1806 – 1861 England
Sonette
aus dem Portugiesischen
I.
Und es geschah mir einst, an
Theokrit
zu denken, der von jenen süßen
Jahren
gesungen hat und wie sie gütig
waren
und gebend und geneigt bei
jedem Schritt:
und wie ich saß, antikischem
Gedicht
nachsinnend, sah ich durch
mein Weinen leise
die süßen Jahre, wie sie sich
im Kreise
aufstellten, traurig, diese
von Verzicht
lichtlosen Jahre: meine Jahre.
Da
stand plötzlich jemand hinter
mir und riß
aus diesem Weinen mich an
meinem Haar.
Und eine Stimme rief, die
furchtbar war:
„Rate, wer hält dich so?“ –
„Der Tod gewiß.“
- „Die Liebe“ – klang es
wieder, sanft und nah.
II.
Nur Drei jedoch in Gottes
ganzem All
vernahmen es: Er selbst und
du, der sprach,
und ich, die hörte. Und in
diesem Fall
war Er’s, der Antwort gab ...
um Ungemach
auf meinen Augenlidern
aufzuschichten
so viel, daß nicht mit
größeren Gewichten
der Tod sie hindern könnte,
sich zu dir
noch einmal aufzuschlagen.
Dieses hier,
dies Nein von Gott, mein
Freund, ist schwerer als
andere Nein. Wir dürfen
allenfalls
stehn, gegen Menschen, Meer
und Sturm uns sträubend,
und durch Gebirge hin uns
halten lernen;
und stürzten Himmel hier
herein betäubend:
wir hielten uns noch fester
zwischen Sternen.
III.
Ungleiche sind wir, hohes
Herz. Man kann
uns nicht zu Gleichem brauchen
oder führen.
Wenn unsre Engel sich im Raum
berühren,
so schauen sie einander
staunend an.
Du bist, vergiß es nicht,
geborner Gast
von Königinnen, welche dich
verwöhnen;
meine vom Weinen schönen Augen
hast
du sie verglichen mit den
wunderschönen,
die nach dir rufen?
Glänzender, was trittst
du fort vom Feste; und dein
Auge schaut
nach einem Spielmann aus, der
unten neben
Zypressen müd, im Dunkel
singend, sitzt?
Dein Haupt ist eingesalbt,
meins ist betaut, -
und nur der Tod gräbt solches
um und eben.
IV.
Du bist da droben im Palast
begehrt,
erlauchter Sänger lauterer
Gedichte,
wo Tänzer stillstehn, deinem
Angesichte
und deinem Munde durstend
zugekehrt.
Und es gefällt dir, dieser
dürftigen Tür
Griff anzurühren? Ist es
auszuhalten,
daß deiner Fülle Klang in
goldnen Falten
vor eine Türe fällt, zu arm
dafür?
Sie die zerbrochnen Fenster.
Fledermaus
und Eule baun im Dach. Und meine
Grille
zirpt gegen deine Mandoline.
Stille.
Das Echo macht noch trauriger
das Haus,
drin eine Stimme weint, so wie
die deine
da draußen singen muß ...
allein, alleine.
V.
Ich heb mein schweres Herz so
feierlich,
wie einst Elektra ihre Urne
trug,
und, dir ins Auge schauend,
hin vor dich
stürz ich die Asche aus dem
Aschekrug.
Das da war schmerz in mir: der
Haufen: schau,
wie düster drin die Funken
glühn, vom Grau
verhalten. Und du tätest,
glaub ich, gut,
verächtlich auszutreten ihre
Glut,
bis alles dunkel ist. Denn
wenn du so
an meiner Seite wartest, bis
den Staub
ein Wind aufwehte, ... dieses
Lorbeerlaub
auf deinem Haupt, Geliebter,
schützt nicht, wo
es Feuer regnet, deine Haare.
Eh
sie dir versengen: tritt
zurück. Nein: geh.
VI.
Geh fort von mir. So werd ich
fürderhin
in deinem Schatten stehn. Und
niemals mehr
die Schwelle alles dessen, was
ich bin,
allein betreten. Niemals wie
vorher
verfügen meine Seele. Und die
Hand
nicht so wie früher in
Gelassenheit
aufheben in das Licht der
sonne, seit
die deine drinen fehlt. Mag
Land um Land
anwachsen zwischen uns, so muß
doch dein
Herz in dem meinem bleiben,
doppelt schlagend.
