William Shakespeare

1564 – 1616           England

 

In Übersetzungen von

Ferdinand Adolph Gelbcke

 

 

I. (26)

 

Gebieter meiner Liebe, dem zu eigen

Sein groß Verdienst mich macht, ich sende Dir,

Nicht etwa meinen schwachen Witz zu zeigen,

Nur meine Ehrfurcht, diese Botschaft hier:

 

Die höchste Ehrfurcht, die mein Witz, der arme,

Dem es an Worten fehlt, so schlecht bekleid’t,

Daß nur die Hoffnung, Deine Seel’ erwarme

Des Nackten sich, mir Trost und Muth verleiht;

 

Bis daß ein günst’ger Stern den Schritt mir lenket,

- Er lächle mich mit gnädgem Strahle an! –

Und meiner nackten Lieb’ ein Prachtkleid schenket,

Daß Deiner Huld ich werth mich zeigen kann.

 

Dann darf ich laut mich meiner Liebe rühmen,

Bis dahin will Verborgenheit mir ziemen.

 

 

II. (1)

 

Sich fortzupflanzen ist der Schönsten Pflicht,

Damit der Schönheit Rose nimmer sterbe,

Und, wenn die reifre welkt, ihr süßes Licht

Erinnernd weiterstrahl’ ein zarter Erbe.

 

Doch Du, beschränkt auf Deiner Augen Schein,

Verzehrst Dich in des eignen Lichtes Flamme;

Wo Fülle herrscht, da führst du Mangel ein,

Bist feind Dir selbst, Dir selbst und Deinem Stamme.

 

Der Du die Welt jetzt schmückst mit frischem Reiz,

Als Herold nur des Lenzes Pracht verkündest,

Wie sehr verschwendest, Karger, Du durch Geiz,

Da Du nur mit Dir selber Dich verbündest!

 

Hab Mitleid mit der Welt, sonst wird zerstört

Durch Dich und durch das Grab, was ihr gehört.

 

 

III. (2)

 

Wenn vierzig Winter Deine Stirn befehden,

Laufgräben ziehn auf Deiner Schönheit Flur,

Ist Deiner Jugend stolz Gewand, das Jeden

Jetzt hoch entzückt, ein werthlos Fähnchen nur.

 

Früg’ man Dich dann, wo Deine Reize ruhten,

Der reiche Schatz, den einst die Jugend hob,

Und sprächst: „In meines hohlen Auges Gluten!“

’s wär ew’ge Schmach, verschwenderisches Lob.

 

Wie rühmlich dann, wenn Schönheit Zins getragen,

Und könntest sprechen: „Dies mein Kindlein hier

Wägt nun mein Alter auf mit jungen Tagen,“ –

In Schönheit strahlend, weil ein Sproß von Dir.

 

Das machte jung Dich, wärest Du gleich alt,

Und wärmte Dir das Blut, ränn’s noch so kalt.

 

 

IV. (3)

 

Schau dich im Spiegel, sag dem Angesicht:

Zeit sei es, daß es nicht ohn’ Abbild bleibe;

Denn Du begehst, erneust Du jetzt es nicht,

Raub an der Welt und Raub an einem Weibe

 

Wo ist die Schöne, deren bracher Schooß

Nicht willig sich von Dir bestellen ließe?

Wer wär so eitel, eigner Liebe bloß

Ein Grab, daß er nicht freudig Vater hieße?

 

Der eignen Mutter Spiegel bist Du: Ihr

Kannst Du der Jugend holden Mai erneuen;

So wird im Spiegel trüben Alters Dir

Das Bild der goldnen Zeit das Herz erfreuen.

 

Doch lebst Du, daß man Dein vergesse hier:

Stirb kinderlos, dann stirbt Dein Bild mit Dir.

 

 

V. (4)

 

Verschwendrin Anmuth! was vergeudest Du

An Dich allein das Erbtheil Deiner Reize?

Nichts schenkt Natur, nur Lehen theilt sie zu,

Großherzig selbst, will sie uns frei vom Geize.

 

Drum, schöner Geizhals, was mißbrauchst Du doch,

Was sie zum Geben reichlich Dir gegeben?

Unnützer Wucherer, was hilft’s, ob noch

So groß Dein Schatz, und kannst davon nicht leben?

 

Denn weil Du Wucher treibst mit Dir allein,

Betrügst Du selbst Dich um die eignen Werthe;

Wie sollte da der Abschluß günstig sein,

Wenn einst Natur ihr Recht von Dir begehrte?

 

Die ungenützte Schönheit stirbt mit Dir;

Genützt, vollzieht sie Deinen Willen hier.

 

 

VI. (5)

 

Dieselben Stunden, die so lieblich woben

Das holde Bild, das jedes Aug’ entzückt,

Sie werden als Tyrannen sich erproben,

Und es zerstören, wie sie’s erst geschmückt.

 

Denn, rastend nie, führt zu des Winters Schrecken

Die Zeit des Sommers Lust, und macht sie stumm;

Das Leben starrt, entkleidet sind die Hecken,

Schönheit verschneiet, Oed’ und Graus ringsum.

 

Und hätten wir nicht als Essenz gezogen

Den Duft des Sommers in krystallne Haft,

So wär die Schönheit ganz und gar entflogen,

Selbst die Erinnrung dran wär uns entrafft.

 

Doch aus dem Fläschchen raubt, was Lenz gewebt

Der Winter nicht; die Blume duftet – lebt.

 

 

VII. (6)

 

So laß nicht Deinen Sommer Dir verwüsten

Von Winters Hand, eh aufbewahrt Dein Duft!

Durchsüß’ ein Fläschlein, häuf’ in dem durchsüßten

Der Schönheit Schatz, der sonst verrinnt in Luft.

 

Das kann man nicht verbotnen Wucher heißen,

Ein Darlehn, das den Schuldner freut, wie Deins;

Laß Deinem Ich ein andres sich entreißen,

Eins, oder zehnmal besser, zehn für eins.

 

Zehnfach Du selbst in zehn geliebten Kindern,

So wärst Du zehnmal glücklicher als nun;

Was könnte fortzuleben Dich verhindern

In ihnen, was zuletzt der Tod Dir thun?

 

Folg’ gutem Rath! So Herrlichs darf nicht, nein

Des Todes Raub, der Würmer Erbtheil sein.

 

 

VIII. (7)

 

Sieh! wenn im Osten das holdsel’ge Licht

Sein Flammenaug’ erhebt, welch Hochentzücken

Aus jedem Aug bei seinem Anblick bricht,

Wie Alle Priesterdienst ihm thun mit Blicken!

 

Und klimmt’s den steilen Himmelsweg hinan,

Dem Jüngling gleich in frischer Kraft der Jahre,

So folgt ihm noch auf seiner goldnen Bahn

Der Blick, daß seine Schönheit er gewahre.

 

Doch schwankt es altersschwach von höchster Höh’

Auf müdem Wagen von dem Tage nieder,

Dann kehrt sich jeder Blick, voll Ehrfurcht eh’,

Von seiner Bahn nach andrer Richtung wieder.

 

So unbeachtet sinkst, vom Tage müd’,

Du hin und stirbst, wenn Dir kein Sproß erblüht.

 

 

IX. (8)

 

Du selbst Musik, was horchst Du ihr so grämlich?

Hold ist des Holden Freund, Des Frohen froh!

Was fliehst Du nicht, was Dir doch nicht annehmlich?

Und ist’s annehmlich, warum nimmst Du’s so?

 

Wenn süße, wohlgestimmte Töne, innig

Vermählt, Dein Ohr beleid’gen, schelten sie

Dich Unvermählten sanft, der eigensinnig

Nicht Grundton sein will schönrer Harmonie.

 

O, horch! wie holdgegattet Sait’ um Saite

Zum Wechselwohlklang in einander rauscht,

Wie Mann und Weib, ein Kindlein im Geleite,

Einklängig singen, daß man freudig lauscht.

 

Ihr wortlos Lied, vielstimmig, scheinbar eins,

Singt so zu Dir: „Du, unvermählt, bist keins.“

 

 

X. (9)

 

Ist’s deshalb, daß Du Hymens Wonnen meidest,

Damit kein Wittwenaug’ einst um Dich wein’?

Ach! wenn Du kinderlos von hinnen scheidest,

So klagt die Welt um Dich, und klagt allein.

 

Die Welt, Dein Wittib, wird dann immer weinen,

Daß nichts von Dir ihr blieb, da Tod Dich schied,

Wenn jede andre Wittwe in der Kleinen

Holdsel’gem Blick des Gatten Bildnis sieht.

 

Was Prassers Hand in dieser Welt verschwendet,

Das wechselt nur den Ort, doch bleibt’s der Welt,

Indeß verpraßte Schönheit hier schon endet,

Und, bleibt sie ungenutzt, in Nichts zerfällt.

 

Wer gegen sich so großen Frevel übt,

Der hat ein Herz, daß auch nicht Andre liebt.

 

 

XI. (10)

 

Ei, sag doch nicht: Du liebtest irgend Einen,

Du, der um sich sogar nie Sorge trug;

Du wirst geliebt, das kann ich nicht verneinen,

Doch Du liebst Niemand, das ist klar genug.

 

Denn so erfüllt bist Du von Haßgewalten,

Daß Du Dich selber wider Dich verschwörst,

Und Deiner Schönheit Bau, den zu erhalten

Du streben soltest, freventlich zerstörst.

 

Bedenke Dich, damit ich anders denke!

Soll schöner wohnen Haß als Liebe, sprich?

Sei mild und gut, wie Du erscheinst, und lenke

Den starren Sinn zur Milde gegen Dich.

 

Erschaff’ ein andres Ich, aus Lieb’ zu mir,

Daß Schönheit bleib’ im Deinen, bleib’ in Dir.

 

 

XII. (11)

 

Soviel Du schwindelst, soviel neuen Schoß

Treibt Dir Dein Kind aus dem, was von Dir scheidet.

Das Blut, das Deiner jungen Lend’ entfloß,

Dein magst Du#s nennen, wenn Dich Jugend meidet.

 

Darin liegt Weisheit, Schönheit, liegt Gewinn,

Darüberaus liegt Thorheit, Alter, Sterben.

Dächt’ Jeder so, dioe Zeit wär bald dahin,

In sechzig Jahren müßt’ die Welt verderben.

 

Laß, was Natur hart, rauh und häßlich schuf,

Was zukunftlos, vergehen ohne Segen;

Dem Schönsten gab sie schöneren Beruf,

Ihr Huldgeschenk sollst Du in Hulden pflegen.

 

Zu ihrem Stempel schnitt sie Dich und wollte,

Daß unter ihm ihr Bild fortleben sollte.

 

 

XIII. (12)

 

Zähl’ ich die Schläge, die die Zeit entbinden,

Seh’ ich en prächt’gen Tag in grause Nacht

Erlöschen, seh’ das Veilchen welkend schwinden

Und Silberschein auf schwarzer Locken Pracht;

 

Seh’ schlanke Bäume, die in Mittagsstunden

Die Heerden schatteten, entblättert nun,

Und Sommersaat, zu Garben eingebunden,

Mit struppig weißem Bart auf Bahren ruhn:

 

Dann denk’ ich Deiner Schönheit, ach! mit Trauern.

So wirst auch Du der Zeit nicht widerstehn,

Weil Reiz und Schönheit allzukurz nur dauern

Und schwinden, wie sie andre wachsen sehn.

 

Da ist kein Schutz, wenn ihre Sichel dräut,

Als den Dein Same, ihr zum Trotz, Dir beut.

 

 

XIV. (13)

 

Wenn Du Dir selbst gehörtest! Aber Dein

Bist Du nicht länger, als Du selbst hier lebest.

Dies sollte stets Dir gegenwärtig sein,

Damit Du Leben einem Andern gäbest.

 

Die Schönheit, die Du doch nur trägst als Lehn,

Wär dann ohn’ Heimfall; wärest Du vergangen,

So würdest Du im Sprößling auferstehn,

Wenn man ihn säh’ in Deinen Reizen prangen.

 

Wer läßt verfallen ein so schönes Haus,

Das gegen Winterstürme rauhes Walten

Und gegen eis’gen Todes Wuth und Graus

Ein guter Wirth in Ehren könnt’ erhalten?

 

Verschwender nur! Dir ward ein Vater, Lieb;

Was Du besaßest, Deinem Sohne gieb.

 

 

XV. (14)

 

Der Sterne Räthsel kann ich nicht ergründen,

Und doch versteh ich, was aus Sternen blinkt;

Nicht zwar um Glück und Unglück zu verkünden,

Seuch’, Hungersnoth und was das Jahr uns bringt;

 

Auch kann ich nicht vom Augenblicke sagen:

Der donnert, regnet, jener führt den Wind,

Noch Fürsten Kunde thun von künft’gen Tagen,

Die ihnen droben vorgezeichnet sind.

 

Nein! all mein Wissen stammt von dieser Erden:

In Deiner Augen Sternenpaar les’ ich,

Daß Treu und Schönheit stets gedeihen werden,

Wenn Du sie neidisch nicht behältst für Dich.

 

Sonst aber höre, was mein Wahrspruch droht:

Dein Tod ist auch der Treu und Schönheit Tod.

 

 

XVI. (15)

 

Bedenk’ ich, daß, was wächst, nur kurze Zeit

Sich in vollkommner Schöne mag erhalten;

Daß nichts als Schaugepräng die Bühne beut,

Die riesige, ob der die Sterne walten;

 

Seh’ ich die Menschen Pflanzen gleich erstehn,

Desselben Himmels Gunst und Ungunst leiden,

Erst stolz und voll im Saft, dann im Vergehn,

Bis sie nach kurzem Blühn vergessen scheiden;

 

Erwäg’ ich diesen Wandel, ach! so steht

Dein reiches Jugendbild vor meinen Blicken,

Wie sich die Zeit mit dem Verfall beräth,

Der Jugend Tag in Nacht Dir zu entrücken;

 

Und sie bekämpfend mit der Liebe Kraft,

Geb’ ich Dir wieder, was sie Dir entrafft.

 

 

XVII. (16)

 

Doch was bekämpfest Du mit schärfern Waffen

Die Zeit, die blutige Tyrannin, nicht?

Und schützest besser, was sie will entraffen,

Als schützen kann mein unfruchtbar Gedicht?

 

Du wandelst in des Daseins schönsten Tagen,

Der jungfräuliche Garten mancher Maid

Wünscht züchtig Lebensblumen Dir zu tragen,

Dir ähnlich, wie kein Maler conterfeit.

 

So sollte sich mit seinen eignen Zügen

Dies Leben malen, dessen Glanz und Werth

Zu schildern, alle Farben nicht genügen

Und dieser Griffel ach! der Kraft entbehrt.

 

Von eigner Hand gemalt, so wirst Du leben,

Und bleiben, wenn Du erst Dich hingegeben.

 

 

XVIII. (17)

 

Wer glaubte meinem Lied in künft’gen Tagen,

Erfüllt’ ich es mit Deinem höchsten Ruhm?

So ist’s ein Grab nur, laß mich’s offen sagen,

Von Dir, und zeigt nur halb Dein Eigenthum.

 

Könnt’ ich die Schönheit Deiner Augen malen,

Zahlloser Reize Zahl verkünden ganz,

Die Nachwelt spräch’: „Der Dichter lügt! so strahlen

Die Erdgebornen nicht im Himmelsglanz!“

 

Und diese Blätter, gelb vor Alter, litten

Gleich lügenhaft geschwätz’gen Greisen Spott,

Und all Dein Recht, es würde Dir bestritten

Als Dichterfabel, Flügelmährentrott.

 

Doch lebt’ Dir dann ein Kind, so lebtest zwier

Du fort: in ihm und meinem Liede hier.

 

 

XIX. (25)

 

Der Sterne Liebling mag sich hoher Ehren

Und stolzer Titel rühmen, während ich,

Dem Glückes Launen solchen Ruhm verwehren,

Des ungleich höhern Glücks erfreue mich.

 

Es spreizt der Fürstengünstling seine Blätter,

Der Ringelblume gleich im Sonnenschein,

Ein Grab dem eignen Stolz! Bei bösem Wetter

Wie schrumpft zu Nichts sein prächt’ger Schimmer ein.

 

Der tapfre Feldherr, Leucht’ und Stern dem Heere,

Nach tausend Siegen einmal nur besiegt,

Wird ausgestrichen aus dem Buch der Ehre,

Als hätt’ er nichts errungen, nichts erkriegt.

