Vittoria Colonna

1490 - 1547

 

In Übersetzungen von

Bertha Arndts

 

 

 

Die geistlichen Sonette

Zweiter Teil

 

 

CI.

 

Wie mocht’, Andreas! Süßgkeit Dir fließen

Aus Gott, als Du den Tod begrüßt von weiten,

Den litt, bedeckt mit Schmach und Bitterkeiten,

Der Sohn, dem Vater unsre Schuld zu büßen.

 

Ein heilig Feur’ Dir mußt’ das Herz erschließen,

D’rin fest’gen starke Hand die gottgeweihten,

Die hehren Tugenden, die uns entgleiten,

Weil sich zersetzt der Wille im Genießen.

 

So auf dem harten Kreuz die lichten Freuden

Des Himmels Dich umziehn, und jenes süße Leben,

Das Tod dem Stumpfsinn gilt, nutzloses Leiden;

 

Doch heil’ge Macht fährt leicht Dich und geschwinde

Zum Sieg auf hohen Wegen, grad’ und eben,

Daß schöner Anfang schönern Ausgang finde.

 

 

CII.

 

Glücksel’ge Ihr! die bannt nicht Zeit noch Plage

Mehr als dieses Joch! der Geist nie trüb’, nie müde,

Kennt keine Nacht, ihm leuchtet gleicher Friede,

Und nie ein Nebel droht dem hellen Tage!

 

Kein Labyrinth, kein Netz mehr stellt in Frage

Je Euer Ziel, und fest den Fuß im Hafen

Kann Alter Euch nicht bleichen und nicht strafen:

Auf dieser Wanderschaft die frühe Klage!

 

Ein Feuer jeden Trieb in Euch entzündet;

Doch sorglos stets so liebliches Begehren

Nie in der Sätt’gung Überdruß empfindet;

 

Mag größerm Maß der Liebe höh’re Stufen

Der Glorie dort die Gnad’n dann gewähren:

Neid fühlt nicht, wer zu g’ringrem Los berufen.

 

 

CIII.

 

Dir Engel Preis! des zu erfüllen hieß

Der Herr den alten Bund, uns zu umschlingen

Mit Heil und Frieden, Kunde uns zu bringen,

Wie wir erlangen all’, was er herhieß.

 

Ihn will ich preisen, wie Dein Mund Ihn pries,

Der Dir dies Amt beschied, will Ihm lobsingen

Daß von der Botschaft hehr lieblich durchdringen

Er ließ das Herz der Jungfrau tief und süß.

 

Du aber gib, daß ich im Geiste schau

Das Antlitz hold von unsrer Himmelsfrau,

Die keusche Furcht, der Antwort Schüchternheit,

 

Die doch so innig dem Gebot sich weiht,

Wie sie in Glaub’ und Lieben heilig glüht,

Da still das Gottes-Wort in’s Herz ihr zieht.

 

 

CIV.

 

Im Werk den Deinen, Herr, hast Du gegeben

Ein Beispiel von der Armuth kurzem Zwang.

Von Reichthums Fülle, die im Wort erklang,

Sanft selbst im Ernst, demüthig im Erheben;

 

Eins wie das And’re goß der Liebesdrang

Aus Deiner Sonne überird’schem Weben,

In der gereinigt todesmuthig geben

Sich Dir die Herzen, die kein Leid bezwang:

 

Auf daß Dein Machtruf, der vom Himmel schallt,

Um Menschen ew’gem Erbe zu gewinnen,

Vor blödem Aug’ und Ohre nicht verhallt,

 

Und daß er sterbend heil’ge Funken zeugt

Für wahre Tugend, die geflohn von hinnen,

Für eine Kraft, die aufwärts mit uns steigt.

 

 

CV.

 

Mit kräft’gem Strahl, o heil’ger Geist, durchdringe

Mein tiefstes Sein! daß fliehen alle Schatten,

Daß niemals Deine Flamme mag ermatten,

Ob noch so hartes Eis die Brust umfinge!

 

Strebt auch der Blick empor: sein Licht, so g’ringe,

Vom Schein der Welt so ist’s getrübt, dem matten,

Daß Selbstsucht stets es täuscht, sie nicht gestatten

Der Seele mag, daß sie ihr Ziel erschwinge.

 

Nicht meine träge Kraft, mein endlich Wollen

Kann ziehen jene Strahlen zu sich nieder,

Die nur Dein Licht erschließt, dem sie entquollen.

 

So gib mir Lebensodem Du! ich flehe,

Daß ich beschwingt mit himmlischem Gefieder

Im wahren Licht die wahre Liebe sehe.

 

 

CVI.

 

O Himmelslicht, das lockt zu heil’gen Kreisen

Das Herz durch steile, wunderbare Zellen,

Wo eig’ner Trieb nicht rühret je die Schwellen,

Gedanke wagt für sich nicht solche Weisen:

 

Magst treues Mühen gerne unterweisen,

Erhebst die Kraft, läßt leer sie nicht zerschellen:

Du bist’s allein, an dessen Lebenswellen

Die kranke Seele schöpft, verlangt zu speisen.

 

Ja, selig Licht! vor dessen Hauch zerrinnen

Der Lüge Schatten all, daß hell die Wahrheit,

Wie sie das Auge faßt, muß Sieg gewinnen.

 

Gesegnet, wer getreu mit Sinn und Streben

An diesen Strahlen hält: in sel’ger Klarheit

Des ew’gen Tag’s auch seine Werke leben.

 

 

CVII.

 

Wenn eingeschrieben in des Herzens Mitte

Der Name Jesu g’nügt, so zu erhöhen

Des treuen Kämpfers Muth, daß ihn umwehen

Die Siegesbanner stets auf jedem Schritte:

 

Wie wohl Begeist’rung lodert um die Tritte

Ignatius’, als Löwen ihn ersehen

Zur Beute sich, und goldgezeichnet stehen

Des Sieges Bürgen auf des Herzens Hütte?

 

Bewaffnet mit dem Schild, nicht Sturm noch Pfeile

Und Feuer nicht kann ihn vom Horte trennen,

Der allgewaltig ist zu seinem Schutze.

 

Mag weichen, was da sterblich, Andrer Trutze:

Die freie Seele fliegt in sel’ger Eile

Mit Jesu Namen, Lieb’ ihm zu bekennen.

 

 

CVIII.

 

O sel’ger Stern! wie sich in Freude kehret

Dein still Verharren bei der armen Stätte

Für dieser Weisen Herz! als ob’s nicht hätte

Des Orients Pracht, und was die Welt begehret!

 

Ja, ihr, die mehr nur Ihn geliebt, geehret,

Je härter, kleiner fandet ihr das Bette,

Das mächt’gem König enge Lagerstätte,

Euch so viel Demuth hat zu Gott gekehret.

 

Ihr war ein Zeichen wunderbarer Güte

Der arme Ort, das Heu, die schlechten Linnen,

Geduld mit Thieren hartes Bett zu theilen;

 

Und wie der Stern so reinem Bild erglühte:

Ein Pfand war’s überird’scher Macht den Sinnen,

Dem Herzen Lust, anbetend da zu weilen!

 

 

CIX.

 

Daß tausend Schilde fest mein Herz bewehren,

So dünkt mich froh, les’ ich die heil’gen Namen,

Die leuchtenden, in ihrer Glorie Rahmen,

In den die Schrift sie faßt mit ihren Lehren;

 

Dann Liebe drängt die Seele heimzukehren

In jene Räume, wo ihr ewig Amen

Die Geister jubeln diesen heil’gen Namen,

Verklärt in hoher Sonne lichten Sphären.

 

Zu ihr ich fleh’, daß haucht zu tausendmalen

Sie in der Stunde Gleis mit ihren Strahlen

Euch Süßigkeit in’s Herz auf’s Neue;

 

Dass lern’ von Euch zu lauschen ich wie trunken

Dem süßen Wohllaut, ganz in ihn versunken,

Gewohnheit nicht die Freude mir zerstreue.

 

 

CX.

 

Die, sel’ge Geister ihr, in süßen Weisen

Loblieder stets dem ew’gen Gotte singet,

In höh’rer Blüthe, rein’rer Kraft ihm bringet

Des Willens glühend Opfer, ihn zu preisen:

 

Da Schmerz und Elend uns hier stets umkreisen,

Bedrängniss nieder uns zum Staube zwinget,

Zu gleichem Ziel doch unsre Seele ringet,

Bestimmt mit Euch zu kosten Himmelsspeisen;

 

O knüpfet selbst, mit jenen Liebesgluthen,

Die für uns Erdenpilger sühnend walten,

Besel’gen Euch im ew’gen Vaterlande,

 

An Eures mein Gebet, daß, nicht in die Fluthen

Des Irrthums hier versenkt und festgehalten,

Empor es steig’ in schönerem Verbande.

 

 

CXI.

 

Vertieft in höh’res Sein, ich möchte hören

Euch, sel’ger Geister Schaar, in jenem Kriege

Mit Stahl und Waffen nicht, in Zornes Siege,

Nein, ewige Gesetze, Gottes Lehren

 

Verteid’gend vor den Feinden, die empören,

Von Eigenlieb’ umgarnt und von der Lüge,

Sich ihrem Ursprung hehr, ob sie betrüge

Nur Scheingebild, mit dem sie sich bewehren:

 

Wenn auch für’s Vaterland, für Gottes Ehre

Ihr Euch bewaffnet, für den ew’gen Frieden,

Der Sieg Euch war in höh’rer Macht beschieden:

 

Vor unsrem Jesus beuget Ihr die Kniee,

Auf daß der Vater Euch in Ihm verliehe

Die höchste Gunst, in Seinem Ruhm sie mehre.

 

 

CXII.

 

Wohl härtern Schild als Demant und Smaragden

Erhob der Engel vor rebell’schen Schaaren,

Die dienstbar stolzem Feind, und trieb zu Paaren

Sie, die auf Sion schnöden Anlauf wagten;

 

Des Siegers Stoß sie stürzt in tiefe Schachten;

Aus lichten Höhn sie zu den Schatten fahren;

Ihm sollt’ als höchter Preis sich Kraft erwahren,

Zu sünd’gen nie; Preis, wahrlich hoch zu achten!