Und was ich tu und träume,
schließt dich ein:
so sind die Trauben überall im
Wein.
Und ruf ich Gott zu mir: Er kommt
zu zwein
und sieht mein Auge zweier
Tränen tragend.
VII.
Mir scheint, das Angesicht der
welt verging
in einem andern. Deiner seele
Schritt
war leise neben mir, o leis,
und glitt
leis zwischen mich und das,
was niederhing
in meinen Tod. Auf einmal fing
–
- da ich schon sinkend war –
mich Liebe auf,
und ein ganz neuer Rhythmus
stieg hinauf
mit mir ins Leben. Den ich
einst empfing,
den Taufkelch voller Leid, ich
trink ihn gern
und preis ihn, Süßer, süß,
bist du nur nah.
Die Namen: Heimat, Himmel schwanden
fern,
nur wo du bist, entsteht ein
Ort. Und da:
dies Saitenspiel (die Engel
wissen wie
geliebt) hat nur in dir noch
Melodie.
VIII.
Was kann ich dir denn
wiedergeben, du
freigebiger, fürstlicher
Geber, der
aus seinem Innern Gold und
Purpur, mehr
als Großmut jemals gab, mir
immerzu
draußen vor seinem Herzen
hinlegt? Mir:
von der es plötzlich abhängt,
sie zu haben.
Und ist es Undank, ist es
Kälte, dir
nichts hinzugeben für so hohe
Gaben?
Bin ich nicht kalt, so bin ich
arm dafür.
Gott weiß wie sehr. Mein Leben
ist im steten
Regen der Tränen nicht wie neu
geblieben:
die Farbe schwand. Es ist
nicht nach Gebühr,
dir so Verblichnes unters
Haupt zu schieben;
geh weiter. Es ist gut, um
drauf zu treten.
IX.
Hab ich ein Recht zu geben,
was ich kann?
Darf ich in dieser Tränen
Niederschlage
dich bleiben heißen? Die
durchseufzten Tage
heben auf meinem Munde wieder
an
zwischem dem Lächeln, das, wie
du’s beschwörst,
doch nicht zu leben wagt. O
ich bin bang,
daß das nicht recht sein kann.
Wir sind im Rang
nicht gleich genug für
Liebende. Du hörst:
wer andres nicht zu geben hat,
der muß
nicht Geber werden. Ein für
allemal.
Dein Purpur bleibe rein von
meinem Ruß
und unbeschlagen klar dein
Glaspokal.
Nichts geben will ich; unrecht
wäre das.
Nur lieben vor mich hin,
Geliebter. Laß -.
X.
Doch Liebe, einfach Liebe, ist
sie nicht
schön und des Nehmens wert? Es
strahlt die Flamme,
ob Tempel brennen oder Werg.
Es bricht
Licht aus dem Abfall und dem
Zedernstamme.
Liebe ist Feuer. Und: Ich
liebe dich –
- gib acht -: ich liebe dich –
wenn ich das sage,
steh ich verwandelt nicht mit
einem Schlage
verklärt vor dir? Ich fühle
selbst, wie ich
anscheine dein Gesicht. Wo
Liebe je
sich niedrig macht, kann sie
nicht niedrig werden:
Gott nimmt Geringe an, die sich
gebärden
so wie sie sind. Das, was ich
fühle, blendet
über dem Dunkeln, das ich bin:
ich seh,
wie Liebe wirkend die Natur
vollendet.
XI.
Darum wenns möglich ist, daß
man verdient
zu lieben, bin ich nicht ganz
unwert. Schient
ihr nicht vor Blässe, blasse
wangen? Knie,
versagtet ihr nicht schon,
kaum wissend, wie
dies schwere Herz hier tragen?
Dieses Leben,
das sein Singen Gipfel
träumte, wo
kein Vogel singt, genügt nun
eben eben,
um eine Nachtigall im Tale so
traurig zu übertönen. Doch
wozu
daran erinnern? Das ist klar,
daß du
unendlich mehr bist. Weil ich
liebe, gibt
mir diese Liebe recht, sie
weitertragend
zu lieben, wie ich dich bisher
geliebt -:
dich segnend, dir ins
Angesicht entsagend.
