1547 - 1616
In Übersetzungen von:
Ludwig Braunfels
Amadis
von Gallien an Don Quijote von der Mancha
O du,
in dem die Lieb Nachahmung weckte
Des
Tränenlebens, das mich quält’ und plagte,
Als
auf dem Armutsfelsen ich verzagte,
Weil
mich Entfernung und Verschmähung schreckte;
Du,
der zum Trank der Augen Salzflut leckte
Und
dem zur Mahlzeit, wenn dich Hunger nagte
Und
Silber, Zinn und Kupfer dir versagte,
Die
Erd auf harter Erd ein Tischchen deckte;
Leb du
in Zuversicht, daß dir auf immer
- So lang zum mindsten, als die Feuerpferde
Apollos
in der vierten Sphäre kreisen –
Dein
Name hell wird sein von Ruhmesschimmer,
Dein
Vaterland das erst’ auf dieser Erde,
Dein
Autor einzig unter allen Weisen.
Don
Belianis von Griechenland an Don Quijote von der Mancha
Ich
brach, hieb, sprach, schlug Beulen, hab vollbracht
Mehr
als der fahrenden Ritter ganz Geschlecht,
Kühn,
brav, stolz, tausend Frevel schwer gerächt
Und
hunderttausend wiedergutgemacht.
Der
Ruhm verewigt meiner Taten Pracht;
Stets
war mein Lieben sanft, freigebig, echt.
Im
Zweikampf war ich jeder Pflicht gerecht;
Ein
Riese galt als Zwerg mir in der Schlacht.
Zu
Füßen mir hatt ich Fortuna liegen;
Am
Stirnhaar hielt mein schlauer Sinn mit Spotte
Die
kahle Glatze der Gerechtigkeit.
Doch
hob sich auch mein Glück im steten Siegen
Über
des Mondes Hörner – Don Quijote,
Auf
deine Heldentaten hab ich Neid.
O schöne Dulcinee! Hätt ich’s vollbracht,
Mein Miraflores
einst, mir zum Ergetzen
Und
Labsal, nach Toboso zu versetzen,
Mit
deinem Dorf zu tauschen Londons Pracht!
O
zierte deine Denkart, deine Tracht
Mir
Seel und Leib! wie froh würd ich mich schätzen,
Den
Ritter, der beglückt in deinen Netzen,
Zu schaun
im Kampfe gegen Übermacht!
Hätt
ich’s vollbracht, mit keuschem Sinn zu meiden
Herrn
Amadis, wie du dem höflich feinen
Quijote
dich entzogst trotz seinen Qualen!
Ich
wär beneidet dann, statt zu beneiden,
Blieb
froh statt traurig und genöß den reinen
Glücksbecher,
ohne Zeche zu bezahlen.
Gandalin,
Schildknappe des Amadis von Gallien,
an
Sancho Pansa, den Schildknappen Don Quijotes
Heil,
edler Mann, dir! Als des Schicksals Macht
Dich
mit dem Amt des Knappentums belohnt,
Hat’s dich
mit allem Pech so ganz verschont,
Daß
deine Pflichten du mit Glanz vollbracht.
Jetzt
wird nicht Sens und Spaten mehr verdacht
Den
fahrenden Knappen, simpler Geist nun wohnt
Im
Knappentum; der Hochmut, der den Mond
Mit
Füßen treten will, wird ausgelacht.
Ich
neide deinen Ruhm, dein Eselein;
Jedoch
dein Zwerchsack, der dich kennen lehrt
Als
höchst fürsichtig, geht mir noch darüber.
Heil
nochmals dir, du Biedrer, dem allein
Hat
unser spanischer Ovid gewährt
Ehrsamen
Gruß mit einem Nasenstüber.
Der rasende
Roland an Don Quijote von der Mancha
Du
bist kein Großer zwar des Reichs, indessen
Muß
man als Größten dich der Großen ehren,
Du
Sieger, unbesiegt von ganzen Heeren;
Dir
gleich zu sein, darf keiner sich vermessen.