 

So Anlaß wardst, Herr Jesu Du, den Heeren,

Den himmlischen, zu großem Ruhm und Ehren,

Da Du in Michael den Mut entbrannt,

 

Der klar im Spiegel Gottes dann erkannt,

Wie Du als Führer stets den Kampf wirst lösen,

Den Mensch und Engel kämpfet mit dem Bösen.

 

 

CXIII.

 

Die muth’ge Frau, sie schwebt vor meinem Geist,

Die einsam sich von flücht’ger Erde Spiel

Zum Himmelsbräut’gam kehrt; was ihm mißfiel,

Bis auf das letzte Band sie es zerreißt.

 

Begierde fand, es fand der Fuß sein Ziel

Auf eines Berges Höh’ – und fort mich reißt

Dies Beispiel, das mir wie im Spiegel weist

Die lichte Spur zum himmlischen Asyl.

 

Dann dieser Fels mir scheint die heil’ge Höhle,

Die Sonne dort das große Liebesfeuer,

Daran entzünden sich die reinen Seelen.

 

Dies Bild mich weiß vom Niedern loszuschälen,

Und frohen Muths ich bitte, die mir theuer,

Daß sie auch mich zum Gottes-Bund erwähle.

 

 

CXIV.

 

In Dir, mein Herz, sich heut’ der Tag erneuert,

Wo die geboren, die Dich einst gebar,

Und deren laut’re Seele gleich dem Aar

Schon ihre Heimkehr dort im Himmel feiert.

 

Viel helle Strahlen, als noch hier umschleiert,

Sie zierten schon, und stets voll Eifer war

Für Edles nur ihr Geist, so frisch und klar;

Dort blüht in schönerm Licht er nun entschleiert.

 

Für uns sie bittet Dich, o Herr! ich weiß,

Doch bitte Du sie, daß der Art sie flehet,

Daß ihres Lebens Kraft ich in mir fühle:

 

Auf daß durchbreche ich dies Band mit Fleiß,

Was mich hier hemmt; das Erdenkleid nur stehet

Dem Geist im Dienst; der hat nur Gott zum Ziele.

 

 

CXV.

 

Schutzengel treu, mein Führer Gott-gesandt!

Richt’ grade meinen Sinn zur Himmelssteige,

Und siehst Du, daß zum Fall die Seele neige,

Stärk’ meinen Fuß, greif nach des Zügels Band;

 

Daß nicht erlösche mir in Herz und Hand

Das Licht zum Hochzeitstag, ich’s brennend zeige

Dem Herrn, und Er als Kluge mich bezeuge,

Wenn an die Thür einst klopf ich, wohl erkannt.

 

Und weil erwart’ ich ihn zu jeder Stunde,

möcht’ fröhlich Ihm und leicht entgegengehen,

Gerüstet nur mit Glauben und mit Lieben:

 

Wollst also Deine Sorgfalt an mir üben:

Beim ersten Strahl mir geben leise Kunde

Von meiner Sonne herrlichem Erstehen.

 

 

CXVI.

 

Im Rad der Ewigkeit hast Fuß gefaßt

Du Heilige, als hingerollt voll Muthe

Du Deines Schicksals Rad in eig’nem Blute

Entgegen Deinen Feinden, die erblaßt.

 

Nicht Schmeichelei, nicht Drohung hat erfaßt

Dein Herz, vom Stahl geöffnet; selbst die Ruthe

Der Pein’ger noch kam seinem Drang zu Gute,

Da Qual und Schmach ihm schenket süße Rast.

 

Nun thront die Seele auf der heil’gen Höhe,

Wo Gott der Herr die Auserwählten weidet;

Es schläft auf Sinai die ird’sche Hülle.

 

Und weil Dein Eifer zog in solcher Fülle

Die Seelen himmelwärts: Heil mir erflehe,

Katharina Du, mit Himmelsglanz bekleidet.

 

 

CXVII.

 

O Demuth mild, vor Allem Gott geliebt,

Der zeigt in Wort und Werk, wie er vergilt,

Wie der Mysterien Kraft er dem enthüllt,

Der sich von Dir belehren läß´t, Dich übt:

 

Bist Du so süß, mir Bitterkeiten gibt

Dein Gegner stets, der jeglich Gut verhüllt,

Der stolzer nur die Rache an Dir stillt,

Weil Deine seltne Schönheit ihn betrübt.

 

Du für den Frieden kämpfst, er für den Streit,

Er  s e i n e  Ehre sucht, die Ehre Gottes Du,

Der off’nes Feld und Waffen Dir verleiht;

 

Und nimmer fehlest Du Dein sicher Ziel:

Ob irrt der Fluß, die Waffe Dir entfiel,

Der Sieg ist Dein, das Herz nur deckt ihn zu.

 

 

CXVIII.

 

Franziskus Du, dem Jesus eingedrückt

Das reine Liebessiegel seiner Wunden

Gleichwie in Wachs, der würdig Du befunden

Allein, daß Du sein Abbild ausgedrückt:

 

Wie eng hat Dich sein Liebesband umstrickt,

Dir mit Gestaltung Seine Kraft verbunden!

Sollt’ Thron und Tempel heil’ge Braut bekunden:

Nun auch Sein Siegspanier sie bei uns schmückt.

 

Verschmähung, Armuth, so viel andre Gnaden,

Je mehr dem Selbstgefühl die Flügel sanken;

 

Wie hier des Herrn, so droben zu Ihm flehe,

Daß, sel’ger Geist, in armer Spur ich gehe,

Mit heil’gem Werk, in Wünschen und Gedanken!

 

 

CXIX.

 

Furchtlos bist Du des großen Führers Spur,

Des göttlichen, gefolgt, und hast in Mitten

Der Hinterlist und Bosheit stets gestritten

Mit heil’ger Waffe stiller Demuth nur.

 

Durchzogst, die Welt verachtend, öde Flur,

Im Kreuz nur reich, hast Du sie froh durchschritten,

Und zeigst, da sonst nichts wolltest Du erbitten,

Wie stark der Geist, dem Gnade widerfuhr;

 

Heil Dir, Franziskus! dem in’s Herz gegraben

Mit Flammenschrift der Herr und eigenhändig

Die heilige Geschichte seiner Liebe:

 

Umarmend Dich hat eingeformt lebendig

Er sich in Dich; auswärts die Male haben

Sieg über Tod und Welt bezeugt von solcher Liebe.

 

 

CXX.

 

Die Kirche heut’ zwei Akte groß umschließet;

Zeit ew’ger Sonne Aufgang uns in Freude,

Zeigt ihren Abschied uns im Trauerkleide:

Voll Ehrfurcht sie das hehre Schauspiel grüßet.

 

D’rum ganz das Herz von Liebe überfließet –

Zwar nicht wie’s soll, wie’s kann doch – daß begleite

Es treu vom Anfang bis zum letzten Streite

Des Wirkens Bild und all was es erschließet;

 

Dann Zuflucht sucht es bei dem milden Sterne,

Der allzeit in der Sonne hehren Spuren:

Gewahrt’s ihn froh, folgt froh es ihm von ferne;

 

Muß doch so lichter Strahl im Westen sinken,

Sieht’s sterben ihn auf mitternächt’gen Fluren:

Mit ihm es will der Trauer Wermuth trinken.

 

 

CXXI.

 

Du Feu’r, der Seele dann am meisten hold,

Wenn Du verzehrst als Kraft sie, klar und lauter,

Wenn, da Du brennst, mich sichrer machst, vertrauter,

Und Dich zertheilend strömst in’s Herz wie Gold!

 

Unsichtbar heil’ge Macht, die nicht im Sold,

Im Tausche wirkt mit Stoffen und Gestalten,

Lebt nur aus sich, um Alles zu erhalten,

Erschöpft sich nie, was auch dem Werk sie zollt.

 

Unsterblich Feu’r! das aus lebend’gem Steine

Wirft Weihefunken in des Herzens Tiefe,

Daß es erwacht, ob kalt und dumpf es schliefe,

 

Das schnell den Gläubigen durchglüht, der liebet,

Am Stolz, der widersteht, die Macht doch übet,

Daß starr sein Träger wird gleichwie zu Steine.

 

 

CXXII.

 

Als die Natur im Herren tief erbebte,

Zum Vater fleht am Oelberg er voll Trauer,

Sein Herz erfaßt’ ein kalter Todesschauer:

Die sucht er, deren Freund er wirkt’ und strebte.

 

Doch Alle sie ein tiefer Schlaf umwebte:

Lag in der Welt des Heiles Trieb begraben,

In Gottes Hand geschärft sich Blitze haben,

Daß nun Gewalt erschütternd uns durchbebte.

 

Und Jesus weckte sie, die Welt, die träge,

Nahm, sühnend Gott, erneuten Eifer auf,

Wie’s pflegt ein Mensch bei großen Unternehmen;

 

So tritt er in des Kampfs erregten Lauf,

Daß heil’ger Tod der Trägen Schlaf errege,

und Gott nicht mög’ gerechte Rache nehmen.

 

 

CXXIII.

 

Sag’ mir, Du Licht der Welt, Du Himmels-Ehre,

Genießend nun Dich selbst in ew’ger Klarheit:

Welch’ Band, und welche Kraft so lang’ in Wahrheit

Hielt nackt am Kreuze Dich in solcher Schwere?

 

Von Schmach umgeben und liebloser Leere,

Nur an drei Nägeln seh’ ich schwer dich hangen:

„Die Liebe hält mich tausendfach umfangen“,

Er spricht, „mit der in Treu’n ich Euch gehöre.

 

Gleich dem Gehorsam schirmend mich umgeben

Hat sie im Tode mich; und Andrer Tücke

Mioh schmerzten mehr, als Qual am eignen Leben;

 

D’rum ein zerknirschtes Herz ich nie verschmähe;

Ein kaltes doch ich nimmer an mich drücke,

Weil unbewegt von so viel Lieb’ ich’s sehe.“

 

 

CXXIV.

 

Beseelen muß ihn ein Gedanke nur,

Den fremden Pilger auf der Erde Wegen,

Will er zur wahren Heimath, fern gelegen,

Glücklich und schnell verfolgen lichte Spur.