XII.
Doch die mein Stolz ist, diese
Liebe, die
aufsteigend aus der Brust zu
meinen Brauen,
die Menschen nötigt, nach mir
her zu schauen
wie ein Rubin, dem man es
ansieht, wie
kostbar er ist, mein
Köstlichstes: auch sie
hätt ich nicht lieben können,
wäre nicht
dein Beispiel vor mir: hätte
dein Gesicht
sich mir nicht zugekehrt,
ernst wie noch nie
Liebe begehrend. So daß ich
die meine
nicht nennen darf wie mir
entstammt und mein.
Denn deine Seele hob mich auf
als eine
Hinschwindende zu deinem
Thron. Und daß
ich liebe, den ich liebe
(Seele laß
uns Demut lernen), kommt von
dir allein.
XIII.
Und willst du, daß die Liebe,
diese, meine,
sich eine Sprache schaffe,
reich genug,
und daß ich zwischen dir und
mir im Zug
die Fackel halte, daß sie uns
bescheine? –
Sie fällt, sie fällt. Ich kann
nicht meine Hand
zwingen, mein Fühlen von mir
fort zu halten;
wie soll ich zu Beweisen
umgestalten
die Liebe in mir, die sich mir
entwand?
Nein, trau dem Schweigen
meines Frauenlebens
die Frauenliebe zu, die es dir
weiht.
Sieh, wie ich dasteh, alles
warb vergebens,
und wie dies Stummsein meines
Daseins Kleid
furchtlos zerreißt, daß nicht
in einer Schwäche
mein Herz von seinem Schmerz
noch anders spreche.
XIV.
Wenn du mich lieben mußt, so
soll es nur
der Liebe wegen sein. Sag
nicht im stillen:
„Ich liebe sie um ihres Lächelns
willen,
für ihren Blick, ihr Mildsein,
für die Spur,
die ihres Denkens leichter
Griff in mir
zurückläßt, solche Tage zu
umrändern.“
Denn diese Dinge wechseln
leicht in dir,
Geliebter, wenn sie sich nicht
selbst verändern.
Wer also näht, der weiß auch,
wie man trennt.
Leg auch dein Mitleid nicht zu
Grund, womit
du meine Wangen trocknest; wer
den Schritt
aus deinem Trost heraus nicht
tut, verkennt
die Tränen schließlich und
verliert mit ihnen
der Liebe Ewigkeit: ihr sollst
du dienen.
XV.
Klag mich nicht dessen an, daß
ich dem deinen
mein Antlitz traurig still
entgegentrage.
Wir sehen so verschieden in
die Tage,
daß Haar und Stirne nicht bei
beiden scheinen.
Du kannst um mich so ruhig
sein wie um
die Biene, die in ein Kristall
geriet,
seit deine Liebe meinen
Schmerz ringsum
umschlossen hat mit
Herrlichkeit. Mich zieht
nach draußen nichts, und wenn
mich etwas riefe,
so wär es wahnsinn. Doch, in
dich verloren,
seh ich die Liebe und der
Liebe Ende.
Und das Vergessen rauscht in
meinen Ohren.
so sieht, wer hoch sitzt,
aller ströme Wende
und Ausgang in des Meeres
bittre Tiefe.
XVI.
Du aber, Überwinder, der du
bist,
du kannst dich auch an meine
Angst noch wagen
und deinen Purpurmantel um
mich schlagen,
so daß mein Herz in deins
gedrängt vergißt,
wie es einst bebte, da es
einsam schlug.
Warum auch nicht? Ob einer
Sieg ertrug,
ob er ihn siegte: jedes kann
vollkommen
und adlig sein. Dem, der ihn
aufgenommen
vom blutigen Boden, reicht ihm
der Soldat
nicht seinen Degen hin, so wie
ich jetzt
feststellen will, daß ich mich
nicht mehr wehre?
Dein Wort ist mächtig über
mich gesetzt.
Was kann ich tun, wen deine
Liebe naht,
als wollen: daß sie wachsend
mich vermehre.
XVII.
