Francesco Petrarca

1304 – 1374           Italien

 

 

In Übersetzungen von

J. Kohler

 

 

 

Die ihr vernahmt der flücht'gen Reime Klang,
Die Seufzer meiner Jugend und die Fragen,
Die ich gehegt in jenen bangen Tagen:
Als wilder pochte meines Herzens Drang:

 

Erkennt ihr in dem Wahn, der mich umschlang,
In Schmerz und Weh der Liebe bittre Plagen,
Ihr spendet wohl Verzeihung meinen Klagen,
Ihr spendet Mitgefühl dem ernsten Sang.

 

Dem Volksgerede ward ich oft zum Spiel:
Man wies auf mich, darum in manchen Stunden
Mich stilles Leid und bittre Qual befiel.

 

So hab ich Scham und Reue tief empfunden;
Zu spät erkenn ich an des Lebens Saum:
Was unsrer Zeit gefällt, ist kurzer Traum.

 

 

 

 

Gott Eros nahm von neuem seinen Bogen,
Auf Rache sinnend, weil ich tausendfach
Entgangen seinem Leid und Ungemach;
So kam er kriegsbereit herangezogen.

 

Und diesmal ward ich um mein Heil betrogen;
Mich wehren wollt ich, hielt die Kräfte wach:
Vergeblich doch war Schild und schirmend Dach,
Schnell kam der Pfeil in meine Brust geflogen.

 

Er traf mein Herz; mir fehlte Zeit und Kraft,
Zu helfen und mein tiefes Weh zu heilen;
O käm ein Dämon, der mir Rettung schafft!

 

Gern möcht ich diesem Zauberbann enteilen, -
Doch nimmer giebt es eine Wiederkehr;
Zu spät - die Wunde brennt und heilt nicht mehr.

 

 

 

 

Charfreitag war's, verhängt der Kirche Mauer,
Und schweigend ruhte ringsum Feld und Flur;
Ich ahnte nichts - da folgte meiner Spur
Der holden Augen tiefgeheimer Schauer.

 

Nicht war ich damals ängstlich auf der Lauer,
Denn meinem Heiland wollt' ich dienen nur;
So kam's, - ein Blick durch meine Seele fuhr:
Es war der Anfang meiner Lebenstrauer.

 

Ganz ungewappnet, nimmer vorbereitet
Traf mich der Pfeil; nicht gross ist dessen Kunst,
Der ihn zur ungeschützten Brust geleitet!

 

Und Thränen brechen nun in heisser Brunst
Aus meiner Seele leiderfüllten Pforten.
War's wohl ein Ruhm, mich unbewehrt zu morden?

 

 

 

Der Herr, der hoheitsvoll die Welt gestaltet,
Voll Kunst gebildet beide Hemisphären
Und die Planeten, die sich ständig jähren, -
Der Geist, der über allen Welten schaltet,

 

Stieg mild herab; er hat die Schrift entfaltet,
Erfüllt des altes Bundes heiss' Begehren;
Er wusste schlichte Menschen zu verklären
Und schuf die Kirche, die auf Erden waltet.

 

Nicht ward in Rom der Welten Herr geboren:
In Juda's kleinem Flecken er erstand,
Und Niedrigkeit hat er sich selbst erkoren.

 

Ein kleiner Flecken auch im weiten Land
Gebar die schönste Frau, ob deren Spur
Im Jubel glänzt die sonnige Natur.

 

 

 

 

Lauretta, soll ich preisen Deinen Namen,
Den, hochgeweiht, ins Herz mir eingeschrieben
Ein Gott? den Namen, dessen Klang geblieben,
Indessen Stunden gingen, Stunden kamen?

 

Und taucht Dein Bild aus meines Herzens Rahmen
Hervor, verdoppelt sich mein heißes Lieben;
Doch all mein Streben hat die Furcht vertrieben:
"Lass den Versuch", so klingt's wie End und Amen.

 

"Lass den Versuch, die hohe Frau zu preisen!
Ein andrer mag es wohl mit seinem Liede,
Dem grössre Kräfte seine Bahnen weisen."

 

Ob nicht Apoll auch ihm den Sang verbiete?
Er mag wohl andrer Lieder sich befleissen:
Vor  i h r e r  Hoheit wird das Wort zur Niete.

 

 

 

 

Nach ihr treibt mich ein jugendtoll Bestreben;
Doch schnell entflieht sie meinen schweren Schritten,
Beschwingt, in flüchtig freien Elfenschritten:
Vergeblich meines Herzens Seufzer schweben!

 

Und treffen wir im viel verschlungnen Leben
Uns auf gebahnter Strasse, meinen Bitten
Ist taub die Holde, und was ich gelitten,
Gilt nichts, - sie weist zurück mein glühend Beben.

 

Des Lebens Zügel fasst sie mir; verloren
Sind jene Tage, die das Sein beglücken:
Dem bittren Tode bin ich auserkoren.

 

Den Lorbeer wohl vermag ich mir zu pflücken;
Doch wisst: nicht heilen kann uns seine Frucht;
Nur doppelt leidet, wer von ihr versucht.