 

So wird der Geist, den weidet Himmelsflur,

Was Gutes wirkt er, was ihn mag bewegen,

Dankbar in Gottes Vaterhände legen,

Empfangen so, was ihm auch widerfuhr.

 

Wohl Glaube sieht mit heller Schrift geschrieben

In Jesu Antlitz all sein selig Hoffen,

Das der Verheißung treues Pfand geblieben:

 

Und Güte, eigen dem, der die gegeben,

Dem Herzen leuchtet klar auch stets und offen,

Daß fließt in Lieb’ und Frieden hin das Leben.

 

 

CXXV.

 

Wenn wehet Himmelsluft, die warme, süße,

Zu den Erwählten, wie’s (Gott Dank!) er füget:

Das Herz an’s Licht die letzten Falten bieget,

Daß unsichtbarem Schlüssel sich’s erschließe.

 

Furcht legt der Hoffnung stumm sich vor die Füße;

Solch’ Feuer Argwohn all und Frost besieget;

Des Stoffes Last vor ihm nicht länger wieget,

Es will und wirkt, daß er in Nichts zerfließe.

 

Sind’s jetzt nur Stunden, daß die Seel’ erfreuet

Sich tiefen Friedens hier: Pfand ist er dessen,

Der sich in ew’ger Jugend dort erneuet;

 

Nach eignem G’nügen doch nicht zu gemessen

Wird Gnade ihr; vielmehr, so treu sie leiten

Sich läßt von ihr, wird Trost sich ihr bereiten.

 

 

CXXVI.

 

So viel als menschliche Vernunft erhaben

Ist über unsre Sinne, stumpf und blöde,

So g’ring ist im Vergleich, so arm und öde,

Sie mit dem heil’gen Geist und seinen Gaben.

 

Nicht Anfang, Ende nicht noch Mitte haben

Sie ja gemein: Vernunft erscheint als helle

Den Sinnen gegenüber; vor der Quelle

Des ew’gen Lichts liegt sie in Rausch begraben.

 

Der Sinne Meisterin, mag sie die Spanne

Von Welt und Zeit beherrschen: ihr entgeht

Des Stolzes Drang, dem heimlich sie im Banne,

 

Wird was die Welt liebt ihr auf ihren Wegen:

Bei äußrer Ruhe innrer Kampf besteht

Damit sich selbst sie, zürnt der Täuschung wegen.

 

 

CXXVII.

 

 

 

 

CXXVIII.

 

Die Welt, den Feind des Heils, voll Übermuth,

Des Todes Grausamkeit kamst Du zu zügeln,

Als, Herr, die Hölle wolltest Du entsiegeln,

Nur mit der nackten Hand, getränkt in Blut.

 

Und binden so der rohen Feinde Wuth,

Den Vätern ihren Trauer-Ort entriegeln,

Daß sie in Gottes Glanze nun sich spiegeln,

Geführt in Deiner überird’schen Hut!

 

Groß waren sie, nur mächt’gen Königs Werke:

Doch binden widerstrebende Gedanken,

Gewaltig öffnen mir die Brust, die starre,

 

Und lösen d’rin die Triebe all, die kranken,

Daß nun in heil’gem Streben ich beharre;

Nur Deine Güte kann’s, Herr, Deine Stärke!

 

 

CXXIX.

 

 

 

 

CXXX.

 

Scheint sparsam jetzt der Herr mit seinen Sternen,

Wie meine Sonne bergend sie dem Auge:

Doch reichlicher vergönnt er, daß es sauge

Unsterblich Licht, das dringt durch alle Fernen.

 

Von seiner Siegeskraft wohl muß ich lernen,

Daß, was den Sinnen süß ist, nicht ich brauche,

Daß Hartes mir zur Nahrung, Bitt’res tauge,

Soll nicht vom Heile ich mich leis entfernen.

 

Ein lieblich Leuchten heut’ Es mir entsandte,

Daß all die Nebel, wie sie auch beschlichen

Das Herz, vor seinem hellen Zauber wichen.

 

So lang’ es währt’, ein Sehnen mir entbrannte,

Daß mich vor fremdem Auge Nacht umhülle,

Damit mich innen schön’rer Tag erfülle.

 

 

CXXXI.

 

Schwer, dunkel war die Seele mir umfangen,

Geschwächt, und müde ihrer Erdenhaft:

Schon zu entfliehn dem Reich der Leidenschaft,

Rasch himmelwärts sie hoffte zu gelangen.

 

Des Willens Ungestüm doch, der befangen

Nur selbst sich hört, befragt die eigne Kraft,

Erneuten Kampf stets höherm Antrieb schafft,

Weil fürchtet er, was jener möcht’ erlangen.

 

Und nie mehr wird’s in diesem Streit gelingen,

Dem trotz’gen Feind Bestreben abzuringen,

Sein Haus sich zu erneun, wie’s erst gewesen;

 

Doch auch nicht ziemt’s die Bande aufzulösen,

Das Thor zu sprengen, eifrig ohne Weile,

Mit Ungeduld zu hindern Gottes Feile.

 

 

CXXXII.

 

Getrübt seh’ ich den Himmel, schwarz umzogen,

In Nebel rings mit  Sturm und Donner dräuen,

Als wollt’ dem Blitz Gewölk sich nur entzweien,

Bis hartes Erdreich warm es aufgesogen.

 

Vielleicht der Schöpfer sieht sich nun bewogen,

Mit Feuerskraft vom Gifte zu befreien

Den Erdenschoß, die Pflanzung zu erneuen,

Daß schöner blüh’ sein Garten, fest umzogen.

 

Doch eh’ vertilgt die Wurzeln er vom Grunde,

Er sorgt, daß die an Ruhm verarmte Pflanze

In frischem Laubschmuck ihre Kraft bekunde.

 

Dann aber mehr als je in frischem Glanze

Himmlischen Thau’s, wird Keime rings sie streuen

Die stets mit Blüth’ und Früchten uns erfreuen

 

 

CXXXIII.

 

Mich dünkt, die Fackel zündend wirft hernieder

Der heil’ge Geist, wo nur sie Nahrung findet:

Der alte Moder weicht, schon überwindet

Der wahren Kirche Macht, und stärkt sich wieder.

 

Und schon erfassen ihre rüst’gen Glieder

Den künft’gen Sieg: sie stehen treu verbündet,

Daß Jeder sich beim Kampf zur Stelle findet

Um heilig Gut, voll Heldenmuth und bieder.

 

Vom Himmel schon erschallt die Kriegs-Trommete:

Und wer den Gaumen, wer des Lagers Fülle

Zum Götzen sich gemacht, dem Tod sie weihet:

 

Vor Gottes Aug’ nicht birgt geheime Stätte

Die Laster je, welch Kleid sie auch umhülle:

Er will, daß Leben, Sitte sich erneuet.

 

 

CXXXIV.

 

Es schickt der Herr, ich hoff’ es, der allweise,

Den zu der Strafe nur die Lieb’ erreget,

Des Himmels heil’gen Blitz, daß er beweget

In Wintersnacht die Keime unter’m Eise;

 

Durchfährt den Felsen fest, von dem im Kreise

Sein heil’ger Tempel soll die Welt regieren,

An jeden Ort befruchtend hinzuführen

Des Lichtes Quell, daß er die Völker speise.

 

Dann mit dem großen Schlag wohl Jene fallen,

Die gleißnerisch sich auf die Feste stützen,

In ihrer Sünde See, den dunkeln, kalten.

 

Doch die Erleuchteten, die treu erhalten

In sich das Feu’r, das nicht verzehrt mit Blitzen,

Nur freier, klarer, sie zum Ziele wallen.

 

 

CXXXV.

 

Herr, Himmelskönig, Vater Du voll milde,

Göttlicher Priester, Hirt, laß Dich beschwören:

Entsend’ aus Deines Himmels festen Heeren,

Nur einen Strahl aus Deinem Lichtgefilde,

 

Daß er Dein Volk, der Kirche Volk erhelle,

Die Deine Braut, und Mutter ist den Deinen;

Laß aus der Nacht die Liebeswerke scheinen,

Die zeugten einst für ihre hehre Quelle.

 

Zerstreute Heerde sucht sich Nahrung draußen,

Trifft bitt’re Weide nur, und heimgekehret

Im eignen Zelt sie fremde Waffen höret.

 

Möcht’ einer ja, Dank Dir! im Frieden hausen,

Den Hader fliehen und den Lärm verachten:

Allseit’ge List wird ihn zu stören trachten.

 

 

CXXXVI.

 

Mit Koth und Meerschlamm seh’ ich überladen

Dein Netz, o Petrus, so, daß – mag empören

Sich eine Woge noch, ein Stoß ihm wehren –

Zu reißen droht’s, das Schiff nimmt endlich Schaden.

 

Nicht leicht und friedlich in den Wellen baden

Mag sich’s wie einstens: auf den stürm’schen Meeren

Nach Spitz, und Kiel und Seiten hin sich kehren

Gefahren aller Art auf seinen Pfaden.

 

Der ward nach Gottes Rathe auserkoren,

Nachfolger Dir zu sein, rührt Herz und Hände,

Um sicherm Hafen bald es zuzuführen,

 

Entgegen seinem Willem hat verschworen

Doch stets die Bosheit sich, und Müh’ verlieren

Wird er umsonst, gibst Du kein glücklich Ende.

 

 

CXXXVII.

 

Schwebt Deines Zornes Fluch ob unsern Sünden,

Herr! klagend wir ihn als gerecht bekennen,

Da g’ringer Strafe als die Schuld wir nennen;

Laß Dein Erbarmen Alles überwinden.

 

Erschreckt läßt jeder nun sich willig finden,

Mag sich von Prunk und Kostbarkeiten trennen:

Vernunft nicht wollt’ in Jahren das erkennen,

Was Gottes Zorn so schnell und läßt ergründen.

 

Nun alte Schuld die Gegenwart beweinet,

Und Zukunft fürchtet mehr noch ew’ge Strafen:

Wer führt’ zu solchem Ende, solches Leben?