Du hast, mein Dichter, alle Macht,
zu rühren
an Gottes äußersten und
letzten Kreis
und aus des weltalls breitem
Brausen leis
ein Lied zu lösen und es
hinzuführen
durch klare Stille. Deine
Heilkunst weiß
ein Gegengift zu finden,
dessen Kraft
selbst Aufgegebene noch
rätselhaft
zu retten scheint. Gott gab
dir das Geheiß,
dieses zu tun, so wie er mir
befahl
zu tun nach deinem Wort. Was
soll ich sein:
Vergangnes oder Kommendes, daß
dein
Gesang es grüße oder es
beweine?
Ein Schatten, der dich mahnt
an Palmenhaine?
Ein Grab, dabei du ruhst? – Du
hast die Wahl.
XVIII.
Nie hab ich einem Mann von
meinem Haar
etwas gegeben, außer dir hier
dies;
noch einmal halt ich es, und
fühle, wies
in seiner braunen Länge meines
war,
und sage: „Nimm.“ O meiner
Jugend Tag
war gestern. Und mein Haar
tanzt nicht mehr leicht
auf meines Ganges Wellen.
Mädchen reicht
sich Rose noch und Myrte hin
und mag
in ihrem Haare blühen; während
meins
um ein verweintes Antlitz
hängt, um eins,
das in die Hand des Schmerzes
leis sich neigte.
Wie nahe war der Totenschere Schnitt
an diesem Haar. Nun wollte
ich, ich reichte
dir rein der Mutter letzten
Kuß damit.
XIX.
Auch am Rialto meiner Seele
kennt
man Tausch und Handel. Und
mein Herz wird Speicher
für meines Dichters Locke, die
mir reicher
erscheint als Schiffe aus dem
Orient.
So purpurn wie sie dunkelt.
Pindar sah
so glutverhaltend nächtiges
Geflecht
um Musenstirnen. Und mit
gleichem Recht,
vermut ich, wich von dieser
Locke da
noch nicht der Schatten aus
dem Kranz. Man sieht:
sie ist so schwarz. Ich will
ein Netz gehauchter
schützender Küsse drüber
knüpfen und
aufs Herz sie legen, wo ihr
nichts geschieht
und wo sie Wärme hat wie auf
erlauchter
Stirne, solang es glüht auf
seinem Grund.
XX.
Geliebter, mein Geliebter,
wenn ich denk
vor einem Jahr-: Da saß ich noch
wie eh,
und deine Fußspur war noch
nicht im Schnee,
und rings das Schweigen war
noch ungelenk,
von deiner Stimme nicht
geschult. Ich ließ
die langen Ketten langsam,
Glied nach Glied,
durch meine Finger gehn, nicht
wissend dies:
daß du schon möglich warst.
Wie mir geschieht,
da ich des Lebens tiefes
Staunen trinke.
Und wunderlich, daß Tag und
nacht von dir
nicht schon erzitterten. Was
gaben mir
die weißen Blumen, die du
sahst, nicht Winke?
So zugeschlossen sind, die
Gott verneinen
für seine Gegenwart. Ich wars
der deinen.
XXI.
Sag immer wieder und noch
einmal sag,
daß du mich liebst. Obwohl
dies Wort vielleicht,
so wiederholt, dem Lied des
Kuckucks gleicht,
wie du’s empfandest: über Tal
und Hag
und Feld und Abhang, beinah
allgemein
und überall, mit jedem
Frühling tönend.
Geliebter, da im Dunkel redet
höhnend
ein Zweifelgeist mich an; ich
möchte schrein:
„Sag wieder, daß du liebst.“
Wer ist denn bang,
daß zu viel Sterne werden:
Ihrem Gang
sind Himmel da. Und wenn sich
Blumen mehren,
erweitert sich das Jahr. Laß
wiederkehren
den Kehrreim deiner Liebe.
Doch entzieh
mir ihre Stille nicht.
Bewahrst du sie?
XXII.
Wenn schweigend, Angesicht in
Angesicht,
sich unsrer Seelen ragende
Gestalten
so nahe stehn, daß, nicht mehr
zu verhalten,
ihr Feuerschein aus ihren
Flügeln bricht:
was tut unsw diese Erde dann
noch Banges?
Und stiegst du lieber durch
die Engel? Kaum; -
sie schütteten uns sterne des
Gesanges
in unsres Schweigens lieben
tiefen Raum.
Nein, laß uns besser auf der
Erde bleiben,
wo alles Trübe, was die andern
treiben,
die Reinen einzeln zueinander
hebt.