Von
Liebe zu Angelika besessen,
Zog
rasend ich, Roldan, zu fernen Meeren,
Und
Opfer bracht ich auf des Ruhms Altären,
Daß
nie mein Name sinket in Vergessen.
Obschon
du den Verstand wie ich verloren,
Kann
ich dir gleich nicht sein; das Weltall schätzt
Weit
höher deinen Ruf und deine Taten.
Mir
wirst du gleich, wenn du den stolzen Mohren,
Den
wilden Skythen bändigst, der uns jetzt
Gleich
nennt im Lieben, das vom Glück verraten.
Nie
hat mein Schwert so kühn wie deins gedroht,
Du
span’scher Phöbus, du voll Lieb und Witz,
Und
deinem Arm weicht meiner, der als Blitz
In Ost
und West viel Feinde schlug der Tod.
Den
Thron verschmäht ich, den die Welt mir bot,
Verließ
im Orient den Königssitz
Für
Claridianas Anblick, denn mich litt’s
Nur, wo
ich sah mein holdes Morgenrot.
Heiß
liebt ich sie, das hehre Wunderbild;
Als
sie mich kalt verstieß, griff ich die Rotte
Der
Höllen an, die ich mit Schrecken schlug.
Doch
du, ein echter Gote, wild und mild,
Bist
ewig groß durch Dulcinee, Quijote,
Und sie
durch dich berühmt als keusch und klug.
Junger
Quijote, so Ihr Euch geschwächt
Das
Hirn und seid zur Narrenzunft gesprochen,
So
sagt kein Mensch doch, daß Ihr was verbrochen,
Noch
eines Schelmenstücks Euch habt erfrecht.
Wohl
Eure Taten sitzen drob zu Recht.
Auf
Ritterfahrt habt Frevel Ihr gerochen,
Und
tausendmal zerschlugen Euch die Knochen
Manch
böser Wicht und mannich loser Knecht.
Und so
dich Dulcinee gen Euch erbost
Und
tut Euch Leids und bringt Euch auf den Hund
Und
Eurem Weh kein willig Labsal gibt,
In
solchen Nöten sei Euch dies zum Trost:
Daß
Sancho sich aufs Kuppeln nicht verstund,
Ein
Dumkopf er, sie hart, Ihr nicht verliebt.
B: So hager, Rosinante, so verschlissen?
R: Weil’s Arbeit stets und Niemals Futter gab.
B: Wirft Euch der Dienst nicht Stroh und Gerste
ab?
R: Mein Herr verabreicht mir nicht einen
Bissen.
B: Ihr loser Knecht, schämt Euch in Eu’r
Gewissen!
Ein Eselsmaul reißt seinen Herrn herab.
R: Er ist ein Esel von der Wieg ans Grab;
Seht nur, wie er der Liebe sich
beflissen!
B: Ist Lieben Torheit? R: Doch nicht viel Vernunft.
B: Du bist ein Philosoph. R: Das kommt vom Hungern.
B: Verklagt den Diener, der auf Euch nichts
wandte.
R: Wem sollt ich’s klagen bei der Bettlerzunft,
Wo Herr und Diener in der Welt rumlungern
Und grad so schäbig sind wie Rosinante?
Entweder,
Lieb, hast Kenntnis du der Seelen
Zuwenig,
oder zuviel Grausamkeit,
Oder
ich bin verurteilt, daß mein Leid
Weit
über alles Maß mich darf zerquälen.
Doch
ist die Lieb ein Gott, so kann’s nicht fehlen,
Daß
sie die Seelen kennt; auch ist kein Streit,
Daß
Götter nimmer grausam. Wer denn weiht
Mich
Qualen, die so süß und mich entseelen?
Sag
ich, du tust es, Phyllis, das wär sündlich;
So
Gutem kann ich Böses nicht verbinden,
Noch
kommt mein tödlich Weh aus Himmels Händen.
Bald
werd ich sterben, das erhoff ich stündlich;
Denn
für ein Leid, des Grund nicht aufzufinden,
Vermöcht
ein Wunder Heilung nur zu spenden.
