dir versteckt!

 

Du bist die Gruft wo Liebe lebt im Grab,

Vom Denk-Schmuck meiner fernen Lieben voll,

Sie gaben all ihr Teil von mir dir ab,

Nun ist ganz dein was vielen eignen soll.

 

Jed Bild das ich geliebt seh ich in dir

Und du - sie all - hast all das All von mir.

 

 

 

XXXII

 

Wenn du vom günstigen Tag an weiterlebst

Wo Rüpel Tot Staub streut auf mein Gebein -

Zufällig mit dem Blicke nochmals schwebst

Auf deines toten Minners plumpen Reihn:

 

Vergleich sie mit der Zeit Verbesserung,

Bewahr sie, überholt durch jede Schrift,

Um meine Liebe, nicht um ihren Schwung

Dess Höhe manch Beglückter übertrifft.

 

Sprich huldvoll dann mit liebendem Bedacht:

"Wär mit der Zeit Gedeihn gediehn sein Sang,

Hätt edler Werk des Freundes Lieb erbracht

Um dazustehn in stattlicherem Rang.

 

Doch da er starb und Dichter besser schrieben

Les ich sie um den Stil, ihn um sein Lieben."

 

 

 

XXXIII

 

Manch prächtigen Morgen sah ich überglühn

Die Bergeshöhn mit königlicher Gunst . . .

Sein goldnes Antlitz küsst der Wiesen Grün,

Vergüldet bleichen Strom mit Götterkunst.

 

Dann liess er niederstes Gewölk beziehn

Mit garstigem Dampfe seinen Himmelsblick,

Verhüllt aus der verlassnen Welt zu fliehn

Unsichtbar westwärts mit dem Missgeschick.

 

So sah ich früh einst meiner Sonne Schein

Mit dem Allsieger-Glanz auf meiner Brau,

Doch ach, nur eine Stunde war sie mein:

Höh-Wolken bergen mir nun ihre Schau.

 

Doch, Liebe, für dies Blassen nimmer hasse

Sonnen der Welt wenn Himmels Sonne blasse!

 

 

 

XXXIV

 

Warum versprachst du solchen schönen Tag

Dass ich mich ohne Mantel aufgemacht?

Mich holten niedre Wolken ein - da lag

Verhüllt in fauligem Dunste deine Pracht.

 

's ist nicht genug dass du durch Wolken siehst,

Und trocken wischst mein sturmgepeitscht Gesicht . . .

Denn keiner solche Salbe lobt:  Sie schliesst

Die Wunde aber heilt den Unfall nicht,

 

Noch zieht mein Schmerz Arznei aus deiner Scham . . .

Bereust du auch, ist der Verlust doch mein.

Nur schwache Lindrung gibt des Kränkers Gram

Dem der erträgt der schweren Kränkung Pein.

 

Doch Tränen die du weinst sind Perlen - ach!

Und sie sind reich und sühnen jede Schmach.

 

 

 

XXXV

 

Nicht länger sei dir leid was du getan -

Rose hat Dornen, Schlamm der Silberbronn,

Der ekle Wurm frisst süsste Knospen an,

Wolk und Verfinstrung fleckt auf Mond und Sonn.

 

Wir irren all und ich bin darin irr

Dass ich mit Gleichnis dein Vergehn erhebe,

Mich selbst bestechend löse dein Gewirr

Und deiner Schuld mehr wie sie gilt vergebe.

 

Für deine Sinnenfehler find ich Sinn -

Dein eigner Widerpart spricht für Erlass -

Ich der vorm Recht mein eigner Kläger bin . . .

Solch innren Krieg führt in mir Lieb und Hass

 

Dass er zum Helfershelfer mich befiehlt

Dem süssen Dieb der bitter mich bestiehlt.

 

 

 

XXXVI

 

Wir müssen sein wie zwei, lass mich gestehn,

Ist unsre Liebe auch unteilbar-ein.

Du darfst die Flecken nicht die mit mir gehn

Mittragen wollen, sondern ich allein.

 

In unsrem Lieben ist nur ein Bedacht,

Ist auch im Leben trennender Verdruss.

Wohl schwächt er nicht der Liebe volle Macht,

Doch stiehlt ihr süsse Stunden vom Genuss.

 

Nicht heiss es mehr ich sei vertraut mit dir,

Sonst bringt dir mein beklagter Fehler Scham,

Noch zeig du offner Güte Ehre mir,

Dass nicht von seiner Ehre lässt dein Nam.

 

Doch tu dies nicht!  Derart ist unser Bund:

Mein, da du mein bist, ist auch dein Leumund.

 

 

 

XXXVII

 

So sieht ein greiser Vater freudenvoll

Wenn frisch sein Kind das Werk der Jugend schafft . . .

So gibt mir, lahm durch Schicksals tiefsten Groll,

All meinen Trost dein Wert und deine Kraft.

 

Ob Adel Schönheit Reichtum oder Witz

Ob eins davon in dir ob alle ganz

Berechtigt seien zum gekrönten Sitz:

Ich pflanze meine Lieb auf deinen Glanz.

 

So bin ich nicht verschmäht noch arm noch matt

Wenn dieser Schatten solches Mark verleiht.

Ich fühle mich in deiner Fülle satt

Und teile alle deine Herrlichkeit.

 

Sieh was das Beste ist wünsch ich für dich.

Mein Wunsch ward mein:  Drum zehnmal glücklich ich!

 

 

 

XXXVIII

 

Fällt meiner Muse die Erfindung schwer

Solang du hauchst?  Du strömst in mein Gedicht

Den eignen süssen Inhalt, allzuhehr

Als dass er aus gemeinem Blatte spricht.

 

O dank dir selbst wenn etwas du in mir

Der Durchsicht würdig dir vors Auge stellst:

Wo bliebe einer stumpf, schreibt er von dir,

Da selbst du mit Erfindung ihn erhellst.

 

Du zehnte Muse, zehnmal mehr an Wert

Als die von Reimern angeflehten Neun!

Die zu dir rufen denen sei'n beschert

Gesänge die sich ewigen Daseins freun!

 

Gefällt mein schlichtes Lied der spähenden Zeit,

Sei mir die Müh und dir der Ruhm bereit!

 

 

 

XXXIX

 

Wie mag ich deinen Wert mit Anstand singen?

Bist du doch nur der bessere Teil von mir!

Was kann mein eignes Lob mir selber bringen?

Mein Lob ist nur, red ich zum Lobe dir.

 

Aus diesem Grund lass uns geschieden leben.

Nicht heisse unsre Liebe eins hinfür:

So kann ich dir durch diese Trennung geben

Was dein Verdienst ist, dir allein gebühr.

 

O was für eine Qual das Fernsein bliebe,

Gäb nicht dein bittrer Urlaub süssen Fug

Zu sinnen in der Zwischenzeit von Liebe,

Was Zeit und Sinn hinhält mit süssem Trug,

 

Und lernt ich nicht wie Zwei aus Eins entsteht,

Wenn ich hier preise den der fern dort geht.

 

 

 

XL

 

Nimm meine Lieben, Lieb, ja nimm sie alle!

Hast du nicht alles, gab ichs nicht schon eh'r?

Kein Lieben, Lieb, das dir als echt gefalle -

Mein Alles war schon dein vor diesem "mehr".

 

Wenn mir zu liebe du mein Lieb empfängst

So tadl' ich nicht wenn du mein Lieb bedarfst.

Doch sei getadelt wenn du nur dich hängst

In trotziger Lust an das was du verwarfst.

 

Vergeben sei der Raub dir holdem Diebe,

Stiehlst du auch weg all mein geringes Gut.

Und doch - weiss Liebe! - grössern Schmerz bringt Liebe

Durch Unbill als der Hass durch offne Wut.

 

Wollüstige Anmut!  Dir steht Schlechtes fein.

Quäl mich zu Tod!  Nur Feind darfst du nicht sein.

 

 

 

XLI

 

Die hübschen Sünden die der Leichtsinn tut

Wenn manchmal ich von deinem Herzen fern:

Sie stehn der Schönheit deiner Jahre gut,

Denn wo du bist folgt die Versuchung gern.

 

Liebreich bist du:  Und deshalb zu gewinnen,

Schön bist du:  Deshalb wird um dich gekriegt,

Und welches Weibes Sohn wenn Weiber minnen

Verliesse mürrisch sie eh sie gesiegt.

 

Weh mir!  Doch meiden könntest du mein Haus

Und deine Schönheit schmähn und junge Lust

Die dorthin dich entführt in Saus und Braus

Wo zwiefach du die Treue brechen musst:

 

Ihre, weil deine Schönheit lockt zu dir -

Deine, weil deine Schönheit falsch zu mir.

 

 

 

XLII

 

Dass du sie hast ist nicht mein ganzer Gram

Und doch wird recht gesagt:  Sie liebt ich herzlich.

Dass sie dich hat ist was als Schlimmstes kam,

Mehr trifft mich der Verlust an Liebe schmerzlich.

 

Die ihr mit Liebe kränkt, seid so entschuldet:

Du liebst:  Denn du weisst sie von mir geliebt.

Auch sie betrügt mich meinethalb und duldet

Dass meinethalb mein Freund sich ihr ergibt.

 

Verlier ich dich, gewinnt mein Lieb dabei,

Von mir verloren fand mein Freund sie - beide

Finden einander, ich verliere zwei

Und beide tun mir meinthalb dies zu leide.

 

Doch dies ist gut:  Ich und mein Freund sind Ein -

Süss Schmeichelwort:  So liebt sie mich allein.

 

 

 

XLIII

 

Mein Auge sieht am besten, schliesst es sich,

Da es sich tags an nichtige Dinge wendet.

Doch, schlaf ich, blickt in Träumen es auf dich,

Ist nächtig-hell, hell in die Nacht gesendet.

 

Denn du, dess Schatten hell durch Schatten bricht,

Wie machte deines Schattens Form erst froh

Den klaren Tag durch dein viel klarer Licht,

Glänzt schon geschlossnem Aug dein Schatten so!

 

Wie, sag ich, wär des Auges Glück erst gross

Wenn es dich sähe im lebendigen Tag,

Da schon in toter Nacht dein Schatten bloss

Durch schweren Schlaf vor blinden Augen lag.

 

Tag ist wie Nacht zu sehn eh ich dich sah,

Nacht heller Tag, bringt dich der Traum mir nah.

 

 

 

XLIV

 

Wär meines Fleisches dumpfer Stoff der Sinn

So triebe Ferne mich nicht kränkend fort.

Dann zöge ich dem Raum zum Trotze hin

Von weit entlegner Mark an deinen Ort.

 

Dann wärs das gleiche wenn mein Fuss auch stand

Auf fernster Erde weggeführt allein:

Der flinke Sinn springt über Meer und Land

Schnell wie den Platz er denkt wo er will sein.

 

Ach Sinnen tötet mich dass nicht als Sinn

Ich wenn du fern bist laufe lange Meile,

Dass ich der viel aus Erd und Wasser bin

Muss seufzend warten auf die Gunst der Weile.

 

Da mir solch träge Stoffe nichts verleihn

Als Tränen schwer - Zeichen von beider Pein.

 

 

 

XLV

 

Die andren: leichte Luft und läuternd Feuer

Umgeben beide dich wo ich auch bin,

Nah-ferne gleitend mit geschwindem Steuer . . .

Jenes ist meine Sehnsucht, dies mein Sinn.

 

Wenn diese schnellern Stoffe sich befrein

Zu zartem Liebesboten-Dienst, so bückt

Mein Leben, das aus vier besteht, mit zwein

Sich hin zum Tod von Traurigkeit erdrückt.

 

Dem Leben kommt erst neuer Halt wenn nahn

Die raschen Sendlinge zurück von dir . . .

Sie kehren eben wieder und sie sahn

Gesund und schön dich und berichtens mir.

 

Dies bringt mir Freude:  Doch nur kurz entzückt

Send ich sie wieder weg und bin bedrückt.

 

 

 

XLVI

 

Mein Herz und Auge kämpfen darob wild

An wen die Beute deines Anblicks fällt:

Mein Auge will mein Herz von deinem Bild

Wegdrängen und mein Herz am Vorrecht hält.

 

Mein Herz führt dies an:  In ihm sei dein Platz,

Nie vom kristallnen Aug durchbohrter Schrein.

Jedoch der Gegner leugnet diesen Satz

Und sagt, in ihm nur sei dein holder Schein.

 

Die Frage zu entscheiden übernimmt

Gerichtshof von Gedanken, alle Knechte

Des Herzens, und ihr Wahrspruch hat bestimmt

Des klaren Augs, des teuren Herzens Rechte,

 

Wie folgt:  Dass meinem Aug dein Äussres bliebe,

Dem Herzen deines Herzens innre Liebe.