 

Wie glücklich ich, der liebt und wird geliebt,

Wo’s keine Untreu, keinen Wechsel giebt.

 

 

XX. (20)

 

Ein Frauenantlitz hast Du, das Natur

Selbst malte, Herr, Du Herrin meiner Seele!

Ein Herz wie Frauen, unerfahren nur

Im Flattersinn, der Frauen stetem Fehle;

 

Ein Auge, glänzender als ihrs, doch treu,

Das alles übergüldet im Beschauen,

Männliche Farb’, von solcher Art dabei,

Daß sie die Männer loben wie die Frauen.

 

Gewiß, Du warst zuerst bestimmt zum Weib,

Bissich Natur, Dich bildend, selbst verliebte,

Und mit Unnöth’gem schmückend Deinen Leib,

Durch diesen Schmuck an mir den Raub verübte..

 

Doch, schuf sie einmal Dich zur Lust der Schönen,

Gieb Deine Liebe mir, den Nießbrauch jenen.

 

 

XXI. (59)

 

War Alles, was jetzt neu ist, schon einmal,

Wie wird dann unser armes Hirn zum Thoren,

Wenn es mühselig, in Erfindungsqual,

Ein Kind gebiert, das früher schon geboren!

 

O! daß der Chronik rückgewandtes Aug’

- Fünfhundert Jahre thäten schon Genüge,

Seit Menschengeist erfand der Schrift Gebrauch, -

In altem Buch mir wiese Deine Züge.

 

Dann säh’ ich, was die Welt gedacht, und wie

Von Deiner schönerfundnen Bildung Wunder,

Ob wir entartet, gröbrer Bildung sie,

Ob sie gewesen so wie wir jetzunder.

 

Nein, sicherlich! ein früheres Jahrhundert

Hat minder Treffliches als Dich bewundert.

 

 

XXII. (106)

 

Les’ ich im Chronikbuch und seh das Bild

Der Schönheit alter Zeit so warm gemalt;

Das alte Lied vom Lob der Frauen mild,

Von edler Ritter Lob so licht durchstrahlt;

 

Seh’ ich, wie jene Zeit so herrlich pries

Der Schönheit Hort, Hand, Auge, Lipp’ und Stirn,

Dann mein’ ich, auch gelungen wär ihr dies:

Zu schildern Deiner Schönheit Glanzgestirn.

 

So ist ihr Lob ein Ahnen nur von Dir,

Nur eine Prophezeiung unsrer Zeit;

Sie sahn Dich blos im Geist, nicht so wie wir,

Und reichten nicht an Deine Herrlichkeit.

 

Uns, die wir Dich mit Augen sehn, uns fehlen

Die Zungen, Deine Ehre zu erzählen.

 

 

XXIII. (18)

 

Vergleich ich Dich mit einem Sommertage?

O, der ist nicht so lieb und mild wie Du.

In Stürmen schwankt die Maienros’ am Hage,

Dem frühen Ende eilt der Sommer zu.

 

Oft glüht zu heiß des Himmels Auge droben,

Noch öfter ist getrübt sein goldnes Licht:

Und alle Schönheit ist so zart gewoben,

Der Zeit, dem Zufall widersteht sie nicht.

 

Dein Sommer aber, ewig soll er dauern

Mit aller Schönheit, die Du ihm verdankst;

Tod sich nicht blähn, Du gingst in seinen Schauern,

Wenn du auf Liedern in die Zukunft rankst.

 

So lange Menschen leben, Augen schaun,

So lang lebt dies und gibt Dir Leben, traun!     

 

 

XXIV. (62)

 

Der Eigenliebe Laster fröhnt mein Auge,

Fröhnt meine Seel’ und was noch sonst an mir;

Kein Mittel giebt es, das dagegen tauge,

So eingewurzelt ist’s im Herzen mir.

 

Mir dünkt kein Antlitz holder als das meine,

Kein Wuchs gefäll’ger, wahrer keine Treu,

Den eignen Werth seh’ ich in solchem Scheine,

Daß ich mit Niemand mich zu messen scheu’.

 

Doch zeigt der Spiegel mir mein wahres wesen,

Verwittert und gegerbt vom Gerber Zeit,

Muß ich die Eigenlieb’ doch anders lesen:

Solch selbstgefällig selbst wär’ Albernheit.

 

Du bist’s (mein Selbst), daß mich so hoch entzückt,

’s ist Deine Schönheit, die mein Alter schmückt.

 

 

XXV. (22)

 

Vergeblich sagt mein Spiegel, ich sei alt,

So lange Du und Jugend Spielgenossen;

Doch seh’ ich einst an Dir der Zeit Gewalt,

Dann beb’ ich, daß auch meine Frist verflossen.

 

Denn alle Schönheit, so verliehen Dir,

Ist nur ein Kleid, mein Herz darein zu kleiden;

Das lebt in Deiner Brust, wie Deins in mir:

Wie wär’ ich denn der Aeltre von uns beiden?

 

Doch deshalb, Lieber, sei voll Acht auf Dich,

Wie ich es sein will Dein-, nicht meinetwegen,

Der ich Dein Herz will hüten sorgsamlich,

Wie Wärterinnen ihre Kindlein hegen.

 

Glaub’ nicht, Dir blieb’ ein Herz, wenn meines bricht;

Du gabst mir Deins, zurück erhältst Du’s nicht.

 

 

XXVI. (53)

 

Aus welchem Stoffe schuf Dich die Natur,

Daß Millionen Formen an Dir kleben?

Sonst hat doch jedes Wesen Eine nur,

Du ganz allein kannst jede Form Dir geben.

 

Adonis schildre, und alsbald steht da

Dein schwachgetroffen Bild zur Augenweide;

Mit Reizen schmück’ die Wang’ der Helena, -

Du bist es, hingemalt im griech’schen Kleide.

 

Vom Frühling, von des Jahres Fülle sprich:

Nur Deiner Schönheit Abglanz ist der Eine,

Die Andre zeigt als Deine Großmuth sich;

Was schön und herrlich ist, Du bist’s, ich meine.

 

Dein jede Schönheit, wessen sie auch sei!

Doch Du gleichst Keinem, Keiner Dir an Treu.

 

 

XXVII. (54)

 

O, wie viel schöner leuchtet Schönheit doch

Im Schmuck der Treu! Dem Aug’ ein lieblich Bild

Gewährt die Rose, aber werther noch

Wird sie uns durch den Duft, der ihr entquillt.

 

Nichts giebt die Hageros’ an Farbe nach

Der Schwester, deren Kelch von Düften fließt;

Sie hanget auch am Dorn, schwankt auch am Hag,

Wenn Hauch des Sommers ihre Knosp’ erschließt.

 

Doch all ihr Werth ist eitel Scheinen blos,

Sie lebet unbegehrt, welkt unbeacht’t;

Sie stirbt nur sich! Nicht so die süße Ros’,

Aus ihrem Tod wird Wohlgeruch gemacht.

 

So zieht mein Lied, verwelkt Dir Reiz und Jugend,

Daraus den Duft von Deiner Treu und Tugend.

 

 

XXVIII. (23)

 

So wie ein ungeübter Mime thut,

Der stockt und stammelt, wenn ihn Angst erschlafft;

Wie Einer, der im höchsten Grad der wuth

Ohnmächtig wird aus Übermaß von Kraft:

 

So ich, aus Angst, Du glaubst mir nicht, vergeß

Der Liebe ganz Brevier Dir kund zu thun,

Und scheine schwach an Kraft der Lieb’, indeß

Ich unter ihrer Wucht vergehe nun.

 

Laß meine Bücher denn der vollen Brust

Zwar stumme, doch beredte Redner sein;

Sie flehn um Lieb’ und Lohn, der Liebe Lust,

Mehr als der Mund, der vieles red’t darein.

 

Verstehen lern’, was stumme Liebe schrieb:

Mit Augen hören soll verständ’ge Lieb.

 

 

XXIX. (29)

 

Gefräß’ge Zeit! Des Löwen Tatze schleiße,

Laß Erd’ verschlingen ihre holde Brut;

Den scharfen Zahn aus Tigers Rachen reiße,

Den Phönix laß verglühn in seinem Blut;

 

Führ her des Jahres Wonn- und Wehezeiten,

Dem weiten All und seiner flüchtgen Zier

Magst Du, schnellfüß’ge Zeit, ihr Loos bereiten,

Nur eine Frevelthat verbiet’ ich Dir

 

Grab’ auf des Liebsten Stirn nicht Deine Zeichen,

Durchfurche sie mit Deinem Griffel nie,

Laß unberührt von Deines Rades Speichen

Den Kommenden als Schönheitsmuster sie.

 

Doch – wie Du willst! Ich lache Deinem Treiben,

Mein Lieb soll jung in meinen Liedern bleiben.

 

 

XXX. (60)

 

Wie Wellen zu dem Strande hin, so streben

Die Augenblicke ihrem Ende zu;

Es muß der eine Raum dem andern geben,

Denn alle drängen vorwärts ohne Ruh.

 

Was einmal von dem Lichte angeglommen,

Wächst allgemach heran zum vollen Licht,

Bis der Verdunklung finstre Schatten kommen,

Denn was die Zeit auch giebt, sie läßt es nicht.

 

Die Jugendblüthe wird sie wieder knicken,

Mit Runzeln überziehn der Schönheit Brau,

Sich nähren von der Schöpfung Meisterstücken,

Und alles mähen von des Lebens Au.

 

Und doch soll dieses Lied zu fernsten Tagen,

Der Zeit zum Trotze, Deinem Namen tragen.

 

 

XXXI. (64)

 

Seh’ ich der alten Gräber stolze Pracht

So grauam von der hand der Zeit verheert;

Der Thürme Bau der Erde gleich gemacht,

Selbst dauernd erz durch Menschenwuth versehrt;

 

Seh’ ich das Meer, wie es begierig nagt

Am festen Strande, seh’ des Festlands Reich,

Wie es des Wassers Reich zu schmälern wagt,

- Gewinn Verlust, Verlust Gewinn zugleich –

 

Seh’ ich die Ding’  im wechselnden Gewühl

Und was da ist, zum Untergang bestimmt:

So sagt mir des Verfalles Schmerzgefühl,

Daß mir die Zeit auch Dich, Geliebter nimmt.

 

Wie Tod ist der Gedank’, und ich muß trauern,

Daß ich besitze, was so kurz soll dauern. -

 

 

XXXII. (65)

 

Und kämpfen Erz und Stein, und Vest’ und Meer

Ohnmächtig gegen grimme Sterblichkeit,

Muß blumenzarte Schönheit nicht noch ehr

Sich beugen vor dem wilden Haß der Zeit?

 

O! wie soll denn der laue Sommerwind

Dem Wetter trotzen, das mit Stürmen ficht,

Wenn starre Felsen stark genug nicht sind,

Und erzne Thore selbst die Zeit zerbricht?

 

O schrecklicher Gedanke! Wer entzieht

das Kleinod aller Zeit dem Sarg der Zeit?

Wer hemmt mit starker Faust den Fuß, der flieht,

Wer schützt die Schönheit vor Vergänglichkeit?

 

O! Niemand, wenn dies Wunder unterbleibt,

Daß Dich verklärt, was schwarze Dinte schreibt.

 

 

XXXIII. (55)

 

Kein Marmor, keines Grabmals Pracht und Zier

Soll überdauern dies mein mächtig Lied!

Lauter verkünden soll’s den Ruhm von Dir,

Als Steine thun, die Moder überzieht.

 

Ob Säulen stürzt des Krieges wilde Wuth,

Ob Aufruhr der Paläste Bau zerstört,

Nicht der Bellona Schwert, nicht Feuers Glut

Vernicht’ es, da es Dein Gedächtnis ehrt.

 

Trotz Feindschaft, die vergessen will, trotz Tod

Fortlebe Du, und rühmlich strahl’ Dein Bild

Noch dem Geschlecht, an dem ich das Gebot,

Das schreckliche, des letzten Tags erfüllt.

 

Bis Du erstehst bei der Posaune Klange,

Leb’ in der Freunde Blick, leb’ im Gesange.

 

 

 

XXXIV. (78)

 

Bei meinen Versen rief ich Dich so oft

Als Muse an und freundlich halfst Du mir,

Daß nun ein jeder Deine Hülf’ erhofft

Und seine Kunst beschützen läßt von Dir.

 

Dem Stummen sagten Deine Augen: sing’!

Schwerfäll’ger Dummheit liehn sie leichtern Flug,

Befiedern gelehrter Dichter Schwing’

Und machten edler das, was schön genug.

 

Doch stolzer sei auf meiner Leier Spiel,

Der ich durch Dich nur bin und leb’ aus Dir:

Den andern Sängern hilfst Du wohl am Stil

Und zierst das Künstliche mit neuer Zier;

 

Doch mir, dem Rohen, der durch Deine Gunst

Erst singen lernte, bist du selbst die Kunst.

 

 

XXXV. (79)

 

So lang, als ich allein Dich anrief, trug

Mein Lieb allein auch Deiner Anmuth Zeichen.

Doch jetzt mißtönt die Leier, die ich schlug,

Und meine Muse mußte andern weichen.

 

Gewiß, der Federn giebt’s, die würd’ger sind

Dich zu besingen, Schönster, als die meine;

Doch was Dein Dichter auch von Dir ersinnt,

Dich plündert er und giebt Dir dann das Deine;

 

Verleiht Dir Tugend, aber stiehlt das Wort

Von Deinem Werthe; will Dir Schönheit schenken

Und nimmt sie erst von Deinen Wangen fort:

Nur was Du hast, sonst kann er Nichts erdenken.

 

Drum laß ihn singen, dank’ ihm nicht mit Huld,

Du zahlst Dir selbst, bezahlt er seine Schuld.

 

 

XXXVI. (80)

 

O! wie mir aller Muth fehlt, Dir zu singen,

Seitdem ich weiß, daß Dir ein Andrer singt,

Der meine Zunge will zum Schweigen bringen

Und so Dich preiset, daß es weithin klingt.

 

Doch Deine Huld (dem Weltmeer zu vergleichen)

Trägt kleine Schiffe, wie sie große trägt:

So darf mein Schifflein auch die Flut bestreichen,

So gut wie seines, das sich stolz bewegt.

 

Das seichte Wasser wird mich Kleinen tragen,

Indessen er ob Deine Tiefe kreist,

Ein werthlos Bootlein ich, gar leicht zerschlagen,

Ein stolz Gebäude er, das Jeder preist.

 

Nun – schwimm’ er stolz! und fall’ ich denn in Scheiter,

An meiner Liebe scheitert’ ich – was weiter!

 

 

XXXVII. (86)

 

War’s seiner großen Verse prächt’ger Troß,

Mit welchem er um Dich, mein Kleinod, warb,

Der all mein Denken im Gehirn verschloß,

So daß er schier im Mutterleibe starb?

 

War es sein Geist dem Geister zugesteckt

Geheimen Zauber, der mich stumm gemacht?

Nein, nicht sein Geist hat meinen Vers erschreckt,

Noch jene, die ihm halfen in der Nacht.

 

Nicht er, nicht jener Hausgeist, der voll Huld

Allnächtlich ihn mit seinem Wissen speist,

Rühm’ sich, daß er an meinem Schweigen schuld;

Ich habe keine Angst, vor keinem Geist.

 

Doch seit er Dich in seinen Versen hat,

Fehlt mir der Stoff, und meine wurden matt.

 

 

XXXVIII. (85)

 

Bescheiden stehet meine Mus’ und schweigt,

Indeß Dein Lob, so reichlich zugetheilt

Von goldnen Kielen, hoch und höher steigt

In Phrasen, die der Musen Hand gefeilt.

 

Ich denke gut, die Andern schreiben gut,

Und gleich dem Sakristane ruf’ ich Amen!

Nach jeder Hymne, welche kund mir thut

Den seinen Geist in wohlgefügtem Rahmen.

 

Wenn ich Dein Lob vernehm’, ist meine Red’:

„Ja, ja!“ und thu’ noch etwas zu von meinem;

Doch enk’ ich’s nur, denn meine Liebe steht

An Worten Jedem nach, an Glut nur Keinem.

 

So schätz’ die Andern um der Worte Hauch,

Um stummes Denken mich, - das redet auch.

