1564 – 1616 England
In Übersetzungen von
Hermann Freiherr von Friesen
18.
Darf ich mit
Sommers Tagen dich vergleichen?
Du bist weit
lieblicher und milder auch;
Des Maien knospe
bricht des Winters Hauch,
Und Sommers
Zeiten, ach, zu schnell verstreichen.
Bald will zu heiß des
Himmels Aug uns dünken,
Bald ist sein
goldner Blick trüb und bedrückt,
Und Schönes muß
herab von Schönheit sinken,
Wenn’s die Natur
und Zufallslaun’ entschmückt.
Dich aber soll ein
ew’ger Sommer zieren,
Nicht Schönheit
dir als flücht’ges Erb’ entfliehn,
Nicht stolzer Tod
als Schatten dich entführen,
Denn in den ew’gen
Zeilen sollst du blühn.
So lang’ als Athem
weht und Augen sehn,
Lebt dies, worin
dein Leben soll bestehn.
66.
Nach Todesruhe
schrei’ ich, davon satt,
Verdienst zu sehn,
am Bettelstab geboren,
Und dürft’ges
Nichts in schmuckem Flitterstaat,
Und reinste Treu’
unselig falsch verschworen,
Und Gold und Ehr’
an Schand und Schmach verliehen,
Und jungfräuliche
Tugend roh geschändet,
Und wahre Hoheit
ungerecht verschrieen,
Und Kraft an
lahmes Herrschertum verschwendet,
Und das Ansehn,
das der Kunst die Zunge band,
Und Toren für der
Weisen Lehre sorgend,
Und schlichte
Treue blöder Sinn genannt,
Und Gut in Haft,
dem Hauptmann Schlecht gehorchend.
Des müde, möcht
ich längst verschieden sein.
Ließ ich nicht
sterbend meine Lieb’ allein.