Ich
stiller Ruh der Nacht, wenn mit Behagen
Am
holden Schlaf die Sterblichen sich weiden,
Die
arme Summe meiner reichen Leiden
Will
ich dem Himmel dann und Chloris sagen.
Und
wenn die Sonn, das Weltall zu durchjagen,
Eilt,
aus des Ostens Rosentor zu scheiden,
Mit
Qualen dann, die sich in Seufzer kleiden,
Erneu
ich meiner Sehnsucht alte Klagen.
Wenn
dann die Sonne senkrecht ihre Strahlen
Zur
Erde schickt von ihrem Sternenthrone,
So
kommen Tränen schmerzlicher geflossen.
Und
kehrt die Nacht, so kehren meine Qualen,
Und
immer find ich, meiner Treu zum Lohne,
Den
Himmel taub und Chloris’ Ohr verschlossen.“
Ich
sterb – und glaubst du nicht, daß es geschehe,
Wird
um so sichrer Todes Band mich binden;
Und
dir zu Füßen soll mein Leben schwinden,
Eh ich
bereu der Liebe göttlich Wehe.
Wenn
ich in des Vergessens Reich mich sehe,
Um
sterbend noch im Elend mich zu winden,
Reißt
mir die Brust auf! Leicht wird es sich finden,
Ob
drin dein Antlitz als Altarbild stehe.
Dies
Heiltum, ich verwahr es für Stunde
Der
letzten Not, mit der dein streng Gebaren
Und
dein Verschmähen meine Treue strafen.
Weh
dem, der unter düstrem Himmelsrunde
Durch
fremde Meere, durch des Wegs Gefahren
Hinschifft,
wo kein Polarstern winkt, kein Hafen!“
„Ihr
selgen Geister, ihr vom Staubgewande
Befreit,
weil ihr gewirkt für Rechte, Gute,
Schwangt
euch vom Erdenweh, das auf euch ruhte,
Zum
besten höchsten Heil der Himmelslande.
Ihr
habt des Körpers Kraft gesetzt zum Pfande
Für
wahre Ehr, ihr habt in hohem Mute
Gefärbt
mit eignem und mit fremdem Blute
Das
tiefe Meer, den Sand am Dünenstrande.
Denn
eher als der Mut schwand euch das Leben,
Ihr
müden Kämpfer, und die Welt verleiht euch,
Ob ihr
besiegt auch seid, des Sieges Krone.
Und
dieser Tod, dem ihr euch preisgegeben
Hier
zwischen Wall und Feindesschwert, er weiht euch
dem
Ruhm hienieden, dort dem ewgen Lohne.“
Von
diesem Strand, den Feinde ganz zertraten,
Aus
diesen Türmen, die zertrümmert liegen,
Da
sind zum ewgen Leben aufgestiegen
Die
frommen Seelen spanischer Soldaten.
Dreitausend
waren’s, die zu Heldentaten
Den Arm
geübt, die nimmer laß in Kriegen,
Bis
daß die kleine Schar, erschöpft vom Siegen,
Erlag,
von eigner Schwäche jetzt verraten.
Dies
ist der Boden, dem es ward zum Lose,
Zu
bergen tausend Schmerzerinnerungen,
So in
der Vorzeit wie in neusten Jahren.
Doch
haben nie aus seinem harten Schoße
Sich
frömmre Seelen himmelwärts geschwungen,
Nie
trug er Leiber, die so tapfer waren.“
auf
die Grabstätte Don Quijotes
Grabschrift
Der
hohle Fratz, der mehr mit Siegeszeichen,
Als
Jason Kreta einst, die Mancha schmückte;
Der
seltne Geist, der kluge, der verrückte,
Schier
einer Wetterfahne zu vergleichen;
Der
Arm, der von Gaeta zu den Reichen
Katais’
den Schild trug und das Schlachtschwert zückte;
Der
tollste Musenzögling, dem’s je glückte,
Auf
Erze seinen Ruhm herauszustreichen;
Der
weit ließ hinter sich die Amadise;
Dem,
weil er nur für Lieb und Ruhm entbrannte,
In
Galaror verhaßt war das Gemeine;
Vor
dem verstummten selbst die Belianise:
Der
Held, der irrend ritt auf Rosinante,
Der
liegt hier unter diesem kalten Steine.