 

 

XXXIX. (21)

 

So treib ich’s nicht, wie’s mancher Dichter treibt,

Den zum Gesang bemalte Schönheit drängt,

Vor dem der Himmel selbst nicht sicher bleibt,

Der, was nur schön, an seine Schöne hängt;

 

Der kühn Vergleiche macht mit Sonn’ und Mond,

Der in es Meers, der Erde schätzen wühlt,

Der nicht des Maien Erstling, nichts verschont,

Was Himmelsluft auf dieser erd umspült.

 

Laßt wahr mich sein in Lieb’ und im Gedicht,

Dann aber glaubt: mein Lieb ist hold und schön,

Wie irgend Einer, doch so glänzend nicht

Als Sonne, Mond und Stern in Himmelshöhn.

 

Mag mehr betheuern, wer zu lügen denkt;

Ich prahle nicht, damit man Glauben schenkt.

 

 

XL. (83)

 

Daß Deine Schönheit noch der Schmink’ entbehrte,

Bemerkt’ ich nie, drum strich ich sie nicht an;

Ich fand – ich glaubte – unter Deinem Werte

Sei alles, was ein Dichter bieten kann.

 

So war ich schläfrig denn in Deinem Lobe,

Damit Du durch Dich selber Zeugniß gäbst,

Wie schwach sich jeder Stil an Dir erprobe,

Der Du Dich über jedes Lob erhebst.

 

Nun willst Du meines schweigens wegen grollen,

Das doch der beste Ruhm ist, den ich hab’.

Die Schönheit kränkt’ ich nicht; die Andern wollen

Ihr Leben leihn und schaufeln nur ihr Grab.

 

Mehr lebt in einem Deiner Augenlichter,

Als preisen können Deine beiden Dichter.

 

 

XLI. (84)

 

Wer sagt am meisten? Wer lobt mehr als ich,

Indem ich sage: Du bist Du allein?

Darin liegt alles, und es fraget sich

Nur noch, wer soll nach Dir gemessen sein.

 

Der Griffel wäre doch zu arm fürwahr,

Der seinen Stoff nicht etwas schmücken könnt’:

Doch wer von Dir erzählt und schildert wahr,

Hat seinem Werk den schönsten Ruhm gegönnt.

 

Copieren soll er Deines Wesens Schrift,

Nicht decken, was Natur so licht erschuf,

Und wenn er dann nur gut die Züge trifft,

So kommt sein Stil zu wohlverdientem Ruf.

 

Du selbst nur wahst nicht Deines Heiligthumes:

Läßt rühmen Dich auf Kosten Deines Ruhmes.

 

 

XLII. (82)

 

Du bist ja meiner Muse nicht vermählt,

So steht Dir frei mit Gnadenblick zu lohnen

Die Dichter, die zum Thema Dich erwählt,

Die Dichter und die Dedicationen:

 

Denn reich an Schönheit, reicher an Verstand,

Erwogest Du, Dein Lob so recht zu feiern

Sei ich zu schwach, und hast den Blick gewandt

Auf jüngres Volk, auf modischere Leiern.

 

Warum auch nicht! Doch wenn erschöpft sie haben

Den Bombast der Rhetorik, möge dann

Ein wahrhaft Wort Dich wahrhaft Schönen laben,

So wie ein wahrer Freund es reden kann.

 

Die grobe Schminke paßt doch nur für Wangen,

Die blutlos sind, - die Deinen aber prangen.

 

 

XLIII. (52)

 

Und überlebst Du jenen guten Tag,

Da Tod mit Staub wird decken mein Gebein;

Und fällt Dein blick, wie doch geschehen mag,

Auf diese Freundeslieder, arm und klein:

 

Vergleiche sie mit dem, was dann in Gunst,

Und findest Du, man singe besser ann,

Schau dennoch meiner Lieb’, nicht ihrer Kunst,

Der übertroffen, wegen hold sie an;

 

Und denke liebend: Wär’ zur Kraft gelangt

des Freundes Muse, die dies Lied mir beut,

Ich hätte schönres seiner Lieb’ verdankt,

Das dann mit keinem den Vergleich gescheut.

 

Er starb, und die die Kunst nun besser pflegen,

Les’ ich des Stils, ihn seiner Liebe wegen.

 

 

XLIV. (38)

 

Wie könnt’ es meiner Mus’ an Stoff gebrechen,

So lang Du athmest und in mein Gedicht

Den schönen Inhalt trägst, den auszusprechen

Dem schlichten Blatt die rechte Kraft gebricht

 

Dir selber danke, wenn Dir werth zu lesen

Erscheinet, was ich schreibe, Dir allein.

Wo wäre, sag’ doch, ein so schweigsam Wesen,

Das schwiege, giebst Du ihm Gedenken ein?

 

Du zehnte Muse, zehnmal höh’r an ehren

Als der Poeten Trost, die alten neun!

Wer zu Dir ruft, den wolle Du erhöhren,

Gieb Lieder ihm, die Tod und Grab nicht scheun.

 

Wenn mein Gesang den Kennern heut gefällt,

Sei mein die Müh’, doch Dein das Lob der Welt.

 

 

XLV. (29)

 

Wenn Glück und Menschen ihre Gunst versagen,

Bewein’ ich still für mich mein schlimm Geschick,

Zum tauben Himmel send’ ich eitle Klagen,

Betrachte mich und fluche meinem Glück.

 

Möcht’ reich an Hoffnung sein, wie ach! so Viele,

Ihr Antlitz haben, ihrer Freunde Zahl,

Dort jenes Mannes Kunst und Jenes Ziele,

Was mich zumeist gefreut, wird mir zur Qual.

 

Doch wenn mich so die Selbstverachtung beuget

Und denke Dein – da, wie vom Dämmerschooß

Der Erde morgens auf die Lerche steiget,

Singt Hymnen an des Himmels Thor mein Loos.

 

Denn Deiner Lieb’ Erinnrung bringt mir Schätze,

Daß ich mein Loos hoch über jedes setze.

 

 

XLVI. (30)

 

Wenn sich der Seele träumerisches Sinnen

Erinnernd wendet zur Vergangenheit,

Seh’ ich Ersehntes noch einmal zerrinnen,

Klag’ alte Klag’ um den Verlust der Zeit.

 

Dann fließt mein Auge, ungewohnt der Thränen,

Den Freunden, die des Todes Nacht umhüllt,

Dann wein’ ich frisch der Lieb’ erstrbnes Sehnen,

Beseufze Hoffnung, die sich nicht erfüllt.

 

Dann kann ich Leid um alte Leiden tragen,

Und, traurig überzählend Weh für Weh

Die trübe Rechnung längst geklagter Klagen,

Tilg’ ich noch einmal, was getilgt ich eh’.

 

Doch denk’ ich Dein, so schwindet alles Leid

Und wieder hab’ ich, was geraubt die Zeit.

 

 

XLVII. (31)

 

Dein Busen ist mir aller Herzen Schrein,

Die ich verlor und die ich todt geglaubt;

Da thront die Lieb’ in Herrlichkeit allein,

Lebt jeder Freund, den mir das Grab geraubt.

 

Manch heil’ge Zähre gossen Lieb’ und Treu’

Aus meinem Aug’ auf der Geliebten Sarg

Als Todtenzins! Ich ahnte nicht dabei,

Daß unverloren mir Dein Herz sie barg.

 

Begrabne Liebe lebt in Dir, dem Grab,

Umweht von der Gestorbnen Trophän;

Ihr Theil an mir, sie gaben Dir es ab,

Statt ihnen, muß ich Dir zu Pflichten stehn.

 

Der Theuren Bildniß seh’ ich nur in Dir,

Und Du (ganz sie) hast alle Macht ob mir.

 

 

XLVIII. (37)

 

Wie sich ein altersschwacher Vater mag

Am frishen Thun des rüst’gen Kindes freuen,

Schöpf’ ich, gelähmet von des Schicksals Schlag,

All meinen Trost aus Deiner Würd’ und Treuen.

 

Denn ob auch Adel, Schönheit, Reichthum, Witz,

Ob eins davon, ob alle oder mehre

Dich auserwählt zu ihrer Herrschaft Sitz,

Es fällt ein Schein auf mich von Deiner Ehre.

 

So bin ich lahm, verachtet, dürftig nicht,

Denn dieser Schein verleiht mir solches Wesen,

Das mir, so lange Du reich, nichts gebricht,

Und ich an Deinem Ruhme darf genesen.

 

Das Beste wähl’, das Beste wünsch’ ich Dir,

Ich wünsch’ es ja zum eignen Heile mir.

 

 

XLIX. (104)

 

Für mich, geliebter Freund, wirst Du nicht alt;

So schön Du warst, als ich zuerst Dich fand,

Scheinst Du noch immer. Dreimal ward dem Wald

Das Sommerlaub entpflückt von Winters Hand;

 

Drei holde Lenze wandelte das Jahr

In gelben Herbst, der heiße Junimond

Versengte dreimal, was April gebar,

Seit ich Dich blühen seh’, - Du bliebst verschont.

 

Ach, - doch unmerklich wie der Schatten auf

Der Sonnenuhr, stiehlt Schönheit weiter sich:

Auch Deine stehet wohl nicht still im Lauf

Und schwindet, nur bemerkst mein Aug’ es nicht.

 

Drum Nachwelt höre dies: Eh’ Du geboren,

Fand Schönheit schon den Tod, der ihr geschworen.

 

 

L. (126)

 

Du holder Jüngling, der in seine Macht

So Hipp’ als Spiegelglas der Zeit gebracht,

Der wuchs im Schwinden und im Wachsen zeigt,

Wie Andre schwinden, die ihm hold geneigt:

 

Wenn die Natur, die Herrscherin der Welt,

Im Fürderschein Dich zurückbehält,

So thut sie’s nur, zu zeigen ihr Geschick,

Der Zeit zur Schmach, zum Leid dem Augenblick.

 

Doch fürchte sie, Du Schoßkind ihrer Freude!

Sie hält Dich noch, doch endlich heißt es, scheide!

Die Rechnung, ob auch spät, will Tilgung haben,

Und diese ist: sie werden Dich begraben.

 

 

LI. (39)

 

Wie kann ich Deinen Werth mit Züchten singen,

Da Du doch nur der beßre Theil von mir?

Was kann mein eignes Lob mir selber bringen,

Und ist’s nicht meines, sing’ ich Deines Dir?

 

Ja, darum schon laß uns geschieden leben,

Daß unsre Lieb’ nicht gelt’ als Eine mehr,

Und ich, getrennt, Dir ohne Scheu kann geben,

Was Dir allein gebühret, Preis und Ehr’.

 

O Trennung! Grausam wären Deine Qualen,

Gestattete nicht Deine Trauerfrist,

Die Zeit mit Liebsgedanken heim zu zahlen,

Wobei die seele Zeit und sich vergißt;

 

Lehrtest Du nicht, wie man den Einen theilt,

Indem man hier ihn preist, der dort verweilt.

 

 

LII. (36)

 

Laß mich’s gestehn, wir beide sind doch zwei,

Trotz unsrer Lieb’, die einzig ist und eine!

Wieviel des Makels immer an mir sei,

Er bleibe mir, ich trag’ ihn ganz alleine.

 

Ja, unsre Lieb’ ist einig, treu und gut,

Doch trennt ein böser Zwiespalt unser Leben,

Der zwar der Liebe selbst nicht Eintrag thut,

Doch Wonnen raubt, die Liebe könnte geben.

 

Nicht immer laut bekennen darf ich Dich,

Du müßtest Dich des Schuldbewußten schämen;

Nicht immer offen ehren darfst Du mich,

Du würdest Dir die eigne Ehre nehmen.

 

Das thue nicht! Wie meine Liebe Dein,

Bist Du und ist Dein guter Name mein.

 

 

 

LIII. (50)

 

Ich ziehe meines Wegs ohn’ Drang und Hast,

Denn was ich suche (leid’ger Wallfahrt End’),

Spricht doch zu mir aus aller Ruh und Rast:

„Soweit nun bist Du, ach! von ihr getrennt!“ –

 

Mein müdes Roß, von meinem Leide matt,

Trägt langsam nur die schwere Last in mir;

Es weiß wohl aus Instinkt, sein Reiter hat

Nicht eile, zu entfernen sich von Dir.

 

Der blut’ge Sporen treibt’s nicht schneller an,

Den manchmal in die Weich’ ihm wirft der Zorn;

Nur dumpfes Stöhnen ist die Antwort dann,

Schmerzhafter mir, als seiner Weich’ der Sporn.

 

Denn stöhnt es so, werd’ ich mir klar bewußt:

Vor mir liegt Leid und hinter mir die Lust.

 

 

LIV. (51)

 

Und so entschuldigt Lieb’ die Langsamkeit

Des trägen Rosses, wenn ich von Dir ziehe;

Denn warum Eile? Damit hat es Zeit!

Ja, kehr’ ich erst zurück, dann fliehe, fliehe!

 

Wie aber dann, mein Rösselein, wie dann,

Wenn mir zu langsam selbst das schnellste Eilen?

Ich trieb’ alsdann den Wind mit Sporen an

Und wähnt’, ob ich auch flöge, doch zu weilen.

 

Dann hält kein Roß mit der Begierde Schritt,

Drum soll Begier (der echten Liebe Sproß),

Nichts träges Fleisch beschleun’gen meinen Ritt.

Doch Lieb’ aus Lieb’ entschuldigt so das Roß

 

Hinweg von Dir, da mocht’ es sich verschnaufen,

Zu Dir, eil’ ich voran, und – laß es laufen.

 

 

LV. (113)

 

Entfernt von Dir, trag’ ich mein Aug’ im Geist,

Und jenes andre, das den Schritt mir lenkt,

Ist außer Dienst gesetzt; als blind erweist

es sich selbst da, wo es zu sehen denkt.

 

Hier in mein Herz trägt es kein Bild hinein

Von Vogel, Blüth’ und Menschenangesicht;

Es sieht der Dinge Wechsel wohl, allein

Der Geist erfaßt die Form der Dinge nicht.

 

Denn was das Auge nur erblicken mag,

Wie reizend es auch sei, wie widerlich,

Taub’ oder Kräh’, Berg, See, Nacht oder Tag,

Der  Geist formt es nach Dir und sieht nur Dich.

 

Er kann nicht anders: ganz erfüllt von Dir,

Macht seine Treu das Auge treulos mir.

 

 

LVI. (114)

 

Wie? Trinkt etwa mein Geist, gekrönt mit Dir,

Sich satt am Herrschergift der Schmeichelei?

Wie? oder sagt mein Auge Wahrheit mir,

Und lehrt nur Deine Lieb’ ihm Zauberei,

 

Daß es aus Ungeheu’r und wüstem Trumm

Sich Engel bildet, hold wie Du und mild,

Und schafft das Häßlichste zum Schönsten um,

Sobald es nur erfaßt der Dinge Bild?

 

Ach ja, in meinem Sehn ist Schmeichelei,

Die schlürft mein Geist gleich einem König ein;

Mein Auge, wissend, was ihm mundrecht sei,

Mischt ihm den Trank nach seinem Gaumen fein.

 

Ist Gift darin, so wird die Schuld geringer,

Da es mein Auge liebt und macht den Bringer.

 

 

LVII. (27)

 

Erschöpft von Mühsal sink’ ich auf mein Bett,

Der theuren Ruhstatt reisemüder Glieder;

Doch nicht des Tagwerks Mühen bin ich wett,

Nun schafft der Geist, liegt schon der Leib darnieder.

 

Denn die Gedanken wandern, neu erwacht,

Fernhin zu Dir; die müden Augenlider

Stehn fest gebannt, und in die finstre Nacht,

Nach Art der Blinden, starrt mein Auge wieder;

 

Nur daß der Seele zauberisch Gesicht

Vor meinen blöden Blick Dein Antlitz stellet,

Das, wie ein Edelstein, mit süßem Licht

Die Nacht verschönt und wunderbar erhellet.

 

Sodaß mein Geist bei Nacht; mein Leib bei Tag

Um Dich, um mich nicht Ruhe finden mag.

 

 

LVIII. (28)

 

Wie soll ich da zu Glück und Freude kommen,

Wenn mich der Ruhe Wohlthat nie beglückt,

Des Tages Last mir nie wird abgenommen,

Der Tag die Nacht, die Nacht den Tag bedrückt?

 

Wenn beide, sonst in Allem sich entgegen,

Doch einig sind, gilt’s Qual zu schaffen mir,

Durch Mühsal der und jene durch Erwägen,

Daß alle Müh’ mich mehr entfernt von Dir.