 

So gib, daß blindem Volk Dein Licht nun scheinet:

Laß Deiner Liebe ganz es sich ergeben,

Das Thor ihm öffne zu der Milde Hafen!

 

 

CXXXVIII.

 

Schlägt weltliche Gewalt von allen Seiten,

Übt sie der Waffen Kraft an meiner Säule,

Seh’ Tag’s als Wolke ich, bei nächt’ger Weile

Als Feu’r doch jene heil’ge mich begleiten

 

Im Geist, beherrschen meine Einsamkeiten

So mächtig, daß, ob auch Gehör noch schenke

Der Lieb’ das Herz, Gewohnheit noch mich lenke

Zurück zu ihr, ich doch für lange Zeiten

 

Geruhig klar betrachte, und empfinde

Im Frieden traut: ob das der Seel’ zum Heile,

Daß schweifend sie in Fernen also weile?

 

Ich weiß es nicht: ob Gott, nach Außen strenge,

Uns weise läßt in finsterem Gedränge,

Daß immer milder sich sein Licht entzünde?

 

 

CXXXIX.

 

Nur Waffen blitzen in geschloßnen Reihen,

Kriegsschaaren auf den Fluren mein erscheinen,

Dort süße Freude wandelt sich in Weinen,

Wo ich des Daseins sollt’ zuerst mich freuen.

 

O Vater! wollst in hehren Thaten weihen,

Die milde Absicht zeigen nun den Meinen,

Bekleiden Dich mit heil’ger Lieb’, der reinen,

Und großem Erbe neuen Ruhm verleihen!

 

Sieh! (täuscht Dich Unmuth nicht) hier doch den Samen,

Entsproßt den ält’sten Söhnen Dein, den ehrte

Noch stets der Braven Zahl in ihren Namen;

 

Ein Himmel ja, Ein Schoß sie nur umspannte,

Und Eine Stadt sie schirmte und ernährte,

Die unsre Ahnen sind, Dir Stammverwandte.

 

 

CXL.

 

Den Vater droben bitt’ ich: er durchdringe

mit Deinem Feu’r Dich, Vater uns getreuer,

Daß ganz befreit, wie selber ein Befreier

Von Leidenschaft, Du meidest ihre Schlinge.

 

Mög’ eil’ger nicht entfliehn aus Waldesringe

Die Hindin vor dem Leu, als Du dem Feuer

Der Eigenlieb’, und Du verweigerst Steuer

Dem ird’schen Ruhm, trüglich wie keins der Dinge!

 

Dann wird die Heerde fromm voll Freude kehren

Zu Deinem Schoß, wo jene Fackel glühet

Des ew’gen Lichts, das mild uns hier entglommen;

 

Ruhmreiche Last die Netze wird beschweren,

Die heiligen, und Deine Angel frommen

Friedfert’ger Welt, die Krieg nicht mehr durchziehet.

 

 

CXLI.

 

Verschied’ner Sporn sich zeigt an treuen Söhnen,

Zu nah’n dem Herrn: die Einen läßt er sehen

Der alten Schlange List, daß treu sie stehen

Zu Gottes Hut, nach Ihm nur geht ihr Sehnen:

 

Und Andrer Hoffen läßt Er fest sich lehnen

An der Verheißung Glanz in Himmelshöhen,

Daß sie auf lichtem Wege vorwärts gehen,

Verlassen all’ das leere Wollen, Wähnen.

 

Doch nicht weil Furcht beweget uns und Hoffen,

Nimmt er uns auf, sind seine Arme offen:

Nicht deshalb winkt das Himmelreich uns noch.

 

Der ist am Kreut; um ihn er neigt sich nieder,

Der Führer uns, der legt’ die Schlang’ in’s Joch:

Mit diesem Haupt umarmt er uns als Glieder.

 

 

CXLII.

 

Ach, daß getrübt wird unser Licht, das matte,

Noch durch ein ungesundes Wünschen, Wollen!

Mocht’ denn dem Judenvolk das Manna zollen

Der Himmel schon, da noch sein Brod es hatte?

 

So müht der Mensch nach eigenem Gefallen

Sich um den schein der Welt; hängt an den vollen

Schätzen, die ihrer Schwere sind entquollen,

Muß mit der Lust dem Selbstbetrug verfallen.

 

Wohl sollt’ der Pilger, abgelöst, behende,

An guten Werken reich, mit treuem Sinne

Zur Heimath schaun, jenseits der Zeitenwende;

 

Dann würd’ das Licht, das liebliche, er inne,

Das ohne Abkehr ziehet an sich jenen,

Der hat vorangeschickt sein Sinnen, Sehnen.

 

 

CXLIII.

 

Gedenk’ der Sünden ich, die mich beflecken,

Beschämt nicht wag’ zu richten ich Verbannte

Den Blick zu Gott: Du, der an’s Kreuz sich spannte,

Die Gnade mußt’ und Trost mir dann erwecken.

 

Ein sich’rer Schild, mich Deine Wunden decken

Und Deine Lieb’ vor alt und neuer Schande;

Du höchstes Gut gibst selbst Dich mir zum Pfande,

Daß sich in Freude wandelt Angst und Schrecken.

 

Gebeugt ja flehtest Du in letzten Stunden:

„Vater, ich will, daß, die Du mir gegeben,

Geeint im Himmel auch mir sind in Hulden.“

 

Nun nimmer kann die Seele mir erbeben,

Weil ich im Glauben auch die Lieb’ gefunden,

Die Dich am Kreuz verzehrt und meine Schulden.

 

 

CXLIV.

 

Was Gottes Wort verheißt, lebendig hoffen

Kann nimmer der, der leicht von Furcht umstrickt,

Der zaghaft sich vor jedem Nebel bückt,

Statt klar zur Leuchte aufzuschaun und offen;

 

Von Glaubens lichtem Strahl nicht ist getroffen,

Dem heitern, der durch Liebeswerk beglückt,

Wer klein sich in das Los der Schmerzen drückt,

Den Frieden mißt, sobald ihn Leid betroffen.

 

Des Menschen Kraft im Willen und im Streben,

Bloß von Natur, ist Schatten zu vergleichen,

Die andre Ursach’, andre Wirkung zeigen.

 

Doch mag sich Himmelslicht in Dir beleben:

Mit Glaub’ und Hoffen bricht sein Siegeszeichen

Durch Zweifel und durch Schmerz; die Furcht muß weichen.

 

 

CXLV.

 

Was wir als schön, als recht und gut erschauen,

Geschaut und werden schau’n in ird’schen Spuren:

Gedeiht als edler Pflanze Frucht auf Fluren

Des heil’gen Glaubens nur: d’rauf kannst Du bauen!

 

Gab Gnade Sieg der Seele, daß enthoben

Der Leidenschaft sie ward; welch’ süße Auen

Läßt dann ihr Himmelsbräutigam sie schauen,

Den Lohn, der nur dem Glauben aufgehoben!

 

D’rum Preis Dir, Sonne! die mir mild erschließt

Unsterblich Aug’, daß es als Schatten sieht,

Was erst für helles Licht es hat gehalten;

 

Du wirkst die Demuth, lichtest, wie die Falten.

Begriffe in der Seele: klar sie schließt,

Daß falsch sie sich im eig’nen Licht besieht.

 

 

CXLVI.

 

Wenn gleich dem Morgenroth der Glaub’ erschließet

Das Licht der Seele, das in ihr verborgen,

Von dem erhellt sie frei sich fühlt von Sorgen,

Ob auch der Erde Kleid sie noch umschließet:

 

Wie süß erst, wann in letzter Stunde grüßet

Sein Strahl als erste sie vom nahen Morgen!

Dann nicht in sich, in Andern nicht geborgen

Fühlt sich das Herz; nur dem es sich ergießet,

 

Dess’ ewig Licht die Schatten all’ verdränget

Und jede Furcht vom Gläubigen; daß wohnet

Im Innern Fried’, ob Kampf ihn auch umgebe.

 

Nur daß erfülle sich, was Gott verhänget,

Bei dem die Güte und die Weisheit thronet,

Ist sein Begehr, ob sterb’ er oder lebe.

 

 

CXLVII.

 

Gewiß in jenem sel’gen Heimathlande,

Dem Inbegriff von allem Guten, Schönen,

Zu herrschen ist nicht Lust, nicht Durst und Sehnen,

Zu lieben nur in friedlichem Verbande!

 

Von Ewigkeit wie heut’ schaut mit Gefallen

Der Herr ein liebreich Herz, das sucht Erhebung

In Demuth nur, Reichthum, der Welt Bestrebung,

In jener Armuth, die geflohn von Allen:

 

Auf Gott nur blickt’s, so hier wie dort im Himmel,

Ist uns vom ew’gen Glanz ein wahrer Spiegel,

Vom reinen Licht; und niedere Gedanken

 

Zergehn in ihm, gleich Staub im Weltgetümmel,

Weil Lieb’ durchglüht es ohne Rast und Schranken:

Von Gottes Freundschaft sie das ächte Siegel!

 

 

CXLVIII. – Auf den Tod Jesu am Karfreitag

 

Aufzucken heute in des Erdballs Mitten

Seh’ ich ein Licht, das heller Nahrung Segen

Preisgibt zwei Feuern nur um unseretwegen,

Da sein Erlöschen sie im Kampf erstritten.

 

Eins ist die Lieb’ zum Vater, die mit Bitten

Versöhnung trägt der Ehre Sein entgegen;

Die Lieb’ zu uns das Andre, der erlegen,

In deren Gluthen es Gewalt erlitten.

 

Wohl scheint vergangen in dem mächt’gen Bunde

Nun seine ew’ge Kraft, doch sieh! es heben

Sich Strahlen rings, die neu die Welt beleben;

 

Denn als es schwand vor ird’schem Aug’, zur Stunde

Dort brach mit Siegesmacht in hellem schimmer

Der Tag den Auserwählten an für immer!

 

 

CXLIX.

 

Ihr Himmelssterne, die das Licht ihr sprühet

Der wahren Sonne, das sie euch gegeben,

Um sie als Kranz, als Krone zu umgeben,

Durch die euch dort ein ew’ger Tag erglühet:

 

Traun! wenn ein Geist verzückt hinüberziehet

In Sehnsucht, die ihn freudig läßt entschweben:

Er wird in Frieden, traulich wie im Leben

Mit euch verkehren, die ihr ihn umblühet.