Vom
Tellerlecker, Akademiker zu Argamasilla,
in
laudem der Dulcinea von Toboso
Seht
hier, das Antlitz ganz in Fett verschwommen,
Läßt
sich hochbrüstig, feurig von Gebaren,
Tobosos
Königin Dulcinee gewahren,
Für
die der Held Quijote in Lieb entglommen.
Für
sie hat er das Schwarzgebirg erklommen
Nordwärts
und südwärts, trieb den Feind zu Paaren
Im
Feld von Montiel, zog in Gefahren
Bis
Aranjuez, zu Fuß und schier verkommen
Durch
Rosinantes Schuld. O Schicksal, bitter
Strafst
du die Mancha-Königin und diesen
Fahrenden
Ritter! Denn in jungen Jahren
Starb
mit ihr ihre Schönheit, und der Ritter,
Obschon
auf Marmor ewiglich gepriesen,
Nie
konnt er sich vor Lieb und Täuschung wahren.
Vom
Spötter, Argamasillanschen Akademiker,
auf
Sancho Pansa
Schaut
Sancho Pansa hier, der Knappen Krone,
An
Körper klein, doch Wunder! groß an Geiste;
Ein
Knappe frei von Witz, der allerfreiste
Von
jedem Falsch, ich schwör’s beim höchsten Throne.
Fast
wär er Graf geworden, ‚s war nicht ohne,
Wenn
sich nicht gegen ihn verschwur die feiste
Gemeinheit
und die Ränkesucht, die dreiste,
Zu
boshaft, daß sie nur ein Eslein schone!
Auf
diesem Tier zog, mit Verlaub zu sagen,
Der
gute Knappe hinter jenem guten
Gaul
Rosinante her und seinem Reiter.
O
leere Hoffnungen, die Frucht nie tragen!
Ihr
flieht vorüber, wo wir gerne ruhten,
Und
werdet Schatten, Träume, Rauch – nichts weiter!
Gib
ein Gebot zur Richtschnur meinen Tagen,
Wie
sie dein Wille, Herrin, mag gestalten;
Dein
Wille soll stets über meinem walten,
Der
nie sich des Gehorsams wird entschlagen.
Befiehlst
du, ich soll meinen Schmerz nicht klagen
Und
sterben, darfst du mich für tot schon halten;
Soll
ich in Tönen, wie sie nie erschallten,
Ihn
künden, soll dir Amor selbst ihn sagen.
Ein
Beispiel zweier Gegensätze leb ich,
Denn
weich wie Wachs und demanthart gehör ich
Der
Liebe stets und ihrem Machtgesetze.
Weich
oder hart, mein armes Herz dir geb ich;
Grab
oder schreib darein, was dich ergetze,
Und es
auf ewig treu zu wahren schwör ich.
Die
Wand durchbricht die Maid, die schöngestalte,
Die
Pyramus schlug tiefe Herzenswunden;
Von
Zypern her eilt Amor, zu erkunden
Die
enge wundersame Mauerspalte.
Hier
spricht das schweigen; jeder Ton verhallte,
Eh
durch die enge Eng er sich gewunden.
Den
Durchpaß hat die sehnsucht nur gefunden;
Kein
Hemmnis gibt’s, das stand vor Amor halte!
Die
Sehnsucht hielt nicht maß. Nach kurzem Glücke
Büßt
die betörte Maid ihr Liebesstreben
Mit
herbem Tod – so wollt es Amor lenken.
Und
beide nun zugleich, o Schicksalstücke!
Tötet,
begräbt, erweckt zu neuem Leben
Ein
Schwert, ein Grab, ein preisend Angedenken.