 

Ich schmeichle wohl dem Tag, wenn Wolkenmassen

Ihn dämpfen, Du seist licht und zierest ihn;

Der schwarzen Nacht, wenn ihre Stern erblassen,

Du seist der Stern, der golden immer schien’:

 

Doch spinnt der Tag die Sorge täglich länger,

Doch macht die Nacht mir nächtlich bang und bänger.

 

 

LIX. (43)

 

Geschlossen erst erschließt mein Auge sich;

So lang es Tag, gewahrt’s die Dinge kaum,

Doch wenn ich schlummre, blickt’s im Traum auf Dich,

Und strahlend dringt es durch den dunklen Raum.

 

Du, deren Schatten jede Nacht verklärt,

Wie müßt’ den hellen Tag Dein Urbild erst

Verklären, Glanz mit hellrem Glanz genährt,

Da Du selbst Blinde Schatten sehen lehrst!

 

Wie selig wären meine Augen gar,

Wenn sie Dich sähn von lichtem Tag umstrahlt,

Da schon den schlummermüden Blicken klar

In tiefer Nacht Dein Schattenbild sich malt.

 

Nacht ist der hellste Tag, bis Du Dich zeigst;

Taghell die Nacht, wenn Du dem Traum entsteigst.

 

 

LX. (61)

 

Ist es Dein Wille, daß die müden Lider

Mir offen halt’ in dunkler Nacht Dein Bild?

Daß mich der Schlummer flieht und immer wieder

Sich Schatten nahn, in Deine Form gehüllt?

 

Ist es Dein Geist, den Du so fernher sendest,

Weitab von Dir, daß er mein Thun erspäh’,

Damit Du mich recht tadelnswerth erfändest

Und er, was Eifersucht Dir zuraunt, säh’?

 

Ach nein! So groß ist Deine Liebe nimmer.

Um Ruh und Schlaf bringt meine Liebe mich,

Die eigne, treue Liebe nur, die immer

Den Schlummer scheuchet, immer wacht um Dich.

 

Um Dich! Und unterdessen wachst Du da,

Von mir entfernt, ach! Andern nur zu nah.

 

 

LXI. (48)

 

Wie peinlich war ich! alles schloß ich ein,

Das Kleinste selber, wenn ich ging auf Reisen;

Vor Diebeshänden sollt’ es sicher sein,

Mir unverloren hinter Holz und Eisen.

 

Und Dich, Du köstlicher als all mein Gut,

Mein höchstes Glück, mein Leid jetzt, kaum zu fassen,

Dich meine Sorge, Dich mein Herzensblut,

Dich konnt’ ich jedem Dieb zum Raube lassen!

 

Dich schloß ich, ach! in keine Lade ein,

Als hier in meines Herzens holde Lade,

Wo Du nicht bist, - und fühle doch Dich sein –

Zu der, von der Du wandelst freie Pfade.

 

Und selber da, so fürcht’ ich, stiehlt man Dich.

Um solchen Preis macht Treu zum Diebe sich.

 

 

LXII. (44)

 

Wär’ meines Leibes träger Stoff Gedanke,

Dann hielte mich Entfernung nicht zurück,

Ich eilte, überfliegend jede Schranke

Und jeden Raum, vor Deines Auges Blick.

 

Gleichgültig wär’ es, wo ich mich befände,

Denn über Länder, über Meere fort

Schwingt von der erde allerfernstem Ende

Sich der Gedanke hin an jeden Ort.

 

O weh! zu denken, daß ich nicht Gedanke

Und nicht Dir folgen kann; daß ich aus Erd’

Und Wasser ganz an grober Mischung kranke

Und harren muß, bis Zeit mir Trost gewährt:

 

Da träg die Elemente nichts gewähren,

Als jedes Leides Merkmal, - bittre Zähren.

 

 

LXIII. (45)

 

Die andern beide, Luft und Feuer, weilen

In Deiner Nähe, wo ich immer bin;

Gedanke und Verlangen, beide eilen,

Nicht an den Raum gebunden, leicht dahin.

 

Wenn so zu Dir auf Liebeswegen wandern

Die flücht’gern Elemente, dann erstarrt,

Allein gelassen mit den beiden andern,

Zum Tod mein Leben, das aus vieren ward;

 

Bis sich die Mischungen von Neuem binden,

Wenn heim von Dir die leichten Boten gehn,

- Wie eben jetzt – und mir das Wort verkünden,

Das theure Wort von Deinem Wohlergehn.

 

Froh hör’ ich’s, doch zurück send’ ich die Boten

Sogleich und zähle wieder zu den Todten

 

 

LXIV. (52)

 

Dem Reichen gleich’ ich, dem sein Schlüssel leicht

Den Schatz erschließt in wohlverschloßner Truh,

Der aber nicht allstündlich zu ihm schleicht,

Damit die seltne schau ihm wohler thu.

 

Das giebt den Festen erst die wahre Pracht,

Daß sie im Jahre nicht zu eng gereiht,

Nein, dünn gesäet sind, wie der Smaragd,

Saphyr und Diamant im Halsgeschmeid.

 

So macht’s die Zeit, die Dich als Truh verschließt,

Als Lad’, in der ein schön Gewand verwahrt,

Daß reichre Lust dem Augenblick entsprießt,

Wenn ihren Schatz sie neu mir offenbart.

 

Gesegnet sei mir Schatz, denn Du giebst immer:

Besessen – Glück, entbehret – Hoffnungsschimmer.

 

 

LXV. (24)

 

Mein Aug’, als Maler, stahl Dein Conterfei

Und malt’ es hin in meines Herzens Tiefe;

Als Rahmen dienet ihm mein Leib dabei

Und beste Malerkunst ist Perspective.

 

Durch mich, den Maler selber, mußt Du schaun,

Willst Du die Züge Deines Bildes sehn;

Da hängt’s in meines Busens Werkstatt, traun!

Zu der, als Fenster, Deine Augen gehen.

 

Nun sieh, wie gut es Aug’ mit Auge meint:

Das meine malet Dich, die Deinen dienen

Als Fenster meiner Brust, und lieblich scheint

Die Sonn’ hindurch, und fällt auf Deine Mienen.

 

Doch Augen sind nur Pfuscher, - sie verstehn

Von Herzen nichts, sie malen, was sie sehn.

 

 

LXVI. (46)

 

Auf Tod und Leben kämpfen Aug’ und Herz,

Wie sie die Beute Deines Anblicks theilen.

Dein Bild zu schaun, mißgönt dem Aug’ des Herz,

Das Herz – will Auge – soll bei Dir nicht weilen.

 

Mein Herz besteht darauf, Du lägst in ihm

(Dem stilen Ort, dahin nie Augen drangen);

Der Gegner leugnet das mit Ungetüm

Und spricht: er hätt’ Dein Bildniß angefangen.

 

Den Streit zu schlichten, tritt zusammen die

Gedankenjury, lauter Herzinsassen,

Und klärlich durch Verdikt entscheiden sie,

Was Aug’ dem Herzen, dieses dem muß lassen;

 

Das nämlich. Aug’ erhält Dein äußres Bild,

Das Herz die Liebe, die Dein Herz erfüllt.

 

 

LXVII. (47)

 

Mein Auge und mein Herz vertrugen sich

Und nun hilft eins dem andern, wie sich’s schickt.

Wenn’s Auge lechzt nach einem Blick auf Dich,

Das Herz in Liebesseufzern fast erstickt:

 

So sättigt sich das Aug’ an Deinem Bild

Und lädt das Herz zu dem gemalten Mahl,

Und mit Gedanken seiner Lieb’ vergilt

Das Herz die Gastlichkeit ein andermal.

 

Drum weile noch so frn, Du bleibest nah

Durch Deine Liebe, durch Dein Bildniß mir;

Wohin Du gehest, mein Gedank’ ist da,

Und ich bei ihm, und wieder er bei Dir.

 

Und ruht er, dann erweckt mein Herz das Bild,

Dem Herzenswonn’ und Augenlust entquillt.

 

 

LXVIII. (144)

 

Zwiefacher Liebe Lust und Leid ich trag’

Und zweier Geister Walten fühl’ ich immer.

Der gute ist ein Mann, schön wie der Tag,

Der bös’ ein Weib von düstrem Schein und Schimmer.

 

Zur Hölle mich zu treiben, lockt das Weib

Den guten Engel fort von mir, und möchte

Dem Heiligen verderben Seel’ und Leib

Mit ihrer schnöden Buhlerei, die Schlechte!

 

und ob mein Engel gram mir ward und feind,

Nicht sagen kann ich’s, fühle nur ein Bangen;

mich flohen beide, beide sind vereint,

Liegt jener in des andern Höll’ gefangen?

 

Eh’ werd ich’s nicht ergründen, bis den guten

Der böse Geist verjagt mit Höllengluten.

 

 

LXIX. (33)

 

Wie oft sah ich die Morgensonne kosen

Um Bergeshöhn mit Blicken klar und hold,

Die Triften küssen mit des Mundes Rosen,

Den bleichen Strom durchglühn mit Himmelsgold;

 

Dann plötzlich dulden, daß die Wolkenflecken

Ihr Angesicht entstellten freventlich,

und durften sie der armen Welt verstecken,

Indeß sie traurig fort nach Westen schlich.

 

So hat auch meine Sonn’ am frühen Morgen

Auf mich herabgestrahlt mit Siegesglanz,

Ach! eine Stunde nur. O weh der Sorgen!

Nun ist sie mir verhüllt von Wolken ganz.

 

Doch Liebe trägt’s; kann Sonne trübe werden

Am Himmel, können’s Sonnen auch auf erden.

 

 

LXX. (34)

 

Warum versprachst Du einen schönen Tag,

Sodaß ich ohne Mantel ging von Haus,

Und sandtest dann mir böse Wolken nach,

Bargst Deine Prahlerei in Nebelgraus?

 

Daß Du durch Wolken brichst und mein Gesicht,

Das nasse, trocknest, acht’ ich nicht für Glimpf;

Wahrhaftig! solche salbe lobt man nicht,

Die nur die Wunde heilt und nicht den Schimpf.

 

Auch lindert meinen Schmerz nicht Deine Scham;

Du magst bereun, den Schaden hab ich doch.

Was leid thun! Das befreit nicht den vom Gram,

Der seufzet unter der Beleid’gung Joch.

 

Und doch – die Perlen Deiner Augen zahlen

Mir tausendfache Pön für meine Qualen.

 

 

LXXI. (35)

 

Genug der Reu’! Was Du gethan, vergiß!

Die Ros’ hat Dornen, Schlamm die Silberflut,

Auch Sonn’ und Mond deckt Wolk und Finsterniß

In schönster Knospe wohnt des Wurmes Brut.

 

Ein Jeder fehlt, zum Beispiel ich, die jetzt

Beschöne durch Vergleiche Dein Vergehn,

Und thu’, als hättest Du mich kaum verletzt,

Ja mehr entschuld’gen möchte, als geschehn.

 

Dem unbesonn’nen Thun verleih’ ich Sinn,

Dein Gegner, werd’ ich selbst Dein Advokat,

Führ’ gegen mich den Strafproceß und bin

So irr in Lieb’ und Haß, daß in der That

 

Ich zur Mitschuldigen mich umgewandelt

Des süßen Räubers, der mich so mißhandelt.

 

 

 

LXXII. (41)

 

Daß Deine Freiheit thöricht sich gebahre,

Wenn einmal fern ich Deinem Herzen bin,

Entschuld’gen Deine Schönheit, Deine Jahre,

Denn überall folgt Dir Versuchung hin.

 

Du bist so lieb, drum läßt Du Dich gewinnen;

Du bist so schön, drum stellet man Dir nach;

Und wirbt ein Weib, wer schliche da von hinnen,

Eh’ er als Sieger ihr zu Füßen lag!

 

Doch ach! Du hättest, Süßer, sollen fliehen,

Der Schönheit zürnen und der Jugendlust,

Die Dich im Übermuth selbst dahin ziehen,

Wo Du die Treue zwiefach brechen mußt:

 

Die ihre, wenn sie Deine Schönheit fodert,

Die Deine, wenn ihr Deine Schönheit lodert.

 

 

LXXIII. (42)

 

Daß Du sie hast, ist nicht allein mein Schmerz,

Obschon ich es gesteh, ich war ihr gut;

Doch daß sie Dich hat, übermannt mein Herz,

Ist ein Verlust der Lieb’, der weher thut.

 

Ihr Liebesfrevler, so entschuldg’ ich euch:

Du liebst sie, weil du weißt, ich liebe sie;

Und mir zu Liebe spielt sie mir den Streich

und duldet meines Freundes Liebesmüh.

 

Verlier’ ich Dich, gewinnt die Freundin Dich;

Verlier ich sie, so macht mein Freund den Fund;

Sie finden sich, die zwier verloren ich,

Und machen mir zu Lieb’ mich todeswund.

 

Doch ha, der Lust! eins sind mein Freundund ich:

O Schmeicheltrost, - so liebt sie doch nur mich.

 

 

LXXIV. (133)

 

Verwünscht das Herz, das meins erseufzen läßt

Um meines Freundes tiefe Wund’ und meine!

Was hält die Knechtschat ihn in Banden fest,

ist’s nicht genug, daß ich gequält, die Eine?

 

Mir selber stahl Dein grausam Auge mich,

Mein ander Selbst hast Du mir auch entrissen,

so hab’ ich nichts, nicht ihn, nicht mich, nicht Dich;

Dreifache Qual, sich dreifach arm zu wissen!

 

Beschließ mein Herz in Deiner Brust von Erz,

Du magst es dann für seins als Pfand behalten.

Wer mich auch hat, sein Wächter sei mein Herz,

In meinem Kerker darfst Du streng nicht walten.

 

Doch wirst Du es; beschlossen ganz in Dir,

Bin ich gezwungen Dein, und was in mir.

 

 

LXXV. (134)

 

So hab’ ich Dir gestanden, daß er Dein,

Und ich, ich selber bin verpfändet Dir.

Gieb ihn zurück, laß mich verfallen sein,

Gieb mir mein andres Ich zum Troste mir.

Du weigerst Dich, und er will Freiheit nicht,

Denn Dich treibt Gier, und er ist hold und lieb;

Er übernahm ja nur für mich die Pflicht,

Als er den bösen Schuldbrief unterschrieb.

 

Ich weiß es wohl, Du nimmst Dein reizend Ich,

Du Wucherin, der jedes Mittel recht,

Und stellst ihm nach, der schuldig ward für mich:

So wird mein Unrecht durch Verlust gerächt!

 

Verloren ist er mir; ich, er sind Dein,

Er zahlt die Schuld, doch ich soll frei nicht sein.

 

 

LXXVI. (40)

 

Nimm alles, was ich liebe, Lieb, nimm alles;

Doch sag’, was hast Du mehr dann, als zuvor?

Nicht wahre Liebe, Liebste, keines Falles,

Da ich die meine längst an Dich verlor.

 

Willst Du mein Lieb statt meiner Liebe nehmen,

Mir recht, so brauchst Du meine Liebe doch;

Nur solltest Du des Selbstbetrugs Dich schämen,

Da Du, was Du verschmähst, begehrest noch.

 

Dein Diebstahl, holder Dieb, sei Dir vegeben,

Stahlst Du auch all mein bischen Armuth jetzt;

Und doch, weiß Lieb’! ’s ist härter zu erleben,

Das Lieb’ uns kränket, als daß Haß verletzt.

 

Unwiderstehliche, trotz solchem Treiben!

Kränk’ mich zu Tod, doch laß uns Freunde bleiben.

 

 

LXXVII. (70)

 

Was kann Dir’s schaden, ob man Dich auch schmähe,

Das Beste ist’s, wonach Verleumdung greift.

Verdächt’gung schmückt die Schönheit, wie die Krähe

Den Himmel, wenn sie durch das Blau hinstreift.

 

Sei gut, und wenn Dich auch Verleumdung plaget,

Harr’ aus, Dein Werth ersteht in lichterm Schein;

Des Lasters Wurm, man weiß es ja, benaget

Die schönste Knospe gern, und Du bist rein.

 

Du fielst nicht in der Jugend Hinterhalte,

Wardst nicht bestürmet oder – siegtest ob;

Doch wie gewaltig auch Dein Lob erschallte,

Den Neid zu fesseln, das vermag kein Lob.

 

Würde Verdächtigung Dein Bild nicht schwärzen,

So wärst Du Herrscher über alle Herzen.