 

„Genießt,“ er spricht, „im Vaterland die Fülle

Des Sonnenglanzes ihr, wollt mir erflehen:

Daß trifft hier Waldes-Nacht ein Strahl der Wahrheit,

 

Daß, ob der Welt in Dunkel er sich hülle,

Doch helle Leuchten meinen Pfad umstehen,

Verdeckt unstetem Blick in steter Klarheit.“

 

 

CL.

 

Oft wie vom Strahl, dem ew’gen, aufgesogen,

Sieht Schatten tief und Schein der Geist entschwinden,

Und was hier mag in buntem Kranz sich finden,

Sein einzig Ziel hat es an sich gezogen.

 

Doch hat die Welt er noch nicht ausgezogen

So ganz, daß öfter nicht den Sinn umwinden

Ihr Gaukelspiel ihm sollt’, mag fest verbinden

Er sich dem Führer auch, ihm treu gewogen.

 

Auf flücht’ge Stunden doch dies Licht, das reine,

Ist hier demüth’ger Seele nur gewähret,

Befreiend sie von irdischem Gedränge;

 

Nur Augenblicke sind’s, daß so verkläret

Sie droben weilt; doch bürgt der strahlen Menge

Für ew’gen Sieg von nie verkürztem Scheine.

 

 

CLI.

 

Oft läßt der Friedensfürst geliebtem Kinde

So dunkel, immer dunkel seine Wege,

Daß, wenn besiegt einst düsteres Gehege,

Von Licht zu Licht dort schönern Tag es finde.

 

Doch leitet er es selbst, und führt’s gelinde,

Daß nicht die Last ihm Überdruß errege,

Und heller Strahl sich durch den Schleier lege

In’s Herz, der Trost verheißt, wenn weicht die Binde.

 

Dann muthig es, ob finster auch umdräuet,

Den Fuß zur Rechten setzt, nicht zu verschwenden

Kräfte und Zeit, sich selbst, in leeren Wirren.

 

Voll Zuversicht es sich der Sonne weihet,

Die niemals aufhört Himmelsluft zu spenden,

Dem Hafen zu, wo nicht Gefahr zu irren.

 

 

CLII.

 

Ein Leben, erfüllt von Trauer und umwunden

Von Angst und Qual, das seufzt und schweiget bald,

Mißtraut sich selbst, wo kaum der Athem wallt

Und Angst vor Andern hält ihn wie gebunden;

 

Sein Geist doch ankert in der Demuth Grunden;

Da sucht die Hoffnung droben einz’gen Halt;

Denn bitt’res Leid bei Dem nicht leer verhallt,

Der heilt’ am Kreuze uns durch eig’ne Wunden.

 

Dann aus der Brust des Glaubens Schrei sich windet,

Lautlos, in glüh’ndem Herzen still entzündet,

Gewalt’ger Zeuge doch dem Dornenpfade:

 

„Abba, o lieber Vater! mir gewähre,

Daß treue Brust Dir danket nun als Gnade

Die höchste Pein weit mehr als Glück und Ehre.“

 

 

CLIII.

 

Daß hier sein Same gute Früchte bringe,

Gab, meines Herzens Boden zu erweichen,

Der Herr zu Seiner Gnaden Born, dem reichen,

Den Schlüssel Einem, daß er sie bedinge.

 

Der schaut und prüft dann, wie er wohl durchdringe,

Welch_’ heimlich Unkraut mag den Keim beschleichen,

Und löst es rein’gend in des Glaubens Zeichen:

Durch Demuth sieht er wahr und klar die Dinge.

 

Reich an Erfahrung und mit ernstem Sinne

Mißt er den Zufluß weise, hält ihn inne,

Wo eingenistet sich ein Fleck mit Schärfe.

 

Wohl hat gewollt, daß zarte Sorgfalt werfe

Er auf die harte Brust voll Bitterkeiten,

Der jed’ Geheimnis kennt der Ewigkeiten.

 

 

CLIV.

 

Göttlicher Geist, der uns mit süßem Strome

Durchzuckt, verbindet milde uns dem Sohne,

Durch diesen so dem Vater, daß nun throne

Dreifache Lieb’ in reinem Herzensdome;

 

So viel des Dank’s als Licht im Herzen wohnet

Von Dir; was es versteht durch Dich es lobet,

Und so als heilig Feu’r in ihm erprobet

Sich was die Ehre mehrt Dir, mich belohnet.

 

Aus mir bin ich ein Schatten, elend, flüchtig,

In Kraft der Wunden nur des Herrn ich lebe,

Auf eignen Werth nicht Anspruch ich erhebe.

 

Zu fliehn den alten Adam bin ich tüchtig.

Gerecht, durch Dich allein: o Vielgeliebter,

Mach’ glüh’nder mich, in Demuth auch geübter!

 

 

CLV.

 

Die schöne Frau, die gramgepreßt nur höret

Des Herzens heiß Verlangen, das besieget

Die Furcht, schutzlos bei Nacht und einsam flieget,

Mit Demuth nur, mit Glauben nur bewehret,

 

Zum dunklen Grab: dort weint sie abgekehret

Den Engeln wie dem eignen Selbst: sie schmieget

In Liebe sicher, die kein Herz betrüget,

Dem Herrn zu Füßen sich, der ihr nicht wehret.

 

Die Männer doch, zu so viel Gnad’ erkoren,

Die starken, die vereint sich eingeschlossen,

Sie ein Phantm nur sehn: im Licht den Schatten.

 

D’rum wo nicht Trug die Wahrheit soll umfloren:

Den Frau’n muß billig man den Preis gestatten,

Da glühender ihr Herz ist, unverdrossen.

 

 

CLVI.

 

Entschuld’gen will sich nicht, daß Dich’s beleidigt,

Dies Herz, noch willst Du, daß es sich verdamme

Auf immer, Herr! Dein Sohn am Kreuzesstamme

Tilgt’ alte Schuld, wie jetzt er mich vertheidigt.

 

That einst genug er hier für mich, nun droben

Gibt er Dir Rechenschaft von meinen Jahren,

Wie sie mißbraucht, wie sie voll Mängel waren,

Von Feindes Netz doch, falscher Welt umwoben.

 

Mit weitem Mantel seiner Lieb’ bedeckt

Er, der Gerechte, mich, unwürd’ge, arme,

Vor Deinem Blick, da selbst er gibt sich hin.

 

Ihm zeig’ ich meine Schuld, mit bitterm Harme,

Da nicht geschmückt mit frommem Werk ich bin,

Und nur des Glaubens heilig Schild mich deckt.

 

 

CLVII.

 

In ein’gen Auserwählten scheint zu leuchten

Die ew’ge Sonne gleichsam aus der Nähe,

Als ob den Strahl bis tief in’s Herz man sähe,

Selbst Sitte und Bewegung für ihn zeugten.

 

Zu freierm Flug auch mir die Hand sie reichten,

Von eignem Ich empor zu reiner Höhe;

Ich ruf’ entzückt: wie erst, wenn Den ich sehe,

Der Heerd den Funken ist, die mich erreichten!

 

Doch oft verscheuchten sie des Weges Schatten,

Erhellten ihn, auf dem die Seele ringet,

Daß mind’re Schauer seine Kämpfe hatten.

 

Und Bürgen sind sie jenem ew’gen Tage,

Der endlich alle Finsternis verschlinget,

Dem unsre Sorge weicht und jede Klage!

 

 

CLVIII.

 

Leb’ allem Ansehn ferne ich der Welt,

Gibt Sammlung, Kraft mir stille Zelle wieder:

Dann betend heb’ ich herz und Augenlider

Zu dir, dem heil’gen Geist im Himmelszelt,

 

Erleuchte, rein’ge ihn, wie’s Dir gefällt,

Der, mein dem Namen nach, doch ist der Deine

Durch Christi Werk, blüht ehrenreich als reine

Lilie hehr in Deinem Gartenfeld.

 

Den schönsten Strahl, des hellsten Glanzes Welle

Ihm sende zu; und Deiner Gnaden Fülle

So fruchtbar Erdreich immerfort erquicke:

 

Daß süßer Duft, verborgen d’rin, entquille

In laut’rem Wasser, in des Aethers Helle,

Und weithin unser Erdenland entzücke.

 

               *sie betet für ihren Pflegesohn del Vasto

 

 

CLIX.

 

Traun! wenn ein Funken aus dem reinen Lichte

Vom Kreuze Dich, dem großen Spiegel, grüßte

Statt abzumüden Dich in bitt’rer Wüste,

Dem Traum zu fröhnen, daß er Dich vernichte;

 

Du würdest fliehn, mich dünkt, die Nebelschichte,

Die neidisch Dir den hellen Tag verdeckte,

Daß, was die Welt verspricht, nicht mehr Dir weckte

Unsichre Lust, mit sicherem Verzichte;

 

Gewahrend dann die Lockungen und Künste

Des Feindes bald: vorsichtig die Gedanken

Trügst Du empor aus niederem Gespinnste;

 

Denn hat Besitz vom Herzen erst genommen

Das Himmelreich: leicht lösten sich die Schranken

Der Freiheit uns, die Frieden uns benommen.

 

 

CLX.

 

Gleich einem Baum, der, von der Mutter Erde

Begünstigt, in die Tiefe Wurzeln schlägt,

An reichen Zweigen Blüth’ und Früchte trägt,

Bekundend, daß ihm treue Pflege werde;

 

Doch unterliegt noch heimlicher Gefährde,

Weil bösen Wurm er in dem Marke hegt,

Der macht, daß freudig nicht mehr Kraft sich regt,

Ihm schwindet Fruchtbarkeit ob der Beschwerde:

 

So ist die Seele, die im eig’nen G’nügen

Birgt schweren Irrthum, der als Fleck entstellt

Den ew’gen Glanz, den ziert ihr erst Gebilde,

 

Wenn reuig nicht sie flieht zum Born der Milde,

Zu Jesus gleich: durch sein Verdienst erhält

Allein Gesundheit sie und weiß zu siegen.

