Paul Valery

1871 – 1945

 

In Übersetzungen von:

Rainer Maria Rilke

 

 

 

Der Gürtel

 

Wenn der Himmel, wangenrot,

endlich dem liebenden Blick sich gewährte,

und das Licht, das golden zu schwinden droht,

die Zeit in den Rosen verklärte,

 

dann tanzt vor mir, der verstummt vor Glück

an solchen Gemäldes Rande,

ein Schatten mit offenem Gürtelbande,

und der Abend hält fast es zurück.

 

Dieser Gürtel flattert so eigen,

er schauert im Lufthauch genau wie das Band,

das sich als letzte Bindung spannt

von der Welt zu meinem Schweigen...

 

Was hilft mirs, da oder fort zu sein,

du Lindes, Loses ... ich bin allein !

 

 

 

Die Schläferin

 

Welches Geheimnis da in der jungen Freundin glüht vor sich hin,-

Seele, die einer Blume Duft durch die sanfteste Maske genießt?

Aus was für nichtiger Nahrung erschließt

ihre arglose Wärme das Schimmern der Schläferin?

 

Atem, Traum, Schweigen -, unbezwingliche Stille, drin

du den Sieg hast, Friede, der stärker als Weinen fließt,

wenn der volle Schlaf, der sich ernsthaft und breit ergießt, -

einer solchen Feindin bewältigt den Eigensinn.

 

Schläferin: Hingabe, Schatten und Goldes ein Hauf,

aber dein furchtbares Ruhn tut so große Begabungen auf,

langhin, o Hindin, bei einer Traube gestreckte,

 

daß, wird die Seele, dir fern, auch im Hades betroffen,

doch deine lautere Form, die ein Arm wie im Fließen verdeckte,

wacht; sie wacht deine Form, und meine Augen sind offen.

 

 

 

Die Granaten

 

Halboffne Granaten, beengte,

die fast schon die Körner verlieren,

ihr seid mir wie Stirnen, von ihren

Gedanken gewaltig gesprengte!

 

Wenn Sonnen, die ihr ertruget,

euch also zum Hochmut geraten,

daß ihr, ihr geklafften Granaten,

rubinere Wände durchschluget,

 

und wenn eine Kraft es gewollt,

daß der Rinde trockenes Gold

über saftroten Steinen zerspringe,

 

so rührt sich in mir vor dem Spalt

eine meinige Seele der Dinge

und ihrer geheimen Gestalt.

 

 

 

Der verlorene Wein

 

Einmal hab ich (ich weiß nicht mehr unter

welchen Himmeln), als Opferung

an das Nichts, in das Weltmeer hinunter

Wein geschleudert in einem Schwung ...

 

Wer verlangte deinen Verlust,

Tropfen? Hieß es ein Seher gut?

Oder hat nur mein Herz so gemußt,

meint ich, den Wein vergießend, Blut?

 

Gleich und schon wieder wie immer

klärte durchscheinender Schimmer

vor mir das Meer, drin es rötlich verrinnt...

 

Weg der Wein, doch die Wellen sind trunken!...

Und da sah ich den herberen Wind

von Gestalten der Tiefe durchwunken...