 

 

 

XLVII

 

Ein Bündnis zwischen Herz und Aug fand statt,

Wo eins dem andern gute Hilfe schickt.

Ist Aug nach einem Blicke hungermatt,

Ist Herz von liebendem Geschluchz erstickt:

 

Mit meiner Liebe Bild mein Aug dann prasst

Und lädt mein Herz zu dem gemalten Schmaus.

Dann wieder ruft mein Herz mein Aug als Gast,

Teilt ihm von seinem Liebes-Sinnen aus.

 

So durch dein Bildnis oder meine Liebe

Bist du auch ferne gegenwärtig mir.

Dir ist kein Ort wohin mein Sinn nicht triebe

Und ich bin stets bei ihm und er bei dir.

 

Und, schläft er, weckt dein Bild in meiner Brust

Das Herz zu Herzens und zu Auges Lust.

 

 

 

XLVIII

 

Wie achtsam war ich, ging ich aus dem Haus!

Jed kleines Ding verriegelte ich gut,

Schloss es zu meinem Nutz vom Nutzen aus

Unehrlicher Hände, in der treue Hut.

 

Doch du der Tand aus meinen Schätzen macht,

Heut grösster Gram, du Trost vor allem lieb,

Bestes vom Teuren, meine einzige Acht,

Du wardst als Beute jedem schnöden Dieb!

 

Dich schloss ich nicht in andre Truhe ein

Als wo du nicht bist - fühl ich auch du bist -

Drinnen in meines Busens edlem Schrein . . .

Du kommst und gehst wie dir gefällig ist.

 

Doch stiehlt man dich auch dort - mir bangt, es weise

Sich Treue selbst als Dieb bei solchem Preise.

 

 

 

XLIX

 

Für jene Zeit - wär ich ihr nie gedenk! -

Wann du auf meine Fehler zürnend siehst,

Du hinwarfst deinen Liebe lezt Geschenk,

Auf klugen Ratschlag deine Rechnung ziehst:

 

Für jene Zeit wo du dich fremd entfernst,

Kaum diese Sonne mich - dein Auge - grüsst,

Wenn Ursach findend zu gemessnem Ernst

Die Liebe frühere Dinge eingebüsst:

 

Für jene Zeit umschirme ich mich hier

In meines eignen Wertes Wissenheit

Und heb die Hand auf, selber feindlich mir,

Dem guten Recht zum Schutz auf deiner Seit.

 

Verlass mich nur, da das Gesetz dich schüzt

Und mich kein Grund dass du mich liebest stüzt!

 

 

 

L

 

Wie schwer wandr ich auf meinem Wege fort

Und meiner trüben Reise Ziel nur scheu'nd . . .

Denn seine Rast und Labung lehrt dies Wort:

"Wie weit die Meilen messen bis zum Freund!"

 

Mich trägt mein Tier das müd von meinem Wehe

Dumpf weiter trabt - es trägt die Last in mir -

Als ob des armen innrer Trieb verstehe:

Sein Reiter liebt nicht Eile, fern von dir.

 

Die blutigen Sporen reizen es nicht mehr

Die manchmal in die Haut ihm stösst mein Zorn

Und mit Gestöhn erwidert es mir schwer

Das für mich schärfer ist als ihm mein Sporn.

 

Denn dies Gestöhn ruft meinen Geist zurück:

Mein Gram liegt vorn und hinten liegt mein Glück.

 

 

LI

 

Entschuldige Liebe für langsamen Trutz

Den dumpfen Träger, brech ich von dir auf!

Sollt ich enteilen wo du bist?  Nicht nutz

Ist bis ich wiederkehr ein schleuniger Lauf.

 

Was dann mein armes Tier entschuldigend sagt

Wenn Äusserstes der Schnelle mir dünkt Rast?

Ich gäb die Sporen selbst vom Wind gejagt

Und Stillstand fänd ich in beschwingter Hast.

 

Dann hält kein Pferd mit meiner Sehnsucht schritt

Und Sehnsucht soll - die vollster Lieb entspross -

Wiehern, kein dumpfes Fleisch, in glühendem Ritt.

Aus Lieb entschuldige Liebe dann mein Ross:

 

"Einst, von dir gehend, ging es trotzig-lang.

Hin zu dir lauf ich, lass ihm seinen Gang."

 

 

LII

 

Dem Reichen gleich ich dem sein liebes Schloss

Aufspringt zum süss verborgenen Besitze

Dess Anblick er nicht jederzeit genoss

Dass nicht verstumpft der seltnen Freude Spitze.

 

Feste sind drum so einzig und so hehr

Weil dünn-gesezt sie langes Jahr durchschneiden

Wie edle Steine, seltner Wiederkehr,

Und wie die Hauptjuwelen an Geschmeiden.

 

So hält die Zeit dich mir wie eine Lade

Und wie das Fach vom Feierkleid gefüllt:

Besondre Stunde bringt besondre Gnade

Wenn sie den eingefangnen Prunk enthüllt.

 

Gesegnet bist du:  Dessen Wert, wenn offen

Zum Jubel anlässt, wenn verdeckt, zum Hoffen.

 

 

 

LIII

 

Was war der Stoff der dich gebildet hatte,

Dass tausend fremde Schatten dich umreihn?

Ist jedem Dinge, jedem, nur ein Schatte:

Kannst du, der Eine, tausend Schatten leihn?

 

Beschreib Adonis, und die Schilderei

Ist eine schwache Nachahmung von dir . . .

Helenens Stirn leg alle Reize bei,

Und du bist neu gemalt in griechischer Zier.

 

Von Frühling sprich, von Früchtezeit im Jahr -

Eins lässt den Schatten deiner Schönheit sehn,

Das andre macht uns deine Güte klar:

Aus jeder teuren Form willst du erstehn . . .

 

Kein äussrer Reiz der nicht an dir erfreue!

Doch gleichst du keinem, keiner dir, an Treue.

 

 

 

LIV

 

O wieviel mehr die Schönheit schön erscheint

Durch jenen süssen Schmuck den Wert ihr webt!

Hold sieht die Rose aus, doch holder meint

Man jenen süssen Duft der in ihr lebt.

 

Wildblüten haben gleiche tiefe Glut

Am gleichen Dorn wie riechend farbige Rosen

Und, wenn des Sommers Atem offen tut

Die Knospenlarven, gleiches üppiges Kosen.

 

Doch ihre Tugend liegt nur im Gesicht,

Sie leben ohne Lieb und Ehr, am Strauch

Absterbend . . .  Süsse Rosen tun das nicht:

Aus ihrem süssen Tod strömt süsster Hauch.

 

So träufle, lieblicher und schöner Knabe,

Wenn alles welkt dein wert aus meiner Gabe.

 

 

 

LV

 

Nicht Marmor lebt und nicht vergoldet Mal

Solang als diese mächtigen Melodien,

Nicht scheint so hell als dieser Reihen Zahl

Der schmutzige Stein von ekler Zeit bespien.

 

Wenn grimmiger Krieg die Säulen überrennt

Und Streit das Werk stürzt das der Maurer schuf:

Nicht Schwert des Mars, nicht Kriegesfeuer brennt

Deines Gedächtnisses lebendigen Ruf.

 

Durch Tod und allvergessenen Verdruss

Gehst du hindurch . . .  Dein Preis bleibt noch bestellt

Im Auge aller Künftigen die die Welt

Aufbrauchen bis zu dem verhängten Schluss.

 

So lebst du, bis du aufstehst beim Gericht,

Hierin und in der Liebenden Gesicht.

 

 

 

LVI

 

Erneue, süsse Liebe, deine Kraft

Dass diese Glut nicht stumpfer heissen darf

Als Hunger der durch Speise heut erschlafft,

Am nächsten Tag mit frischer Stärke scharf.

 

So, Liebe, tu!  Machst du auch heute voll

Dein hungrig Auge bis es schwimmt vor Sattheit:

Schau morgen wieder hin, nicht sterben soll

Der Geist der Liebe durch beständige Mattheit.

 

Die trübe Zwischenzeit sei wie das Meer

Das Küsten trennt wo neuverbundnes Paar

Täglich am Strand sich trifft:  Die Wiederkehr

Der Liebe stellt den Anblick schöner dar.

 

Auch denke dir den Winter grambeschwert

Der Sommers Gruss mehr wünschbar macht, mehr wert.

 

 

 

LVII

 

Ich bin dein Sklave der nur auf die Stunden

Und Zeiten deiner Lust zu harren weiss.

Nie bin ich an kostbare Zeit gebunden

Noch einen Dienst wenn nicht auf dein Geheiss.

 

Nicht schelt ich auf die endlos lange Frist

Wenn ich, Gebieter, deinthalb schau zur Uhr

Noch denk ich wie die Ferne bitter ist

Wenn dann dein Knecht auf deinen Wink entfuhr.

 

Nicht wagt mein eifersüchtiger Sinn die Frag

Wo du nun bist, an welch Geschäft du eilst . . .

Ich harre, ein betrübter Sklav, und sag

Mir bloss wie du beglückst wo du grad weilst.

 

Solch treuer Narr ist Liebe:  Ihr ist recht

Was du auch wünschest, niemals denkt sie schlecht.

 

 

 

LVIII

 

Verhüte Gott der mich euch schuf zum Knecht

Dass ich im Sinn Zeit eurer Lust bewachte

Noch mir von euch auf Stunden nähm ein Recht:

Ich eur Vasall der eure Musse achte!

 

O lasst mich eure Freiheit - meine Haft -

Erdulden, eurem Winke nur mich weihend.

Geduld, gezähmt zum Leiden, habe Kraft

Für alle Stösse, nie der Kränkung zeihend.

 

Tut was ihr mögt!  Eur Freibrief geht so weit

Dass ihr könnt spenden eurer Stunden Huld

Für was ihr wollt, ihr dem das Recht verleiht

Selbst zu vergeben selbsterworbne Schuld.

 

So wart ich, ist auch Warten Höllenglut.

Nie tadl ich eure Lust, ob bös ob gut.

 

 

 

LIX

 

Wenn nichts neu ist, schon alles vorher war -

Wie unsre Hirne dann betrogen sind!

Sie mühn sich um Erfindung . . .  Nicht gewahr

Gehn sie mit zweiter Last von früherem Kind.

 

O liess Erinnerung mich, rückgewandt

Mehr als fünfhundertmal der Sonne Gang,

Dein Bildnis sehn in einem alten Band

Seitdem zuerst der Geist aus Zeichen Drang!

 

So säh ich was die Welt der Alten sprach

Von deines Wunders aufgestelltem Bau -

Sind wir verbessert?  Stehn wir jenen nach?

Gleichen die Umwandlungen sich genau?

 

O ich weiss wohl:  Die Kunst der früheren Zeit

Hat schlechterm Gegenstand ihr Lob geweiht.

 

 

 

LX

 

Wie Wogen drängen nach dem steinigen Strand

Ziehn unsre Stunden eilig an ihr End

Und jede tauscht mit der die vorher stand

Mühsamen Zugs nach vorwärts nötigend.

 

Geburt, einstmals in einer Flut von Licht,

Kriecht bis zur Reife . . .  Kaum damit geschmückt,

Droht schiefe Finstrung die den Glanz durchbricht

Und Zeit die gab hat ihr Geschenk entrückt.

 

Zeit sticht ins Grün der Jugend ihre Spur

Und höhlt die Linie in der Schönheit Braue,

Frisst von den Kostbarkeiten der Natur . . .

Nichts ist worein nicht ihre Sense haue.

 

Doch hält mein Vers für künftig Alter stand,

Preist deinen Wert trotz ihrer grimmen Hand.

 

 

 

LXI

 

Ist dein Befehl, dein Bildnis halte offen

Mein schweres Augenlid in trüber Nacht?

Und wünschest du, mein Schlummer sei durchbrochen

Da mich ein Schatten der dir gleicht verlacht?

 

Ist es dein Geist der ausgesandt von dir

So weit vom Heim in meinen Taten sucht,

Unehr entdeckt und müssige Zeit in mir,

Der Zweck und Inhalt deiner Eifersucht?

 

O deine Lieb ist sehr, doch nicht so gross . . .

Kraft meines Liebens nur mein Auge wacht.

Mein eignes treues Lieben raubt mir bloss

Die Rast wenn sichs um dich zum Wächter macht.

 

Ich wache für dich hier und du wachst da,

Weit von mir weg, mit andren allzunah.