Da ist gerade Platz zum Stehn
und Lieben
für einen Tag, von Dunkelheit
umschwebt
und von der Todesstunde rund
umschrieben.
XXIII.
So ist es wirklich wahr, daß,
stürb ich dir,
du fühltest, wie das Leben
dann um meins
weniger würde. Dieses
Sonnenscheins
Gefühl, es trübte sich für
dich, wenn hier
um mein Gesicht Grabschwärze
wäre? Fast
erschrak ich, da du’s
schriebst. Ich bin ja dein;
aber daß du an mir so Großes
hast -?
So dürfte meine Hand dir
deinen Wein
einschenken, meine bebende? O
dann
träum ich nicht mehr vom Tod.
Dann sieh mich an,
Geliebter, liebe mich, umgib
mich ganz.
Sehr große Damen taten ihren
Glanz
um solche Dinge ab. Ich aber
werde
dem nahen Himmel fremd um
deine Erde.
XXIV.
So wie ein scharfes Messer laß
die Welt
zuspringen. Wenn der Liebe
Hand sie hält,
so muß sie zu sein; wie sie in
die Schale
einklappt, erklingt sie uns
zum letzten Male
feindselig. All mein Sein, in
Sicherheit
an deins gelehnt, ist wunderbar
gefeit
gegen die Äußerlinge, deren
Dolche
ohnmächtig sind. Wir haben
eine solche
getroste kraft in unserm
Blütenstand,
daß sie den weißen Blüten
unverwandt
zuredet aus der Wurzel: weiß
zu bleiben,
auf ihrem Hügel still für sich
zu treiben,
dem Tau nur offen, der nicht
alle wird.
Nur Gott macht reich und arm,
durch nichts beirrt.
XXV.
Ich trug ein schweres Herz von
Jahr zu Jahr,
bis ich dein Antlitz sah,
Geliebter. Mir
ward Schmerz, wo’s anderen
natürlich war
Freuden zu tragen, aufgereiht;
und ihr
vom Tanzen rasches Herz hob
Perle nach
Perle ins Licht. Zu trostlosem
Erleben
schlug kurze Hoffnung um. Gott
war zu schwach,
mein überladnes Herz
hinauszuheben
über die bange welt. Bis du
mir riefst,
es zu versenken, wo du dich
vertiefst
zu ruhigem Großsein. Durch die
eigne schwere
sinkt es in deine Tiefen, die
wie Meere
sich drüber schließen, füllend
alle Ferne
zwischen dem Schicksal und dem
Stand der Sterne.
XXVI.
Vor Jahren aber war mein
Umgang sehr
unwirklich. Nicht zu Männern
oder Frauen,
nur zu Gesichten hatte ich
Vertrauen
und dachte nie an anderen
Verkehr
und süßern Klang. Doch sie
verstummen bald,
ihr langer Purpur hing in
Staub hinein,
und meine kaum zu haltende
Gestalt
verblich mit ihrem blick. Du
kamst, zu sein,
was jene schienen. Ihrer
Stirnen Schimmer,
ihr Glanz und ihr Gesang (wie
Wasser das
Weihwasser wird, nur anders
noch und mehr)
war so in dir, von dir aus
mein Begehr
weit überfüllend. Wir
erträumten was,
doch wenn Gott gibt, so
übertrifft er immer.
XXVII.
Geliebter, Meiner, der mich
sehr erschrocken
von dieser öden Erde Flachland
hob
und der den Vorhang meiner
matten Locken
mit einem Kusse
auseinanderschob,
drin Leben wehte, - Engel
wundern sich,
wie meine Stirne scheint. O
Meiner, Meiner,
die ganze Welt verging, und es
kam Einer,
ich suchte Gott allein, da
fand ich dich.
Ich finde dich: getrost und
stark und still.
Wie aus dem niebetauten
Asphodill
einer zurückzieht auf die
welke Zeit
der Oberwelt, so bin ich
zwischen Bösen
und Guten schon zur Zeugenschaft
bereit:
die Liebe kann – stark wie der
Tod – erlösen.
XXVIII.
Briefe, nun mein! Tot, bleich
und lautlos dauernd!
Und doch wie meine Hand sie
bebend heut
am Abend aufband: wunderlich
erschauernd
und wie belebt in meinen Schoß
gestreut.
