Petrarca

1304 – 1374           Italien

Übersetzungen von Karl Förster

 

 

Verstreute Gedichte

 

 

 

E I.

 

Sie, die mein jugendliches Herz umschlungen

Ich erster Zeit, da ich gelernt, zu lieben,

Aus ihrer holden Wohnung ausgetrieben,

Hat schmerzlich mich dem schönen Band entrungen.

 

Kein neuer Reiz hat drauf mein Herz bezwungen,

Kein Licht mehr hält’s, das Glut ihm gäb, umschrieben;

Erinnrung nur der Stärk ist ihm geblieben,

Die es mit süßer Rauhigkeit durchdrungen.

 

Sie, die mit schönen Augen es erschlossen,

Wollt ihre Kunst mit andern Schlüsseln prüfen;

Doch neues Netz nicht alten Vogel fähet.

 

Zwischen Charybd und Skylla unentschlossen

Stand ich, und taub, wo die Sirenen riefen,

Wie, wer zu hören scheint, und nichts versteht.

 

 

 

E II.

 

Mehrmal des Tags verzweifl ich jetzt zuweilen,

Denk ich der Kettenlast, die mich umwindet,

Womit die Welt zurück mich hält und bindet,

Daß ich nicht kommen kann, bei euch zu weilen.

 

Ihr konntet Hoffnung ja allein erteilen

Mir für mein blödes Auge, fast erblindet;

„Dann“, sprach ich, „wenn das Leben eh nicht schwindet,

Dann ist es Zeit, zum Heimatland zu eilen.“

 

Von beiden Grenzen bin ich nun verschlagen,

Und jedes schlechte Bächlein kann mich stören,

Und, hier ein Sklav, träum ich von freien Tagen;

 

Kein Lorbeerkranz, einer von Sperberbeeren

Drückt mir die Stirn, und eins nur will ich fragen:

Ob Wehen, meinen ähnlich, euch verzehren?

 

 

 

E XII.

 

Der Kranz, der jene schöne Stirn umfangen,

Wo Perlenfarb und scharlach sich verbunden,

Scheint er hienieden dir, o Freund, erfunden?

Oder ein Ding von Engeln ausgegangen?

 

Sahst du die Mien und jener Locken Prangen,

Die oft mein Herz so heilen als verwunden?

Sahst du die Freude, die mich läßt gesunden

Von jedem eiteln, irdischen Verlangen?

 

Vernahmst du jener Worte süße Wonnen?

Sahst jenes hehre du und holde Schweben,

dem mein Gedanke folgt mit irren Schritten?

 

Ertrugst den Blick du, neidenswert der Sonnen?

Dann weißt du, warum glüht und hofft mein Leben;

Doch ach! ich darf nicht, was ich wünsch, erbitten!

 

 

 

E XVII a

 

Je mehr ich, Graf Riccardo, überlege,

Was Ihr gesagt, so mehr seh ich vernichtet

Der Tugend Freund, und so uns zugerichtet,

Daß drob ich Zorn und Scham im Herzen hege;

 

Und finde keinen Trost, wie ich’s erwäge,

Als daß so eilig Tag für Tag sich flüchtet.

Bald ist er da, der jedes Band zernichtet

Und uns befreit, und gern ich mit ihm zöge.

 

Wohl tausend Jahre scheint mir’s, daß ich lebe,

Ich will nicht sagen, starb; doch werd ich steigen

Früh oder spät, wohin im Geist ich fliege.

 

Euer gewiß, acht ich der Welt Bezeigen

Geringer stets und froh mich drein ergebe,

Daß ich einst scheiden soll aus solchem Kriege.