 

 

 

LXII

 

Der Eigenliebe Sünde hat jed Teil,

Mein Aug wie meine Seele in Gewalt -

Und wider diese Sünde ist kein Heil:

Sie hat im innern Herzen festen Halt.

 

Kein Antlitz das mir so wie meins gefiel' -

So wichtig keine Form, so wahr geprägt . . .

Ich selbst nur setze meinem Wert ein Ziel

Der allen Wert von allen andren schlägt.

 

Doch wenn mein Spiegel mich zu sehen lehrt,

Von Alters Beize eingeknickt, zerfetzt:

Les ich die Eigenliebe umgekehrt,

Sich so zu lieben wär Verruchtheit jetzt.

 

Du bists, mein Selbst!  Dich lob ich und ich trage

Mein Alter in die Schönheit deiner Tage.

 

 

 

LXIII

 

Einst geht es meinem Liebsten wie mir jezt.

Ihn drückt und schwächt die Zeit mit rohem Schlag.

Wenn sie sein Blut verdünnt, die Stirn verlezt

Mit Strich und Runzel, wenn sein Jugendtag

 

Gewandert ist nach Alters jäher Nacht -

Und alle Schönheit der er nun befiehlt

Entschwindende und schon geschwundne Pracht,

Wenn sie ihm seines Frühlings Schätze stiehlt:

 

Für solche Zeiten sammle ich nun Kraft

Dass Alters grimmes Schwert ihm ferne bleibt,

Dass es der Welt die Schönheit nicht entrafft

Der süssen Lieb, ob auch des Liebsten Leib.

 

Von seiner Schönheit zeugen schwarze Reihn:

Sie werden leben und er jung drin sein.

 

 

 

LXIV

 

Sah ich durch grimme Hand der Zeit zerrauft

Reich-stolzen Prunk vernuzt begrabner Welten

Und sah ich hohe Türme die zerschellten

Und ewiges Erz der Todes-Wut verkauft.

 

Sah ich das Meer mit seinem gierigen Mund

Ein Stück vom Königreich des Ufers fassen

Und festen Grund entwandt den Flutenmassen . . .

Schwund wird durch Anwachs, Anwachs wird durch Schwund . . .

 

Sah ich den Wechselgang der Dinge dort

Und diese Dinge selbst verdammt zum Übeln,

Dann lehrten mich die Trümmer so zu grübeln:

Zeit kommt und nimmt mir meine Liebe fort.

 

Solch Denken ist wie Tod das so in Not

Weint dass es hat was ihm zu schwinden droht.

 

 

 

LXV

 

Da Erz und Stein, Land und endlose Flut

Bewältigt wird von trübem Erdentume -

Kommt Schönheit je zu Wort vor solcher Wut

Mit einer Macht nicht stärker als der Blume?

 

O wie soll Sommers Honigduft noch wehn

In stürmischer Tage unheilvollem Prall,

Wenn unbewegte Felsen nicht bestehn

Und eherne Tore in der Zeit Verfall?

 

O furchtbarer Gedanke!  Wo hat Schutz

Der Zeiten best Juwel vorm Zeitenstaub?

Welch starke Hand beut schnellen Flüssen Trutz?

Verhindert einer je der Schönheit Raub?

 

O nie! wird nicht dies Wunder offenbar:

Aus schwarzer Schrift strahlt meine Liebe klar.

 

 

 

LXVI

 

Dies alles müd ruf ich nach Todes Rast:

Seh ich Verdienst als Bettelmann geborn

Und dürftiges Nichts in Herrlichkeit gefasst

Und reinsten Glauben unheilvoll verschworn

 

Und goldne Ehre schändlich missverwandt

Und jungfräuliche Tugend roh geschwächt

Und das Vollkommne ungerecht verbannt

Und Kraft durch lahme Lenkung abgeflächt

 

Und Kunst schwer-zungig vor der Obrigkeit

Und Geist vorm Doktor Narrheit ohne Recht

Und Einfachheit missnannt Einfältigkeit

Und Sklave Gut in Dienst beim Herren Schlecht.

 

Dies alles müd möcht ich gegangen sein,

Liess ich nicht, sterbend, meine Lieb allein.

 

 

 

LXVII

 

Ach warum er in der Verseuchung lebt,

Den Freveln Zier durch seine Nähe schafft,

Und Sünde sich mit Vorteil durch ihn hebt

Und sich verbrämt mit seiner Nachbarschaft!

 

Weshalb sein Antlitz falschen Malern borgt,

Verblasstes Sehn ihm stiehlt lebendigen Glanz

Und arme Schönheit auf dem Umweg sorgt

Um Dunst von Rosen!  Er ist Rose ganz!

 

Was lebt er bei dem Einsturz der Natur

Wo Lebensadern betteln gehn um Blut?

Sie hat kein Schatzhaus als das seine nur.

Sie, stoltz auf viele, lebt von seinem Gut.

 

Ihn hält sie zum Beweis wie reich besetzt

Sie war in früherm Jahr vorm schlechten Jetzt.

 

 

 

LXVIII

 

Sein Antlitz gibt das Bild von fernen Tagen

Als Schönheit lebt' und starb wie Blumen nun,

Eh diese Bastardzeichen sie getragen

Und wagte auf lebendige Stirn zu tun.

 

Eh von den Toten man den goldnen Schopf,

Das Recht der Grabesstätten, scheren liess

Zum zweiten Leben auf dem zweiten Kopf,

Eh man geprunkt mit toter Schönheit Vliess.

 

In ihm die heiligen alten Stunden blühn,

Ohn allen Zierat, für sich selbst und treu,

Sie machten keinen Lenz mit andrem Grün,

Kein Raub von Altem schmückte Schönheit neu.

 

Mit ihm hält die Natur ein Bild empor

Der falschen Kunst was Schönheit war zuvor.

 

 

 

LXIX

 

Dem Teil an dir auf das die Welt hinschaut

Fehlt nichts was Herzens Sinn verbessern könnt . . .

Dies sagt dir aller Mund, der Seelen Laut,

Nur Wahrheit kündend die der Feind selbst gönnt.

 

Dein Äussres ist mit äussrem Preis gekrönt,

Doch alle die dein Recht so zugestehn

Verdrehn dies Lob mit Wort das anders tönt

Beim Weiterdringen als die Augen sehn.

 

Sie spähn nach Schönheit aus in deinem Geist,

Und tun nach deinen Taten ihren Spruch . . .

War auch ihr Auge mild:  Ihr Sinn fügt dreist

Zu holder Blume geilen Unkrauts Ruch.

 

Nicht ist dein Aussehn und dein Duft im Bund.

Die Ursach ist:  Du wächst auf aller Grund.

 

 

 

LXX

 

Dir sei kein Vorwurf wenn sie schmähn gemacht,

Da die Verleumdung gern das Holde sticht.

Die Schönheit hat zum Zierat den Verdacht,

Die Krähe fliegt in Himmels schönstes Licht.

 

Verleumdung macht den Wert dir, wenn du gut,

Nur grösser, dir umworben von der Zeit:

Denn Lasters Wurm in süssten Knospen ruht . . .

Doch ist dein Frühling rein und unentweiht.

 

Du gingst aus junger Tage Hinterhalt -

Seis nicht bestürmt, seis siegend im Gefecht.

Doch hat dein Preis nicht so als Preis Gewalt

Dass er den Neid hemmt der sich stets erfrecht.

 

Verhüllte nicht der Argwohn deinen Ruhm:

Du hättest aller Herzen Königtum.

 

 

 

LXXI

 

Nicht länger klage um mich wenn ich tot

Als du die Glocke hörst die grämlich-graus

Der Welt die Kunde meines Weggangs bot

Aus feiler Welt zu feilster Würmer Haus.

 

Ja liest du diese Reihn, sei ausser Frag

Die Hand die schrieb!  Dich lieb ich so dass eh

Dein süsses Denken mich vergessen mag

Als dass du meiner denkend fühlst ein Weh.

 

O, sag ich, siehst du dann auf dies Gedicht

Wenn ich vielleicht verschüttet bin mit Staub:

Dann nenn auch meinen armen Namen nicht,

Dein Lieben schwinde mit des Lebens Raub.

 

Sonst sieht die Welt klug auf dein Klagen hin,

Höhnt dich mit mir wenn ich von hinnen bin.

 

 

 

LXXII

 

Auf dass die Welt kein Wort von euch begehr

Was mein Verdienst war dass ihr mich noch liebt

Nach meinem Tod:  Mein Freund, denkt mein nicht mehr

Da sich aus mir nichts Würdiges ergibt.

 

Es sei denn ihr ersännet frommen Lug

Um mehr für mich zu tun als ziemlich ist

Und lobtet mich nach meinem Weiterzug

Mehr als die karge Wahrheit gern bemisst.

 

Würd eure wahre Liebe falsch darin

Dass sie aus Lieb unwahr gut von mir spricht:

Legt meinen Namen wo mein Leib ist hin,

Und euch wie mir zur Scham verbleib er nicht!

 

Ich bin beschämt durch das was ich vollbring . . .

Ihr müsst es sein, liebt ihr ein wertlos Ding.

 

 

 

LXXIII

 

Die Zeit des Jahres magst du in mir sehn

Wo gelbe Blätter, keine, wenige hangen

Auf diesen Ästen die im Wind sich drehn,

Chor-Trümmer kahl wo einst die Vögel sangen.

 

In mir siehst du Zwielicht von solchem Tag

Der nach der Sonne Weggang bleicht im West,

Das schwarze Nacht gar bald entführen mag . . .

Zwilling des Tods umhüllt sie alles fest.

 

In mir siehst du das Brennen solcher Glut

Die auf den Aschen ihrer Jugend schwebt

Wie auf dem Totenbett wo sie bald ruht -

Durch das verzehrt wovon sie einst gelebt.

 

Dein Lieben wächst, wirst du dir des bewusst,

Und du liebst wohl was du bald lassen musst.

 

 

 

LXXIV

 

Doch sei zufrieden, wenn der grause Spruch

Ohn allen Aufschub mich von dannen treibt:

So hat mein Leben Wert in diesem Buch

Das noch als Angedenken bei dir bleibt.

 

Du siehst wenn du es übersiehst hinfür:

Den grössren Anteil widmete ich dir.

Die Erd erhält nur Erde als Gebühr,

Mein Geist ist dein, der bessre Teil von mir.

 

So hast du nur verloren wenn ich starb

Des Lebens Hefe, fürs Gewürm den Rest,

Die Beute die ein Meuchler feig erwarb -

Zu schlecht als dass du dich erinnertest.

 

Der Wert von jenem ist was ihm entschwebt

Und das ist dieses hier:  Was mit dir lebt.

 

 

 

LXXV

 

So bist du meinem Sinn wie Brot dem Leibe,

Wie süss gewürzter Regen ist fürs Feld.

Ich der ums Glück in dir in Kämpfen treibe,

Wie es dem Geizhals geht mit seinem Geld.

 

Bin bald wie ein Geniesser stolz, bald bang

Dass diebisches Alter seine Schätze raube.

Bald wünsch ich dich mir zum Allein-Empfang,

Bald möcht ich dass die Welt mein Glück auch glaube.

 

Oft schwelg ich voll in deinem Angesicht

Und dann verhungr ich rein um einen Blick.

Und andre Lust besitz und such ich nicht

Als mich aus dir heisst nehmen das Geschick.

 

So bin ich täglich trunken und verdorrt,

An allem schlemmend oder alles fort.

 

 

 

LXXVI

 

Was ist mein Vers an neuer Pracht so leer,

Von Wechsel fern und schneller Änderung?

Was schiel ich mit der Zeit nicht auch umher

Nach neuer Art und seltner Fertigung.

 

Was ich nur stets das Gleiche schreib, das Eine,

Erfindung halt im üblichen Gewand?

Dass fast aus jedem Wort mein Name scheine,

Die Herkunft zeigend und wie es entstand?

 

O süsses Lieb, ich schreibe stets von dir

Und du und Liebe, ihr seid noch mein Plan . . .

Mein Bestes:  Altes Wort in neuer Zier:

Dies tu ich immer, ists auch schon getan.

 

So wie die Sonne täglich alt und neu

Sagt meine Liebe schon Gesagtes treu.

 

 

 

LXXVII

 

Dein Spiegel zeigt dir:  So zerreisst dein Schmuck,

Dein Zeiger:  Deine kostbarn Stunden fliehn.

Dies leere Buch für deines Geistes Druck -

Aus seinen Blättern magst du Lehre ziehn:

 

Die Runzeln die dein Spiegel treu erweist

Sie mahnen dich an Gräber gähnend weit,

Und durch des Zeigers schattig Schleichen weisst

Du diebischen Lauf der Zeit zur Ewigkeit.