In diesem wünscht er mich zum
Freund. Und der
bestimmt, an dem ich ihm die
Hand gereicht,
den Tag im Frühling ... Und
ich weinte mehr
darum als nötig scheint. Und
der, sehr leicht,
enthält: Ich liebe dich; und
warf mich hin,
wie Gott mit Kommendem verwirft
was war.
Und der sagt: Ich bin dein, -
die Tinte drin
verblich an meines Herzens
Drängen. Gar
erst dieser ... Lieber, du
hast selbst verwirkt,
daß ich zu sagen wagte, was er
birgt.
XXIX.
Ich denk an dich. Wie wilder
Wein den Baum
sprießend umringt, mit breiten
Blättern hängen
um dich meine Gedanken, daß
man kaum
den Stamm noch sieht unter dem
grünen Drängen.
Und doch, mein Palmenbaum,
will ich nicht sie,
diese Gedanken, sondern dich,
der teurer
und besser ist. Du solltest
ungeheurer
dich wieder zeigen, weithin
rauschend, wie
es starke Bäume tun. Und dann
laß da
das Grüne dieser kreisenden
Lianen
abfallen, wo es schon
zerrissen ist,
weil meine Freude im Dich-Sehn
und –Ahnen,
in deinem Schatten atmend,
ganz vergißt
an dicht zu denken – ich bin
dir zu nah.
XXX.
Ich seh dein bild durch Tränen
heute nacht
und war doch froh, da ich dich
sah bei Tag.
Bist du’s, Geliebter, der mich
traurig macht?
Bin ich es selbst? wer klärt
das auf? So mag
der Akoluth unter Musik und
Riten
hinfallen auf sein Angesicht
verstört,
und wie er dann vom Chor das
Amen hört,
unfähig, seinen Sinnen zu
gebieten,
hör ich bestürzt und zweifelnd
deinen Schwur,
wenn du nicht da bist, Liebst
du? War es nur
in meinem Traum, wo diese
Herrlichkeit
mit überwand, mein liebstes
Traumbild weit
über mein Schaun erweiternd?
Kehrt sie wieder
und fällt wie diese Tränen
greifbar nieder?
XXXI.
Du kommst. Und alles klärt
sich ohne Wort.
Ich sitz in deinem Blick: in
Mittagssonne
sitzen die Kinder so, und
immerfort
bricht unerschöpflich
unbewußte Wonne
aus ihren Lidern, welche
zittern. Sieh,
mein letzter Zweifel irrte.
Ich beweine
nur seinen Anlaß. denn wir
sollten nie
so auseinanderstehen, daß der
eine
dem andern nicht mehr
beisteht. Bleib ganz dicht,
Hilfreicher. Siehst du meine
Angst sich heben,
so stelle hell dein breites
herz um sie.
Laß aus dem Himmel deiner
schwingen nicht
meine Gedanken; draußen sind
sie wie
verlorne Vögel hilflos
preisgegeben.
XXXII.
Am ersten Tag in deiner Liebe
sah
ich bang dem Mond entgegen,
weil ich meinte,
er würde unaufhaltsam dieses
da
auflösen, das zu rasch und
früh Vereinte.
Wer rasch im Lieben ist,
schätzt rasch gering,
und was mich selbst betraf:
ich war kein Ding
für solchen Mannes Liebe. –
Wer vermiede
nicht eine Geige, welche
seinem Liede
nur Schaden tut: wer legte sie
nicht hin
beim ersten Mißton? Ach, ich
hatte recht
für mich und für mein Herz,
doch nicht für deines.
Ist auch ein Instrument
verbraucht und schlecht:
für einen Meister ist Musik
darin, -
Handeln und Lieben ist den
Großen eines.
XXXIII.
Nenn mich, wie sie als Kind
mich riefen: ja.
Wie war das selig: diesem
Namen nah sein;
vom Blumensuchen ließ ich dann
und sah
in einem Angesicht mein ganzes
Dasein
zärtlich gespiegelt. Wie
vermiß ich sie,
diese geliebten Stimmen, die
mich nie
mehr rufen, mit den Himmeln
sich verklärend
seit jenem Schweigen auf der
Bahre, während
mir zufiel, Gott zu rufen. –
Deinen Mund,
laß ihn den Erben sein der
Abgelebten.