 

 

LXXVIII. (56)

 

Erneure Deine Kraft, o süße Liebe,

Daß man nicht sage, Dein Begehren wär’

Doch stumpfer, als des Hungers mächt’ge Triebe,

Die, heut gestillt, schon morgen, wie vorher,

 

Sich mächtig zeigen. So, obgleich Du heute

Dein hungrig Aug’ gesättigt mit Genuß,

Schau morgen wieder, überlaß als Beute

Den Geist der Liebe nicht dem Ueberdruß.

 

Die trübe Zwischenzeit vergleich’ dem Meere,

Das weit die Ufer trennt; von Strand zu Strand

Kommt täglich seliger das Paar, als wäre

Die Trennung erst der Liebe stärkstes Band.

 

Ja, oder nenn’ sie Winter, dessen Plage

Dreimal willkommner macht des Sommers Tage.

 

 

LXXIX. (75)

 

Was Brod dem Leben ist, was Frühlingsregen

Dem Erdreich, bist Du den Gedanken mein.

Um Deine Ruh’ muß solchen Streits ich pflegen,

Wienur der Geizhals um die Schätze sein,

 

Der bald mit ihnen prahlt, bald mit Entsetzen

Der Schlingen denkt, die seinem Gold gestellt:

So möcht’ ich mich an Dir bald heimlich letzen,

Bald Deiner mich erfreun vor aller Welt.

 

Bald trink’ ich ganz mich satt an Deinen Zügen,

Dann dürft’ ich ach! wie heiß nach einem Blick,

Und habe und begehre kein Vergnügen,

Als was Du gabst und geben kannst, mein Glück!

 

So hungr’ und schwelg’ ich Tag für Tag und muß

Bald Mangel leiden und bald Überfluß.

 

 

LXXX. (49)

 

Vor jener Zeit, wenn sie erscheint einmal,

Da zürnend Du auf meine Mängel siehst,

Weil  Deine Lieb’ ihr ganzes Capital

Geopfert hat undnun die Rechnung schließt;

 

Vor jener Zeit, da Du des Blickes Glanz

Von dem Begegnenden abwenen lernst,

Und Deine Liebe, weil verwandelt ganz,

Schon Gründe finden wird zu kaltem ernst:

 

Vor jener Zeit verwahr’ ich jetzo mich

Und sprech’ es aus: Ich weiß, was ich verdien’!

Wider mich selbst heb’ ich die Hand für Dich

Zu zeugen, daß Du Recht hast mich zu fliehn.

 

Ja, volles Recht dazu ward Dir gegeben;

Auf Liebe darf ich Anspruch nicht erheben.

 

 

LXXXI. (88)

 

Gefällt es Dir, vor spöttischen Gesellen

Zu schmälern mein Verdienst, beliebt Dir Hohn,

So will ich mich auf Deine Seite stellen

Und für Dich zeugen, ob Du treulos schon.

 

Denn meine Schwächen kenn’ ich selbst am besten,

So helf’ ich Dir und überzähl’ Dich noch,

Erzähl’ ich meine heimlichsten Gebresten.

Verlierst Du mich dann auch, Dich ehret’s doch.

 

Und dabei ist kein Schaden, - ich gewinne:

Denn all mein liebend Denken zielt nach Dir,

Und was ich so zum Nachtheil mir beginne,

Ist, weil Dein Vortheil, doppelt Vortheil mir.

 

Denn so bist Du mir lieb, bin ich Dein Knecht,

Daß Unrecht mich nicht schmerzt, hast Du nur Recht.

 

 

LXXXII. (91)

 

Die sind auf Ahnen stolz und die auf Geld,

Auf Wissen jene, die auf Körperkraft,

Die auf ihr modisch Kleid, ob’s auch entstellt,

Und die auf ihres Thieres Eigenschaft.

 

So hat ein Jeglicher, was ihn vergnügt

Und was er über alles Andre schätzt;

Doch alles das ist nicht was mir genügt,

In’s Beste hab’ ich meinen Stolz gesetzt.

 

Denn, wisse, Deine Liebe gilt mir mehr

Als Ahnen, Reichthum oder Kleiderpracht,

Und Pferd und Falk’ erfreun mich nicht so sehr! –

Daß ich Dich habe, ist was stolz mich macht.

 

Nur der Gedanke will das Herz mir lähmen:

Du könntest mir das Alles wieder nehmen.

 

 

LXXXIII. (92)

 

Doch thu’ das Aergste, stiehl Dich fort! es bliebe

Doch lebenslänglich Deine Liebe mir.

Mein Leben endet ja mit meiner Liebe,

Denn alle seine Wurzeln hat#s in ihr.

 

So fürcht’ ich nicht das Aergste, da mein Leben

Beim kleinsten Wehe schon sein Ende nimmt.

Nicht Deinen Launen bin ich preisgegeben,

Nein, wohlgeborgen, wie Du auch gestimmt.

 

Du kannst mich nicht durch Wankelmuth verletzen

Da jede Untreu meinem Leben droht;

Glückselig bin ich immerdar zu schätzen

Durch Deine Liebe oder meinen Tod.

 

Doch wer ist glücklich, der nicht fürchten müßte?

Du könntest untreu sein, daß ich’s nicht wüßte.

 

 

LXXXIV. (93)

 

So wär’ es möglich, daß ich treu Dich glaubte,

Betrognem Gatten gleich, und Dieine Lieb’

Im Angesicht noch säh’, die längst geraubte,

Wenn nur Dein Blick mir, nicht Dein Herz mir blieb.

 

Denn Haß kann nie aus Deinen Augen strahlen,

So täuscht’ ich über Deinen Wandel mich;

In manches Blickes düsterm Leuchten malen,

Im Zug der Brau, des Herzens Tücken sich:

 

Doch zu der holden Liebe Sitz erklärte

Dein Angesicht die gütige Natur;

Was für Gedanken Deine Brust auch nährte,

Die Blicke strahlen sanfte Anmuth nur.

 

Wie Eva’s Apfel schön ist Dein Gesicht,

Selbst wenn Dein Werth dem Aussehn nicht entspricht.

 

 

LXXXV. (95)

 

Wie machst Du doch den Makel liebenswerth,

Der, wie die Raup’ an duft’ger Rose, leider!

Am Blüthenkelche Deines Rufes zehrt.

Wie hüllst Du Deine Sünd’ in schöne Kleider!

 

Wer so von Dir erzählt, mit Mien’ und Ton

Zweideut’ge Noten fügend zum Berichte,

Der lobt Dich halb, möcht er auch tadeln schon;

Dein Name schönt die häßlichste Geschichte.

 

O! welch ein Schloß die Laster sich erwählt,

Da sie, mein Lieb, bei Dir sich eingemiethet,

Wo keiner Sünd’ ein Anmuthsschleier fehlt,

Und alles schön wird, was dem Blick sich bietet.

 

Doch sparsam sei mit Deines Vorrechts Trumpf!

Durch Mißbrauch wird die schärfste Klinge stumpf.

 

 

LXXXVI. (66)

 

Müd alles dessen, wünsch ich mir den Tod!

Ich seh Verdienst zum Bettelstab geboren

Und lumpig Nichts genährt mit Zuckerbrot

Und reinste Treue treulos abgeschworen

 

Und goldne Ehr Unwürdigen verliehn

Und keusche Tugend über Schändung weinen

Und Würdigkeit am wenigsten verziehn

Und Kraft entkräftet durch Gewalt der Kleinen

 

Und Kunst durch rohen Machtspruch stummgemacht

Und Torheit richtend über edle Geister

Und Einfalt gar als Albernheit verlacht

 

Und „Gut“ als Sträfling, „Bös“ als Kerkermeister.

müd all dessen, möcht ich Tod erwerben,

Ließ nur den Freund nicht einsam hier mein Sterben.

 

 

LXXXVII. (67)

 

Ach! warum mußt Du in dem Pesthauch leben,

Durch Deine Gegenwart, was gottlos ist,

Vermänteln und der sünd’ ein Ansehn geben,

Weil Du doch auch von der Gesellschaft bist?

 

Was imitirt die Schminke Deine Wange,

Was stiehlst die todte Deines Lebens schein?

Was suchst Unschönheit auf dem Weg der Schlange

Der Rose Trugbild, die wahrhaftig Dein?

 

Was mußt Du leben, wo Natur, verbettelt

Und bankerott, des warmen Bluts entbehrt,

Und, da sie ihre Schätze längst verzettelt,

Von dem nur lebt, was Dein Verdienst gewährt?

 

Ach ja! Sie hob dich auf, um uns zu zeigen,

was sie, so arm nun, einst besaß zu eigen.

 

 

LXXXVIII. (68)

 

Dein Antlitz dient als Muster frührer Tage,

Da Schönheit lebt’ und starb wie Blumen jetzt,

Eh’ Asterschönheit von dem heut’gen Schlage

Frech auf lebend’ge Stirnen sich gesetzt;

 

Eh’ man die Gräber ihres Rechts beraubte,

Der Todten goldne Locken scheeren ließ

Zu zweitem Sein auf einem zweiten Haupte,

Eh’ man sich spreizt’ in todter Schönheit Vließ.

 

In Dir erscheint der alten Zeiten Glaube

Und Treu’ noch einmal, einfach Du und wahr,

Du machst uns Sommer nicht mit fremdem Laube

Und plünderst Niemand, stellst Du schön Dich dar.

 

Als Muster hob Natur Dich auf; gewahren

Soll falsche Kunst, wie Schönheit war vor Jahren.

 

 

LXXXIX. (69)

 

Das, was an Dir der Menschen Auge schaut,

Kann der Gedanke selbst nicht schöner denken;

Die seele fühlt’s, die Zunge preist es laut,

Und selbst der Feind muß ihm Bewundrung schenken.

 

So wird dem äußern Reiz die äußre Ehr’;

Doch die Dir so, was Dir gebühret, geben,

Vernichten dieses Lob, indem sie mehr,

Als leiblich Auge sieht, zu sehen streben.

 

Nach Deiner Seele Schönheit spähn sie auch,

Ausbeutend Deine Thaten, und der schuft’gen

Gedanken Späh’, nicht billig wie ihr Aug’,

Macht Deine schöne Blüth’ zur übelduft’gen.

 

Du wächst zu wild, und so erklär’ ich’s leicht,

Daß der Geruch dem Augenschein nicht gleicht.

 

 

XC. (94)

 

Wer schaden könnte, und es doch nicht thut,

Wer unterläßt, was ihm, ach! nur zu leicht;

Wer Andre treibt, und doch mit kaltem Blut

Der Sünde Lockung aus dem Wege weicht:

 

Dem ward mit Recht der Schönheit Erb’ zu Theil.

Er wirft nicht weg die Schätze der Natur,

Als Herr und Herrscher waltet er, dieweil

Die Andern seiner Hoheit Diener nur.

 

Des Sommers Blume ziert den Sommer auch,

Obgleich sie nur sich selber lebt und stirbt;

Doch schlechter wird sie als der schlechtste Lauch,

Wenn sie verfault, verrottet und verdirbt.

 

Wie faule Lilien mehr als Unkraut stinken,

So kann das Schönste auch am tiefsten sinken.

 

 

XCI. (77)

 

Wie Deine Reize schwinden, zeigt Dein Spiegel,

Die Sonnenuhr der Augenblicke Flug;

Auf diese leeren Blätter drück’ das Siegel

Von Deinem Geist, und hör’ wozu dies Buch:

 

Die Furchen, die Dein Spiegel treu copiret,

Gemahnen Dich an’s Grab, das stets bereit;

Es lehrt der Schattenschritt der Uhr: so führet

Der Augenblick die Zeit zur Ewigkeit.

 

Wohlan! was dem Gedächtniß leicht entschwindet,

Vertraue diesen Blättern, wo der Geist

Das wohlbehüt’te Kind dann wiederfindet,

Ein fremdes, das sich doch als seins erweist.

 

Wie oft Du darauf willst die Blicke kehren,

Dir wird es nützen und das Büchlein ehren.

 

 

XCII. (87)

 

Leb’ wohl, zu köstlicher Besitz für mich !

Du kennst zu gut nun Deine Würdigkeit;

Die Größe Deines Werths entbindet Dich,

Mein Recht an Dir war nur ein Recht auf Zeit.

 

Du warest mein, so lang es Dir gefiel;

Doch war ich jemals solches Schatzes werth?

Verdienst dazu besaß ich nicht so viel,

Muß lassen ihn, wird er zurückbegehrt.

 

Als Du Dich gabest, hast Du Dich geirrt,

Dich selbst geringer, höher mich geschätzt;

Was Irrthum gab, die schöne Gabe, wird

Von beßrem Urtheil mir entrissen jetzt.

 

Ich hatte Dich, - es war ein Schmeicheltraum –

Im Schlaf ein König ich – nun alles Schaum.

 

 

XCIII. (89)

 

Sag’, daß Du mich um irgend ein Vergehen

Verstießest, - ich beweise die Beleid’gung.

Sag’, ich sei lahm, und ich will stille stehen

Und gegen Dich nicht denken an Vertheid’gung.

 

Nicht halb so schlecht kannst Du mit mir verfahren,

Wenn Du versuchst, die Untreu weiß zu brennen,

Als ich mit mir. Ich will mich so gebahren,

Wie Du nur wünschen kannst; will Dich nicht kennen,

 

Dir nicht begegnen, und aus meinem Munde

Verbannen Deinen Namen, denn er könnte

Ja leiden, und die Welt erhielte Kunde

Von alter Freundschaft, die Dein Herz mir gönnte.

 

Kampf wider mich für Dich gelob’ ich hier!

Denn was Du haßt, ist nicht geliebt von mir.

 

 

XCIV. (90)

 

Wenn Du mich hassen willst, so thu’ es jetzt !

Jetzt, wo die Welt sich wider mich verbunden.

Geselle Dich dem Unglück, das mich hetzt,

Doch warte nicht, bis ich erst Ruh’ gefunden.

 

Ach, wenn mein Herz entronnen diesem Schlag,

Folg’ dem besiegten Feind nicht auf dem Fuße,

Laß nicht auf Sturmnacht folgen Regentag,

Nicht überschütte mich mit spätem Gusse.

 

Willst Du verlassen mich, thu’s nicht zuletzt,

Nachdem mir kleines Leid die Kraft zerschlagen;

Im ersten Anlauf sei der Schlag versetzt,

Des Schicksals schrecklichster, - ich muß ihn tragen.

 

Dann, Liebe, wird mir, muß ich Dich beweinen,

Ein jedes andre Leiden nichtig scheinen.

 

 

XCV. (97)

 

Entfernt von Dir, des flücht’gen Jahres Lust,

Wie winterlich ist Alles mir erschienen!

Wie dunkel! Wie durchzog mir’s kalt die Brust,

Wie sah mich Alles an mit Eisesmienen!

 

Und dennoch war es holde Sommerzeit;

Dann kam der schwangre Herbst, so reich an Gaben,

Der trug die Frucht des Sommers unterm Kleid,

Wie eine Gattin, die den Mann begraben.

 

Und vaterlose Frucht schien alles mir,

Geborne Waise, was die Felder bringen;

Denn Lust und Sommer weilen nur bei Dir,

Und bist Du ferne, wird kein Vöglein singen.

 

Und singen sie, so ist’s ein Lied der Trauer,

Das Laub erbleicht davor im Winterschauer.

 

 

XCVI. (98)

 

Lenz war’s, und Du warst fern und ich allein!

April, der buntgeschmückte, schönbefranzte,

Goß Muth der Jugend allen Wesen ein;

Der grämliche Saturn selbst lacht’ und tanzte.

 

Doch nicht dem Sang der Vögel, nicht dem Flor

Der Blumen, wie auch Farb’ und Duft sie schmückte,

Gelang’s, daß ich mich mischte in den Chor,

Daß ich auch eine nur vom Stengel pflückte.

 

Der Lilie Schneeweiß ließ mich staunenlos,

Die Rose hat kein Lob von mir bekommen;

Sie waren lieblich, doch Copieen blos,

Von Dir, em einz’gen Muster, abgenommen.

 

Mir schien es Winter, da Du fern von mir,

Und so mit ihnen spielt’ ich, statt mit Dir.

 

 

XCVII. (99)

 

Das frühe Veilchen schalt ich so etwa:

Du süßer Dieb! von meines Liebchens Hauch

Stahlst Du den Duft! die Purpurwangen da,

Die färbtest Du in ihrem Blute auch;

Nur schade, daß es besser nicht geschah!