 

Was du nicht festhältst hinter deiner Stirn

Gib diesen leeren Blättern:  Und einst siehst

Du diese Kinder gross aus deinem Hirn

Mit denen neu dein Geist Bekanntschaft schliesst.

 

Zu diesem Werk mach häufig den Versuch:

Dir bringt es Nutz und Reichtum deinem Buch.

 

 

 

LXXVIII

 

Oft fleht ich dich als meine Muse an

Und fand so schöne Hilfe für mein Lied

Dass mir manch andrer Kiel es nachgetan:

Sein Dichten unter deinen Schutz beschied.

 

Dein Auge wies den Dumpfen hoch zu singen

Und schwere Unkenntnis hinaufzufliehn,

Hat Federn zugefügt des Weisen Schwingen,

Der Armut zwiefach Herrlichkeit verliehn.

 

Doch meist sei stolz auf mein gereimtes Spiel:

Es hängt von dir ab, ist gezeugt von dir.

In andrer Werken feilst du bloss den Stil,

Verzierest Kunst mit deiner süssen Zier:

 

All meine Kunst bist du und trägst soweit

Wie Kenntnis meine rohe Unweisheit.

 

 

 

LXXIX

 

Als ich allein um deine Hilfe rief

War meiner Schrift allein dein edler Strich.

Nun stehen meine artigen Zeilen schief

Und meine kranke Muse andren wich.

 

Ich weiss, süss Lieb, dein lieblicher Gehalt

Verdient das Werk von würdigerem Reim,

Doch was von dir aus deinem Dichter schallt

Das raubt er dir und zahlt dir wieder heim.

 

Er leiht dir Tugend und er stahl dies Wort

Von deiner Haltung . . .  Der die Schönheit bringt

Fand sie auf deiner Wange . . .  Er gibt fort

An dich kein andres Lob als dir entspringt.

 

Drum danke ihm für das nicht was er schreibt:

Du zahlst ja selbst was er dir schuldig bleibt.

 

 

 

LXXX

 

Wie fehlt mirs wenn ich von dir schreib an Kraft!

Ich weiss dem bessern Geiste dient dein Nam

Zu dessen Preis mit aller Macht er schafft -

Da er dich rühmt macht er mich zungenlahm.

 

An Weite gleicht dein Wert dem Ozean

Der schwache so wie stolze Segel führt,

Auf dem mein dreister und viel mindrer Kahn

Sich gern in deinen breiten Wellen rührt.

 

Mich hältst du mit der schwächsten Hilfe flott,

Er zieht auf deiner unermessnen Flut . . .

Und treib ich als ein Boot zerschellt zum Spott,

Ist er von hohem Bau und wackrem Mut.

 

Dies ist wenn ers erreicht und ich verdarb

Das Schlimmste:  Dass ich durch mein Lieben starb.

 

 

 

LXXXI

 

Ob ich einst deine Grabschrift machen werde,

Ob du fortlebst, lieg ich im Staub zerfressen:

Kein Tod raubt deinen Namen von der Erde,

Ist auch von mir ein jeder Teil vergessen.

 

Wenn dann dein Nam unsterblich lebt:  So hab

Ich, einmal tot, niemand der mein gedenkt.

Mir gibt die Erde nur ein Alltagsgrab,

Du lebst in aller Menschen Blick gesenkt.

 

Du hast als Denkmal dann mein zart Gedicht

Das heut noch unerschaffne Augen lesen.

In spätren Zungen dann dein Wesen spricht

Wenn alle Haucher dieser Zeit verwesen.

 

Dann lebst du noch - mein Wirken ist der Grund -

Wo Hauch am meisten haucht: in Menschenmund.

 

 

 

LXXXII

 

Du bist mit meiner Muse nicht vermählt,

Drum magst du schauen ohne Widerspruch

Der Widmung Worte die so mancher wählt

Fürs schöne Vorbild, Segen jedem Buch.

 

Du bist so schön in Weisheit wie in Form

Und hältst für deinen Wert mein Wort gering.

Deshalb bist du gezwungen neue Norm

Zu suchen in der Zeit die vorwärts ging.

 

Ja tu das, Lieb.  Doch zeigten sie auch offen

Welch mühsam Werk dem Redeprunk gelingt:

So hat dich wahrhaft Schönen wahr getroffen

Mit schlichtem Wort dein Freund der Wahres bringt.

 

Mit ihrem groben Färben sei verhehlt

Blutlose Wange:  Bei dir ists verfehlt.

 

 

 

LXXXIII

 

Ich sah noch nie, euch wäre Färbung not

Und darum färbt ich eure Schönheit nicht.

Ich fand - mir schien, ich fand - sie überbot

Den dürftigen Antrag einer Dichter-Pflicht.

 

Drum schlief ich und hab nichts von euch gesagt

Damit ihr der ihr daseid selber zeigt

Wie eine Alltagsfeder zuviel wagt,

Spricht sie mit Wert vom Wert der aus euch steigt.

 

Dies Schweigen kam euch vor als böser Wille . . .

Doch mir zum grössten Ruhme blieb ich stumm.

Ich schadete der Schönheit nicht durch Stille

Sie die beleben wollten brachten um.

 

Mehr Leben gibt eins eurer schönen Augen

Als eurer beiden Dichter Hymnen taugen.

 

 

 

LXXXIV

 

Wer spricht am meisten und was spricht so gut

Als dieses reiche Lob:  Ihr nur seid ihr?

In wessen Mauern liegt der Schatz in Hut,

Ein Gegenstück zu euresgleichen hier?

 

Armseligkeit in jener Feder wohnt

Die ihrem Stoff nicht etwas Glanz verleihe.

Doch wer von euch schreibt, wenn er nur betont,

Ihr wäret ihr, gibt seinem Wort die Weihe.

 

Er schreibe einfach ab was in euch steht,

Verschlechtre nicht was klar Natur erschuf -

Und solch ein Ebenbild rühmt ihn beredt,

Bringt seinen Stil an jedem Ort in Ruf.

 

Ihr fügt zu eurem holden Segen Fluch,

Liebt was eur Lob verringert: Lobes Spruch.

 

 

 

LXXXV

 

Mir schweigt die Muse, macht nichts Wesens viel

Da deines Lobs Berichte reich verteilt

Ihr Wesen festigen mit goldnem Kiel

Und Sätzeschmuck von allen Neun gefeilt.

 

Ich sinne gut und andre schreiben gut.

Wie Messner aus dem Volk ruf ich nur Amen

Zu jedem Preislied das ein Fähiger tut

Mit wohlverfeinter Schrift in glatten Rahmen.

 

Hör ich dein Lob, so sag ich "ja 's ist wahr"

Und setz aufs meiste Lob noch etwas mehr . . .

Doch nur im Sinn - dess Liebe zu euch zwar

An Wort zulezt kommt, doch an Rang weit ehr.

 

Gib andren für ihr schallend Wort Gewicht,

Mir für mein dumpf Gesinn draus Wahrheit spricht.

 

 

 

LXXXVI

 

Tat dies sein prächtig segelnd grosses Lied,

Das auszog um eur allzukostbar Lob -

Dass reifer Plan in meinem Hirn verschied,

Zu Gruft der Grund ward draus er sich erhob?

 

War es sein Geist der Geistes Lehr genoss

Weit über Menschenhöh, was mich zerhieb?  . . .

Nicht er vermocht es noch sein nächtiger Tross,

Sein Helfer, dass mein Lied verschüchtert blieb.

 

Das er nicht noch sein häuslich gütiger Geist

Der nächtens ihn mit Eingebungen narrt

Sich als mein Sieger, der mich stumm macht, preist!

Ich war von derart Ängsten nicht erstarrt.

 

Doch euer Ansehn füllte seine Reihn:

Da ging ich leer aus - meine wurden klein.

 

 

 

LXXXVII

 

Lebwohl!  Zu teuer ist dein Besitz für mich

Und du weisst wohl wie schwer du bist zu kaufen . . .

Der Freibrief deines Werts entbindet dich . . .

Mein Recht auf dich ist völlig abgelaufen.

 

Wie hab ich dich, wenn nicht durch mein Gewähren?

Verdien ich was von deinen Schätzen allen?

Aus mir ist nicht dein Schenken zu erklären . . .

So ist mein Gnadenlehn anheimgefallen.

 

Du gabst dich damals, deinen Wert nicht sehend -

Vielleicht auch dem du gabst, mich, anders nehmend . . .

Dein gross Geschenk, aus Irrtum nur entstehend,

Kehrt heimwärts bessrem Urteil sich bequemend.

 

So hatt ich dich wie Träume die beschleichen -

Im Schlaf ein Fürst, doch wachend nichts dergleichen.

 

 

 

LXXXVIII

 

Hast du einst mich gering zu achten Lust,

Und stellest mein Verdienst vors Aug des Neids:

Kämpf ich für dich zum eigenen Verlust,

Nenn ich dich gut trotz deines falschen Eids.

 

Ich lege selbst die eigne Schwäche offen

Zu deinem Nutzen - selbst am besten wissend

Was an verborgnen Fehlern mich betroffen . . .

Und vielen Glanz erwirbst du, mich vermissend.

 

Und ich bin ein Gewinner noch dazu.

Mit allen Sinnen neig ich ja zu dir . . .

Und gibt die Unbill die ich selbst mir tu

Dir Vorteil:  Gibt sie Doppel-Vorteil mir.

 

So ist mein Lieben, so bin ich dein Knecht

Dass ich jed Falsch ertrage für dein Recht.

 

 

 

LXXXIX

 

Sag, du verliessest mich um einen Fehl,

Und ich entschuldige dich für diesen Schlag.

Sag, ich sei lahm, so hink ich auf Befehl

Da ich mit deinem Grund nicht rechten mag.

 

Du, Lieb, verstössest mich nicht halb so schlimm

Um dem erwünschten Wechsel Form zu leihn

Als ich mich selbst verstosse . . .  Du bestimm!

So töt ich Freundschaft, schau als Fremder drein . . .

 

Bin fern von deinen Wegen . . . Nie mehr sei

Dein süss geliebter Nam auf meinem Mund

Dass ich Unheiliger ihn nicht entweih . . .

Und etwa künde unsren alten Bund.

 

Dich schützend stoss ich nach der eignen Brust,

Ich darf nicht lieben den du hassen musst.

 

 

 

XC

 

Nun hass mich wenn du willst!  Wenn je, so jetzt:

Jetzt wo die Welt mein Werk durchquert mit Lust.

Erdrück mich, hilf dem Schicksal das mich hetzt

Und komm mir nicht mit einem Nachverlust.

 

Ach, wenn mein Herz entronnen seinen Sorgen

Fall in den Rücken nicht besiegtem Leid!

Gib nicht zur Wind-Nacht einen Regen-Morgen,

Verzögre nicht verdammenden Bescheid.

 

Willst du mich lassen, lass mich nicht am Schluss

Wenn schon manch kleines Leid sein Werk vollbracht . . .

Komm beim Beginn wo ich gleich kosten muss

Das Allerschlimmste von des Schicksals Macht.

 

Und manch ein Weh, scheint es auch jetzt als eins,

Gemessen am Verlust von dir, ist keins.

 

 

 

XCI

 

Der pocht auf Kunst, der auf Vermögensstand,

Der auf des Körpers Kraft, der auf Geblüt,

Der auf ein schlecht-neumodisches Gewand

Und der auf Hund und Habicht und Gestüt.

 

Jed Wesen hat sein zugeteilt Vergnügen

Darin es Freude sucht mehr als im Reste . . .

Ich aber frage nichts nach Einzelzügen,

Ich: besser als sie all durchs eine Beste.

 

Besser als Blut ist deine Liebe mir,

Reicher als Gut, stolzer als köstlich Kleid,

Ist mehr als Hund und Habicht meine Zier,

Und bist du mein, prang ich zu aller Neid . . .

 

Elend nur darin dass du nehmen magst

All dies - und mich ins grösste Elend jagst.

 

 

 

XCII

 

Doch tu dein Schlimmstes nur:  Stiehl dich hinaus!

Für Lebens Frist bist du gesichert mein.

Mit deiner Liebe geht mein Leben aus:

Es ist gebunden an die Liebe dein.

 

Wie hätt ich also Furcht vorm schlimmsten Weh

Wenn durch ein kleinstes schon mein Leben fällt?

Ein bessres Los ist was ich vor mir seh

Als dies das sich an deine Laune hält.

