Francesco Petrarca

1304 – 1374           Italien

 

In Übersetzungen von

Gottfried August Bürger

 

 

 

Die Unvergleichliche

 

Welch Ideal aus Engelsphantasie
Hat der Natur als Muster vorgeschwebet,
Als sie die Hüll' um einen Geist gewebet,
Den sie herab vom dritten Himmel lieh?

 

O Götterwerk! Mit welcher Harmonie
Hier Geist in Leib und Leib in Geist verschwebet!
An Allem, was hienieden Schönes lebet,
Vernahm mein Sinn so reinen Einklang nie.

 

Der, welchem noch der Adel ihrer Mienen,
Der Himmel nie in ihrem Aug' erschienen,
Entweiht vielleicht mein hohes Lied durch Scherz.

 

Der kannte nie der Liebe Lust und Schmerz,
Der nie erfuhr, wie süß ihr Athem fächelt,
Wie wundersüß die Lippe spricht und lächelt.

 

 

 

Wann die goldne Frühe, neugeboren,

 Am Olymp mein matter Blick erschaut,

 Dann erblaß' ich, wein' und seufze laut:

 Dort im Glanze wohnt, die ich verloren!

 

 Grauer Tithon! du empfängst Auroren

 Froh aufs neu, sobald der Abend taut;

 Aber ich umarm' erst meine Braut

 An des Schattenlandes schwarzen Toren.

 

 Tithon! Deines Alters Dämmerung

 Mildert mit dem Strahl der Rosenstirne

 Deine Gattin, ewig schön und jung:

 

 Aber mir erloschen die Gestirne,

 Sank der Tag in öde Finsternis,

 Als sich Molly dieser Welt entriß.

 

 

 

 

In die Nacht der Tannen oder Eichen,
In der stummen Heimlichkeit Gebiet,
Das der Lebensfrohe schauernd flieht,
Such' ich oft der Ruhe nachzuschleichen.

 

Könnt' ich nur aus aller Wesen Reichen,
Wo der Sinn noch etwas hört und sieht;
Das den Müden an die Arbeit zieht,
Bis hinein ins leere Nichts entweichen!

 

Denn so allgeheim ist kein Revier,
Keine Kluft ist irgenwo so öde,
Daß nicht Liebe mich auch da befehde;

 

Daß die Allverfolgerin mit mir
Nicht von Molly und von Molly rede,
Oder, wenn sie schweiget, - ich mit ihr.