 

 

CLXI. – Auf den Kardinal Caspar Contarini

 

Da ew’ges Licht wollt’ unsre Bahn durchschreiten,

Als Weisen einen Caspar es erwählte,

Daß er den Wahn von blöden Herzen schälte,

Dem Glauben lichte Bahn d’rin zu bereiten.

 

Sein hohes Beispiel – wie er zog von Weiten,

Das Licht zu preisen, dem er sich gesellte –

In unsrer Brust auch hartes Eis zerschellte,

Daß konnt’ der Strahl zu uns herniedergleiten.

 

Den Glauben zu verbreiten es erwählte

Den zweiten Caspar nun, der uns belehrt,

Daß es allein gerecht macht und vollkommen.

 

Der erste sah das Licht zu uns gekehrt;

Verklärt im Geist sich dieser ihm vermählte

Durch Glauben, Lieben, von ihm angenommen.

 

 

CLXII.

 

Gewahr’ ich, wie der Gnade Strahl erregt,

Erfaßt das Herz, und den Verstand durchdringt,

Die Tugend neu mit hoher Kraft beschwingt,

Daß übermenschlich sie ihr Fittig trägt:

 

Dann ihre Triebe all’ versammelt, pflegt

Die Seele, um der Gnade zu entsprechen:

Doch das nur kann sie, so viel Früchte brechen,

Als Licht und Feuer ihr in’s Herz gelegt.

 

Mag mit sie wirken in gewisser Weise

Zu der Berufung Heil; dem Ziel ein Zeichen

Gibt nur der Herr, so wie es ihm gefällt.

 

Geschick und Bildung fördert nicht die Reise;

Doch froh und glücklich wird sein Ziel erreichen,

Wen Himmelsgnade mächtig aufrecht hält.

 

 

CLXIII.

 

Ich seh’ des Himmels ew’gen Weinstock prangen,

In seinem Garten blühen wunderbar,

Umfaßt von tausend Zweigen, frisch und klar,

seh’ heller glühn, die eng den Stamm umfangen:

 

In seiner Hut sie hohe Kraft empfangen,

Der milde Schutz sich zeiget offenbar,

Zieht aufwärts sie zum ewigen Altar,

Denn Nahrung, Kraft und Läut’rung sie erlangen.

 

Mag Einer Blüth’ und Früchte reich erzeugen

An solchem Stamm: allein des Gärtners Ehren

Will er darin, nur dessen Ruhm vermehren.

 

Laut muß der süße Duft doch für ihn zeugen,

Und neu bekleidet ihn mit wonn’gem Glanze

Des Himmels Thau in ewig frischem Kranze.

 

 

CLXIV.

 

Rührt den Gedanken tiefe, heil’ge Macht,

Genährt vom Glauben und vom glüh’nden Hoffen,

erhebt er dahin sich, sieht Wege offen,

Wo Lieb’ ihm folgt nur, die ihn angefacht:

 

Da ganz versenkt bei ihrer heil’gen Wacht

Ist er in den, der gab die starken Waffen,

Sieht seine Spur, hört ihn, und fühlt sein Schaffen,

Die Hülfe sein in dieser dunklen Nacht.

 

Und hat so Trost bisweilen er gewonnen

Aus heil’gem Quell, mit welcher Kraft beseelen

Erst wird der Tropfen, weitem Meer entronnen!

 

Denn keine Zunge jemals mag’s erzählen,

Welch Heil bereitet in den kranken Herzen

Der Welle Süßigkeit nach so viel Schmerzen.

 

 

CLXV.

 

Wie süß wird Bitterkeit, wenn sie begehret

Nur als Arznei, als Mittel ihr zum Heile

Die Seele: seufzt sie drob in trüber Weile,

Ist’s nur, weil Krankheit ihr den Sinn verkehret.

 

Von Deinem Licht durchglüht sie nicht belehret

Sich je durch falschen Schein, fest ist gerichtet

Zu Dir der Geist, zu Dir allein geflüchtet

Die Zuversicht, die nur durch Dich sich nähret;

 

Durch Dich allein, o Herr, den immer milden,

Der, mit dem sanften Joch, der Last, der leichten,

Uns zu der Liebe Hafen führt im Glauben.

 

Wohl frommt’s in Feuerproben umzubilden

Sich solchem Frieden, der durch Nebel leuchten

Im Licht uns wird, das keine Nacht kann rauben.

 

 

CLXVI.

 

Aus klarem Quell der ersten Lieb’ entstammen

Ein andrer wollt’, der Gnade Quell, d’rin sieht

Die Seel’ ihr Heil, der Glaube da erblüht

In Hoffnung, die an Liebe muß entflammen.

 

Gereinigt in so schöner Fluth zusammen,

Genährt von ihr, um nichts sie mehr sich müht,

Die Seele dann, nichts And’res mehr sie zieht,

Als ihrer Heimath Hort, das Herz der Flammen.

 

Wohl zeigt ein Schimmer aus des Lichtes Weiten,

Wie selig, wenn einst ganst von ihm verschlungen,

Sich heißem Durst wird Sättigung bereiten:

 

Wenn großem Glanze wir entströhmen sehen

Des Ursprungs Quell, der, wo er hingedrungen,

Die Herzen hebt zur Freude ohn’ Vergehen.

 

 

CLXVII.

 

Wär’s wahr, wie er mir sagt, daß mich ernährte,

Der heiße Wunsch an Gott allein zu hangen,

Und daß des Geistes Seligkeitsverlangen

Den matten Leib besiegte, ja verzehrte,

 

Wie käm’ es dann, daß nicht mein Wesen klärte

Der Glanz der Wahrheit mit so hellem Prangen,

Dass Irrthum sicht ihn also könnt’ befangen?

Wähnt er, daß meine Gluth des Lichts entbehrte?

 

Und leuchtet sie, so weiß ich zu erwarten,

Was Kunst vermag, und wie auf jeder Stufe

Natur ihr Werk vollbringt in leisem Tausche.

 

Mich ruft mein Bräutigam mit sanftem Rufe;

So möget ihr denn außen meiner warten,

Die ich dem Wink des Herrn im Innern lausche.

 

 

CLXVIII.

 

Nach seinem Ebenbild rief Gott hervor,

Allein von Lieb’ bewogen, meinen Geist;

Und, in des Glaubens Spur erneuert, weist

Er jene Schöne, die er einst verlor.

 

D’rum sei ihm eingeprägt, ihm schwebe vor

Allzeit dies hehre Bild; wie’s ihn umkreist,

er ihm sich neigend seinen Werth beweist,

Zum äußern Bild auch schau mein Aug’ empor.

 

Das ist dem Blick, dem Geist ist Jenes Hort;

Wie ihn es nährt, dem Auge ist verwehrt

Durch Jenes alles falsche Licht der Welt.

 

So äuß’rer Reiz die Innigkeit nicht stört,

Und Einem wie dem andern beigestellt

Ist wahres Licht, das leuchtet in den Port.

 

 

CLXIX.

 

Von einer Welt des Siechtums kalt umnachtet,

In Labyrinthe’s tödtlichster Gefährde,

Blind und in Banden irrst Du, Sohn der Erde,

Der Du des Blutes Christi nichts geachtet.

 

Ob jenes Trugs der Schlange fast verschmachtet,

Drückt Dich zu Boden Deiner Schuld Beschwerde,

Bis endlich Deine flehende Geberde,

Zum eh’rnen Schlangenbild des Heiles trachtet,

 

Zum Kreuz, zum ragenden Triumpheszeichen

hoch über deinen Kämpfen, und, ein Freier,

Fühlst Du Dich über Erd’ und Raum gehoben,

 

Und rufst die Blicke nicht zurück von oben,

Und sendest die Gedanken durch die Schleier,

Bis sie hinan zur ew’gen Sonne reichen.

 

 

CLXX.

 

O reines Gotteslamm! herabgestiegen

Aus lichten Himmelsau’n in schlechte Hüre

Armsel’ger Welt, um Deiner Strahlen Zierde

In nied’res Kleid zu bergen und zu schmiegen!

 

Wann wird auf dieser Brust Dein Zeichen siegen,

Dies Herz sich eignen Deines Bildes Würde,

Daß endlich weichet meines Elends Bürde

Und Feindes Hand ich nimmer kann erliegen?

 

Werd’ mit beredterm Lob ich Dich besingen,

Wie nur bewegt von heiligem Erbarmen

Genaht der Welt Du, ob sie arg und blinde?

 

Wie selber Du, für die verlor’nen Armen

Dem Vater wolltest Dich zum Opfer bringen:

Ein unvergleichlich Opfer ohne Sünde!

 

 

CLXXI.

 

Betrachtet diesen Raum von karger Erde

Die Seel’ unsterblich, Dank sei Gott vor Allen!

Nichts wünschenswerth ihr scheint, und nichts gefallen

Ihr mag, wo steter Kampf nur und Beschwerde.

 

Der Heimath abgewandt, ihr droht Gefährde

Mit jedem Schritt, sie hebt sich um zu fallen,

Und irdisch Labyrinth hier zu durchwallen

Strebt thöricht ferne sie vom eignen Heerde.

 

Des Fadens Ende ist ihr nicht gegeben;

Doch spinnt und webt sie, öffnet, sucht zu halten,

Zieht auf und nieder bald ihr leicht Gewebe.

 

D’rum nur des Willens unverbrüchlich Streben

Vermag der Erde Dickicht zu durchspalten,

Daß siegreich er zum Göttlichen sich hebe.

 

 

CLXXII.

 

Die heil’ge Braut frohlockt und trauert heute:

Schaut den Beginn, schaut, wie das Leben schließet,

Das unsrem Dunkel ew’gen Tag erschließet,

D’rum ruft zur Klage sie, und ruft zur Freude.

 

Voll heil’gem Schau’r die Jungfrau höret heute

Den Himmelsboten, der sie Mutter grüßet,

Gott innig schon vereint; heut’ grausam büßet

Der große Sohn am Kreuz in bitterm Leide.

 

Im weiten Lauf der Zeit ein Tag umfasset

Der Gegensätze wunderbar Gewebe;

Wohl tief das Herz ob solcher Wucht erbebe!