 

Nicht kränken kannst du mich mit Unbestand

Wenn durch dein Weggehn schon mein Leben floh!

O was ich für ein frohes Anrecht fand:

Froh dich zu lieben und zu sterben froh!

 

Doch gibts ein Selig-Schön dem nichts gebricht?

Du magst mir falsch sein und ich weiss es nicht.

 

 

 

XCIII

 

So werd ich leben, meinend, du wärst treu,

Wie ein getäuschter Gatte . . .  Dem Gesicht

Der Liebe will ich traun, schaut es auch neu . . .

Dein Aug ist bei mir und dein Herz ists nicht.

 

Denn leben kann kein Hass in deinem Blick,

Weshalb ich deinen Wechsel nie erfahr . . .

In mancher Augen steht des Lugs Chronik

In Blinzeln Zucken Rollen sonderbar.

 

Jedoch der Himmel der dich schuf hat stet

Dein Antlitz süsser Liebe Sitz geweiht.

Was auch dein Sinn, was auch dein Herz begeht:

Dein Auge sage nichts als Süssigkeit.

 

Dein Reiz wird wie der Apfel Evas sein,

Gleicht deine süsse Tugend nicht dem Schein.

 

 

 

XCIV

 

Wer Macht zu schaden hat und schränkt sie ein,

Wer das nicht tut was meist er trägt zur Schau,

Wer andre rührend selber ist wie Stein

Unrührbar kalt und bei Versuchung flau:

 

Der nimmt mit Recht Besitz von Himmels Gaben

Und spart der Erde Schatz dass er nicht schwinde,

Der darf sein Gut als Herr und Eigner haben -

Die andern sind nur seiner Pracht Gesinde.

 

Des Sommers Blume ist dem Sommer lieb,

Sie, ob auch nur für sich frisch oder tot . . .

Jedoch befällt die Blume schnöder Trieb,

Wird von dem ärmsten Gras ihr Glanz bedroht.

 

Denn Süssestem ist herbster Fall gemäss.

Lilie die fault riecht übler als Gegräs.

 

 

 

XCV

 

Wie süss und lieblich machst du gar die Schmach

Die wie der Wurm in einer duftigen Rose

Die Schönheit deines blühenden Namens stach!

Wie süss umhüllest du das Sittenlose!

 

Wer deinen Taglauf und, unzüchtigerweis

Auslegend, deinen Zeitvertreib bespricht:

Kann tadeln nur mit einer Art von Preis . . .

Dein Name segnet widrigen Bericht.

 

Für solche Laster - o welch ein Versteck

Die dich sich ausgesucht zu ihrem Haus!

Der Schönheit Schleier schwebt auf jedem Fleck

Und schön fällt jeglich Ding fürs Auge aus.

 

Die mahne, teures Herz, solch ein Triumph:

Die schärfste Schneide schlecht gebraucht wird stumpf.

 

 

 

XCVI

 

Der sagt, dein Fehl sei Jugend, loser Streich,

Der sagt, dein Reiz sei Jugend, edles Spiel,

Und Reiz und Fehl liebt man bei arm und reich.

Du machst zum Reiz den Fehl der dich befiel.

 

Wie an der Fürstin Hand in voller Zier

Das ärmste Kleinod wird als Wert betrachtet,

So setzen sich die Irrtümer an dir

In Wahrheit um und sind als wahr geachtet.

 

Wie manches Lamm der wilde Wolf betröge,

Könnt als ein Lamm er seinen Blick verdrehn!

Wie mancher Schauende hintennach dir zöge

Wenn du die volle Stärke liessest sehn!

 

Doch tu dies nicht - derart ist unser Bund:

Mein da du mein bist ist auch dein Leumund.

 

 

 

XCVII

 

Gleich einem Winter war mir meine Ferne

Von dir, Entzücken du vom flüchtigen Jahr!

Wie fühlt ich Frost!  Verdunkelt sahn die Sterne,

Und überall Dezember alt und bar!

 

Doch waren Sommers Zeiten die entlegnen:

Der trächtige Herbst, mit reicher Schwellung gross,

Trug von dem Sommer her das üppige Segnen

Wie nach des Gatten Tod der Witwe Schoss.

 

Doch dieser volle Ausbruch deuchte mir

Hoffnung von Waisen, vaterlose Frucht -

Denn Sommer und sein Reichtum warten dir

Und Vögel werden stumm bei deiner Flucht.

 

Doch wenn sie singen ist so trüb der Laut

Dass bleich das Laub wird dem vorm Winter graut.

 

 

 

XCVIII

 

Von dir war ich entfernt im Vorfrühling

Als stolz April im bunten Schmucke schritt

Und Geist der Jugend goss in jedes Ding -

Der schwere Saturn lief und lachte mit.

 

Doch gab mir Vogellied und süsser Hauch

Von Blumen reich an Duft und Glanz nicht Lust

Mich zu ergehen nach des Sommers Brauch,

Sie zu entpflücken ihrer stolzen Brust.

 

Das Weiss der Lilie nahm ich nicht in acht

Noch lobte ich der Rose tiefes Rot . . .

Sie waren süss, doch Abglanz nur der Pracht:

Nach dir gezeichnet der das Vorbild bot.

 

Doch Winter schien es, denn du kamest nie:

Wie deinen Schatten so umspielt ich sie.

 

 

 

XCIX

 

Das übermütige Veilchen schalt ich drob:

"Wo, süsser Dieb, stahlst du dein Süss das haucht?

Von meines Liebsten Atem! . . .  Purpurn Lob

Auf deiner Wange?  Du hast eingetaucht

 

In meines Liebsten Adern allzugrob."

Die Lilie klagt ich an um deine Hand,

Die Mairan-Knospe die dein Haar bestahl -

Und manche Rose bang am Dorne stand

 

Die rote Scham, und jene weisse Qual.

Nicht weiss noch rot, die dritte, stahl von zwein

Die deinen Hauch zu nehmen sich vermass,

Doch für den Diebstahl trotz dem stolzen Schein

Ein rachevoller Wurm zu Tod sie frass.

 

Mehr Blumen traf ich an, doch keine kam

Die Duft und Farbe nicht von dir entnahm.

 

 

 

C

 

Wo bist du, Muse?  Du vergisst zu lang

Zu künden was dir schenkt all deinen Geist.

Warfst du dein Feuer weg für eitlen Sang,

Schwächst deine Kraft die niedre Stoffe preist?

 

Kehr um, nachlässige Muse, füll erneut

Mit edlem Ton so schlecht verwandte Zeit,

Sing für das Ohr das deines Lieds sich freut

Und deinem Stift Kunst und Gehalt verleiht.

 

Auf!  Muse, komm!  Des Liebsten süss Gesicht

Schau an:  Grub Zeit dort eine Furche schon?

Und wenn - schreib auf Verfall ein Spottgedicht,

Mach dass vom Raub der Zeit man spricht mit Hohn.

 

Gib Ruhm ihm schnelleren Gangs als Zeit versehrt,

Schütz ihn vor ihrer Sens' und krummem Schwert.

 

 

 

CI

 

O träge Muse, wie machst du das gut

Dass du solang nicht Wahr mit Schönem malst?

Denn Wahr und Schön in meiner Liebe ruht

So wie in dir:  Dies ists wodurch du strahlst.

 

Gib Antwort, Muse!  Sagst du nicht vielleicht:

"Wahres braucht keinen Glanz - voll eignem Glanz . . .

Schönes nicht Pinsel der aufs Wahre streicht . . .

Bestes ist Bestes - ohne Mischung ganz?"

 

Weil er nicht Preis bedarf drum brichst du ab?

Entschulde so dein Schweigen nicht:  Du weisst

Wodurch er lebt mehr als durch goldnes Grab

Und was ihn in den künftigen Zeiten preist.

 

So, Muse, tu dein Amt!  Dich lehr ich ihn

Spät noch so zeigen wie er heut erschien.

 

 

 

CII

 

Stark ist mein Lieben - schwach nur in Erscheinung.

Nicht minder lieb ich wenn sichs minder zeigt.

Die Lieb ist Kaufgut deren reiche Meinung

Beständig aus des Eigners Munde steigt.

 

Damals war Lenz und unsre Liebe grün,

Da grüsst ich täglich sie mit meinem Sang.

So schlägt die Nachtigall in Sommers Blühn

Und schweigt den Ton in reifrer Tage Gang.

 

Nicht dass der Sommer minder schön nun sei

Da nicht ihr Klaglied mehr bricht durch die Nacht:

Doch beugt den Busch die wilde Melodei,

Und Süsses lässt durch Brauch die holde Pracht.

 

Darum, gleich ihr, verstumme ich so lang

Dass du nicht müde wirst durch meinen Sang.

 

 

 

CIII

 

Was meine Muse, ach, so arm beschert

Bei solchem Stoff zum Zeigen ihrer Pracht!

Der blosse Gegenstand hat grössren Wert

Als den mein zugefügtes Lob ihm macht.

 

O scheltet nicht für die so karge Schrift!

In eurem Spiegel seht euer Antlitz nach

Das meine dumpfen Fabeln übertrifft . . .

Es macht mein Reimen matt und bringt mir Schmach.

 

Verbessern-Suchen - wäre dies nicht Schuld?

Trübmachen die Gestalt die schön zuvor?

Nur deine Gaben künd ich, deine Huld:

Mein Vers strebt nicht zu einem andren Tor.

 

Mehr, viel mehr als in meinen Versen steht

Sagt euer Spiegel wenn ihr darein seht.

 

 

 

CIV

 

Für mich, mein schöner Freund, seid ihr nie alt:

Denn ganz wie erst ich sah in eur Gesicht,

Scheint eure Schönheit noch . . .  Drei Winter kalt

Jagten vom Walde dreier Sommer Licht.

 

Drei Lenze schön, in gelben Herbst gewandt,

Sah ich im Lauf der Zeiten und das Blühn

Des Mai dreimal von Juni-Glut verbrannt

Seit erst ich frisch euch sah, euch jezt noch grün.

 

Ach, Schönheit schleicht doch wie ein Zeiger geht

Unmerklich vorwärts auf dem Blatt der Uhr!

Hat nicht eur süsser Reiz der, scheint mir, steht

Bewegung und mein Auge täuscht sich nur!

 

Hör, ungeborne Zeit, da solches droht:

Eh du da warst, war Lenz der Schönheit tot.

 

 

 

CV

 

Nennt meine Liebe nicht Abgötterei

Drin den Geliebten ihr als Götzen seht -

Sagt nicht, mein Sang und Lob sei einerlei:

Einem, an einen, immernoch und stet.

 

Gut ist heut meine Liebe, morgen gut,

Beständig stets in wunderbarem Grad -

Weshalb mein Vers auf Ständigkeit beruht,

Ein Ding nur sagt, nicht sucht nach andrem Pfad.

 

"Schön gut und treu" dies ist mein ganzer Plan . . .

"Schön gut und treu" mit neuer Worte Spiel . . .

Mein Dichten dreht sich nur in dieser Bahn.

Drei Ding in einem:  Wunderbares Ziel!

 

Schön gut und treu:  Sie lebten oft allein

Doch selten an demselben Platz zu drein.

 

 

 

CVI

 

Wenn ich in der zerronnenen Zeiten Buch

Gezeichnet seh der schönsten Leute Bild -

Macht dort die Schönheit schönen alten Spruch

Zum Preis von Damen tot und Rittern mild:

 

So seh ich wo sich süsse Schönheit schmückt

Mit Bestem, Fuss und Hand und Aug und Mund:

Ihr alter Griffel wünschte ausgedrückt

Das Schöne grad wie ihrs beherrscht zur Stund.

 

So war ihr ganzer Preis nur Prophezein

Auf unsre Zeit:  Sie bildeten euch vor,

Sie, schauend mit der Ahnung Aug allein,

Nicht ganz geschickt für eures Ruhmes Chor.

 

Wir haben, lebend in dem heutigen Kreis,

Auge zum Schauen doch nicht Wort zum Preis.

 

 

 

CVII

 

Nicht eigne Angst noch der prophetische Geist

Der weiten Welt der künftige Dinge ahnt

Auf meiner treuen Liebe Ablauf weist

Und an Verfall zu fester Frist gemahnt.

 

Der Menschen Mond strahlte nach Finsternis

Und trübe Magier spotten eignen Spruchs.

Das Reich der Schwankungen ward nun gewiss,

Friede ruft Palmen aus von ewigem Wuchs.

 

Jezt in dem Träufeln so balsamischer Zeit

Blickt meine Liebe frisch und Tod gibt nach

Da trotz ihm mein arm Lied mir Dauer leiht . . .