 

Die Lilie schalt ich wegen Deiner Hand,

Den Majoran, daß er Dein Haar Dir stahl;

Auf Dornen schüchtern Ros’ um Rose stand,

Die roth vor Scham, die bleich vor Liebesqual.

 

Nur eine, die nicht roth, nicht bleich war, nahm

Sich beides, Deinen Athem obendrein.

So schön sie war, sie büßt’ es, denn da kam

Der Rächer Wurm und fraß sich tief hinein.

 

Viel Blumen sah ich noch, doch keine schier,

Die nicht gestohlen Farb’ und Duft von Dir.

 

 

XCVIII. (100)

 

Wo weilst Du, Muse, daß Du schon so lange

Nicht singst von dem, was höchste Macht Dir leiht?

Verschwendest Du an läppischem Gesange

Dein Feuer, Deine Würd’ an Niedrigkeit?

 

Zurück, Du Pflichtvergessene, und büße

In holden Liedern die verlorne Zeit;

Das aufmerksame Ohr des Holden grüße,

Der Deinem Griffel Kunst und Stoff verleiht.

 

Du Träge, auf! in seinem Antlitz spähe,

Ob nicht die Zeit ein Fältchen grub hinein,

Und wenn Du eines siehst, so spott’ und schmähe,

Denn solche Schandthat muß gebrandmarkt sein.

 

Auf! preise schneller, als die Zeit verheert,

Dann hast Du ihrem Sensenhieb gewehrt.

 

 

XCIX. (101)

 

O träge Muse, wie entschuldigst Du,

Daß Du von dem, was wahr und schön, nicht sangest?

Dies beides eignet meinem Freunde zu,

Es ist auch das, in dem Du selber prangest.

 

Antworte, Muse, aber sag’ nur nicht:

„Der echten Wahrheit schade man durch Färben,

Die wahre Schönheit strahl’ im eignen Licht,

Das Beste könne Zuthat nur verderben.“

 

So wärst Du also stumm, weil er Dein Lob

Nicht braucht? Doch zu der Zukunft fernsten Tagen,

Wenn Mal und Ehrensäule längst zerstob,

Bist eben Du bestimmt, es hinzutragen.

 

So thu’ denn Deine Pflicht, und wie Du dann

Ihn recht lebendig malst, - ich zeig Dir’s an.

 

 

C. (102)

 

Erstarkt ist meine Liebe, nicht geschwächt,

Ob sie auch scheinbar schwächer sich erweiset;

Die Lieb’ ist feil, die ist nicht wahr und echt,

Die des Besitzers Zunge immer preiset.

 

Noch jung war unsre Lieb’ und lenzbeschwingt,

Als ich Dir brachte meiner Lieder Reigen;

Wie Philomele nur im Frühling singt,

Im Sommer aber ihre Lieder schweigen,

 

Nicht weil das Jahr an Reizen schon verlor,

Seit sie die Nacht durchhaucht mit Klagetönen,

Nein, weil es nun aus jedem Busch hervor

Sich regt, und das „Zuviel“ ein Feind des Schönen:

 

So mach’ ich’s auch; ich schweige hin und,

Damit Dich nicht betäuben meine Lieder.

 

 

CI. (103)

 

O weh! wie ärmlich mein Gesang erschallt,

Und könnte doch den höchsten Ruhm erlangen!

Mein Gegenstand allein hat mehr Gewalt,

Als wenn ich ihn mit meinem Lob behangen.

 

O zürne nicht, daß meine Leier schweigt!

Schau in den Spiegel, sieh die holden Züge,

Dies Angesicht, das Alles übersteigt,

Was preislich ist, - wie thät’ ich dem Genüge?

 

Wär’ es nicht Sünde, wollt’ ich, was so hold,

Noch schmücken, und verhüllt’ es nur mit Schleiern?

Denn Andres hat mein Reim ja nie gewollt,

Als Deine Anmuth, Deine Gaben feiern.

 

Viel mehr als meine Verse sagen,

Sagt Dir Dein Spiegel, willst Du ihn befragen.

 

 

CII. (76)

 

Was ist mein Lied so frei von jedem Stolze,

So feind dem Wechsel, der Veränderung?

was schnitz’ ich nicht einmal aus andrem Holze,

Such’ neue Art und neuer weisen Schwung?

 

Was kleid’ ich immer in denselben Rahmen

Die Bilder ein, und singe schlicht und stät

Dasselbe fort, bis endlich meinen Namen

Wie seinen Ursprung jedes Wort verräth?

 

O wisse, Lieb! ich mag von Dir nur singen,

Mein Thema seid ihr beide, Lieb’ und Du;

Dasselbe muß ich immer wiederbringen,

Ich stutz’ es nur mit neuen Worten zu.

 

Denn neu und alt, wie jedes Tages Licht,

Ist meine Lieb’ und alles, was sie spricht.

 

 

CIII. (108)

 

Was Hirn erdenken, Dinte schreiben kann,

Das hat mein treuer Sinn dir hingeschrieben.

was sag’ ich mehr, was führ’ ich weiter an,

Das Deinen Werth verkünde und mein Lieben?

 

Nichts, süßes Herz! Und doch, wie ein Gebet,

Muß ich dasselbe immer wieder sagen,

Als wär’ es neu: Ich Dein, Du mein! Denn stät

Und treu Dir blieb ich seit so langen Tagen.

 

So achtet Liebe, ewig frisch und jung,

Der Jahre Staub und Ungebühr mit nichten;

Sie weicht nicht vor des Alters Schädigung,

Es selber muß ihr Pagendienst verrichten.

 

Wo Zeit und Äußres sie als Todte malen,

da wird sie in des Mittags Höhe strahlen.

 

 

CIV. (105)

 

Nicht Götzendienst nennt meine Liebe, heißt

Nicht Götzen mir den Freund, weil mein Gesang

Nur ihm erklingt und immer ihn nur preist

Mit unverändertem, mit gleichem Drang.

 

Hold ist mein Liebster heut und morgen hold,

Beständig ist er auch und zwar recht sehr;

Beständig steht mein Lied in seinem Sold

Und singt von ihm nur und will sonst nichts mehr.

 

Schön, hold und treu, das ist mein einz#ger Stoff,

Dem ich nur wechselnd andre Worte leih’,

Von dem ich höchste Wirkung mir erhoff’:

In diesem Einen hab’ ich ihrer drei.

 

Schön, hold und treu sind hier in Eins verbunden,

Die sich bis jetzt in Einem nie gefunden.

 

 

CV. (109)

 

O sage nicht, daß ich durch Untreu fehle,

Weil Trennung scheinbar dämpfte meine Glut;

Eh’ schied ich mich von mir, eh’ meine Seele

Ich ließe, die in Deinem Busen ruht.

 

Da ist mein Liebeshaus; dort, gleich dem Wandrer,

Der lang umherzog, kehr’ ich wieder ein

Zu rechter Zeit, nicht durch die Zeit ein Andrer;

das Wasser bring’ ich selbst und wasch mich rein.

 

Und wenn ich auch der ganzen Menschheit Schwächen

In mir vereinte, glaube doch, so sehr

Würd’ es an Klugheit nimmer mir gebrechen,

Daß feil um Nichts das höchste Gut mir wär’.

 

Denn nichts gilt mir die Welt, nichts außer Dir

Du süße Rose, Alles mir in ihr.

 

 

CVI. (110)

 

Wahr ist’s, ich schweift’ umher bald hier, bald dort,

Und machte mich zum Narren vor den Leuten;

That weh mir selbst, gab viel um wenig fort,

kränkt’ alte Freund’, und ließ mich nicht bedeuten.

 

zu war nur ist’s, die Treue sah ich kühl

Und von der Seite an: doch neue Jugend,

Beim Himmel! gab solch Irren dem Gefühl,

So erst erwies sich meiner Liebe Tugend.

 

Das ist vorbei; nun nimm, was ewig währt!

Nie lüsten soll mich mehr, mit neuen Proben

Dich heim zu suchen, die ich stets verehrt,

Dich, Gott in Lieb’, mit der mein Sein verwoben.

 

So nimm mich auf an Deiner reinen Brust,

Du nächst dem Himmel meine höchste Lust!

 

 

CVII. (111)

 

O! schilt Fortunen, die mich so verstieß,

Die schuld’ge Gottheit meiner schlimmen Thaten,

Daß sie mich auf den Markt des Lebens wies,

Wodurch auch meine Sitten frei gerathen.

 

Ja! Daher kommt sie, die mich drückt, die Schmach:

Wie eines Färbers Hand, so zeigt mein Wesen

Des Stoffes Farb’, in dem ich schaffe. – Ach,

Bedaure mich und wünsch’, ich wär’ genesen.

 

Indeß will ich, geduldiger Patient,

Heiltränkchen schlucken gegen die Beschwerde,

nicht fürchten, ob es bitte schmeckt, ob brennt,

Noch Doppelqual, daß Beßrung besser werde.

 

Bedaure mich nur, Lieb, und sei gewiß,

dein Mitleid schon heilt meine Kümmerniß.

 

 

CVIII. (112)

 

Dein Mitleid, Deine Liebe deckt das Maal,

Das böse Zungen auf die Stirn mir brennen.

Mir schafft, was sie auch sagen, keine Qual,

Wenn Du nur dulden wilst und anerkennen.

 

Du meine Welt, von Deiner Lipp’ allein

Wll ich den Tadel und das Lob vernehmen,

Will Keinem, Keiner soll mir etwas sein,

Nicht ihrem Sinn will ich mich anbequemen;

 

Will von mir alle meine Sorgen werfen

Um ihre Rede, daß der Schlange Zahn

Ihr Urtheil weder stumpfen soll, noch schärfen.

Was geht ihr Urtheil, was gehn sie mich an?

 

Du nur allein erfüllst die Seele mir,

Und todt erscheint mir Alles außer Dir.

 

 

CIX. (121)

 

Besser ist böse sein, als dafür gelten,

Wenn, was nicht ist, geschmält wird, als ob’s wäre,

Wenn man die Lust versäumt, weil Andre schelten,

Und nicht dem eigenen Gefühl zur Ehre.

 

Was gilt es mir, ob meinem leichten Treiben

Das falsche Aug’ der leute Beifall winket?

Was mir, ob Schächer mir ins Schuldbuch schreiben,

Was ihnen Sünde, doch mir löblich dünket?

 

Nein, ich bin der ich bin! Doch sie beladen

Die Schultern mir mit eigner Schuld Gewichte,

mit schiefem Maße messen sie mich Graden;

Mein Thun sei nicht gezeugt in ihrem Lichte,

 

Wenn sie dafür nicht finden trift’ge Gründe,

Daß Jeder bös’ und wandle in der Sünde.

 

 

CX. (117)

 

Beschuld’ge mich, daß ich versäumt allwegen,

Dein groß Verdienst nach Würden zu vergelten;

Daß ich vergessen, Deine Lieb’ zu pflegen,

Zu deren Dienst mich Treu und Pflicht bestellten;

 

Daß ich mich oft gedrängt an Unbekannte,

Dein theurerworbnes Recht dahingegeben;

Daß ich die Segel jedem Winde spannte,

Trieb er mich nur aus Deiner Nähe eben.

 

Laß, was ich that und irrte, noch vermehret

Von Argwohn, mir in Rechnung sein geschrieben,

Halt Deine zorn’ge Stirn auf mich gekehret:

Doch handle nicht, von schnellem Haß getrieben,

 

Wenn ich entschuld’gend sag’: was ich verübt,

Ich that#s, zu sehn, ob Lieb’ auch wahrhaft liebt.

 

 

CXI. (118)

 

Wie wir, die Lust zum Essen anzuschüren,

Den Gaumen kitzeln mit recht sauren sachen,

Zukünft’ge Krankheit heilen durch Purgiren,

Und ihr entfliehn, indem wir krank uns machen:

 

So griff ich, voll – gesättigt nicht! – von Deinen

Holdsel’gen Reizen, nach der bittern Speise,

Und, krank am Guten, wollt’ mir’s passend scheinen,

Unpaß zu sein, nach rascher Thoren Weise.

 

Doch diese Liebeslist, vorweg zu nehmen

Wehn, die nicht waren, mußte Straf’ ereilen;

Zur Krankheit mußte Wohlsein sich bequemen,

Das – allzu wohl – durch Weh sich wollte heilen.

 

Davon ich lern’, was unbezweifelt sei:

Wer krank an Dir, dem schadet Arzenei.

 

 

CXII. (119)

 

Sirenenthränen-Tränkchen mancherlei,

In garst’gen Kolben destillirt, ich trank!

Hoffnung mischt’ ich der Furcht, Furcht jener bei,

Stets im Verlust, was immer mir gelang.

 

Welch sünd’gen Irrthum pflog mein Herz, dieweil

Es sich beseligt glaubte, so wie nie!

Wie wandte sich mein Blick von seinem Heil

Zerstreut hinweg in Fieberphantasie!

 

O Unglückssegen! Jwetzt erst seh’ ich klar:

Durch Uebel wird das Beßre stets nur besser,

Und Lieb’ aus Trümmern neu gebaut, fürwahr!

Wird schöner nur, wird stärker nur und größer.

 

Dein Vorwurf hat die Schritte mir gewendet,

Dreifach zurück giebt Leid, was ich verschwendet.

 

 

CXIII. (120)

 

Daß Du mir abhold einst, das neigt mich jetzt

Dir zu, und die ich fühlte, jene Qual

Läßt nun mich fühlen, wieich Dich verletzt,

Denn sonst hätt’ ich ein Herz von Erz und Stahl.

 

Ja, kränkt’ es Dich, daß ich unfreundlich war,

Wie mich’s gekränkt, so littst Du Höllenpein,

Und ich Tyrann erwog zu lässig gar,

Was ich einst litt durch Deine Schuld allein.

 

O! daß mich unsre Schmerzensnacht daran

Im Herzen doch gemahnt, wie Kummer thut,

Und daß ich Dir gebracht, wie Du’s gethan,

Der Demuth Balsam, wunden Herzen gut!

 

Jetzt sei die Schuld das Lösegeld: durch meine

Kauf’ ich Dich frei, wie Du mich durch die Deine.

 

 

CXIV. (116)

 

Nein, die Verein’gung treuer Seelen stört

Kein Hinderniß! Die Lieb’ ist Liebe nicht,

Die Flattersinn zum Flattersinn bethört,

Die endet, wo der Andre Treue bricht.

 

O nein! Lieb’ ist ein Markstein, in der Erd’

Gegründet, den kein Sturm erschüttern kann;

Ein Stern den Schiffern, dessen wahrer Werth

Uns fremd ist, nur die Höh’ berechnet man.

 

Lieb’ ist kein Spiel der Zeit, ob Rosenwang’

Und Lipp’ auch unter ihrer Sichel fällt;

Liebe währt nicht blos stunden-, wochenlang,

Liebe währt bis an das letzte End’ der Welt.

 

Wenn dies bei mir als Irrthum sich ergibt,

So schrieb ich nie und Niemand hat geliebt.

 

 

CXV. (71)

 

Nicht länger, wenn ich todt bin, wolle klagen

Um mich, als Du vernimmst der Glocke Ton,

Die dumpf erschallet, um der Welt zu sagen,

Daß ich sie floh und nun bei Würmern wohn’!

 

Und liest Du diese Zeilen, so gedenke

Nicht dessen, der sie schrieb; so lieb’ ich Dich,

Daß ich Dir willig solch Gedenken schenke,

Erwäg’ ich, daß Du klagen wirst um mich.

 

Nein, wahrlich! bin ich einst in Staub zerfallen,

Und Du betrachtest dieses Lied, das blieb,

Laß meinem Leben sterb’ auch meine Lieb’.

 

Sonst forscht die kluge Welt nach Deinen Thränen,

Und lachet Dein, sieht sie nach mir Dich sehnen.

 

 

CXVI. (72)

 

Damit die Welt Dich nicht zu sagen zwinge,

Weswegen Du mein Angedenken hegst,

Vergiß mich ganz! Unwürdig und geringe

Ist mein Verdienst, wenn Du’s zu Tage legst.

 

Du müßtest denn mit tugendhafter Lüge

Mehr sehen wollen, als sich wirklich fände,

Mich schwerer wägen, als ich wirklich wiege,

Und als die karge Wahrheit zugestände.

 

Damit nun Liebe nicht zum Fälscher werde,

Und Du nicht unwahr sprichst aus Lieb’ zu mir,

Senk’ meinen Namen mit dem Leib in Erde,

Nicht leb’ er fort zur Schande mir und Dir.