 

Doch wird es weit, wenn es den Sinn erfasset

Der großen Werke in dem ew’gem Ringe;

Nicht wankt das Ziel ihm in dem Strom der Dinge.

 

 

CLXXIII.

 

Selig der Blindgeborne, dem erschlossen

Das Auge sich, da schien der Wahrheit Licht!

Dem mächt’ger noch zur Herzens-Tiefe spricht

Die Gotteskraft, vom höchsten Glanz umflossen.

 

Wie ihm Natur des Tages Schein verschlossen,

Auch unser Pfad, umhüllt von Nebel dicht,

Lag schwarz und öd’ vor seinem Angesicht,

Bis Beidem sich das Lebens-Licht ergossen.

 

Ruhmvoll muß die Geschichte Jene nennen,

Die mit dem Leben und mit schweren Leiden

Zu ihrem Führer glorreich sich bekennen:

 

Im ew’gem Buch deß Nam’ ist aufgenommen,

Und wir hienieden seinen Klang beneiden,

Der doppelt Licht so einfach angenommen.

 

 

CLXXIV.

 

Wie jenem Epheu, dem man all entzogen

Die äußern Stützen hat, die Kraft versinkt,

So daß es wankend mit den Lüften ringt,

Nicht findet Pfeiler mehr noch lichten Bogen:

 

So ist die Seele haltlos fortgezogen,

Die schwanken Trieb in Irdisches verschlingt,

Und unbefriedigt, weil die Höhe winkt,

Sich sieht von Menschen-Trost und Schutz betrogen.

 

Zum Pfeiler fest, zum Lebensbaume retten

Nicht mag sie ihrer Zweige wirr Gewebe,

Daß sie vom Grund zum Gipfel sich verketten:

 

Denn angetraut der heil’gen Stütze finden

Wird sie den Vater auch, auf daß sie lebe

Ihm, der von Anfang wollt’ sie sich verbinden.

 

 

CLXXV.

 

Laß heut’ doch einen Strahl sich nur ergießen,

Nur einen, Herr, von jenes Glaubens Gluth,

Der nie um Lohn der Liebe Werke thut,

Dem g’nügt Dein Wille, Alles zu versüßen;

 

Der – überzeugt: der Milde Born entfließen

Kann Bittres nicht – nimmt, was Gott gibt, für gut,

Wie was er hört, worauf sein Blick auch ruht;

Der dankt dem Himmel, mag er auch sich schließen.

 

Demüth’ger Sinn darf Gnaden wohl erflehen,

Der Glaube doch will einz’ge Nahrung sehen

Im wahren Licht, zu ihm allein sich kehren.

 

Mit ihm zum Theil wir ja die Kraft verstehen,

Die pflanzet mächt’gen Keim, der sich bewähren

In Früchten will, die nur der Lieb’ gehören.

 

 

CLXXVI.

 

Es war, als wollten mächtig überfließen

In meinen Lebensgeistern neue Wonnen,

So freudenvoll sah ich aus hundert Bronnen

Die heil’gen ew’gen Fluthen sich ergießen.

 

Den Blüthen, die am schönen Ufer sprießen,

Folgt’ ich, zu suchen, wo der Quell begonnen,

Wo dann verschwunden, wo uns neu gewonnen,

und wie wir unser Erdreich ihm erschließen.

 

Dann wieder war’s, als ob auf Meeres Wegen

Der wilde Sturm empörte Wogen schlüge,

Nacht um mich her, durchzuckt von Blitzeshelle,

 

Und eine einz’ge kleine sich’re Welle

mich ruhig durch die Finsternisse trüge,

Des Hafens immer näherm Licht entgegen.

 

 

CLXXVII.

 

Mein Gott! mit wieviel Lieb’ und Trost und Gnade

heißt du das Herz in Mildigkeit willkommen,

Das sich Dir schenkt, und, von Dir angenommen,

Lossagt sich von sich selbst und ird’schem Pfade.

 

Geweiht nun Dir in Deines Feuers Bade,

Hältst Du es fest mit Banden, die ihm frommen,

Hast es mit Nägeln stark genommen,

Daß Lust ihm jeder Tod, nicht Leid ihm schade.

 

Der reinen Absicht glaube so entsteiget,

Dem Glauben Licht, und diesem freudig Hoffen,

Der Hoffnung aber überirdisch Feuer;

 

Nicht widersetzt Natur sich mehr, sie weichet

Dem Geist, sein Sehnen schon sieht ahnend offen

Den Schoß, der auch dem letzten Band Befreier.

 

 

CLXXVIII.

 

Ward auf dem wunderbar erhellten Pfade

Die Seele fest zu glauben hingelenket,

Daß einzig durch den Sohn der Vater schenket

Die unermeß’ne Fülle seiner Gnade.

 

O, wie in der Erkenntnis sel’gem Bade

Sie sich erneut, sich spiegelt, läutert, tränket!

Wie sie sich in des Glaubens Tiefe senket,

Und mißt daran des eig’nen Werthes Grade!

 

Wie sie entzückt aus übervoller Quelle

Die Fluthen schöpft, die um so süßer laben

Ein Herz, je heißer es der Durst gequälet.

 

Reich durch die unaussprechlich holden Gaben,

Stark durch des Willens Freudigkeit und Helle,

Froh der Gefahr, und für den Kampf gestählet!

 

 

CLXXIX.

 

 

 

CLXXX.

 

Hast sel’ge hoffnung Du (Dank sei’s der Liebe!)

Auf’s Neu’ erhoben Dich, aus kargem Gleise,

Greift neu die Wurzel in des Lebens Kreise

und schöpft sie Kraft für seines Herzens Triebe:

 

Erschließ’ dich ewig reines Feu’r und übe

An meiner Seele Kraft, doch solcher Weise,

Daß nie ergibt sie sich auch noch so leise

Der falschen Furcht, die ihr die Brust nicht trübe.

 

Auch gegen Hoffen Hoffnung er bekannte

Im wahren Glauben, jener Vorerwählte,*)

Den Muster sein Geschlecht und Spiegel nannte.

 

Auf’s Wort Dir traut er, da als Kreuz gesehen

Im Keim er Dich: - reif nun, wer auf Dich zählte –

Schaut Dich als Frucht in Himmels-Ernte stehen.

 

               * Bezieht sich auf Abraham.

 

 

CLXXXI.

 

Die herben Gegensätze all’ gelöst

Hast Du, mein Heiland, nun auf dieser Reise;

Hinauf Dich trägt Dein Flug, den nun ich preise,

Auf Wolken thronst Du, da Du mich erlöst!

 

Mit Glaub’ und Lieb’ die Deinen Du bewehrst,

Leihst ihrer Sitte Deine Art und Weise,

Gibst Licht und Feuer ihnen dann zur Speise

Vom heil’gen Geist, durch den Du sie belehrst.

 

Das Scepter nun des ew’gen Reiches tragen,

Das Heil uns geben, aber Gott die Ehre,

War solchen Erbes segensvoller Preis.

 

Wohl kann im Bann von Deiner Glorie sagen

Der glaube nur: doch hoff’ ich, daß beschere

Die Lieb’ mir dort der Friedenspalme Reis.

 

 

CLXXXII.

 

Zwei Weisen gibt’s für uns, des Himmels Gnade

Zu schaun. Die eine heißt: oft zu betrachten

Die heil’ge Schrift, treu auf das Licht zu achten,

Das wachem Auge weiset seine Pfade;

 

Die andre lenkt des Herzens Triebe grade

Zum Buch des Kreuzes, wo sich nahe zeiget,

Wo so lebendig Gott sich niederneiget,

Daß klar dem Geist, wohin ihn Liebe lade;

 

In dem Geleit sich selber aufgegeben

Hat er so ganz, daß zum ersehnten Ende

Mühselig langen Weg er überwindet;

 

Doch oft ein Strahl von oben sich entzündet

Und leuchtet über ihm, daß er behende

Voll Zuversicht mag zu dem Ziele streben.

 

 

CLXXXIII.

 

Wann scheint der Tag, Herr, wo allein gerichtet

Mein Denken all’ zu Dir, in steter Treue?

Wann nicht auf buntem Irrweg ich zerstreue

Mich durch den Schein, von Wahrheit ungesichtet?

 

Im Herzen oft ein Bild empor sich richtet,

Als ob’s, wie hell auch, mich mit Dir entzweie,

Mich nimmer doch mit vollem Glanz erfreue,

Wie seine Farbenpracht auch schön gelichtet;

 

Wird endlich nicht die wunde Hand zerreißen

Den Schleier, der mit Wahn mich schon umwunden

Vier Lustren hält, wie schwankend fest gebunden?

 

Daß falscher Strahl nicht hemmt mit flücht’gem Gleißen

Die Seele mehr, durch trügerische Falten

Die volle Sonne stets mir vorenthalten!

 

 

CLXXXIV.

 

Das Band, das hielt umschlungen viele Jahre

Die Geister mir, spinnt, fürcht’ ich, meine Reime

Nur aus Gewohnheit fort, daß so im Keime

Nicht Gottes Geist sich leuchtend offenbare.

 

Der Böses schmiedet stumm: daß ich ihm fahre

In’s feine Netz, ich fürcht’; daß er umsäume

Mit falschem Glanz mein Thun; umsonst ich träume

Vom Werth der Zeit, der so sich mir erwahre.

 

Zu fruchten wenig, viel mir selbst zu schaden

Sorg’ ich mit Grund; d’rum flehe ich, daß wende

Nach innen sich die Gluth und brenne leise;

 

Erstickt von Thränen und mit Schmerz beladen,

Zu Gott allein ich Lied und Seufzer sende,

Dem gilt das Herz und nicht des Sanges Weise.

 

 

CLXXXV.

 

Vielleicht erschien des Heiles Feu’r in Zungen,

Um dem Verstand Stillschweigen aufzulegen,

Bis den erhab’nen Ruf, der Liebe Segen,

Allwärts die Welt gehört, von ihm durchdrungen:

 

Daß seine Diener muthig, unbezwungen,

Im Glauben, nicht im Wissen stark, bewegen

Die Völker all’ dem ew’gen Ziel entgegen,

Laut offenbarend, was im Geist erklungen.