Er schlage Menschen dumpf und ohne Sprach!

 

Und dir wird hierin ein Gedächtnismal

Wenn Herrscher-Reif verfiel und Gruft von Stahl.

 

 

 

CVIII

 

Was ist im Hirn das Tinte kann verleihn

Das ich dir nicht entwarf mit treuem Sinne?

Was gibt es neu zu reden, neu zu reihn

Zu deinem teuren Wert, zu meiner Minne?

 

Nichts, süsser Knabe . . .  Doch wie Gott anflehend

Muss ich dasselbe sagen allezeit:

Du mein, ich dein - nichts alt im Alten sehend -

Seit ich dir holdem Namen erst geweiht.

 

Die ewige Lieb im frischen Liebesschmuck

Beachtet nicht der Jahre Sturm und Fall,

Glaubt nicht an der notwendigen Falten Druck

Und hält das Alter ständig als Vasall.

 

Für sie lebt noch der ersten Liebe Geist

Wo Zeit und äussre Form ihn tot erweist.

 

 

 

CIX

 

O sag nicht dass ich falsch von Herzen sei,

Schien Ferne auch zu dämpfen meine Glut:

So leicht macht ich des eignen Ichs mich frei

Als meiner Seele die im Herz dir ruht.

 

Dort ist mein Haus der Liebe.  Wie der Wandrer

Kehr ich dorthin zurück nach weiter Strecke,

Recht zu der Zeit und mit der Zeit kein Andrer -

So bring ich Wasser selbst für meine Flecke.

 

Glaub nimmermehr wenn auch mein Wesen steckt

Voll Schwächen - sie befallen jeglich Blut -

Dass es sich so unsinnigerweis befleckt

Und für ein Nichts lässt sein gesamtes Gut.

 

Mir giltst allein auf weitem Erdenball

Du, meine Rose, du bist drin mein All.

 

 

 

CX

 

Ach es ist wahr:  Ich schweifte hier und dort

Und machte mich zum Schecken für den Schein,

Stach in den eignen Sinn, warf Wertstes fort

Und schuf aus neuem Lieben alte Pein.

 

Es ist ganz wahr:  Ich blickte scheel und scheu

Die Wahrheit an - jedoch bei allem Droben! -

Dies Abseitgehn gab mir die Jugend neu:

Ich sah als Bestes dich bei schlechtern Proben.

 

All dies ist hin . . .  Nimm nun was nie verblasst!

Und nimmermehr sei meine Lust gesptizt

Auf neuere Kost, dem ältern Freund zur Last,

Dem Gott in Liebe der mich ganz besitzt.

 

So nimm, du nächst dem Herrn mir höchste Lust,

Mich an die reine, lieb-liebreiche Brust.

 

 

 

CXI

 

O zeigt euch meinethalb aufs Glück ergrimmt,

Die schuldige Gottheit meiner Leidensfahrt,

Die für mein Leben Bessres nicht bestimmt

Als Volks-Erwerb der nachzieht Volkes Art.

 

Daher empfängt mein Name einen Brand,

Daher wird all mein Wesen fast bedräut

Durch meine Arbeit - wie des Färbers Hand.

Habt Mitleid denn und wünschet mich erneut.

 

Dann schlürf ich wie ein williger Kranker ein

Den Essig-Trank für meine giftige Sucht

Und nichts von Bittrem soll mir bitter sein

Noch Doppelstrafe mehrend Zucht mit Zucht.

 

Habt Mitleid mit mir, Teurer!  Dann bekund ich:

Allein von eurem Mitleid schon gesund ich.

 

 

 

CXII

 

Mit Lieb und Mitleid füllt ihr aus was hohl

Unglimpf des Volks mir in die Stirn gepresst.

Was gilt mir ob man übel spricht ob wohl

Wenn ihr mein Böses denkt, mein Gutes messt!

 

Ihr seid mir all die Welt, und mir ist Pflicht

Dass Lob dass Schmach mir kommt kraft eures Winks

Kein Andrer gilt mir, ich für Andren nicht

Der ehernen Sinn mir drehe, rechts noch links.

 

So tief zum Abgrund werf ich alle Acht

Auf Andrer Rede dass mein Nattern-Ohr

Sich taub für Schmeichler wie für Tadler macht,

Für meinen Gleichmut bring ich dieses vor:

 

Ihr haltet so in meinem Sinne fest

Dass tot mir dünkt der ganzen Erde Rest.

 

 

 

CXIII

 

Seit ich euch liess verbleibt mein Aug im Geist

Und was mein Führer ist von Ort zu Ort

Teilt nunmehr seinen Dienst, ist blind zumeist,

Scheint sehnend aber wirklich ist es fort.

 

Nie liefert es dem Herzen die Gestalt

Von Vogel Blume Körper die es fängt,

Der hurtige Zug macht für den Geist nicht halt

Noch bannt es selbst die Schau die es empfängt.

 

Ob es das Rauhste, Zartste sehen mag,

Die süsste Stirn, den ungestaltsten Wicht:

Es formt Gebirg und See und Nacht und Tag

Und Taub' und Kräh nach eurem Angesicht . . .

 

So dass für andres schwach, von euch gefüllt,

Mein treuster Geist mein Aug in Untreu hüllt.

 

 

 

CXIV

 

Wie ist es?  Schlürft mein Geist, eur Thron-Nachbar,

Des Herrschers Plage ein, die Schmeichelei?

Wie oder sage ich:  Mein Aug spricht wahr

Und eure Liebe lehrt es Zauberei,

 

Dass es aus Scheusal macht und roher Brut

Engel wie deinem süssen Selbst sie gleichen,

Aus jedem Bös schafft ein vollkommen Gut

Sobald die Dinge seinen Strahl erreichen?

 

O 's ist das Erste!  Schmeicheln macht mich sehn.

Mein hoher Geist schlürft es ganz fürstlich ein.

Mein Aug kann diese Vorlieb wohl verstehn,

Bereitet ihm für seinen Schmack den Wein.

 

Ist Gift darin, entschuldigt dies den Trug:

Mein Aug liebt es und tut den ersten Zug.

 

 

 

CXV

 

Die Reihen die ich früher schrieb sind Lug,

Auch dieses:  Lieben könnt ich euch nicht treuer.

Damals sah ich nicht ein nach welchem Fug

Einst heller brennen sollt mein vollstes Feuer.

 

Doch denk ich nach, wie Zeit millionenfach

Einschleicht in Schwüre, bricht der Könige Wort,

Bleicht heilige Schönheit, drückt das Härtste flach,

Zieht starken Geist auf schwanke Wege fort:

 

Ach dass ich bang vor der Gewalt der Zeit

Nicht sprechen darf:  "Nun lieb ich euch zu best".

Wenn ich gesichert vor Unsicherheit

Das Heute kröne, zweifle an dem Rest!

 

Liebe ist Kind:  Dann sprech ich richtig doch

Von vollem Wuchs wo weitres Wachstum noch!

 

 

 

CXVI

 

Man spreche nicht bei treuer Geister Bund

Von Hindernis!  Liebe ist nicht mehr Liebe

Die eine Ändrung säh als Ändrungs-Grund

Und mit dem Schiebenden willfährig schiebe.

 

O nein, sie ist ein immer fester Turm

Der auf die Wetter schaut und unberennbar.

Sie ist ein Stern für jedes Schiff im Sturm:

Man misst den Stand, doch ist sein Wert unnennbar.

 

Lieb' ist nicht Narr der Zeit:  Ob Rosen-Mund

Und -Wang auch kommt vor jene Sichelhand . . .

Lieb' ändert nicht mit kurzer Woch und Stund,

Nein, sie hält aus bis an des Grabes Rand.

 

Ist dies Irrtum der sich an mir bewies,

Hat nie ein Mensch geliebt, nie schrieb ich dies.

 

 

 

CXVII

 

So klagt mich an:  Dass ich für mich nur nahm

Was eurer hohen Gunst ich schuldig war,

Zu eurer treusten Liebe nicht mehr kam

An die jed Band mich fesselt immerdar,

 

Dass ich mit Geistern ging die wertlos sind,

Dein schwer erkauftes Recht preisgab der Welt,

Mein Segel hissen liess nach jedem Wind

Der mich am fernsten von euch weggeschnellt.

 

Schreibt meinen Starrsinn auf und meinen Wahn,

Macht - nach Beweis - das Maass mit Argwohn voll,

Bringt mich in eures Missgefallens Bahn,

Doch trefft mich nicht in eurem wachen Groll.

 

Mein Einspruch sagt dass ich nur so befand

Euerer Liebe Tugend und Bestand.

 

 

 

CXVIII

 

Wie man zur Schärfung seiner Esslust tut,

Mit beissendem Gemische reizt die Zung,

Wie vor noch fernem Übel auf der Hut,

Man Krankheit schafft durch Blutes Reinigung:

 

So voll von deiner Süsse die nie sattmacht

Stellt ich mein Essen her mit bittrer Brühe

Und krank vom Wohlsein suchte ich was mattmacht,

Fast freudig eh geboten war die Mühe.

 

Vorweg sich nehmen so aus Liebes-List

Ein kommend Weh - zog wahr Gebrest herbei . . .

In Siechtum kehrt ich um gesunde Frist,

Zu voll von Wohl fand ich im Weh Arznei.

 

Draus zieh ich Lehre die das Rechte trifft:

Wer an dir krankt dem werden Mittel Gift.

 

 

 

CXIX

 

Trank ich Sirenen-Tränen, Mischerei

Aus Tiegeln scheusslich wie die Hölle drin!

Gab Ängsten Hoffnung, Hoffnung Ängste bei,

Verlor da wo ich griff nach dem Gewinn!

 

Indes es selig sich wie niemals dachte,

Wie nur mein Herz verfiel in sündiges Irren!

Was so mein Aug aus seinem Kreise brachte

In dieses wahnsinnhaften Fiebers Wirren!

 

O Glück des Übels!  Nun seh ich genau:

Das Bessre wird durch Übel stets noch besser.

Zerstörte Liebe wird beim neuen Bau

Schöner wie erst und kräftiger und grösser.

 

So kehr ich um, zu meinem Glück ein Tor,

Gewann durch Schuld dreifach was ich verlor.

 

 

 

CXX

 

Dass ihr einst Unfreund wart erfreut mich nun,

Und denk ich der dabei empfundnen Qual

Muss niederbeugen mich mein Übeltun,

Sind meine Nerven nicht von Erz und Stahl.

 

Denn littet ihr von meiner Freundschaft Schlägen

Wie ich von euch, gingt ihr durch Höllen-Zeit,

Und ich Tyrann nahm mir nicht Müh zu wägen

Was ich einst litt durch eure Sündigkeit.

 

O hätte unsre Leidensnacht erinnert

Mein tiefst Gemüt an Schlag von wahrem Schmerz . . .

Und euren - wie ihr meinen - bald gelindert

Mit schlichtem Balsam, gut fürs wunde Herz.

 

Doch dieses eur Vergehn wird nun zum Zoll:

Es löst euch wie mich eures lösen soll.

 

 

 

CXXI

 

Besser ist schlecht zu sein als schlecht genannt

Wenn Nicht-Bestehn verklagt wird zum Bestehen

Und edle Lust verpönt - nicht aberkannt

Durch unser Fühlen, doch durch Andrer Sehen.

 

Was sollte Andrer fälschend tückische Nähe

Die Blicke werfen auf mein lebhaft Blut?

Was soll für meine Schwächen schwächere Spähe

Der das als bös erscheint was mir als gut?

 

Nein, ich bin der ich bin . . .  Die losgezogen

Auf meine Fehler stellen ihre dar.

Ich mag gerade sein, sie selbst gebogen -

Nicht leg ihr geiler Sinn mein Handeln klar.

 

Sie glaubten denn ans Übel allerseit:

Jeder sei schlecht und herrsch in Schlechtigkeit.

 

 

 

CXXII

 

Das Merkbuch, dein Geschenk, trag ich in mir

Voll von Erinnerung für alle Zeit

Die länger bleibt als diese nichtige Zier

Jenseit der Tage bis zur Ewigkeit.

 

Wenn nicht, so lange doch als Herz und Geist

Von der Natur erlaubt ist zu bestehn . . .

Bis beides in Vergessens Schutt verweist

Sein Stück von dir, wird nie dein Bild vergehn.

 

Dies aufbewahrte Ding hält nicht so sehr,

Für deiner Liebe Wert brauchts keinen Stab

Sie drin zu kerben - darum gab ichs her

Dem Buch zu traun drin ich dich besser hab.