 

Ich schäme dessen mich, was ich vollbringe,

So traure nicht darum, es ist geringe.

 

 

CXVII. (73)

 

In mir magst Du die Zeit des Jahres sehen,

Da an den Büschen, ach! noch jüngst belebt

Von holden Sängern, bei des Nordwinds Wehen

Das dünngewordne, gelbe Laub erbebt;

 

in mir das Zwielicht, das zurück noch bleibet

Vom Tage, wenn die Sonn’ im Westen sinkt,

Bis unbemerkt die Nacht es auch vertreibet,

Die Alles, gleich dem Tod, zur Ruhe bringt.

 

In mir magst Du des Feuers Glühn erkennen,

Das auf der Asche seiner Jugend ruht,

Dem Lager, wo sich’s muß zu Tode brennen,

Verzehrt von dem, was erst genährt die Glut.

 

Das magst Du sehn, um brünst’ger zu erfassen

In treuer Liebe, was Du bald mußt lassen.

 

 

CXVIII. (74)

 

Doch hadre nicht! Wenn jener harte Spruch,

Dem Jeder folgen muß, mich von Dir treibet,

So lebt in diesem Lied von mir genug,

das ewig als Erinnrung bei Dir bleibet.

 

Siehst Du’s, so siehest Du das wahre Theil

Von meinem Ich, das Dir geweiht gewesen;

staub geht zu Staub, dem er gehört, dieweil

Du Dir den Geist, mein besser Theil, erlesen.

 

So gäbst Du nur des Lebens Hefe hin,

Der Würmer Fraß, wenn dieser Leib hier stürbe,

der für des Mörders Dolchstoß kaum Gewinn,

Zu schlecht, daß Dein Gedächtniß darum würbe.

 

Was er enthält, das einzig ist sein Werth,

Und dieses ist’s, was sich Dir treu bewährt.

 

 

CXIX. (63)

 

Wie ich jetzt bin, wirst Du, mein Freund, einst sein:

zerdrückt, mißhandelt von der Hand der Zeit,

Das Blut vertrocknet, auf der Stirne Dein

Der flücht’gen Stunden Spuren tief und breit.

 

Wenn Deiner Jugend Morgen dann sich neigt

Zur Nacht des Alters, Schönheit, Dein Vasall,

Von Dir gewichen, oder doch entweicht,

Und mit sich nimmt die Frühlingsschätze all:

 

So waffn’n ich jetzt mich schon für solche Zeit,

Daß Deiner Schönheit hold Gedächtniß, ach!

Der Zeit grausame Sichel nicht zerschneid’,

Ob sie Dein Leben auch vertilgen mag.

 

Aus diesen schwarzen Zeilen soll sie grünen,

Sie werden leben, und sie leb’ in ihnen.

 

 

CXX. (81)

 

Ob ich das Epitaph Dir werde schreiben,

Ob Du noch lebst, wenn ich zerfiel in Staub

Dein Angedenken soll auf Erden bleiben,

Wird auch das meine des Vergessens Raub.

 

Unsterblich Leben soll Dein Name haben,

Starb ich auch, einmal todt, auf immer ab;

in jedem Auge liege Du begraben,

Indeß gemeine erde nur mein Grab.

 

Dein Denkmal seien meine holden Lieder,

Noch unerschaffner Augen einst’ge Lust!

Im Mund der Nachwelt tönen sie noch wieder,

Wenn, was da athmet, längst hinweg gemußt.

 

Sollst leben noch (mit meinem Lied im Bunde),

Wo Athem athmet, - in der Menschen Munde.

 

 

CXXI. (123)

 

Nein, Zeit, nicht rühmen sollst Du Dich, ich sei

Veränderlich! Bau neue Pyramiden,

mir sind sie weder wunderbar noch neu:

Nichts, was nicht schon gewesen, wird hienieden.

 

Kurzlebig, wie wir sind, bewundern wir,

Was Du uns unterschiebst von alten Dingen,

Und rechnen mehr nach unsern Wünschen hier,

Als daß wir alte kund’ in Rechnung bringen.

 

Ich spotte Dein und jeglichen Berichts,

Mich wundert nicht, was ist und was gewesen;

Geschicht’ und Selbsterschautet, wahr ist nichts,

Und das kommt nur von Deinem hast’gen Wesen

 

Doch meiner Treue, darauf laß mich schwören,

Soll Deine Sichel nicht, sollst Du nicht wehren.

 

 

CXXII. (124)

 

Wär’ meine Liebe nur ein kind des stands,

Glücksbastard wär’ sie, vaterlos, vom Haß

Und von der Gunst der Zeit abhängig ganz,

Die sie als Blume pflückte, mäht’ als Gras.

 

Nein, sie ist zufallsfest! Sie leidet nicht

Bei eitlem Festgepräng; steht fern dem Schlag,

Wenn Unzufriedenheit die Fesseln bricht,

Was unserm Stand zu thun macht heut zu Tag.

 

Ihr schafft die Ketzerin Politik nicht Pein,

Die doch nur kurze Zeit ihr Werk betreibt;

Wahrhaft politisch ist nur sie allein,

Sie, die in jedem Wetter standhaft bleibt.

 

Ihr Narrn der Zeit könnt davon Zeugnis geben,

Ihr, die ihr reuig sterbt nach sünd’gem Leben.

 

 

CXXIII. (125)

 

Was wär’s, wenn ich den Baldachin Dir trüge,

Dem äußern Scheine gäb’ die äußre Ehre,

Für Ewigkeiten plante, und nicht früge,

Ob, was ich mühvoll baut’, auch bleibend wäre?

 

Ach! die auf Gunst und Außerliches bauten,

Verarmte hoher Zins; den reinen Duft

Der blume gaben sie für schlechtgebrauten,

Ihr Glück, die Thoren, für ein Bild der Luft!

 

Nein! laß mich still in Deinem Herzen leben,

Nimm an mein Opfer, ärmlich, aber frei,

Ohn’ Arglist dargebracht, ohn’ andres Streben,

Als daß der Liebe Tauschpreis Liebe sei.

 

Hinweg, Verleumder! eine treue Seele

Verachtet Dich, ob auch Verdacht sie quäle.

 

 

CXXIV. (115)

 

’s war Lüge, wenn vordem ich schrieb und sprach:

Mehr könnt’ ich Dich nicht lieben! Docht ich doch

Des Einen nicht, daß höchste Glut hernach

Sich läutern kann und reiner brennen noch.

 

Doch sollt’ ich nicht, erwägend, wie die Zeit

Herrscherbeschlüsse beugt, an Schwüre rührt,

Schönheit verwelkt, Vorsätze stumpft, und weit

Von ihrer Bahn die stärksten Geister führt:

 

Sollt’ ich nicht, fürchtend solchen Widerpart,

Da sagen: Jetzt am  m e i s t e n  lieb’ ich dich?

Nicht krönen die gewisse Gegenwart?

Denn alles Übrige bezweifelt’ ich.

 

Lieb’ ist ein Kind, drum mocht’ ich wohl so sagen,

Daß wüchse, was noch wächst in diesen Tagen.

 

 

CXXV. (107)

 

Nicht eignes Bangen, nicht der weise Mund

Der Zukunftsgrübler auf der weiten Erde

Thut meiner Liebe letzten Tag mir kund,

Von dem’s doch heißt, daß er erscheinen werde.

 

Der Mond erlosch und strahlt in neuem Licht,

Die Unglücksprophezeiung ward zu Schanden;

was wankte, wankt nicht mehr und stürzt auch nicht,

Des Friedens Oelzweig grünet in den Landen.

 

Nun grüne, Lieb’, im Thau der schönen Zeit,

Nun mußt Du, Tod, Dich mir gefangen geben;

Was stumpf und stumm ist, dulde Sterblichkeit,

Ich will trotz ihr in meinem Liede leben.

 

Und Dein Gedächtniß ruf’ es dann noch wach,

Wenn des Tyrannen Erzbild längst zerbrach

 

 

CXXVI. (122)

 

Im Hirn trag’ ich die Täflein, Dein Geschenk,

Von dauernder erinnrng vollgeschrieben;

So bleib’ ich besser Deiner eingedenk

Für alle Zeiten, als ich’s sonst geblieben.

 

So lang zum mindesten, als Leben quillt

Durch Hirn und Herz, und was sie sich erworben

Von Dir, nicht ewiges Vergessen hüllt,

Bleibt Dein Gedächtniß wach und unerstorben.

 

So viel bewahrt kein ärmlich Futteral,

Kein Kerbholz brauch’ ich, Deine Lieb’ zu buchen:

Drum gab ich sie hinweg, ich wollt’s einmal

mit meinem bessern Täfelchen versuchen.

 

Ließ’ ich dies Brücklein, des Erinnerns wegen,

So hießedas Vergeßlichkeit nur pflegen.

 

 

CXXVII. (145)

 

Ihr mund, den Amor selber schönte,

Sprach dieses Wort zu mir: „Ich hasse“ –

Zu mir, der ihre Lieb ersehnte.

Do da sie sah, daß ich erblasse,

 

Zog Mitleid in ihr Herz und schweigte

Die Zunge, die ja doch für Jeden

Sich reich an Gnaden stets bezeigte,

Und lehrte sie ein andres Reden.

 

„Ich hasse“ – O welch Glück, sie ändert

Den schluß: so folgt der Nacht, der dunkeln,

Wenn sie von Himmel goldgerändert

Zur Hölle flieht, des Tages Funkeln –

 

„Ich hasse“ – ja der Haß zerbricht,

Ich lebe neu, sie sagt. – „Dich nicht“.

 

 

CXXVIII. (127)

 

Schwarz wurde ehmals nie für schön geschätzet,

Der Name Schönheit ihm nie beigelegt;

Doch jetzt ist schwarz als Erbe eingesetzet

Der Schönheit, die als Bastard Schimpf nun trägt.

 

Denn seit man der Natur selbsteignen Stempel

Verwischt und überfälscht Gesicht und Haar,

Hat holde Schönheit Namen nicht noch Tempel,

Ist ach! entweiht, wenn nicht verachtet gar.

 

Drum hat mein Liebchen Augen, schwarz wie Raben,

So passende! sie trauern, da sie sehn,

Daß Häßliche jetzt so viel Schönheit haben

Und die Natur durch falsche Huld’gung schmähn.

 

Doch trauern sie mit solchem süßen Schein,

Daß Jeder sagt: Ja, so muß Schönheit sein!

 

 

CXXIX. (132)

 

Ich liebe Deine augen, die, als ob

Sie wüßten, daß Dein Herz mich grausam quält,

Mein Leiden sähn und trauerten darob,

Zum Kleide sich die schwarze Farb’ erwählt.

 

Und wahrlich! nicht die Morgensonne ziert

Des kühlen Ostens graue Wangen mehr;

Der Stern, der uns herbei den Abend führt,

Verschönt den sanften Westen nicht so sehr,

 

Als diese Traueraugen Dein Gesicht.

O, trauerte Dein Herz auch, wie es sollt’,

Um mich! denn Trauer, wiß, entstellt Dich nicht;

In Allem zeige mir Dein Mitleid hold:

 

Dann schwör’ ich, Schönheit selbst sei schwarz, und was

Nicht Deine Farbe trägt, gemein sei das.

 

 

CXXX. (128)

 

Wie oft, wenn Du, mein Liebchen misicirest

(Du selbst Musik mir) und die Tasten schlägst,

Der Saiten Chor mit leisem Griffe rührest

Und sie zu süßer Harmonie erregst,

 

Beneid’ ich diese Tasten, denn sie küssen

Die Fläche Deiner Hand im Sprunge kühn,

Wo meine armen Lipen darben müssen,

Die über solche Frechheit tief erglühn.

 

Wie gerne wären sie für solch Berühren

Das todte Holz, die kleinen Springerlein,

Die Deine Hände sich als Luftweg kühren,

Die sel’ger sind, als Lippen dürfen sein!

 

Ach ja! die Tasten sind durch Finger selig!

So gieb die Lippen mir, die Lippen wähl’ ich.

 

 

CXXXI. (138)

 

Schwört Liebchen mir, daß sie voll Wahrheit sei,

Ich glaubt’s, obwohl ich sicher weiß, sie lügt,

Damit sie mein’, ich käme jung vom Ei

Und wisse noch nicht, wie die Welt betrügt.

 

Nur aus dem Grunde, daß sie jung mich schätz’,

Obgleich sie weiß, mein Lenz ist längst vorbei,

Thu ich, als wäre Glauben mir Gesetz.

Statt schlichter Wahrheit zwiefach Täuscherei!

 

Doch warum sagt sie nicht, daß sie mich täuscht?

Und daß ich alt, warum hab’ ich’s verhehlt?

O, schein der Wahrheit ist, was Liebe heischt,

Und Lieb’ bei Jahren liebt nicht, wenn man zählt.

 

So schmeicheln wir einander uns mit Lügen,

So muß sie mich, und ich muß sie betrügen.

 

 

CXXXII. (130)

 

Von Sonn’ ist nichts in Liebchens Aug’ zu schaun,

Korallen nicht gleicht ihres mundes Schwelle;

Ist weiß der Schnee, so ist ihr Busen braun;

Ist Haar Geröll, so wächst ihr schwarz Gerölle.

 

Zweifarb’ge Rosen giebt es, roth und weiß:

Auf ihren Wangen sind sie nicht zu sehen,

Und manchen Düften ziemet höh’rer Preis

Als denen, die in Liebchens Athem wehen.

 

Ich liebe ihre Stimm’ und horch’ auf sie,

Doch ist Musik (ich weiß) von süßrem Schalle;

Wie Grazien wandeln, sah ich freilich nie:

Sie tritt im Gehn den Boden wie wir alle.

 

Und doch, mir dünkt mein Lieb’ so schön, bei Gott!

Als Eine, jedem falschen Preis zum Spott.

 

 

CXXXIII. (131)

 

Tyrannisch sein, ja das ist Deine Art,

Wie’s Andre sind, die Schönheit Härte lehrt;

Denn ach! Du weißt, daß Dich mein Herz bewahrt,

Das zärtliche, als Kleinod, hoch und werth.

 

So Mancher freilich, der Dein Antlitz schaut,

Begreift nicht recht, wie man da seufzen kann;

Sie sind in Irrthum; sag’ ich’s auch nicht laut,

So schwör’ ich’s bei mir selbst: Ein Wort, ein Mann!

 

Beweis dafür, daß, wenn ich Dein gedenke,

ich tausend Seufzer seufzen muß und daß

Ich Einen nur all andrer Schönheit schenke.

Dein Schwarz dünkt schöner mir, als irgend was.

 

Beschwärzte Dich nicht Grausamkeit, ich meine,

Sie sprächen nicht von Deinem dunklen Scheine.

 

 

CXXXIV. (96)

 

Die sagen tadelnd: Du seist jung und leicht!

Die lobend: Du seist leicht, das steh’ der Jugend!

Doch Alle sind Dir hold und wohlgeneigt,

Denn jeder Fehler wird an Dir zur Tugend.

 

Den falschen Stein an einer kön’gin Hand

Läßt Jedermann für einen echten gelten.

So werden Deiner Mängel selbst erkannt

Als Zierden noch, und niemand mag Dich schelten.

 

Hätte der Wolf des sanften Lammes Blick,

Wie viel der Lämmer würd’ er dann zerreißen!

Und übtest Du Dein unheilvoll Geschick

So recht, wer widerstände solchem Gleißen?

 

Doch thu’ es nicht! So lieb’ ich Dich, daß Du

Ganz mein bist und Dein guter Ruf dazu.

 

 

CXXXV. (135)

 

Manch Einer ward ihr Wunsch, Dir ward Dein Will’

Und Will’ genug, und Will’ recht übervoll.

Komm ich nun auch, so scheint es Dir Unbill,

Daß mich Dein holder Will’ einnehmen soll.

 

Dein Will’ ist doch so groß, was thut es Dir,

Daß sich mein Will’ einmal in Deinen hüllt?

Ist Will’ an andern Leuten Schmuck und Zier,

Was that mein Will’, daß man ihn lästig schilt?

 

Die See und alles Wasser nimmt die Füll’

Des Regens auf, und das vertieft sie sehr:

Du, reich an Will’, erlaub’, daß sich mein Will’

mit Deinem eint, so wird Dein Will’ auch mehr.

 

Wer fleht, Unholde, Holde, dulde still,

Doch denk’ an Einen nur, an mich, Dein Will’.