 

Daß unser krankes Wollen so auch schwiege,

Um nicht vergeblich stets umher zu streuen

Den Samen, dem die Früchte nicht gedeihen!

 

Und so mit Thränen und mit Seufzern schmiege

Zu heil’ger Absicht nur sich Glaub’ und Hoffen:

Das Herz, ihr horchend, wär’ der Liebe offen!

 

 

CLXXXVI.

 

Seh’ irdisch Licht für immer nun ich sinken:

Steigt jenes ew’ge aus der Dämmrung Grauen,

Wird nun des Weges Hoffnung selig Schauen,

Läßt mich im Hafen endlich Ruhe trinken;

 

Und seh’ den Strahl ich nun entschleiert winken,

Der fand schon hier oft Herzens dürre Auen,

Am Himmel hoch wohl andre Helle schauen

Wird frei’res Aug’, so will es mich bedünken.

 

Er macht das Sterben süß für ewig Leben,

Läßt leicht die Augen noch einmal sich schließen,

Um ewig offen, schönern Tag zu grüßen.

 

O süße Dauer statt des Wechsels Weben!

Wann brichst herein, Du, lieblich Morgenroth,

Kommst Du, des Lebens Bote, linder Tod!

 

 

CLXXXVII.

 

Daß laut, gewaltig mir der heil’ge Namen

Und immer  J e s u s  tief im Herzen schallte!

Werk, Wort von seinem Ruhme widerhallte,

Dem Glauben, Hoffen wär’ ein lichter Rahmen!

 

Wohl der Erwählte, der in sich den Samen

Des Ew’gen birgt, den solche Gluth durchwallte,

Sieht Jesum, hört Ihn, als ob ihn durchstrahlte

Sein heilig Licht mit seinem ew’gen Amen.

 

Mit Ihm verschmolzen so durch süß Gewöhnen,

Durch steten Ruf nach Ihm: Natur zur Speise

Begehrt nur Ihn, nur Er ist all’ Ihr sehnen.

 

Und gläubig Herz, im letzten Kampf der Reise

Vom Feinde hart verfolgt, von selbst ihn nennet,

Den längst es schon als Freund und Retter kennet.

 

 

CLXXXVIII.

 

Hält Ehrfurcht mich zurück, will Liebe trachten

Des Segens Wunderkraft oft zu umfassen,

Gott in des Herzens Zelle einzulassen,

Der solcher Gnade wollt’ es würdig achten.

 

Wohl mag Verstand da zweifelnd noch betrachten,

Wie kalte Schuld soll Himmel-Gluth erfassen,

Da Lieb’ sie nährt, die jene macht erblassen,

Eins Hoffnung gibt, das Andre Selbst-Verachten.

 

Doch Glaube muthig durch die Zweifel schreitet,

Und fordert Brod! Brod! für die Arme Seele;

Wohl dunkle Noth sie zwingt zur hellen Sonne.

 

So lang’ sie mit der Erdenhülle streitet,

Ist sie ja müd’ und schwach und voll von Fehle,

Wird ihr nicht Nahrung und ein Strahl von Wonne.

 

 

CLXXXIX.

Der arme Ort nicht ist’s, der Mutter Milde

Und Hoheit nicht, die Hirten, jene frommen,

Die mit des Frühroths Liebeshauche kommen,

Nicht Engelchöre sind’s vor solchem Bilde;

 

Auch nicht der Kön’ge Zug, Reichthum im Schilde,

Wie frisch des Orients Füllhorn er entnommen:

Du gibst die Ehre Dir, nie überkommen,

Herr, Schöpfer Du von jeglichem Gebilde.

 

Ja, wahrer Gott bist Du uns hier geboren

Und bleibst bei uns; nicht And’re will ich neiden;

Verzeih’ nur, daß so spät ich Dich erkoren;

 

Mein Elend ist’s, nicht Schuld von Zeit und Stelle,

Daß nicht wie Jene ich erglüh’ in Freuden,

Zu grüßen gläubig Dich an heil’ger Schwelle.


CXC.

 

Der Herr rscheint, o Seele mein, verscheuche

Die dichten Nebel, die Dein Herz umziehen,

Nicht ird’scher Liebe wolle mehr erglühen,

Der ew’gen sie mit ihren Schatten weiche!

 

Sei eingedenk, wie Dich so leicht beschleiche

Gebrechen Deiner Art, wie überziehen

Die Fehler Deinen Blick, d’rum eilig fliehen

Den Trug Du sollst, daß höchstes Licht nicht bleiche.

 

Gern neigt sich uns der Herr, es ist Ihm Freude

Und wahre Süßigkeit, mit uns zu theilen

Des Himmels Gaben, Seine höchsten Güter.

 

So von der Welt und von sich selber scheide

Das Herz, um sterbend ewig dem Gebieter

Zu leben dann, selig bei Ihm zu weilen.

 

 

CXCI.

 

Wollt’ aus das Urquells Born, dem ewig hellen,

Ein Tropfen heil’gen Wassers je Euch laben,

Daß jener Brust, die würdigt Himmelsgaben,

Stillt’ ird’schen Durst mit seinen heil’gen Wellen:

 

Den Herrn getrost Ihr ließt das Haus bestellen,

Ihn herrschen über Wort und Werk erhaben,

Ihr suchet ferne nicht, um mehr zu haben,

Einzig nur trachtend nach den ew’gen Quellen.

 

Füllt ja mit Dankes Freuden solcher Bronnen

Das Herz so hoch, daß durch die Augen rinnet

Wohlthät’ger Thränenguß gleich warmem Regen,

 

Stets nährend heil’ge Gluth, daß sie gewinnet

Erfrischung bald, bald neuen Strahl der Sonnen:

Eins aus dem Andern schöpft selig Bewegen.

 

 

CXCII. – An den Kardinal Bembo

 

Erhab’ner Geist, deß tiefer Blick durchmißt

Die Fernen wie der Elemente Kreis;

Was hegt die Sonne, bringet auf der Fleiß,

Für seinen Flug es arm und niedrig ist:

 

Wenn Du zum Licht hindurchgedrungen bist,

Das reich Dich schmückt mit seinem Glanz und Preis:

Dein klar unsterblich Aug’ dann sieht und weiß,

Was Gott der Herr mit Deinem Ruhm beschließt.

 

Du würdest müde nie und nimmer geizen,

In uns das alte Erbe zu erneuern,

Und aus der Spreu noch reichlich sammeln Weizen;

 

Denn sind die Kön’ge einig, die Regierer,

Zerstreuter Herde wird Dein Zepter steuern:

Du wirst uns Vater sein und Hirt und Führer.

 

 

CXCIII.

 

Der Quell ergötzt, der lieblich springt am Saum

Des Berges ohne Kunst in frischer Welle,

So auch wenn Gold und Marmor an der Schwelle

Zeigt reich Gebild, geküßt von ihrem Schaum.

 

Die Sprache Dein doch hat im Erdenraum

Den Doppelreiz nur einmal so zu bieten,

Da Dir Natur den Wohllaut hat beschieden,

den noch erhöht die kunst, ob’s möglich kaum.

 

Denn ohne Zwang die frischen Perlen reihet

Der Quelle sie, daß reinen Hauchs durchwürzt

Ergießt die Ader leicht sich, unverkürzt.

 

Bembo!  Du Herrlicher! der Du geweihest

Gott nun Dein Herz auf immer, laß ertönen

Dem Wahren Deine Muse wie dem Schönen.

 

 

CXCIV.

 

Da hegt Dein Geist, so himmelhell und klar

Des Schöpfers Abbild in geheimster Zelle,

Daß nichts berührt und nichts entweiht die Stelle,

Nicht ein Gebilde haftet, das nicht wahr:

 

Vielleicht, von ihm begeistert immerdar,

Da nie vollendet sich’s, stets an der Quelle

Erneut es schöpft, Dir lieb’ ist’s, daß geselle

Auch im Gemälde Dir sich’s offenbar.

 

Erwägend dies, Dir Deine Dien’rin sendet,

Nun auch demüth’ge Mutter Dir, dies Bild,

Das bess’rer Meister Dir hat eingegraben;

 

Beglückt, wenn diese heiligste der Gaben

Gleicht dem in Dir lebend’gem Ebenbild,

Zu dem sich Deine Inbrunst allzeit wendet.

 

 

CXCV. – Bei Übersendung eines Cruzifixes

  an den Kardinal Bembo.

 

So viel der Menschengeist auch mag hienieden

Erforschen in des heil’gen Geist’s Geleite,

(Durch den man lernt, was je der Weisheit Beute)

Dir sein Verständnis ist, sein Licht beschieden.

 

D’rum nicht veracht’ ich Stütze hier zu bieten

Dem Glauben Dein, der strahlet ja in’s Weite

Durch seiner Werke, der oft erfreute

Als Pfand uns einer bessern Welt voll Frieden:

 

Das Bild Dir schick’ ich dessen, der dem Eisen

Am Kreuz die Brust entblößt, daraus ergieße

Sich heil’gen Wassers Strom, der allzeit süße.

 

Nur deshalb, Herr, weil nirgend aufzuweisen

Ein inhaltschwerer’ Buch, Dir ganz erschlossen,

D’raus Lebensfülle wird Dir ewig sprossen.

 

 

CXCVI.

 

Du hast des Lebens besten Teil verschwendet

An jenes eitle höhnende Beginnen,

Den Stein, den zauberkräft’gen, zu gewinnen,

Der lautres Gold statt rauhen Erzes spendet.

 

Dich hat Mercur, der trügliche, geblendet,

der eh’rne Mars hat Dich geraubt der Sinnen,

Der falsche Sol gelockt auf Wahnes Zinnen,

Die Götzen haben Dich Dir selbst entwendet.

 

So rette Dich zum Christ! – Christ hat den wahren

Stein, der in ew’ges Gold des Irrthums Blei

Verwandelt durch der Gnade ächte Sonne.

 

Durch diese Gluth wirst Du von Schlacken frei,

Und strahlend wird sich Dir in Himmelswonne

Der Glaub’ an Schätze sonder End’ erwahren.