 

Mir Helfer halten dein gedenk zu sein:

Das würfe auf mich des Vergessens Schein.

 

 

 

CXXIII

 

Nein, Zeit, sag du nicht stolz, ich ändre mich,

Bau deine Träume auf mit frischer Macht:

Sie sind für mich nicht neu nicht sonderlich,

Sie sind nur Aufschmuck einer frühern Pracht.

 

Wir leben kurz nur - weshalb wir bestaunen

Was du uns unterschiebst das schon geschah.

Wir denkens eh'r gezeugt für unsre Launen

Wie als ein Ding das man längst hört und sah.

 

Ich trotz euch, dir und deinem Federzug.

Aufs Heut aufs Gestern blicke ich gefasst . . .

Denn dein Gerücht und was wir schaun ist Lug

Und gross und klein Werk deiner ständigen Hast.

 

Doch dies soll immer sein - das schwör ich mir:

Ich bleibe treu trotz deiner Sens' und dir.

 

 

 

CXXIV

 

Wär meine Liebe nur ein Kind der Pracht

So könnte Glück als Bastard sie entvätern,

So würfe Zeit die zürnt und Zeit die lacht

Den Pflückern sie als Blum, als Gras den Jätern.

 

Nein, sie entstand fern von Zufälligkeit.

Sie leidet nicht durch Pomp der gleisst, noch sinkt

Vorm Schlag gedrückter Unzufriedenheit

Wozu die Zeit jezt unsrer Laune winkt.

 

Sie fürchtet Klugheit nicht, die Ketzerin,

Wirkt nicht mit kurzbemessnem Überlass.

Sie nur steht da mit maasslos klugem Sinn,

Wächst nicht durch Hitze, weicht nicht auf durch Nass.

 

Hier mögt ihr Narrn der Zeit mir Rede stehn:

Ihr starbt fürs Recht und lebtet fürs Vergehn.

 

 

 

CXXV

 

Umsonst nur trüge ich den Baldachin,

Mit meinem Äussern huldigend dem Schein,

Und - was so kurz wie Fall ist und Ruin -

Legt ich zu ewigem Bau den Unterstein.

 

Sah ich nicht Schwelgende in Form und Hülle

Arm, ärmer werden durch zu hohen Zins?

Sie tauschten schlichte Kost für süsse Fülle,

Opfer der Schaulust, kläglichen Gewinns.

 

Nein, dir im Herzen will ich Beter sein.

Nimm meine Spende arm, doch williglich.

Sie mischt sich nicht mit Zutat, kennt nicht Schein -

Nur Doppelhingab: einzig mich für dich.

 

Weg, falscher Künder!  . . .  Eine treue Seel,

Wie sehr bedrängt auch, zwingt nicht dein Befehl.

 

 

 

CXXVII

 

In alter Zeit hielt man nicht Schwarz für fein

Und wenn, so trug es nicht der Schönheit Nam . . .

Nun sezt sich Schwarz als Schönheitserben ein

Und Schönheit leidet Schimpf und Bastard-Scham.

 

Denn da sich Jeder kraft der Schöpfung stahl,

Aus Kunst und Borg, aus Schlechtem Schönes schuf:

Fehlt süsser Schönheit Nam und heiliger Saal . . .

Sie ist entweiht und lebt gar in Verruf.

 

Drum, Herrin, hast du Haare schwarz wie Nacht

Und Augen so - und sie sind Traurern gleich

Da man, nicht schön von Art, sich Schönheit macht,

Mit falschem Prunk beschimpft das Erdenreich.

 

Doch, da sie trauern, ziert so ihre Pein

Dass jeder ausruft:  Schönheit muss so sein!

 

 

 

CXXVIII

 

Wie oft wenn du, mein Klang, die Klänge spielst

Auf dem beglückten Holz dess Regung tönt

Von deiner süssen Hand und sanft befiehlst

Der Drähte Einhall der mein Ohr umdröhnt:

 

Beneid ich diese Tasten die mit Eil

Das zarte Innre küssen deiner Hand . . .

Indess mein armer Mund, reif für solch Teil,

Errötend bei des Holzes Kühnheit stand.

 

Um so gestreift zu sein nähm er in Kauf

Tanzender Schnitze Formung und Befund

Darauf dein Finger geht mit sanftem Lauf,

Tot Holz beseligend statt lebendigen Mund.

 

Da freches Werkzeug so beglückt sein muss

Gib ihm den Finger, mir den Mund zum Kuss.

 

 

 

CXXIX

 

Verbrauch von Geist in schändlicher Verzehr

Ist Lust in Tat, und bis zur Tat, ist Lust

Meineidig, mörderisch, blutig, voll Unehr,

Wild, tierisch, grausam, roh, des Lugs bewusst.

 

Genossen wo gleich drauf Verachtung trifft,

Sinnlos erjagt und gleich nach dem Empfang

Sinnlos gehasst wie ein verschlucktes Gift,

Eigens gelegt dass toll wird wer es schlang.

 

Toll im Verfolg und im Besitz zumal,

Erlangt und im und beim Erlangen wild,

Glück beim Versuch und wenn versucht nur Qual,

Erst: freudig Hoffen, nachher: Schattenbild.

 

Dies weiss jedweder . . .  Doch nicht wie man flieht

Den Himmel der zu dieser Hölle zieht.

 

 

 

CXXX

 

In ihrem Aug ist nichts von Sonnenstrahl,

Korall ist röter als ihr Lippenpaar,

Wenn Schnee weiss ist so ist ihr Busen fahl,

Sind Locken Draht, ist schwarzer Draht ihr Haar.

 

Ich schaute Rosen zwiefarb, weiss und rot,

Doch solche Rosen trägt nicht ihr Gesicht -

Und ich fand Duft der mehr an Reizen bot

Als jener Hauch der aus dem Mund ihr bricht.

 

Ihr Reden hör ich gern, doch muss gestehn:

Musik hat einen angenehmern Klang.

Ich sah noch niemals eine Göttin gehn:

Sie schreitet auf dem Grund bei ihrem Gang . . .

 

Und doch ist meine Liebe mir so reich

Als jede die man fälscht mit Lug-Vergleich.

 

 

 

CXXXI

 

Wie Schönheit stolz wird und dann quält zum Scherz

So geht dirs und so hart ist dein Befehl . . .

Denn du weisst wohl:  Für mein zart liebend Herz

Bist du das schönste köstlichste Juwel.

 

Doch wahrlich, manche sagen die dich schaun:

Dein Blick wirkt nicht so stark, dass Liebe klagt.

Dies Irrtum heissen will ich nicht getraun

Obwohl ichs unter Eid mir selbst gesagt.

 

Und sicherlich: ich schwor nicht falschen Eid,

An tausend Seufzer, denk ich auch nur dein,

Hintereinander geben den Bescheid:

Dein Schwarz muss Schönstes für mein Urteil sein.

 

Du bist in sonst nichts schwarz:  Nur durch die Tat -

Woher dir, glaub ich, diese Lästrung naht.

 

 

 

CXXXII

 

Ich liebe deine Augen.  Voll Mitleid,

Da mit Verachtung mich zerquält dein Herz:

Als Liebe Trauernde in schwarzem Kleid

Sehn sie, sich lind erbarmend, meinen Schmerz.

 

Und wahrlich zieren mit dem Morgenrote

Sich schöner nicht des Ostens graue Wangen

Noch schmückt der volle Stern, des Abends Bote,

Den kahlen Westen mit dem halben Prangen

 

Wie die zwei Trauer-Augen dein Gesicht.

O sei dein Herz nun auch für mich bereit

Zu trauern - Trauer ja entstellt dich nicht -

Umkleide so dein Mitleid allerseit.

 

Dann schwör ich gern:  Schönheit sei schwarz sogar

Und alle schlecht die deiner Farbe bar.

 

 

 

CXXXIII

 

Weh übers Herz durch das mein Herz so klagt!

Es schafft mir und dem Freund so tiefe Pein.

Ist nicht genug dass es allein mich plagt?

Muss süsster Freund ein Knecht dem Knechttum sein?

 

Dein grausam Aug hat mich mir selbst entrissen,

Und mehr hast du mein nächstes Selbst beschwert -

Ich muss mich selbst und ihn und dich vermissen . . .

O Drillings-Qual wenn dreifach so versehrt!

 

Sperr ein mein Herz in deiner Stahlbrust Schacht,

Lass so mein arm Herz das des Freunds befrein.

Wer mich auch hält:  Mein Herz sei seines Wacht . . .

 

In meiner Haft kannst du nicht streng dann sein.

Und doch - du wirst es:  Denn ich häng an dir.

Dein muss ich sein mit allem was in mir.

 

 

 

CXXXIV

 

So hab ich zugestanden:  Er ist dein

Und ich bin selber deines Willens Pfand.

Ich will verwirkt sein . . .  Doch die andre Mein

Gib mir dafür zum Trost in meine Hand.

 

Doch wirst dus nicht und er will Freiheit nicht.

Denn du bist geizig und er gern bereit.

Er unterschrieb hier nur für mich aus Pflicht

Zu der fest bindenden Verbindlichkeit.

 

An deiner Schönheit Bürgschaft hältst du dich,

Habgierige, die nie ihr Hab lässt ruhn -

Belangst den Freund der Schuldner ward durch mich.

Ich verlier ihn durch mein unschönes Tun.

 

Verloren ist er mir:  Du hast uns zwei.

Er zahlt das Ganze, doch ich bin nicht frei.

 

 

 

CXXXV

 

Manche hat ihren Wunsch - du deinen Will

Und Will dazu und Will noch obendrein.

Ich überflüssig tu dir die Unbill

Bei deinem süssen Willen auch zu sein.

 

Lässt du nicht, mit dem Willen weit und groß,

Einmal in deinem meinen Willen ruhn?

Magst du genehmigen andrer Willen bloss

Und meinem Willen nicht die Ehr antun?

 

Die See ganz Wasser trägt den Regen still

Und hält, schon voll, den Zufluss noch für wert.

So, Willen-Reiche, füg zu deinem Will

Meinen der deinen grossen Will noch mehrt!

 

Die freundlich Bittenden verweis nicht schrill,

Nimm all für eins und mich im einen Will!

 

 

 

CXXXVI

 

Schilt deine Seele dich:  Ich käm zu nah,

So schwör der blinden Seel, ich sei dein Wille,

Und Wille, weiss sie, ist mit Rechten da.

Soweit, mein Lieb, mein Liebessehnen stille!

 

Will Will vollfüllen deiner Liebe Schatz.

So füll ihn voll mit Wills und sei ich einer.

Bei Dingen grossen Umfangs gilt der Satz:

In einer Zahl sieht einer aus wie keiner.

 

Bei deiner Güterzählung lass mich fern,

Doch unter deinen Schätzen dulde mich.

Sieh für ein Nichts mich an, siehst du nur gern

Dies Nichts als etwas Süsses an für dich.

 

Lieb meinen Namen nur, dann bin ist still!

Du liebst dann mich:  Mein Name ist ja Will.

 

 

 

CXXXVII

 

Du Liebe, blinder Narr, was schlägst du so

Mein Aug das schaut und sieht nicht was es sieht,

Das weiss wie Schönheit ist und sieht auch wo

Und doch das Beste aus dem Schlimmsten zieht?

 

Wenn Auge schlaff durch zu parteiische Schau

Anlegt am Strand zu dem sich jeder drängt,

Was hast du dann aus Auges Trug das Tau

Geknüpft dran meines Herzens Urteil hängt?

 

Soll denn mein Herz ansehn für Eigenflur

Was es erkannt als aller Welt Anteil?

Soll denn mein Aug dies Sehn und leugnen nur

Und holde Wahrheit streun aufs Haupt so feil?

 

Im Wahrsten fiel mein Herz und Aug in Trug -

Weshalb die falsche Seuche sie nun schlug.

 

 

 

CXXXVIII

 

Wenn meine Liebe schwört sie sei ganz wahr

So glaub ich ihr, erkenn ich auch den Lug.

Sie denke mich als Knaben Wissens bar

Und unbekannt mit Lebens feinem Trug.

 

So glaub ich eitlerweis, sie glaubt mich jung,

Weiss sie auch meine beste Zeit entrückt.

So trau ich ihrer lügen-redigen Zung . . .

Zweiseitig wird was einfach wahr erdrückt.

 

Doch was gesteht sie nicht ihr Unrecht ein?

Und was gesteh ich nicht wie alt ich war?

O beste Liebesart ist: Traun dem Schein . . .

Und liebend Alter hört nicht gern sein Jahr.

 

Drum lüg ich mit ihr und sie lügt mit mir

Und voller Schuld durch Lug sind glücklich wir.