Nimm kleine Blumen zu den
südlich reichen
und frühe Liebe in die späte,
und
dann ruf mich so: ich werde
mit dem gleichen
Herzen dir Antwort geben, dem
durchbebten.
XXXIV.
Versprach ich gleichen Herzens
dir und ihnen
Antwort zu geben, angerufen -:
Ach,
ist es das gleiche noch: bei
diesem Dienen
im kriegerischen Leben nach
und nach
verwildert? Früher ließ ich,
wenn man rief,
die Blumen liegen und das
Spiel und lief
antwortend mit dem Lächeln
meines Spieles,
und selbst im hastigen
Gehorchen fiel es
nicht von mir ab. Antwort ich
jetzt, so reiße
ich aus Gedanken mich, die
einsam sind.
Mein Herz geht hin zu dir
nicht wie zu einem,
nein, wie zu allem, was ich
Güte heiße;
leg deine Hand ihm auf. Es
kann kein Kind
gelaufen kommen wie mein Blut
zu deinem.
XXXV.
Und wenn ich alles für dich lasse:
kannst
du alles werden? Hab ich dir
verglichen
Gespräch und Segen und den
heimatlichen
für alle gleichen Abendkuß?
Umspannst
du mich mit Fremdem? Soll in
diesen Mauern
ich andere, verlaßne, nie
betrauern?
Und hast du irgend zärtlichen
Ersatz
für Augen Toter, die an ihrem
Platz
festhalten? Besser ist es,
Schmerzen mit
der Liebe zu erringen; denn
der Schmerz
umfaßt sich selber und die
Liebe, - beides.
Ach, ich bin schwer zu lieben:
denn ich litt.
Willst du es trotzdem? So tu
auf und leid es,
daß deine Taube flüchtet in
dein Herz.
XXXVI.
Da diese liebe anfing, wars
gewagt,
mit Marmor drauf zu bauen;
denn sie hing
im Schwingen zwischen Schmerz
und Schmerz. Ich ging,
als wäre mir die Zukunft
untersagt,
mißtrauisch weiter als die
schreckhaft Scheue,
die auch nicht einen Finger
aufstützt. Wenn
ich jetzt auch ruhig bin und
stark, - will denn
Gott nicht, daß meine Angst
sich stets erneue ...
O Liebe, - Treue ... diese
Angst: daß Hand
aus Hand sich löste, daß ein
Kuß vom Rand
der Lippen fiele, kühl und ungenommen.
Sei Liebe, Täuschung, die
vorübergeht, -
kann deinetwegen etwas nicht
mehr kommen,
was ihm als Freude in den
Sternen steht
XXXVII.
Verzeih, verzeih,daß meine
Seele sich
vermaß, von all der Gnade, die
du bist,
ein Bild zu machen, das so
brüchig ist
und nichts als Sand und Sand.
Es haben mich
die harten Jahre vor die Stirn
geschlagen
(vergangne Jahre, die du nicht
gekrönt)
und haben mein verwirrtes Hirn
gewöhnt,
Zweifel und Angst so lange zu
ertragen,
daß deiner Liebe köstlicher
Kontur
ihm anders nicht gelingt als
halbentstellt.
So kann ein Heide nach dem
Schiffbruch nur
den Rettenden, den Herrn der
Wogenwelt
sich formen als unförmlichen
Delphin;
und so, am Tempeltor, verehrt
er ihn.
XXXVIII.
Sein erster Kuß berührte nur
die Finger,
womit ich schreibe: wie sie
seither leben
geweiht und weiß, unfähig zu
geringer
Begrüßung, doch bereit, den
Wink zu geben,
wenn Engel sprechen. Und es
könnte nicht
ein Amethyst sichtbarer sein
im Tragen
als dieser Kuß. Der zweite,
zum Gesicht
aufsteigend, blieb, wo meine
Haare lagen,
verloren liegen. Unwert der
Verwöhnung,
empfing ich seine Salbung vor
der Krönung.
Doch feierlich wie im
Zeremonial
ward mir der dritte auf den
Mund gelegt
in Purpur, und seitdem sag ich
bewegt:
O mein Geliebter, - stolz mit
einem Mal.
XXXIX.