 

 

CXXXVI. (136)

 

Zürnt Deine seel’, ich komme ihr zu nah,

So schwör’ der blinden nur, ich sei Dein Will’;

Und Will’, das weiß sie ja, hat Einlaß da:

So weit die Fordrung meiner Lieb’ erfüll’.

 

Den Schatz der Liebe häufest Will’ Dir an,

Gar mancher Will’, auch meiner, geht hinein.

Bei großen Summen, das weiß jedermann,

Gilt eins für nichts; und so mag’s immer sein,

 

Daß ungezählt ich mitgeh’ in der Zahl.

Obgleich als eins ich steh’ im Contobuch,

Zähl’ immer mich für nichts; wenn nur einmal

Mein Nichts Dir Etwas wird, so ist’s genug.

 

Lieb’ meinen Namen nur, dann denk’ ich still,

Du liebest mich, denn sieh! mein Nam’ ist Will’.

 

 

CXXXVII. (142)

 

Lieb’ meine Sünde, Deine Tugend Haß,

Haß meiner Sünde, weil ich sündig liebe!

Du wägest mich nach Dir: so mein’ ich daß

An meiner Liebe nichts zu tadeln bliebe.

 

Zum wenigsten von Deinen Lippen nicht,

Die öfter als die meinen sich entehrten,

Der Liebe Bund beschwören wider Pflicht

Und von der Frucht des fremden Gartens zehrten.

 

Soll sünd’ger meine Lieb’ als Deine sein,

Wenn sie um Andre buhlt und flieht mich Armen?

O=, pflanz Erbarmen in Dein Herz hinein,

Dann wird auch Dir erbarmen für Erbarmen.

 

Doch wenn Du forderst, und willst selbst versagen,

So wird man Dich mit Deinen Waffen schlagen.

 

 

CXXXVIII. (143)

Wie eine Hausfrau, die bemüht, das Huhn,

Das ihr entflogen, wieder einzufangen,

Ihr Kind zur Erde setzt und eilig nun

Dem Thiere folgt mit heftigem Verlangen;

 

Indeß das Kind, das sich verlassen sieht,

Mit lautem Schreien nach der mutter jaget,

Die nur im Auge hat, was ihr entflieht,

Und nicht beachtet, wie das Kindlein klaget:

 

So jagst auch Du nach dem, was flieht vor Dir,

Und ich, Dein Kindlein, folg’ Dir auf den Füßen;

Doch fingst Du’s ein, so kehr’ zurück zu mir

Und herze mich, wie Mütter thun, mit Küssen.

 

Ja, kehre nur zurück und mach’ mich still,

Dann wünsch’ ich, daß Dir werden mög’ – Dein Will’.


CXXXIX.
(57)

 

Da ich Dein Sklave bin, was sind die Stunden,

Die Tage mir, als daß ich Dir sie weih’?

Ich für mich selbst bin nicht an Zeit gebunden,

Thu’ keinen Dienst, der nicht der Deine sei.

 

Die endlos langen Stunden, die ich zähle,

Da Andre Dich besitzen, schelt’ ich nicht;

Noch sag’ ich, daß der trennung Schmerz mich quäle,

Wenn Lebewohl Dein Mund zum Knechte spricht.

 

Nicht forsch’ ich nach mit eifersücht’ger Minne,

Wo Du wohl seist, was treibst zu dieser Frist:

Nein, wie ein Sklave harr’ ich still und sinne,

Wie glücklich Der, der jetzt Dich schauet, ist.

 

Solch treuer Narr ist Lieb’, daß Dein Gefallen,

Was Du auch thust, das best’ ihr dünkt von allen.

 

 

CXL. (58)

 

Verhüte Gott, der mich zu Deinem Knechte

Erschaffen, daß ich über Deiner Zeit

Verwendung Rechenschaft zu fordern dächte,

Ich, Dein Vasall, stets Deinem Wink bereit.

 

Laß mich der Trennung Kerkerhaft erleiden,

Die Deine Freiheit über mich ausspricht;

statt einer Wange reich’ ich Dir die beiden,

Leidmüthige Geduld beklagt sich nicht.

 

Folg Deiner Lust! Dein Freibrief giebt Dir Rechte

Mit deiner Zeit zu schalten, wie Du magst;

Thu’ was Du willst, nur Selbstverzeihung möchte

Am Platze sein, wenn etwas Du verbrachst.

 

Ich harre Dein, und ob’s auch weh mir thut,

Doch schelt’ ich Deine Lust nicht bös, nicht gut.

 

 

CXLI. (139)

 

O wolle nicht, daß ich auch noch vertheid’ge

Dein Unrecht, wenn Du hart und grausam bist!

Nicht mit den Augen, mit dem Mund beleid’ge;

Macht gegen Macht, doch tödte nicht durch List.

 

Sag’ mir, Du liebst wen anders, aber blicke,

Wenn ich dabei bin, so nicht andre an;

Warum mir wehethun durch List und Tücke,

Der ich mich Deiner Macht kaum wehren kann?

 

Entschuld’gend sprech’ ich wohl: mein Lieb wir meinen,

Zu feindlich waren ihre Blicke mir,

Drum läßt sie sie nach andrer Seite scheinen,

Damit sie dort ihr Uebles thun, nicht hier.

 

Doch thu’ es nicht; ich bin ja schon halbtodt,

Zück’ Deinen Blick und ende meine Noth.

 

 

CXLII. (140)

 

Sei weise, wie Du grausam bist, und quäle

Geduld, die schweigende, nicht gar zu arg;

Daß Qual nicht Worte leih’, und ich erzähle,

Was ich, Du Unbarmherz’ge, still verbarg.

 

Könnt’ ich Dich klugheit lehren, würd’ ich sagen:

Sprich mir von Liebe, fühlst Du sie auch nicht,

Wie Todeskranken, wenn sie mürrisch klagen,

Der Arzt noch immer von Gesundheit spricht.

 

Denn packt mich Wahnsinn, läßt Du mich verzweifeln,

So schmäh’ ich in der Tollheit Dich, mein Kind;

Nun ist die Welt so voll von häm’schen Teufeln,

Daß böser Leumund will’ge Ohren find’t.

 

Dies zu verhüten, daß man Dich nicht schmähe,

Blick her zu mir, wohin Dein Herz auch gehe.

 

 

CXLIII. (149)

 

Ich liebte Dich, Du Unbarmherz’ge nicht,

Und bin doch wider mich mit Dir verschworen?

Mein eigner Quäler, Sklav’ in Deiner Pflicht,

Hab’ ich um Dich mich selber ganz verloren.

 

Wer haßte Dich und dürfte Freund mir sein?

Wem zürntest Du, und ich wär’ ihm ergeben?

Ha, grollst Du mir, so straf’ ich mich allein,

Ich mich allein mit Zittern und mit Beben.

 

Was wäre, das ich nicht zum Opfer brächt’

Was dünkte mir zu gut, um Dir zu dienen?

Mein Bestes selbst ist Deiner Mängel Knecht

Und unterthan dem Winke Deiner Mienen.

 

Doch hasse nur; ich weiß, wie Du gesinnt:

Du liebst nur Sehende, und ich bin blind.

 

 

CXLIV. (137)

 

Was thatst Du meinen Augen, blinde Liebe,

Daß sie, die sehend scheinen, doch nicht sehn,

Schönheit zwar kennen, aber ach, als bliebe

Sie ihnen immer fremd, nach Schlechten spähn?

 

Wie magst Du, wenn von Blicken falsch beschieden,

Sie ankern, wo ein jeder ankern kann,

Aus ihrer Falschheit Deine Angeln schmieden,

Damit des Herzens Urtheil hang’ daran?

 

Was glaubt mein Herz, es hab’ ein Plätzchen eigen,

Und weiß doch, daß es aller Welt gemein?

Was sieht mein Auge das, und kann’s nicht zeigen,

Damit das Lügenantlitz wahr erschein’?

 

Gesündigt haben Aug’ und Herz am Wahren,

Drum mußten sie so bittres Leid erfahren.

 

 

CXLV. (148)

 

Ach! was für Augen setzte Lieb’ mir ein,

Auf deren Treu ich kann so wenig bauen!

Wie? oder sollte schuld mein urtheil sein,

Das falsch entscheidet, wo sie richtig schauen?

 

Ist schön, was meine Augen staunend sehn,

Was meinen Andre denn, daß es nichts tauge?

Und taugt es nichts, muß Liebe nicht gestehn,

Daß Andrer Auge schärfer als ihr Auge?

 

Doch wie auch säh’ ihr Auge wohl so scharf,

Das Wachen schwächt und allzu häuf’ge Zähren!

Kein Wunder, daß ich ihm nicht trauen darf,

Zum Sonnenblick muß erst die Luft sich klären.

 

Arglist’ge Liebe, machst mich blind durch Thränen,

Daß ohne Fehl Dich meine Augen wähnen.

 

 

CXLVI. (141)

 

Fürwahr, nicht meine augen lieben Dich,

Die mancherlei an Dir zu tadeln fänden;

Mein Herz, rotz ihres Tadels, liebt für sich,

Was sie auch sehn, es muß zu Dir sich wenden.

 

Nicht Deiner Stimme Laut entzückt mein Ohr,

Nicht reizt mein zart Gefühl ein rauh Berühren,

Nicht stellt Geschmack, Geruch sich’s himmlisch vor,

Mit Dir ein Fest der Sinne aufzuführen.

 

Doch weder Witz noch Sinne sind im Stand,

Ein närrisch Herz aus Deinem Dienst zu wenden,

Das, selbstvergessen, nur an Dich gebannt,

Als Deines stolzen Herzens Sklav’ will enden.

 

Nur darin dünkt Gewinn mein Leiden mir,

Daß beides, Sünd’ und Buße, kommt von Dir.

 

 

CXLVII. (150)

 

O, wer verlieh Dir diese Zaubermacht,

Die mir das Herz beherrscht, die Kraft zerbricht,

Zu Täuschern meine treuen Augen macht,

Mich schwören läßt, den Tag entstell’ das Licht?

 

Wo hast Du diese Sündenanmuth her,

In Deinen schlimmsten Thaten diese Kraft

Und Sicherheit, die ihnen soviel mehr

Als bessern Thaten meine Gunst verschafft?

 

Wie kommt’s, daß Du mir lieb und lieber bist,

Je mehr ich Grund zum Hasse an Dir seh’?

O, lieb’ ich gleich, was Andern schmählich ist,

Zu schmähen, was die Andern schmähn, verschmäh’!

 

Denn wenn Dein Unwerth Dich mich lieben ließ,

Nur würd’ger Deiner Liebe macht mich dies.

 

 

CXLVIII. (147)

 

Dem Fieber gleich ist meine Lieb’, erpicht

Auf Alles, was die Krankheit unterhält;

Verbotne Nahrung, andre will sie nicht,

Nur die ist’s, die dem kranken Gaum gefällt.

 

Vernunft, der Arzt der Liebe, ärgerlich,

Daß seine Vorschrift er befolgt nicht sah,

Verließ mich, und so lieg’ verzweifelnd ich,

Den Tod ersehnend, ohne Hülfe da;

 

Und ohne Hoffnung, ohne Arzenei,

Von steter Unruh toll und rasend fast,

Mein Denken, Reden – eitel Faselei,

Die um die Wahrheit irrt, und nie sie faßt.

 

So schwör’ ich, Du seist schön und hold und licht,

Und doch sind Nacht und Hölle schwärzer nicht.

 

 

CXLIX. (152)

 

In Untreu hab’ ich Dich geliebet, wiß,

Doch Du brachst zweimal, was Du erst geschworen:

Der Eh’ Gelübt’, der neue Bund zerriß,

In neuem Haß ging neue Lieb’ verloren.

 

Doch schmäh’ ich Dich um zweier eide Bruch,

Der ich wohl zwanzig brach? O weh der Sünde!

Denn was ich schwor bei Dir, ist schnöder Trug

Und alles Lüge, was ich von Dir künde.

 

Du wärest gut und lieb, wärst treulos nicht,

Mit Eiden sagt’ ich’s aus; Dich zu verklären,

Schlug ich mit Blindheit meiner Augen Licht,

That, wenn sie sahn, als ob sie blöde wären.

 

So schwör ich, Du seist schön! o welche Lüge!

Sie zeiget meine Untreu zur Genüge.

 

 

CL. (151)

 

Zu jung ist Lieb’ und weiß nichts von Gewissen,

Gewissen aber ist der Liebe Kind.

Drum Nachsicht, liebes Herz! Du solltest wissen,

Daß meine sünden Dein Verschulden sind.

 

Denn wie Du mich verführst, muß ich verführen

Mein edler Theil zu grober Sinnenschuld.

Die Seele reizt den Leib, ihn anzuschüren

Zur Glut der Liebe; blind vor Ungeduld

 

Ersteht das Fleisch, sobald Dein Nam’ erklungen,

strebt hin  zu Dir als Siegespreis und stellt

Sich willig Dir u Dienst, von Stolz durchdrungen,

Daß es an Deiner Seite steht und fällt.

 

Ist das gewissenlos, ich frage Alle,

Wenn ich für meine Liebe steh’ und falle?

 

 

CLI. (129)

 

Der Wollust frönen, heißt den Geist verschwenden

An Schändliches; eh diese Fron beginnt,

ist Wollust eins mit Lügen, Schänden, Blenden,

Ist grausam, rasend, mördrisch, wild und blind.

 

Genossen kaum, verachtet schon! Entweder

Sinnlos begehret oder – kaum erhascht –

Sinnlos gehaßt wie ein verschlungner Köder,

An dem man sich verrückt und toll genascht

 

Zu toller Jagd und tollerem Genusse.

Gehabt, begehrt, im Haben – Raserei,

Lust – da sie währt, erprobet – voll Verdrusse!

 

In Aussicht – Wonne, Traum, wenn sie vorbei!

Das weiß man! Doch wer weiß, wie man entflieht

Dem Himmel, der zu dieser Höll’ uns zieht?

 

 

CLII. (146)

 

Du arme Seele, Mittelpunkt dem Staub,

Dem sündigen, und doch sein Narr und Fröhner!

Was darbst Du drinnen, wirst des Hungers Raub

Und schmückt das Haus von außen schön und schöner?

 

Warum für kurze Frist verschwendest Du

Auf dies gebrechliche soviel der Habe?

Fällt es als Erbtheil nicht den Würmern zu?

Sinkt nicht Dein Leib mit seiner Pracht zu Grabe?

 

Drum, Seele, leb’ auf Deines Knechts Verlust

Und laß ihn darben, daß Dir’s besser gehe;

Erwirb dir Himmelsreht für Sinnenlust,

Nähr’ innen Dich, auf Außenpracht nicht sehe.

 

Verzehr’ den Tod, daß er Dich nicht verzehr’!

Ist todt der Tod, so giebt’s kein Sterben mehr.

 

 

CLIII. (153)

 

Cupido schlief, die Fackel neben sich:

ein Mädchen der Diana kam zur Stelle,

Ergriff des Liebesgottes Fackel, schlich

Davon und löschte sie in kühler Quelle.

 

Da ward die Quelle von der heil’gen Glut

Der Lieb’ erwärmt, und ist noch heut’gen Tages

Ein Heilquell, gegen böse Übel gut,

Gesucht, erprobt von Kranken jeden Schlages.

 

Doch neu entflammte den erloschnen Brand

Der Knab an Liebchens Augen und berührte

Mir so die Brust! Ins Bad ward ich gesandt,

weil ich im Herzen krank. Doch ach! ich spürte

 

Noch Heilung nicht! das Bad, das mir soll taugen,

Cupido’s Liebeszünder sind es – Liebchens Augen.

 

 

CLIV. (154)

 

Der kleine Liebesgott lag einst im Schlaf,

Die loh’nde Herzensfackel neben sich;

Ein keuscher Nymphenchor den Schläfer traf

Auf seinem Weg. Mit Händen, zimperlich,

 

Entwand die Schönste ihm den Feuerbrand,

Der so viel treue Herzen schon verzehrt:

So ward im Schlaf von jungfräulicher Hand

Der heißen Liebe Kriegesherr entwehrt.

 

Sie löscht den Brand in einem kühlen Quell,

Der Wärme von der Liebe Glut empfängt;

Zu einem Heilquell wandelt er sich schnell

Für Leidende. So kam ich her, bedrängt

 

Von Liebesnoth. Doch ob ich ewig bliebe,

Lieb’ wärmt wohl Wasser, Wasser kühlt nicht Liebe.