 

 

 

CXXXIX

 

Heiss mich nicht suchen nach der Kränkung Grund

Die durch dein hartes Herz schwer auf mir ist.

Triff mich nicht mit dem Aug, nur mit dem Mund,

Üb Macht mit Macht, erschlag mich nicht durch List.

 

Sag, du liebst andre - doch für meine Sicht,

Lieb Herz, tu keine Seitenblicke mehr.

Was sehrest du mit Ränken:  Dein Gewicht

Ist mehr als stark für meine schwache Wehr.

 

Lass dich freisprechen, Lieb, ach du weisst gut:

Aus deinen holden Blicken kommt mir Krieg . . .

Drum wandtest du von mir der Feinde Wut

Damit ein andrer ihrem Schuss erlieg.

 

Doch tu das nicht!  Denn ich bin schon halb tot.

Mit Blicken morde schnell:  Lös meine Not!

 

 

 

CXL

 

Sei weise wie du grausam bist!  Nicht tritt

Mein schweigsam Dulden zu tief in den Kot

Dass nicht der Gram mir Wort leiht, das vertritt

Das Wesen meiner mitleidwürdigen Not.

 

Darf ich dich Weisheit lehren, hör den Rat:

Behaupt es, Liebe, liebst du mich auch nicht!

Wie mürrischem Kranken, wenn der Tod sich naht

Der Arzt von nichts als von Gesundheit spricht.

 

Sonst werd ich vielleicht aus Verzweiflung toll,

Bring gegen dich im Tollwahn Böses vor.

Heut ist schlimm-gläubige Welt so Übels voll

Und toller Lästerer findet tolles Ohr.

 

Dass dies nicht kommt, man dich nicht schmält, so leit

Dein Aug zu mir, schweift dein wild Herz auch weit.

 

 

 

CXLI

 

Ich liebe dich nicht mit den Augen, Traun!

Da sie in dir die tausend Fehler spähn.

Was mit Befriedigung lieb hält trotz dem Schaun:

Es ist mein Herz das liebt was sie verschmähn.

 

Mein Ohr hängt nicht an deiner Stimme Sange . . .

Kein Fühlen, Tasten - zart noch gar gemein -

Kein schmecken und kein Riechen das verlange

Nach einem Sinnen-Mahl mit dir allein.

 

Nicht meiner Sinne und Witze Fünfzahl kann

Ein närrisch Herz von seiner Fron befrein

Das haltlos lässt den Schein von einem Mann:

Für dein stolz Herz ein Sklav und Wicht zu sein . . .

 

Nur dass ich soweit meine Pein begrüsse

Dass sie die mich zur Sünde bringt mich büsse.

 

 

 

CXLII

 

Mein Fehl ist Liebe, deine Tugend Hass,

Hass meines Fehls erbaut auf frevler Liebe.

O miss an deinem meinen Unverlass:

Und du siehst nichts was vorzuwerfen bliebe.

 

Wenn aber doch, so nicht von deinem Mund

Der seinen Scharlach-Schmuck bedeckt mit Scham,

Und oft, gleich mir, schloss falschen Liebesbund,

Von andrer Bettgut sich den Zins entnahm.

 

Lass mich dich rechtlich lieben wie du sie

Um die dein Auge wirbt wie meins dich quält.

Pflanz Mitleid in dein Herz dass wenns gedieh

Dein Mitleid einst auf Mitleid-Finden zählt.

 

Wie leicht wenn du einst suchst was du verwehrst

Dass du durch Eigen-Beispiel dann entbehrst!

 

 

 

CXLIII

 

Sieh, wie ein sorgsam Hausweib rennt und fasst

Nach einem Stück entlaufnen Federviehs -

Sie sezt ihr Kleines hin, in schleuniger Hast

Eilt sie dem Ding nach und gern hätte sies.

 

Und ihr im Stich gelassen Kind folgt ihr

Und weint und hascht nach ihr die fangen muss

Mit emsiger Müh das vor ihr fliehende Tier

Und nicht bedenkt des armen Kinds Verdruss.

 

So rennst du hinter dem was flieht vor dir,

Ich bin dein Kleines das weit hinten blieb.

Doch fassest du dein Glück:  Kehr um zu mir

Und spiel die Mutter, küss mich und sei lieb.

 

So bet ich gern, es werde dir dein Will -

Kehr um nur, mach mein lautes Weinen still.

 

 

 

CXLIV

 

Zwei Lieben habe ich von Trost und Pein

Gleich zweien Geistern lenken sie mich ganz:

Der bessere Engel ist ein Mann hell fein,

Der schlimmere Geist ein Weib von düstrem Glanz.

 

Zur Hölle will mich ziehn das weiblich Böse,

Kirrt mir den bessern Engel von der Seit,

Wünscht zum Verderb, mein Heiliger sei der Böse,

Lockt schnöder Gierde seine Lauterkeit.

 

Und dass mein Engel sich verkehrt zum Feind

Vermut ich wohl, doch weiss ich nicht genau.

Da beide fern von mir, sich beide Freund,

Deucht mir der Engel ist des andren Klau.

 

Nur zweifl ich immer noch bis ich erkannt

Dass böser Geist den guten ausgebrannt.

 

 

 

CXLV

 

Die Lippe die der Liebe Hand

Erschuf haucht aus das Wort "ich hass"

Zu mir der sich vor Sehnsucht wand.

Sie aber sah mich kläglich blass

 

Und Mitleid flugs ins Herz ihr brach.

Das schalt die Zunge die nur süss

Von jeher mildes Urteil sprach

Und hiess sie:  "So wie früher grüss!"

 

"Ich hasse" daran fügt sie an

Was folgte wie der holde Tag

Der Nacht folgt die wie ein Satan

Nach Himmeln in der Hölle lag.

 

"Ich hass" und macht durch Hass den Strich

Und heilt mich durch das Wort: "nicht dich".

 

 

 

CXLVI

 

Arm Seel!  Du Mitte meiner sündigen Erde,

Erde voll Frevel-Kräften die dich hüllen:

Was trägst du Not und leidest drin Beschwerde

Um deine Aussenwand reich-bunt zu füllen?

 

Was wendest du bei also kurzer Pacht

So grosse Summe auf dein fallend Haus?

Wird einst der Wurm, der Erbe solcher Pracht,

Die Last auffressen, geht dein Leib so aus?

 

Dann, Seele, leb auf deines Knechts Verlust

Und lass die Müh, mach deine Hab nicht schwer . . .

Kauf Götter-Frist für Stunden voller Dust,

Speis innen dich und aussen glänz nicht mehr!

 

So speis am Tod der speist an jedermann . . .

Und Tod erst tot:  Kein Sterben gibt es dann.

 

 

 

CXLVII

 

Ich lebe wie ein Fiebernder der meist

Das wünscht was seine Krankheit unterhält,

Der was das Übel weiterführt verspeist

Und seiner matten kranken Lust gefällt.

 

Vernunft, die Ärztin meiner Liebe, war

Dem bös der sich nicht an die Vorschrift kehrt,

Verliess mich und mir Tollem wird nun klar:

Die Gier ist Tod die Arzenein verwehrt.

 

Mich heilt nichts mehr, Vernunft hilft ja nicht mehr,

Mir wütig-toll mit immer mehr Unrast -

Mein Wort und Plan gleicht dem des Narren sehr:

Aufs Gradwohl, fern von Wahrheit, hohl gefasst.

 

Ich schwor dich schön und hab dich licht gedacht

Und du bist wüst wie Hölle schwarz wie Nacht.

 

 

 

CXLVIII

 

Weh, hat mir Liebe Augen eingesteckt

Die nicht mit wahrer Schau zusammengehn?

Wenn nicht, wo hält sich mein Verstand verdeckt

Der falsch beurteilt was sie richtig sehn?

 

Ist schön worauf mein falsches Auge ruht,

Warum lässt Spruch der Welt es nicht so sein?

Ist es nicht schön, dann zeigt die Liebe gut:

Liebe sieht nicht so Treu wie jeder, nein,

 

Wie auch?  Wie säh der Liebe Auge Treu

Wenn es so schmerzt von Wache und von Zähre?

Kein Wunder also, wird mein Auge scheu!

Selbst Sonne sieht nicht bis die Luft sich kläre.

 

O Liebes-List, weinend hältst du mich blind,

Dass mein Klarblick nicht feil und schnöd dich find!

 

 

 

CXLIX

 

O Grausame, sagst du, ich lieb dich nicht,

Wenn ich mich gegen mich für dich verschrieb?

Und denk ich nicht an dich ganz im Verzicht

Aufs eigne Ich, ein Wütrich dir zu Lieb?

 

Wer ist dein Hasser der als Freund mir gilt?

Wen schliesst du von dir aus den ich umschleich?

Ja, schielst du auf mich:  Bin ich nicht gewillt

Zum Zorne auf mich selbst und Wehruf gleich?

 

Welch ein Verdienst halt ich in mir so wert

Dass allzustolz es deinen Dienst verschmäht?

Wenn all mein Bestes deinen Fehler ehrt

Und folgt wohin dein Augenwink mich lädt?

 

Doch, Liebe, hasse nur!  Die sehend sind

Die, merk ich nun, liebst du - und ich bin blind.

 

 

 

CL

 

Von welcher Kraft hast du die mächtige Kraft

Dass Unvollkommenheit mein Herz regiert,

Ich wahres Schaun bezeichn als lügenhaft

Und schwöre dass das Licht den Tag nicht ziert?

 

Woher nimmst du fürs Schlechte Wohlgestalt

Dass noch sogar im Abhub deiner Tat

Soviel Gewähr von Kunst ist und Gewalt,

Mein Geist dein Schlimm mehr als jed Gut bejaht?

 

Was ists das mich dich mehr zu lieben zwingt

Je mehr ich Grund zum Hassen hör und blick'?

Wenn meine Lieb auch Andren Abscheu bringt

Verabscheu nicht wie andre mein Geschick!

 

Wenn dein Unwert die Lieb erregt in mir

Bin ich mehr wert geliebt zu sein von dir.

 

 

 

CLI

 

Lieb' ist zu jung und kennt Gewissen nicht . . .

Doch heissts, Gewissen ist der Liebe Kind.

Drum, holde Trügerin, geh nicht vor Gericht

Wo man dein süss Selbst mit mir schuldig find'.

 

Denn du verrätst mich so wie ich verrate

Mein edler Teil an groben Leibes Trug.

In mir die Seele sagt zum Leib:  Im Staate

Prange die Liebe . . .  Fleisch bleibt nicht mehr klug,

 

Ja, steigt bei deinem Namen auf und zielt

Auf dich Siegpreis . . .  Geziert mit dieser Zier,

Freut es sich wenns dein armes Lasttier spielt,

In deiner Sache steht und fällt bei dir.

 

Nennt nicht gewissensleer ihn der lieb hält

Jene um deren Lieb' er steigt und fällt!

 

 

 

CLII

 

Dass ich, dich liebend, falsch schwur ist dir kund.

Doch du schwurst doppelt falsch, mir Liebe schwörend:

Brachst erst dein Bett-Gelübd, dann frischen Bund,

Gelobtest frischen Hass, erst frisch erhörend.

 

Doch wie an dir zweifachen Eidbruch rügen!

Brach ich doch zwanzig, tats an Falsch dir vor!

Ich der nur Schwüre sprach um dich zu trügen,

Und Treu und Glauben ganz in dich verlor.

 

Denn ich schwur tiefen Eid von deiner Lindheit,

Von deiner Liebe Stäte und Vertraun.

Dass du hell seist schlug ich das Aug mit Blindheit

Und hiess es schwören wider bessres Schaun.

 

Ich schwur dich schön, um so meineidiger nur

Dass wider Wahrheit ich so schnöde schwur.

 

 

 

CLIII

 

Amor lag neben seinem Brand und schlief.

Dianas Maid sah diesen Vorteil schnell

Und taucht sein lieb-entzündend Feuer tief

In dieser Gegend kalten Wiesenquell.

 

Der nahm von diesem heiligen Liebesbrand

Lebendige Hitze, und noch blieb die Spur.

Draus ward ein lindernd Bad, und darin fand

Der Mensch für seltne Krankheit schönste Kur.

 

Aus meiner Liebsten Aug nahm neuen Glast

Der Knabe der mich nicht erst sengen muss

Zur Probe - mich der, damit krank, als Gast

Trübselig herkam zum heilsamen Guss.

 

Ich fand kein Heil . . .  Das Bad das für mich tauge

Ist wo er neues Feuer nahm: Ihr Auge.