1564 – 1616 England
In Übersetzungen von:
Johann Gottlob Regis
aus: „Der verliebte Pilger“
I.
Wenn
Liebchen spricht, daß nie ihr Herz erkalte,
So
glaub ich ihr, wenn sie es schon erfand;
Damit sie
mich für einen Neuling halte,
Mit
Listen dieser Welt noch unbekannt.
So,
irrig wähnend, daß sie jung mich wähne,
Wiewohl
sie weiß, mein Frühling ist dahin,
Leugn’
ich’s ihr nicht in ihre falschen Zähne,
Und
beidersetis verbirgt sich wahrer Sinn.
Doch
warum sagt sie nicht, daß sie nicht treu?
Warum
nicht ich, daß ich einst jung gewesen?
O,
Amors Lieblingslust ist Heuchelei,
Und
Lieb’ in Jahren mag nicht Jahreszahlen lesen.
Darum
belüg’ ich, belügt sie mich,
Und
unsre Lügensünden schmeicheln sich.
II.
Zwei
Flammen hab ich, die im Doppelbann,
Wie
Geister, zwischen Trost und Qual mich lassen darben:
Der
beßre Engel ist ein schöner Mann,
Der
schlimmre Geist ein ein Weib von bösen Farben.
Mein
weiblich Unheil, bald dem Pfuhl nich zu gesellen,
Lockt
meinen guten Engel von mir fort:
Zum
Teufel möchte sie den Heiligen entstellen;
Dem
Reinen kost ihr falsches Schmeichelwort.
Und,
ob mein Engel nun schon eingefeindet,
Besorg’
ich; - zwar nicht völlig ist’s bekannt; -
Doch,
da mich beide flieh’n und beide sich befreundet,
Fürcht
ich, ein Engel ward des andern Höllenbrand.
Und
wie es steh’, ich kann es nicht vermuten,
Als
bis mein böser Geist verschlingt den Guten.
III.
Hat
deiner Augen Himmelsredemacht,
Die
keine Welt bestreiten wird mit Gründen,
Mein Herz
zu diesem Meineid nicht gebracht?
Um
dich gebrochne Schwüre sind nicht Sünden.
Ein
Weib verschwur ich; aber daß ich nicht
Dich
Göttin drum verschwur, will ich beschwören.
Mein
Eid war irdisch, du mein himmlisch Licht.
Von
aller Schuld befreit mich dein Erhören.
Mein
Eid war Hauch; Hauch ist ein Dunst: so saugest
Du
schöne Sonne meiner Erdenbahn
Dies
dunstige gelübd’ in dich, verhauchest,
Zerreißest
es; ich hab’ nicht Teil daran.
Und
hätt ich’s auch gebrochen, welcher Tor
Zög
einen Schwur dem Paradiese vor?
IV.
An
einem Bache saß die reizende Cythere,
Von
ihrem jungen Freund Adonis hoch entzückt.
Mit
manchem süßen Blick liebäugelt ihm die Hehre,
Mit
Blicken wie nur sie, der Schönheit Fürstin, blickt.
Dem
Ohr zur Lust erzählt sie Märlein ihm,
Zeigt
Liebliches, die Augen zu versuchen;
Berührt
ihn hie und da, sein Herz an sich zu ziehn:
So
schmeichelndes Getast wird oft das Grab der Tugend. –
Doch,
ob den frühen Jahren Sinn gebricht,
Ob er
verschmähet ihr verblümtes Deuten,
Der
junge Gründling schluckt den Hamen nicht,
Und
lacht und spottet aller Artigkeiten.
Da
fiel die gnäd’ge Göttin rücklings hin:
Und er
sprang auf und lief. O Eigensinn!
V.
Lehrt
Liebe Meineid mich, wie soll ich Liebe schwören?
O
Schönheit, sie allein hält Liebestreu im Flor!
Wie
auch mir selber falsch, treu will ich dir gehören.
Dies
Wort, mir eichenfest, scheint dir ein schwankes Rohr.
Betrachtung
läßt ihr Buch und forscht in deinen Augen,
Wo
alle Wonne lebt, die nur die Kunst erschleußt.
Ist
Kenntnis Ziel, du kannst statt aller Kenntnis taugen:
Am
weitesten der Mund, der dich am besten preist.
Wer
ungerührt dich säh, die rohste Seele hätt’ er.
Daß du
ein Wunder mir, kommt meinem Ruf zu gut.
Dein
Aug ist Jovis Blitz, dein Laut sein drohend Wetter;
Doch, ohne
Zorn, Musik und sanfte Lebensglut.
O
himmlisch wie du bist, verleugne dich nicht so,
Und
singe Himmels Lob so irdisch rauh und roh.
VI.
Kaum
war der Tau vom Frühlicht aufgetrunken,
Kaum
ruht die Herd’ umzäunt im Schattendach,
Als
Cypria, in Liebe ganz versunken,
Voll
Sehnsucht des Adonis harrt’ am Bach,
Bei
einem Weidenbaum. Adonis war
Im
Bach gewohnt sein Feuer abzukühlen.
Heiß
schien die Sonne, heißer noch fürwahr
Die
seiner harrt’; oft pflegt’ er dort zu spielen.
Und
sieh! er kommt, und wirft den Mantel ab,
Steht
mutternackt auf grünem Wiesenplan.
Mit
Herrscheraugen blickt die Sonn’ herab;
Noch
brünstiger blickt ihn die Göttin an.
Kaum
sah er sie, sprang er hinab. Sie sprach:
„O
Jupiter! O wär’ ich doch der Bach!“
VIII.
Stehn sich
Musik und holde Poesie
Wie
Schwester und wie Bruder gern zur Seite;
Dann
sind wir eins, dann trennen wir uns nie,
Weil
du die eine liebst, und ich die zweite.
Dein
Freund ist Dowland, der zu Hochgewinne
Mit
Lautenspiel das Ohr in Zauber taucht;
Der meine
Spenser, der mit tiefem Sinne
Den
Sinn bemeisternd keinen Anwalt braucht.
Dich
lockt der süße Klang, wenn Phöbus’ Laute,
Der
Töne Königin, die Herzen zähmt;
Und
mich entzückt vor andern, wenn der Traute
Mit
eignem Mund zu singen sich bequemt.
Ein Gott
ist beider Gott, wie Dichter zeugen:
Ein
Mann liebt beid’ und beide sind dein eigen.
XI.
Die
schöne Venus unter Myrthenzweigen
Saß
kosend bei Adonis; sie erzählt,
Wie
sich der wilde Mars tät zu ihr neigen,
Sie
stellt ihm nach, wie er ihr nachgestellt.
„So“,
sagte sie, „so pflegt’ er mich zu küssen“,
Und
damit schlang sie ihre Arme um ihn.
„So
hat er oft den Gürtel mir entrissen“,
Als
sollt er gleichen Liebesdienst vollziehn.
„So
drückt’ er seine Lippen mir auf meine“,
Denselben
Druck gibt sie den seinigen.
Und
wie sie Odem schöpft, entspringt der Kleine;
Vom
ihren Wünschen will er nichts verstehn. –
O wenn
doch Liebchen mich zu solcher Pein berief,
Daß
sie mich herzt’ und küßte, bis ich lief!