 

 

 

 

Genusssucht, Schlaf, der Tage träg Verbringen
Hat alle Tugend aus der Welt getrieben;
Die Tüchtigkeit gebricht, kein grosses Lieben
Gilt mehr, nur niedrer Brauch in allen Dingen.

 

Und karg gewährt der Himmel seine Schwingen:
Nur selten wird ein großes Wort geschrieben;
Ein seltner Gast, wer auf den Höh'n geblieben,
Wo Himmelslieder göttlich uns umklingen!

 

"Was soll der Lorbeer und was soll die Myrte)
Was soll die Weisheit, die den Mann nicht nährt?"
So höhnt die Welt voll frevelnder Begierde.

 

Verfolgst du eine Bahn, die niemand fährt,
Nur um so straffer sei dein hehres Streben!
Sinds wen'ge nur, muss  e i n e r  vieles geben.

 

 

 

 

Am Hügel, wo einst jene Frau geboren
Und mit der Erdenhülle ward umfahn,
Dort flogen wir in unsres Lebens Wahn,
Bis er uns zum Geschenke hat erkoren!

 

Doch wenn wir Vögel unser Heil verloren,
Noch schlimmer ist  s e i n  Loos; denn niemals nahn
Die Zauber, die er sucht auf dunkler Bahn,
Und alle Lebensfreude flieht den Thoren.

 

Wie froh, wie selig schweiften wir, nichts ahnend,
In heitern Lüften, keines Leids bewusst;
Doch aus dem Käfig rufen wir ihm mahnend:

 

"Die eine süsse Rache ist uns Lust:
Mit dreifach stärkrem Band bist Du gebunden;
Dein Herz ist krank und tot durch Liebeswunden!"

 

 

 

 

Wenn das Gestirn, das leuchtend Tag und Stunde
Verkündet, Strahlen aus dem Zauberhorne
Ergiesst, dann sättigt sich am Himmelsborne
Im Frühlingsblütenkranz der Erde Runde.

 

Nicht nur ihr äussres Kleid giebt frohe Kunde,
Der Bach, der See, die Blüte rings am Dorne;
Nein, auch im dunklen Innern, fast im Zorne,
Regt sich der Erde tief verborgne Wunde;

 

Dass sie empfange ihrer Sonne Gabe,
Befruchtet werde von des Himmels Zierde! - -
So weckt  i h r  Auge mich aus tiefem Grabe;

 

Es rührt in mir die wonnige Begierde
Und der Gedanken sehnend wildes Heer;
Doch aus dem Herzen keimt kein Frühling mehr.

 

 

 

Colonna, uns zu Stütz und Stab erkoren!
Glorreich Geschlecht, das den Latinernamen
Geziert und von des Papstes Fluch und Amen
Nicht ward geschmälert, - Haus zum Heil geboren!

 

Nicht sind Paläste hier mit Sims und Thoren,
Doch sanfte Felder mit des Frühlings Samen;
Der Buchen und der Fichten ernster Rahmen
Umgibt die Auen still und traumverloren.

 

Hier schweben aufwärts unsre Lebensgeister,
Und still im Dämmerdunkel rührt die Brust
Die Nachtigall, der Sänge höchster Meister.

 

Da wall' ich in der Sehnsucht stiller Lust.
O komm, Colonna, und geniess die Wonne,
Die unser lacht am Ufer der Garonne.

 

 

 

Wenn noch das Herz in meinen düstern Lenzen
Sich aufrecht hält, indess die Tage weichen,
Und wenn ich schauen muss, wie leise bleichen
Die Haare dein, die hell im Golde glänzen,

 

Dein Aug ermattet und nicht mehr in Kränzen
Du blühend strahlst, wenn bange dich umschleichen,
Den Mund umspielend, unsres Alters Zeichen,
Die Zauber löschend, die dein Sein umlenzen:

 

Dann möcht ich dir eröffnen die Gefühle
Und das Martyrium meines ganzen Lebens:
Wie meine Stunden flohn im Leidgewühle.

 

Und wünsche ich auch dieses noch vergebens,
Ein Seufzer giebt vielleicht aus deinem Munde
Von tief verborgner Liebe bange Kunde.

 

 

 

 

Wenn sie erstrahlt inmitten andrer Frauen,
Ein jeder Stern ob dieser Sonne schwindet:
Denn nirgends Laura ihresgleichen findet;
Drum blick ich kühn empor mit stolzen Brauen,

 

Die Stunde segnend voll erhab'nem Grauen,
Da ich sie sah; und mein Gemüt empfindet
Den Zauber, der mein Leben hell umwindet,
Weil ich gewürdigt ward, sie einst zu schauen.

 

Durch sie erwachte mir der Trieb zum grossen!
Sie hob mich aus dem irdischen Getriebe
Und weihte mich zu hehren Dichterlosen!

 

Sie spendete die einzig wahre Liebe:
Die Kraft, zum ewig Schönen aufzustreben; -
So durft auf Erden ich im Himmel leben!