Weil du die Macht hast und die
Gnade, hinter
die Maske hinzuschauen und
durch sie
(die still verblich im Regen
vieler Winter)
und meiner Seele Antlitz
findest, wie
es dieses Lebens Wettlauf müd
begleitet, -
weil du, vom Glauben liebevoll
geleitet,
auch noch durch dieser Seele
Lethargie
hindurch den Engel siehst:
geduldig, nie
an neuen Himmeln zweifelnd, -
weil nicht leicht
Elend und Gottes Zorn und
Nachbarschaft
des Todes und was sonst die
andern schreckt
und was man, müde, in sich
selbst entdeckt, -
dich irgend abstößt: ... lehre
mich die Kraft
zur Dankbarkeit, die deiner
Güte gleicht.
XL.
O ja: die Liebe ist ringsum im
Gange;
ich will nicht schmähen, denn
sie lassens gelten.
Mir redete sie schon sehr früh
nicht selten
und auch seitdem, - es ist
noch nicht so lange,
daß ich den Duft nicht spürte.
Moslemin
werfen ihr Tuch nach einem
Lächeln, ohne
daß sie ein Weinen rührt. Dem
Riesen schien
die nasse Nuß an seines Zahnes
Krone
ein wenig abzugleiten: nicht
so weit
hat sich die Liebe manchmal
umgewendet
und ist schon Haß oder
Vergessen. Freilich,
Geliebter, du liebst anders,
nicht so eilig,
du wartest ab, daß Leid und
Siechtum endet,
und hast für Seelen, die sich
finden, Zeit.
XLI.
Ich dank es allen, die mich
liebten je
in ihrem Herzen – mit dem
meinen. Dank
jedem, der stehn blieb, wenn
ihm der Gesang
aus meinen Kerkermauern schön
schien, eh
er über ihn hinaus dem Tagwerk
zu
oder zum Tempel weiterging.
Doch du,
der weil da meine Stimme
schluchzend fiel,
um ihretwillen nur, ein
Saitenspiel
von solcher Hoheit sinken
ließ, um das
zu hören, was ich zwischen
Tränen sage, ...
lehr mich dir danken. In die
fernsten Tage
ergösse gern sich meiner Seele
Süße,
daß sie von dort, was ohne
Unterlaß
vorüberfließt, mit ihrem
Dauern grüße.
XLII.
Nicht eine Reinschrift von
Gewesenem wird
mir meine Zukunft sein, so
schrieb ich, glaubend,
der Engel stünde da, mir dies
erlaubend
durch sein zu Gott unendlich
unbeirrt
gewandtes Antlitz. Aber
schließlich wandte
ich mich und fand an deiner
Stelle dich,
der Umgang hat mit Engeln.
Plötzlich wich
Siechtum von mir, da ich den
Trost erkannte;
mein Pilgerstab schlug aus in
deinem Blick
und stand in Morgentau. Und
mein Geschick
wird künftig nicht des alten
Abschrift werden:
laß das zerlesne Buch, das
mich betrifft,
und schreib mir meiner Zukunft
Überschrift,
mein neuer Engel, unverhofft
auf Erden.
XLIII.
Wie ich dich liebe? Laß mich
zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so
hoch, so weit,
als meine Seele blindlings
reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die
Ewigkeit.
Ich liebe dich bis zu dem
stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im
Lampenschein
oder in Sonn. Frei, im Recht,
und rein
wie jene, die vom Ruhm sich
abgewandt.
Mit aller Leidenschaft der
Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft,
die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr
geliebt.
Mit allem Lächeln, aller
Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott
es gibt,
will ich dich besser lieben
nach dem Tod.
XLIV.
Du hast gewußt mir, mein
Geliebter, immer
zu allen Zeiten Blumen
herzulegen;
als brauchten sie nicht Sonne
und nicht Regen,
gediehen sie in meinem engen
Zimmer.
Nun laß mich dir unter dem
gleichen Zeichen
die hier erwachsenen Gedanken
reichen,
die ich in meines Herzens
Jahreszeiten
aufzog und Pflückte. In den
Beeten streiten
Unkraut und Raute. Du hast
viel zu jäten;
doch hier ist Efeu, hier sind
wilde Rosen.
Nimm sie, wie ich die deinen
nahm, als bäten
sie dich, in deine Augen sie
zu schließen.
Und sage deiner Seele, daß die
losen
in meiner Seele ihre Wurzeln
ließen.